Bogota (Kolumbien

Seit wir unterwegs sind, nutzen wir zur Planung die hilfreiche App Rome2rio. So auch dieses Mal, wo wir von Guatapé nach Bogota fahren wollen. Wir bekommen die Information, dass wir mit einem Taxi 30 Kilometer bis Granada fahren müssen, ein Bus fährt von dort in 4,5 Stunden nach Bogota. Am Fahrkartenschalter der Bushaltestelle in Guatapé erstauntes Kopfschütteln, von Granada nach Bogota, unmöglich. Wir müssen zurück nach Medellin (2 bis 4,5 Stunden) und von dort mit mehreren Bussen (angegebene Zeit 7 bis 11 Stunden + Zugabe) nach Bogota. Das macht in diesem Land niemand, der seine fünf Sinne beisammen hat. Die meisten Menschen fliegen. Immer noch nicht überzeugt schreibe ich an die Busgesellschaft und erfahre, dass man uns am Busbahnhof die richtige Auskunft gegeben hat. Von Granada im Departement Meta fährt der Bus nach Bogota, aber nicht von Granada in Antioquia, wo wir uns gerade befinden. Wir entschließen uns ebenfalls zu fliegen. VivaAir ist auf den erste Blick der günstigste Anbieter. Knapp 25 € kostet das Ticket pro Person, allerdings ohne Gepäck, das kostet extra.

Am nächsten Morgen geht es per Bus Richtung Medellin, wir sollen in Guarne aussteigen und per Taxi bis zum Flughafen fahren, das sei die kürzeste und preisgünstigste Lösung. Allein der Busfahrer macht keine Anstalten anzuhalten. Erst nach lauten Rufen fährt er an die Seite und gibt auch unsere Koffer heraus. Ein Taxi ist weit und breit nicht zu sehen. Nach hundert Metern kommen wir an einem Hotel vorbei und entschließen uns, hier nach einem Taxi zu fragen. Die junge Dame an der Rezeption bittet uns sofort herein und bietet uns frischen Kaffee und kalte Getränke an, während wir auf das bestellte Taxi warten. Zum Abschied werde ich herzlich umarmt und sie versichert uns, es sei eine Freude für sie gewesen, uns helfen zu dürfen.

Zwanzig Minuten später sind wir am Flughafen. In der Abflughalle stehen Automaten für den Check-In bereit. Jede Gesellschaft ist hier zu finden, nur nicht VivaAir. Am Schalter erklärt uns die unfreundliche Bodenstewardess, dass wir für den Ausdruck der Bordkarte 10 € pro Person zu bezahlen haben. Wir ärgern uns grün, 20 € für zwei lappige Papierstreifen. Dann will sie allen Ernstes noch Gebühren für die kleine Gitarre, die Klaus seit Bali an seinem Rucksack trägt, und die mit uns kostenlos schon um die halbe Welt geflogen ist. Dieses Mal weigern wir uns, und auch noch ein zweites Mal beim Boarding, wo eine Kollegin von ihr noch einmal jedes Gepäckstück der Reisenden in Augenschein nimmt. Eins steht fest: „Niemals mehr VivaAir!“

Kaum haben wir die Flughöhe erreicht, beginnt auch schon der Sinkflug und wir landen pünktlich in Bogota. Unsere Mitreisenden ziehen noch im Flugzeug Winterjacken an. Bogota liegt noch einmal 1150 Meter höher als Medellin (1500 m), und die Temperatur ist etliche Grad kälter. Da sind wir doch weniger kälteempfindlich und trauen uns bei 17 Grad im T-Shirt nach draußen.

Unser gebuchtes Hotel liegt im Altstadtviertel Candelaria, im Südosten der 9 Millionen-Stadt. Die numerischen Straßenbezeichnungen sind so wenig eindeutig, das der Taxifahrer den Weg erst findet, als Klaus ihn per Handy durch die Straßen navigiert.

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Candelaria ist schon bergig, aber direkt dahinter ragen die Felsen des Cerro de Monserrate bis auf 3.153 Meter steil in die Höhe.

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Auf dem Gipfel steht ein Kloster, das man per Seil- oder Standseilbahn – sportliche oder pilgernde Menschen laufen bergauf – erreichen kann. Das würde mir nicht im Traum einfallen, aber die Seilbahn ist schon ein Überlegung wert, vor allem weil man von oben einen Blick auf die unglaublich steile Standseilbahn Schweizer Bauart mit einer Steigung zwischen 39 und 80,5 % hat. Doch zuerst bleiben wir mal auf dem Boden.

Am nächsten Tag machen wir einen Besuch im Goldmuseum. In vielen Ländern gibt es Museen, die dem Edelmetall gewidmet sind, doch das von Bogota soll mit 55.000 Ausstellungsstücken die umfangreichste Sammlung haben. Deshalb haben wir in San José/Costa Rica auch auf den Besuch des dortigen Goldmuseums verzichtet.

Das Mueso del Oro wurde 1939 von der kolumbianischen Staatsbank gegründet, um das archäologische Erbe des Staates zu schützen. Der Eintrittspreis ist mit 8.000 COP (2,15 €) ausgesprochen niedrig. Wir leihen uns noch zwei Audioguides, die in englischer Sprache Erläuterungen zu den verschiedenen Objekten geben. Gezeigt werden auch Stücke aus Silber, Kupfer und Platin und nichtmetallische Gegenstände. Außerdem erfährt man etwas über die Herstellung der ausgestellten Stücke

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Wir sehen aus Gold gearbeitete winzig kleine und ziemlich große Gegenstände. Hals-, Kopf- und Ohrschmuck, Ziernadeln, Brustplatten und Armreifen, fantastische Masken und Gegenstände, die Schamanen für rituelle Zeremonien verwendet haben, z.B. Behälter für Rauschmittel. Das Prunkstück der Ausstellung ist ein kleines filigran gearbeitetes Floß mit Figuren. Wenn man darüber nachdenkt, dass die spanischen Eroberer tonnenweise Goldschätze geraubt und sie später in ihrer Heimat eingeschmolzen haben, könnte man weinen.

Im Museums-Café wird nur Kaffee von einer einzigen Farm angeboten. Man wählt aus verschiedenen Röststufen aus und die Zeremonie beginnt auf dem Tisch mit einer speziellen Kanne. Eindrucksvoll, aber das Ergebnis sieht nach Blümchenkaffee aus. Total überrascht stellen wir fest, dass man von der Farbe nicht auf den Geschmack schließen darf.

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Direkt gegenüber vom Museum steht die von außen unscheinbare Kirche, Iglesia de San Francisco, die zwischen 1557 und 1621 erbaut wurde. Die Überraschung wartet im Inneren. Der Altarraum ist so überreich mit Gold ausgestaltet, dass das Goldmuseum dagegen verblasst. Fotografieren ist leider verboten.

In der Fußgängerzone gibt es immer was zu sehen, Musiker, Verkäufer, Geschäfte, man weiß überhaupt nicht, wohin man zuerst schauen soll. Unter all dem Schauen erreichen wir die riesige Plaza de Bolivar, das Herz Candelarias mit dem Standbild des Nationalhelden Simon de Bolivar.

Taubenschwärme laufen hier herum und erheben sich nur widerwillig in die Luft, wenn man zwischen ihnen hindurch läuft. Alle machen einen gut genährten Eindruck und die Einheimischen kaufen auch fleißig Futter, damit es den Tierchen an nichts mangelt. Rund um den Platz liegen die Kathedrale, der  Justiz-Palast, das Nationalkapitol und das Rathaus. Ein Serie von Aufstellbildern zeigt, wie sich Bogota in den nächsten Jahren entwickeln soll.

Mit der Transmillenio, einer Buslinie deren Fahrzeuge auf einer eigenen Spur fahren, gibt es schon ein fortschrittliches Transportmittel für die Allgemeinheit, das auch sehr stark frequentiert wird. Es soll aber noch eine Metro nach dem Vorbild Medellins hinzukommen. Das Verkehrsaufkommen in dieser Stadt ist auch wirklich unglaublich. Obwohl die lange Nord-Süd-Verbindung 10-spurig ist, reicht es nicht aus, um fließenden Verkehr zu gewährleisten. Allein die Anzahl der Taxen in der Stadt. Die gelben Autos – oft gasbetrieben – fallen überall auf. Die überwiegende Mehrzahl der Pkws ist japanischer, koreanischer oder amerikanischer Herkunft. Renault ist die einzige europäische Marke, die stark vertreten ist. Hauptsächlich sieht man die Modelle, die bei uns unter der Marke Dacia vertrieben werden. Diese Fahrzeuge werden in Kolumbien gefertigt. Aber auch uns unbekannte Modelle aus China und Indien rollen über die Straßen.

Jeden Morgen erfreuen wir uns an den Bildern im Treppenhaus unseres Hotels, die die heimische Tierwelt zeigen. Einige sind erst mit Bleistift auf der weißen Wand skizziert, und als wir sehen, dass das Faultier gestern fertiggestellt wurde, ist unsere Freude groß. Wir fragen nach dem Künstler und erfahren, dass er auch für viele Bilder an den Fassaden der Altstadt verantwortlich ist.

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So eingestimmt, wollen wir heute noch einmal Botero einen Besuch abstatten. In der Altstadt steht das Botero-Museum, in dem vom Künstler gestiftete Gemälde ausgestellt sind.

Wir entdecken außer seinen eigenen Bildern auch viele Werke bekannter europäischer Maler, Picasso, Pissaro, Renoir, Matisse, Nolde und Kokoschka, um nur einige zu nennen. Im begrünten Innenhof wachsen neben den vielen exotischen Pflanzen sogar Vergissmeinnicht.

Auf Empfehlung einer reiselustigen Bekannten besuchen wir noch das Museo Colonial. Eine Ausstellung mit Bildern und Skulpturen aus der Zeit der spanischen Eroberung in einem schönen Gebäude.

In der Calima Shopping Mall ist am Sonntag ein unglaublicher Betrieb. Wir können kaum glauben, dass vor den meisten Restaurants lange Menschenschlangen stehen, die geduldig warten, dass ein Tisch frei wird und sie irgendwann auch essen können. Das kann doch kein normaler Sonntag sein. Erst später lesen wir, dass heute Vatertag ist. Offenbar ziehen hier die Männer nicht mit alkoholischen Getränken los, sondern führen an dem Tag ihre Familie aus. Leider gibt es hier kein Restaurant der Crepes & Waffles Guppe. Wir haben schon öfter in einer der Filialen sehr gut gegessen. Das ist eine kolumbianische Erfolgsgeschichte. Zwei Studenten eröffneten 1980 in Bogota ein winziges Lokal im Stil einer französischen Creperie. Sie verwendeten von Anfang an nur erstklassige Zutaten. Das Konzept ging auf und heute existieren über 100 Filialen, davon 84 in Kolumbien. Die Kokos- und die Limetten-Minz-Limonaden haben Suchtpotential. Doch selbst wenn es hier ein Restaurant gäbe, kämen wir bei dem Andrang heute bestimmt nicht hinein. An einer kleinen Imbissbude bekommen wir etwas zu essen, ohne anstehen zu müssen. Eine Etage unter uns sitzen Menschen auf Sitzsäcken und Stühlen und verfolgen auf einer Großleinwand ein Fußballspiel.

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Viele Frauen in Kolumbien mögen ihre Kleidung hauteng. Jeans und Leggins müssen schon stabil gearbeitet sein, um jede Bewegung gefahrlos mitzumachen. Die knappen Oberteile entblößen mehr, als sie verhüllen, und als Kleid trägt Frau gern eine Art Körperstrumpf, gerade den Po bedeckend und bevorzugt in leuchtenden Farben. Eins wird uns dabei klar, sollte Botero vom Schaffensdrang übermannt werden, an Modellen herrscht kein Mangel.

Mit einem Besuch des Klosters auf dem Monserat wird es nun doch nichts mehr, aber vielleicht kommen wir ja irgendwann noch einmal hierher.

Stadtansichten

Amazonas 1- von Tabatinga nach Manaus (Brasilien)

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Obwohl Leticia (Kolumbien) und Tabatinga (Brasilien) zusammen eine 100.000 Einwohner starke Stadt bilden, muss man im brasilianischen Teil die Uhr eine Stunde vorstellen. Pünktlich um 9 Uhr sollen wir am Hafen sein, also müssen wir um 7.30 in Leticia abfahren. Wir haben es immer noch nicht gelernt, Zeitangaben sind nur die Möglichkeitsform. Natürlich sind wir die ersten Passagiere und es vergeht fast eine Stunde, bis nach und nach weitere Mitreisende eintreffen.

Unser Gepäck stellen wir nach Anweisung akkurat auf einen der gelben Streifen im gekennzeichneten Wartebereich für Alte (über 60), Behinderte, Schwangere und Mütter mit Kleinkindern (dieses Schild wird uns noch oft begegnen, an Supermarktkassen, an Busbahnhöfen – die Gnade der frühen Geburt). Am Schalter bekommen wir ein Armband umgeklebt, an der Farbe ist für die Schiffsbesatzung erkennbar, wie weit wir fahren. Später kommt die Erfassung im Polizeibüro, dann dürfen wir mit der ersten Gruppe gegen 11 Uhr zum Schiff. Doch davor haben etliche Polizisten Stellung bezogen und kontrollieren jedes Gepäckstück. Wir müssen die Koffer öffnen, die Rucksäcke werden ausgepackt, die Gitarre aus ihrer Hülle geholt, dann erst ist der Weg für uns frei. Gepäckträger stehen bereit, um die Waren ins Schiff zu bringen. Obwohl die Tarife auf einer Tafel stehen, versucht der Träger, von uns das Doppelte zu bekommen. Die Zahlmeisterin des Schiffes entscheidet: „20 Reales sind genug.“

Wir haben uns für eine Kabine entschieden, uns beiden tut schon nach zwei Stunden in der Hängematte das Kreuz weh, außerdem haben wir gern eine eigene Toilette. Die Stewardess begleitet uns zu unserer „Suite“ und stellt uns unsere persönliche Betreuerin vor. Den Luxus hatten wir nicht erwartet, erst kommen wir in einen Vorraum, in dem wir unser Gepäck aufbewahren können, ein Kühlschrank steht im Raum. Die Kabine hat ein bequemes Doppelbett, eine Klimaanlage, umlaufende Regale mit genügend Steckdosen. Rechts ist das Duschbad und geradeaus geht es auf unseren eigenen Balkon mit Tisch und Stühlen.

Während wir von dort aus beobachten, wie weitere Passagiere an Bord gehen und Waren verladen werden, bekommen wir bereits ein gehaltvolles Mittagessen serviert. Halb zwei legt das Schiff unter lauten Signaltönen ab, 1,5 Stunden nach der geplanten Abfahrtszeit. Für die Manöver steht ein kleines, stark motorisiertes Boot zur Verfügung, das das Schiff in die passende Richtung schiebt und drückt, wird es nicht gebraucht, wird es an der Schiffswand hochgezogen. Wir nennen den Winzling „Helferlein“.

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Im Unter- und Zwischendeck befestigen die Passagiere, die sich für die einfache Überfahrt entschieden haben, ihre Hängematten an den massiven Stahlrohren. Für sie gibt es große Dusch- und Waschräume und Toiletten. Überwiegend sind Einheimische unterwegs, Touristen bilden eine kleine Minderheit.

Unser Schiff fährt auf dem Rio Solimões – so heißt der Amazonas von hier bis Manaus-, der die Farbe von Tee mit Milch hat, stromabwärts mit 20 bis 23 Stundenkilometern. Wir befinden uns nicht auf einem Vergnügungsschiff (obwohl es für uns sehr vergnüglich ist), die Wasserstraße ist die einzige Verbindung zwischen den kleinen und großen Urwalddörfern und -städten.



An jedem Haltepunkt werden Waren verladen und steigen Menschen aus und ein. Das passiert auch um Mitternacht oder 4 Uhr morgens. Und jedesmal geht es laut zu, das Schiffshorn tutet, die Gangway rasselt, laute Kommandos werden gerufen, für uns eine spannende Unterhaltung. Wir stürzen immer auf unseren Balkon und sehen dem Gewusel zu. Manches Mal düst auch nur das Helferlein los, um ein oder zwei Passagiere ans Ufer zu bringen oder dort abzuholen.

Die Landschaft gleitet an uns vorüber und wir schauen uns an, wie die Menschen an diesem größten Flusssystem der Erde leben. Sehen die auf Stelzen oder Schwimmkörpern gebauten Häuser, beobachten wie kleine Boote hin- und herflitzen, blicken auf Kinder, die am Ufer spielen und ab und zu auf weidende Rinder. Dann wieder kilometerweit nichts als Urwald. Jeden Abend und jeden Morgen überqueren Papageien den Fluss. Sie sind wirklich die geschwätzigsten Vögel im Tierreich, sie können anscheinend keinen Meter fliegen, ohne sich zu unterhalten. Selbst wenn nur ein Pärchen das Schiff überquert, hört man sie laut plappern. Nach und nach gehen am Ufer die Lichter an. Es gibt in den meisten Orten Generatoren, denn ohne Strom funktionieren die riesigen Satellitenschüsseln neben vielen Häusern nicht.

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Die Zahlmeisterin schließt uns den Salon auf, ein großer Raum auf dem Oberdeck vorne im Schiff mit einem umlaufenden Balkon. Als wir das nächste Mal hineingehen wollen, ist er abgeschlossen. Sofort kommt die Dame und schließt wieder für uns auf. In unserer Abwesenheit war eine Mutter mit zwei Kindern aus der „dritten“ Klasse hier hereingekommen, erklärt sie uns. Die Kinder hopsten mit Schuhen auf den Polstermöbeln herum und rissen alle Schubladen auf. Das war bestimmt ein Riesenspaß für die Beiden.

Das Essen schmeckt, zwar gibt es kaum Gemüse, aber das Fleisch ist immer gut gewürzt, die Beilagen (Reis und Nudeln) dagegen salzlos. Am Freitag Morgen werden zwei große Fische aufs Schiff gebracht, mittags liegen Stücke davon zart und saftig ohne eine einzige Gräte auf unseren Tellern. So gut hat mir ein Süßwasserfisch noch nie geschmeckt.

Der Blick auf den Sternenhimmel ist in diesem dünn besiedelten Teil der Erde unglaublich schön, und wir sitzen so lange draußen, bis uns fast die Augen zufallen. Das Schiff fährt Tag und Nacht, in der Dunkelheit wird ein Suchscheinwerfer eingeschaltet.

Drei Tage und Nächte sind wir unterwegs, bevor wir nach Manaus kommen. Die Stadt liegt am Rio Negro, kurz vorher überfahren wir eine Stelle, wo er mit dem Rio Solimões zusammenfließt, ab hier heißt er dann Amazonas. Die Farben der beiden Gewässer – hier wie starker Kaffee, dort wie Tee mit Milch, verlaufen 11 Kilometer wie dem Lineal gezogen nebeneinander, bevor sie sich vermischen.

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Wir gleiten am langgezogenen Industriehafen mit Treibstofflagern vorbei, als vor uns einer der rosa Flussdelfine auftaucht. Es ist ein Jungtier, der Rücken noch grau, die Flosse bereits rosa. Eine Stunde später haben wir den Hafen erreicht und legen an.

Ein unglaubliches Gewimmel setzt ein, jeder kann an Bord des Schiffes kommen, sofern er es schafft, sich an den aussteigenden Passagieren vorbei zu quetschen. Unsere Stewardess will sich um einen Gepäckträger für uns kümmern, wir sollen nicht auf einen Abzocker hereinfallen.

Während ich noch mit Packen beschäftigt bin, verlässt Klaus mit irgendeinem Mann das Schiff, um Karten für die Weiterfahrt und eine SIM-Card zu besorgen. Eine Stunde später – alle Passagiere sind von Bord gegangen – beginne ich mich, zu sorgen. Nach einer weiteren halben Stunde hat sich mein Magen in einen Stein verwandelt und noch eine viertel Stunde später bin ich so außer mir, dass eine Horrorvision die andere ablöst: Im Urwald ausgesetzt, nachdem er unser Konto leeren musste, k.o. geschlagen und ausgeraubt, zu einem Paket verschnürt und in den Rio Negro geworfen (ich lese wohl zu viele Krimis). Als zwei Frauen der Besatzung kommen und das Wort „Esposo“ (= Ehemann) sagen, breche ich in Tränen aus. Sie umarmen mich, sprechen tröstend auf mich ein, holen mir was zu trinken und dann drückt mir die eine ihr Handy ans Ohr; am anderen Ende ist Klaus, er ist mit ihrem Mann unterwegs.  Ich lache und weine zugleich und bin unendlich erleichtert, dass alles in Ordnung ist. Als er endlich zurückkommt, gibt Klaus mir stolz das Ticket für unsere Weiterfahrt auf dem Amazonas. Der große unserem Schiff gegenüberliegende eiserne Katamaran hat ihm nicht gefallen, wir fahren mit einem kleineren Schiff. Bevor wir unser Schiff verlassen, müssen wir unbedingt noch mit der Mannschaft essen. Als Spezialität gibt es ein dunkel-lila Mus von Acai-Beeren, das sollen wir unbedingt probieren, erstens gibt es Kraft und ist natürlich noch potenzsteigernd. In Deutschland gehört es zum sogenannten Super-Food. Anschließend werden wir sogar noch zu unserer Ferienwohnung gefahren. Wir sollen uns in Brasilien willkommen fühlen, ist die Antwort auf unsere Frage nach dem Trinkgeld.

Auf den ersten Blick sieht das Haus nicht gerade einladend aus, im Flur liegen Zementsäcke, stehen Backsteine und der Fahrstuhl sieht aus, als wäre er mindestens 50 Jahre alt. Aber die Wohnung in der 7. Etage ist geschmackvoll eingerichtet und komfortabel. Wir wohnen direkt in der Altstadt, ein paar hundert Meter vom eindrucksvollen Opernhaus entfernt. Manaus, das ist eine merkwürdige Mischung aus alter Pracht, modernen Gebäuden, Verfall und Zweckmäßigkeit. Bis zur Weiterfahrt auf dem nächsten Schiff haben wir vier Tage Zeit, um diese Stadt kennenzulernen. Erst am nächsten Tag sehen wir, dass gestern eine Vorstellung mit Wiener Künstlern in der Oper war, die haben wir leider verpasst.

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Gegenüber von unserer Wohnung ist im schönsten Gebäude der Straße eine Filiale von C&A. Hier hat das Geschäft ein ganz anderes Image. Billige Kleidung kauft man an den Ständen in den umliegenden Straßen. Besonders amüsiert mich stützende Unterwäsche, die Aussparungen für die Pobacken hat. Brasilianerinnen lieben es gesäßbetont. Kein Slip, kein Bikinihöschen oder Badeanzug, der die kugelige Rückseite nicht un- oder halbbedeckt zur Schau stellt.

Die Markthalle am Flussufer ist durch ein paar Pavillons in Eisenkonstruktion ergänzt, entworfen von Gustave Eiffel. Alles aus der Zeit, als Manaus durch den Export von Kautschuk zu unglaublichem Reichtum gelangte. Diese Zeiten liegen über hundert Jahre zurück und die aus dieser Zeit stammenden Gebäude rotten mehrheitlich vor sich hin. Kaputte Bürgersteige mit Abwassergräben davor, aus denen es bei diesen Temperaturen erbärmlich riecht, bis der nächste Tropenregen den größten Dreck hinwegschwemmt.

Sonntag, da tut man es den vielen Einheimischen gleich und fährt in das modernste Einkaufszentrum der Stadt. Gebaut um ein Reststück Urwald, das man durch die Glaswände betrachten kann. Schöne Geschäfte, viele bei uns unbekannte Marken, die sehr farbenfrohe Kleidung anbieten. Eine Weile stehen wir gemeinsam mit stolzen Frauchen und Herrchen vor einem Hunde-Schönheitssalon und schauen zu, wie aus begossenen Pudeln duftende, plüschige Schönheiten werden.

In der Ebene mit den Restaurants landen wir am Abend in einer Bierstube, hier drängen sich die Menschen, es wird das Endspiel des Südamerika-Cup übertragen. Als Brasilien das Spiel gewinnt, ist der Jubel unbeschreiblich.

In den nächsten Tagen laufen wir in den Regenpausen durch die Stadt, am Mittwoch geht unsere Reise auf dem Amazonas weiter.

Übrigens: Unser Paket aus Costa Rica ist vor ein paar Wochen heil und vollständig zuhause angekommen.

Amazonas 2 – von Manaus nach Belém (Brasilien)

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Am Morgen des 10. Juli steigen wir um 7.30 in ein Taxi. Auf unserem Ticket für die Fahrt auf dem Amazonas mit der Sao Bartolomeu V von Manaus nach Santarém steht 9 Uhr Abfahrtszeit. Nach der letzten Erfahrung haben wir alle Zeit der Welt. Der Taxifahrer fährt zum Pier, wird aber wieder weggeschickt, das Schiff fährt an anderer Stelle ab. Ein Träger wittert sofort ein Geschäft und fragt nach unserem Fahrschein. Er stutzt und erklärt uns dann, dass das Schiff bereits gestern Abend abgelegt hätte, aber wir könnten mit einem anderen fahren, und das legt mittags um 12 Uhr ab. Auf jeder Schulter einen Koffer läuft er zielstrebig zu dem großen Katamaran (mit dem wir nicht fahren wollten), wir hinterher und damit beginnt unsere Pechsträhne. Wieder und wieder schauen wir uns das Ticket an, da steht eindeutig unter Abfahrt 10.9.2019 – 9 Uhr. In dem blau gedruckten Text links davor entdecken wir dann noch eine 9 mit einem Bindestrich. Wir sind wie betäubt, und können noch immer nicht glauben, was wir da gerade erfahren haben.

Direkt hinter der Gangway des Katamaran sitzt der Zahlmeister, bei dem wir ein neues Ticket für 700 Reales (175,00 €) kaufen. Ob es eine Möglichkeit gibt, das Geld oder einen Teil zurückzubekommen? Verneinung von mehreren Seiten. Direkt neben dem Zahlmeister steht ein junger Mann im maritimen T-Shirt (wir halten ihn für ein Mitglied der Mannschaft) und verfolgt interessiert die Unterhaltung. Noch immer etwas benommen folgen wir dem Gepäckträger mit unserem neuen Ticket aufs Oberdeck bis zu unserer Kabine. Für die schwere Arbeit verlangt er 100 Reales, die er auch ohne weiteres Nachdenken unsererseits bekommt. Kurz darauf erscheint der junge Mann (im maritimen T-Shirt) in unserer Kabine und meint, es gäbe noch eine Chance, einen Teil des Geldes zurück zu bekommen, er will das für uns versuchen. Mit dem Ticket und der Chance verschwindet er, wir sehen ihn nie wieder.

Nach unserem letzten Schiff ist dieses Eisenmonstrum ein Kulturschock. Wir bekommen eine Camarote, eine 2 Meter hohe Kabine mit Doppelstockbett, zwei Stühlen, Klimaanlage aber ohne Bad und Fenster.

P1060544 - Kopie - KopieHier gibt es ein Gemeinschaftsbad für sechs Camaroten. . Eine Frau im pinken T-Shirt mit Schiffsemblem kommt und schreibt unsere Essenswünsche auf einen Block. Kurz darauf fragt eine zweite, dann eine dritte, danach höre ich auf zu zählen. Mindestens zehn Frauen – alle im gleichen Shirt – laufen mit ihren Blocks herum und schreiben Bestellungen auf. Wir glauben noch immer, dass sie zur Schiffsbesatzung gehören, bis wir sie unten bei den vielen Garküchen auf dem Ablegesteg herumlaufen sehen. Auf diesem Schiff ist die Verpflegung n i c h t inklusive. Alle erfahrenen Reisenden bestellen sich noch mindestens eine Mahlzeit, das Essen auf dem Schiff ist teurer. Kurze Zeit später schleppen die Frauen das bestellte Essen in großen Taschen herbei und kassieren ab.

Auf dem Schiff, das bestimmt viermal so viele Passagiere fasst, wie das letzte, ist ein unglaubliches Gedränge. Bei den Hängematten geht es drunter und drüber. Die hängen so dicht, dass die Menschen Hüfte an Hüfte liegen. Ich muss an diese in Reihe hängenden Kugeln denken, bei denen man die erste anstößt, und die letzte dann ausschwingt. So stelle ich mir hier das Schlafen vor.

Die Zeit, bis das Schiff ablegt, stehen wir an der Reling und schauen zu, was unten passiert. Da werden noch alle möglichen Waren eingeladen, um das Schiff tauchen immer wieder Delfine auf, und um 12 Uhr werden die ersten Leinen gelöst. Rufend und winkend kommt ein Mann angelaufen. Ein Auto – ein großer Pick-up soll noch mit. Zwei Bretter werden heraus geschoben, aber dann muss im Laderaum erstmal Platz geschaffen werden. Die Insassen – ein Paar um die sechzig – unterhält sich temperamentvoll neben dem Auto.

Plötzlich dreht sich die Frau um und stapft energisch davon. Das Auto wird aufs Schiff gefahren, der Mann läuft auf und ab, noch immer ist die Frau nicht zurück, und nun hilft alles nichts: Das Auto ist auf dem Schiff, die Frau weg. Dem Mann ist die Zerrissenheit deutlich anzusehen. Zweimal wurde schon die Sirene betätigt, dann geht der Mann zögernd an Bord. Das Auto hat den Sieg davongetragen. Wir alle warten gespannt, ob noch ein schnelles Boot hinterher kommt und die Frau zum Schiff bringt – nein, sie hat sich für Manaus entschieden.

Die Fahrt auf dem Amazonas, diesem unfassbar großen breiten Wasserweg hat etwas meditatives. Wir stehen an Deck und schauen, sehen Ufer, Inseln und andere Schiffe an uns vorbeigleiten, gehen aufs Oberdeck, wo uns der Fahrtwind um die Ohren weht und schlafen in dieser Nacht tief und fest, obwohl es überall knirscht, quietscht, klopft und dröhnt.

Wir lernen Friederike kennen, außer uns die einzige Deutsche an Bord. Sie lebt schon seit 7 Jahren in Liberia und arbeitet in der Entwicklungshilfe. Eine bemerkenswerte junge Frau, deren Erzählungen wir nur zu gerne lauschen. Von ihr erfahren wir, dass dieses Schiff weiterfährt nach Belém, wo wir ja auch hinwollen. Wir versuchen gleich, unser Ticket aufzustocken, werden aber von dem einzigen englisch sprechenden Mitarbeiter an Bord vertröstet bis nach unserer Ankunft in Santarém.

Bei einem Halt am nächsten Vormittag ein herrliches Schauspiel, eine Gruppe Männer und Frauen „bewaffnet“ mit mehrere Meter langen Stöcken und großen Taschen stürmt auf den Anlegesteg. Sie bringen Verpflegung, dürfen aber das Schiff nicht betreten. Rufe schallen hin und her, dann wird ein Beutel an die Stange gehängt und damit das Essen nach oben gereicht. Das Geld kommt in die abgeschnitten Plastikflasche, die oben auf der Stange steckt. Auf demselben Weg kommt das Wechselgeld zurück. An die hundert Portionen landen so bei den Passagieren.

P1060337 - Kopie - Kopie - Kopie - Kopie - KopieAbends erreichen wir Santarém und hier verlassen die meisten Passagiere das Schiff. Am Ufer warten bereits Polizisten und kontrollieren deren Gepäck. Gegenüber liegt bereits die Sao Bartolomeu V, die aber nicht bis Belém weiterfährt, sondern von hier aus wieder zurück nach Manaus. Wir warten noch immer auf die Auskunft, ob wir weiterfahren können. Zuerst will der Zahlmeister den vollen Betrag für die nächste Etappe, lässt sich dann aber um 200 auf 500 Reales herunterhandeln. Das Schiff bleibt über Nacht hier liegen, und wir gehen in eine Hafenkneipe, um etwas zu essen. Bei der Rückkehr müssen wir einem Wachmann unser Ticket zeigen. Nur in Manaus kann Hinz und Kunz aufs Schiff, alle anderen Häfen werden genau kontrolliert.

Die Passagiere vom Oberdeck, die jetzt noch an Bord sind, kennen wir inzwischen vom Sehen, und einige versuchen auch, mit uns in Kontakt zu kommen.

P1060542 - Kopie - KopieEine von denen  ist Aglai (gesprochen mit 3 i am Ende), eine runde, stets lachende und redende Brasilianerin. Mit Gesten und ein paar Brocken englisch unterhalten wir uns. Wir sind uns sympathisch, ohne groß miteinander reden zu können.

Als es gerade hell wird, sehe ich von der Reling aus, wie Bananenstauden von zwei LKW in den Bauch der Sao Bartolomeu wandern. Kaum sind die verstaut, kommen zwei mit Kästen voller Orangen beladene. Die Wassermelonen vom nächsten Wagen werden stückweise von Mann zu Mann geworfen.

Auch für unser Schiff stehen Waren bereit, etliche große Styropor-Kästen voller Fische auf Eis müssen an Bord. Die beiden Männer müssen unglaublich schleppen, ein dritter steht dabei und passt auf, dass sie auch alles richtig machen. Ab 10 Uhr kommt ein neuer Schwung Passagiere aufs Schiff und die Lücken zwischen den Hängematten sind schnell wieder geschlossen.

P1000986Nachmittags um 15 Uhr legen wir in Monte Alegre  an. Hier steht eine lange und breite Mauer aus Obstkisten, die alle in den Laderaum sollen. Zwei Stunden soll das hier dauern, aber nach 3 Stunden werden noch immer neue Kisten herangekarrt. Wir machen gemeinsam mit Friederike einen Landgang und kaufen Obst und Wasser ein. Erst um 20 Uhr legen wir wieder ab.

Nach einem Halt am nächsten Morgen verfolgt uns ein schnelles kleines Boot. Die Passagiere – drei junge Männer – haben wohl nicht erwartet, dass die 30 Minuten Anlegedauer wirklich eingehalten werden und mussten fassungslos mit ansehen, wie der Katamaran mit ihrem ganzen Gepäck sich bereits in voller Fahrt mitten im Fluss befand. Ein paar Stunden später biegt das Schiff in einen Seitenarm ein. Sofort setzten sich am Ufer kleine Boote in Bewegung und paddeln auf uns zu.

Kinder sitzen in den Booten, mal allein, mal mit einem Erwachsenen und unsere Passagiere werfen Plastiktüten mit Leckereien über Bord, die von den Insassen der kleinen Boote eingesammelt werden. „Das machen die nicht, weil sie arm sind,“ erklärt uns ein Brasilianer, „das ist Kinderbelustigung.“ Den Menschen hier geht es finanziell gut, sie leben vom Verkauf der Acai-Beeren und vom Fischfang.

Einer kommt mit seinem Motorboot, macht hinten an unserem Schiff fest und verkauft Shrimps, roh oder bereits gekocht.

Auch der nächste Ort macht einen wohlhabenden Eindruck, auf mehreren Plätzen lagern große Stapel Tropenholz und warten auf die Verschiffung. Stege sind zwischen den einzelnen Häusern angelegt und mehrere Hausbesitzer haben sich noch luftige Freisitze über dem Wasser gebaut.

Früh am Sonntag Morgen erreichen wir Belém.

P1060543 - Kopie - KopieEnde unserer Amazonas-Reise, die so schön begonnen hat und zwischenzeitlich getrübt wurde. Aber trotz allem, es war ein wunderbares Erlebnis, das möchten wir am liebsten gleich noch einmal machen.

Belém gefällt uns schon auf den ersten Blick so viel besser, als Manaus. Vermutlich liegt es daran, dass die Straßen von riesigen Mangobäumen eingerahmt sind. Obwohl die letzten Früchte noch an den Bäumen hängen, stehen sie schon wieder in voller Blüte.

Unser kleines Hotel hat einen verständnisvollen Mitarbeiter. Wir bekommen ein Frühstück serviert und dürfen auch sofort in unser Zimmer, ein wenig Schlaf nachholen. Nachmittags wollen wir ins Goeldi-Museum. Es liegt in einem von Mauern umgebenen Parkt und kann dieses Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiern.

Der Eintritt ist frei, aber das Museum ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Im Park – einer Kombination aus botanischem und zoologischen Garten – lässt sich die Hitze gut ertragen. Wir sehen die großblättrigen Seerosen, die einen Menschen tragen können, einen Riesenotter, zwei Jaguare, zwei Tapire, Schildkröten, Krokodile, Vögel und viele freilaufende Agutis. Die Manatis und Anacondas wurden für die Dauer der Renovierung ausquartiert.

Am Montag sind Museen und das Fort geschlossen, so bummeln wir durch die Altstadt, laufen am Ufer zwischen unzähligen Verkaufsständen über den Ver-o-Peso- Markt. Der Name bedeutet: nach Gewicht, denn danach wurden früher die Steuern berechnet, die an die portugiesische Krone zu entrichten waren. Hier gibt es alle Arten von Lebensmitteln. Zusätzlich zur bunten Zuckerwatte macht Popcorn in allen Farben des Regenbogens diese farbenfrohe Welt noch ein wenig bunter. Wir kaufen eine Tüte mit frischen geschälten Paranüssen, die hier so kurz nach der Ernte noch im Geschmack der Kokosnuss ähneln. Ob Die Nüsse nach dem Bundesstaat Para heißen, oder ob es umgekehrt ist, kann mir niemand sagen. In der von vier Türmchen geschmückten alten Markthalle wird der Fang des Tages verkauft, und direkt dahinter dümpeln jetzt die Fischerboote.

Kathedrale, Hafen
Theater, Fort

Am anderen Ende des Hafens liegen Unmengen von Beeren zwischen dem Kopfsteinpflaster. Es sind Acai-Beeren, die vermutlich beim Verladen aus undichten Säcken gefallen sind.

Der Hafen hat Belém zu einer wohlhabenden Stadt gemacht. Sämtliche Waren aus der Amazonas-Region gehen von hier in alle Welt. Erst langsam entsinnt man sich hier offenbar der schönen Gebäude, von denen die meisten bis jetzt dem Verfall preisgegeben sind. Es würde schon helfen, wenn die Sprayer statt Schmierereien Street-Art auf die vielen gammeligen Mauern zaubern könnten. Doch es gibt dazwischen immer wieder Geschäfte, deren Angebot den besten Läden in Europa oder Nordamerika in nichts nachsteht. Der eigentlich hübsche Park am Hafen mit trocken gefallenen Teichen und Wasserläufen verrottet und ist mittlerweile zu einem Schlaf- und Aufenthaltsplatz für Obdachlose geworden. Nur bei Tag trauen sich die Einwohner von Belém noch hierher.

P1060695 Bürgersteige bieten eine wilde Mischung aus Marmorpflaster, Sand- und Betonflächen und metertiefen Löchern, dazwischen verwest schon mal eine Ratte. Doch die Menschen sind fröhlich, hilfsbereit und überaus gastfreundlich und das ist schließlich für Besucher das Wichtigste.

Von Belém nach Recife (Brasilien)

Für Weiterfahrt von Belém nehmen wir einen Nachtbus. Anders geht es bei der veranschlagten Fahrzeit von 18 Stunden auch gar nicht. Der Busbahnhof hier ist beinahe wie ein Bahnhof gestaltet, mit mehreren Plattformen und unterschiedlichen Abfahrtstellen. Wir (Alte, Schwangere usw.) dürfen den Weg geradeaus nehmen, quasi über die Schienen. Alle anderen müssen die Treppen runter und an der richtigen Plattform wieder rauf. Dass Höflichkeit und Rücksichtnahme quasi per Gesetz verordnet werden, lässt man sich gern gefallen.

Der Bus ist mit bequemen Sitzen ausgestattet, warme Sachen haben wir auch dabei. Wird schon gut gehen. Kurz bevor wir um 18.30 Uhr starten, beginnt es wie aus Eimern zu gießen, und im Nu stehen etliche Straßen 10 bis 20 Zentimeter unter Wasser. Für die Rinnsteine ist das nur gut, da wird der stinkende Abfall mal so richtig durch- und weggespült. Die meisten Passagiere richten sich gleich zum Schlafen ein, wir lesen noch ein paar Stunden, bevor wir die Lehnen in Schlafposition stellen und uns mit unseren Badetüchern zudecken. Erstaunlicherweise können wir ein paar Stunden schlafen, obwohl die Straße richtig schlecht ist. Lesend und schlafend vergeht die Zeit, bis es gegen 5 Uhr zu dämmern beginnt. Um diese Zeit sind schon Menschen in Dörfern und Städten auf der Straße, sie sitzen mit einer Tasse Kaffee vor Häusern und Hütten. Um sieben Uhr gibt es einen 30-minütigen Halt, an den Waschbecken machen sich die Menschen frisch für die nächste Runde Schlaf. Der Norden Brasiliens ist sichtbar arm, die hier lebenden Menschen werden noch nicht einmal durch schöne Landschaft entschädigt, hier ist alles flach und eintönig.

Die runden Granitfelsen, an denen wir später vorbeifahren, werden schon als aufregende Abwechslung wahrgenommen.

Eigentlich wollten wir auf der über 1200 Kilometer langen Strecke eine Zwischenübernachtung in Araguana oder Teresina einlegen, doch es mangelte an freien Hotelzimmern. Was für ein Glück, die Städte sehen nicht sehr einladend aus. Nach 21 Stunden und 15 Minuten kommen wir in Parnaiba an. Das 4 Kilometer entfernte Hotel gehört einem Schweizer, obwohl er sich sehr gut integriert hat, stellen wir den europäischen Einfluss fest, z. B. wird hier Müll getrennt.

Ein paar Runden im Pool, danach machen wir uns auf den Weg zum Essen. Etliche der im Internet aufgelisteten Lokale existieren nicht mehr, und auf Hamburger oder Pizza haben wir so gar keinen Appetit. Wir landen bei einem Libanesen, dessen Lokal zwar noch nicht geöffnet ist, der uns aber sofort Tisch und Stühle zurechtrückt und etwas zu trinken bringt. Dann hängt er drei schmiedeeiserne Lampen auf und schraubt an der Überdachung Glühbirnen ein. Jeden Abend nach Geschäftsschluss muss er Glühbirnen und Lampen wieder entfernen, sonst werden sie ihm geklaut. Der Besitzer will uns unbedingt mit seinem Auto zurückfahren, den Weg zurück vorbei an der Markthalle hält er für zu gefährlich. Da aber gerade neue Gäste kommen, ist sein Platz am Herd. Wir müssen ihm versprechen, nur den von ihm beschriebenen Weg zu laufen, damit wir sicher ankommen. Das klappt.

Die Vorstellung, bereits am nächsten Tag wieder stundenlang im Bus zu sitzen, ist nicht gerade verlockend, so bleiben wir einen weiteren Tag in Parnaiba und laufen durch die von Touristen links liegengelassene Stadt. Die 150.000 Einwohner zählende Stadt im Bundesstaat Piaui liegt am gleichnamigen Fluss, der von einer hohen Brücke überspannt wird. Links und rechts der Fahrbahn zwei Fußwege, die von einem gerade hüfthohen Geländer aus Beton begrenzt werden. Irgendwann wurde das durch einen Holzaufbau erhöht, von dem nur noch ein paar kurze Bretter übrig sind, ein Betonelement fehlt ganz. Die Bauüberwachung in Deutschland würde nicht nur Pickel, sondern gleich die Beulenpest bei diesem Anblick bekommen. Die Menschen nehmen das mit stoischer Gelassenheit hin, warum sich über etwas aufregen, was sie sowieso nicht ändern können. Zumindest geht man hier aktiv gegen die Klimaerwärmung vor, aus jedem der offenen Geschäfte trifft uns ein eiskalter Luftstrom aus den Klimaanlagen.

Der Park vor der Kirche wurde vor kurzem neu gestaltet und bietet einer Gänseschar ein Zuhause mit Schwimmbad. Vermutlich hat Gänsebraten in Brasilien keine Tradition, sonst müsste der Bestand doch merklich geringer sein. Wir suchen auf dem Rückweg ein Lokal, aber vergebens. Schließlich landen wir wieder in unserem Hotel und bemühen einen Lieferservice.

Der nächste Bus hat in der ersten Klasse zwölf Liegesitze. Das ist eine angenehme Fahrt durch Brasiliens Zuckerkammer nach Fortaleza, die zehn Stunden gehen schnell vorbei. Ungefähr 100 Kilometer vor der Großstadt wird die Straße besser, wir kommen langsam in wohlhabendere Gegenden. Doch der Rezeptionist unseres Hotels in Fortaleza und der Taxifahrer, der uns hierher gefahren hat, halten die Straßen am Abend für nicht sicher. Die Einheimischen trauen der Sicherheit in ihrem Land nicht, das haben wir bisher in jedem Land zu hören bekommen. Das Restaurant gegenüber sei sehr gut, verspricht man uns im Hotel. Unbehelligt legen wir Hin- und Rückweg über die Straße zurück.

Am Samstag sind alle Lokale in Strandnähe besetzt. In den Straßen wabert der Duft nach gegrilltem Fleisch. Der Strand selbst ist beinahe leer, nur wenige Menschen sitzen hier im Sand oder sind im Wasser. Sonnenschirme und Liegen sind nicht im Angebot. In der Hauptgeschäftsstraße überbieten sich die Läden in der Höhe der Rabatte. Jetzt zu Beginn des Winters wollen alle ihre Lager räumen, obwohl man hier sowieso nur Sommerkleidung braucht (ausgenommen in den Bussen).

Als nächsten Ort haben wir uns Canoa Quebrada ausgesucht, wir fahren bequem um 11 Uhr in Fortaleza ab und sind auf guter Straße vier Stunden später am Ziel. Taxen gibt es hier nicht, also ziehen wir unsere Koffer auf holprigem Pflaster hinter uns her. Ganz schön viele Menschen hier, Sambamusik schallt uns entgegen, Menschen tanzen, die pure Lebensfreude.

Viele Wege führen durch die roten Klippen zum langen Strand, der besonders bei Kitesurfern beliebt ist, aber auch für uns Schwimmer ist es ein toller Platz. Zwar dürften nach unserer Meinung weniger Barracas (auf Stelzen gebaute hölzerne Lokale) am Strand stehen, aber Brasilianer essen nun mal gern und lieben diese Dinger, die den Blick auf die Klippen versperren. Ausgerechnet in der Zwischensaison sind wir hier gelandet. Die Kinder haben drei Wochen Ferien und die gut situierten Menschen aus dem kühlen Süden, machen Badeurlaub. Aber vor allem ist Canoa Quebrada ein beliebtes Wochenendziel für Bewohner der umliegenden Städte. In unserer Pousada (Herberge) sind wir dann auch ab Montag die einzigen Gäste. Jeden Abend ist ein Riesenspektakel, wenn ein großer Vogelschwarm kurz vor Sonnenuntergang kommt, um die Schlafbäume aufzusuchen. Aber zuvor fliegen die Vögel großartige Formationen, ein herrliches Schauspiel.

Abends bummeln wir über den „Broadway“. Die Hauptstraße ist links und rechts von Geschäften und Lokalen gesäumt. Musik tönt aus den Bars, in der Mitte haben die fliegenden Händler ihre Stände aufgebaut und bieten ihre teils selbst gefertigten Waren an. Wir haben gleich am ersten Abend ein Restaurant gefunden, das von einem Holländer vorbildlich geführt wird und köstliche Gerichte anbietet. Es gefällt uns so gut, das wir jeden Abend hier essen.

Fünf Uhr aufstehen, unser nächster Bus geht um 7.30 im 15 Kilometer entfernten Aracati ab, und da müssen wir mit einem Kleinbus erstmal hinkommen. Laut rumpeln unsere Koffer über das Kopfsteinpflaster der gerade erwachenden Stadt. Pünktlich um 7 Uhr sind wir am Rodoviária (Busbahnhof) und stellen uns am Schalter an. Eigentlich müsste der jetzt schon geöffnet haben. Eine viertel Stunde später kommt der zuständige Mann in Dienstuniform mit einem kleinen Becher Kaffee langsam angeschlendert. Noch kann er den Schalter nicht öffnen, erst widmet er sich seinem Kaffee, der in Brasilien heiß, schwarz und süß getrunken wird.

Bevor er den Holzdeckel von seinem Schalter entfernt, legt er erst mal in aller Gemütsruhe den kleinen Teppich mit dem Namen der Busgesellschaft hin, und dann – ganz langsam – beginnt er, Tickets zu verkaufen. Für jeden Kunden braucht er 7 Minuten, gut dass der Bus Verspätung hat.

Gute sechs Stunden fahren wir bis Natal, wechseln in einen normalen Bus, der sich asthmatisch keuchend die kleinen Hügel heraufquält und sind weitere zwei Stunden später in Praia da Pipa. Ivana, die junge Besitzerin der kleinen Pousada holt uns am Busbahnhof mit dem Auto ab. Vier Tage verbringen wir jetzt hier in einem kleinen, geschmackvoll eingerichteten Bungalow mit bequemem Bett und schmiegsamen (endlich mal wieder) Kopfkissen.

Pinselohräffchen besuchen täglich den Garten unserer Pousada. Wir sind entzückt von den niedlichen Tieren, die mir sogar aus der Hand fressen. Wahrscheinlich wissen die kleinen Fellbündel auch, dass es hier ein unglaublich gutes Frühstück gibt.

Zwischen uns und dem Ort bzw. Strand liegen ca. 100 Meter rote Matschstraße, die wir ohne Gummistiefel oder ohne die Schuhe zu ruinieren nicht durchqueren können. Deshalb fahren Ivana oder ihr Mann Patrick uns jedes Mal mit dem Auto.

Auch in der Stadt Pipa ist viel los, aber an den drei riesigen und wunderschönen Stränden ist so viel Platz, dass jeder für sich bleiben kann.

Voll ist es nur am Praia da Centro, dem schmalen Strand, der direkt von der Ortsmitte erreicht wird und auf dem bei Ebbe Tische und Stühle so dicht stehen, dass man kaum durchkommt. Die auflaufende Flut macht dem ein Ende, dann muss alles ganz schnell weggeräumt werden. Hohe Klippen begrenzen die anderen Strände, an denen sich Surfer tummeln, den Delfine lieben und an denen man viele Kilometer weit laufen kann. Abends drängen sich die Menschen auf der Hauptstraße und suchen sich zwischen den unzähligen Geschäften mit Bademoden das richtige Lokal. Wir haben an einem Abend einen Zuschauer.

Ein Opossum klettert rasch einen Balken hinauf und beobachtet von oben anscheinend, was die Gäste auf ihren Tellern haben.

Patrick und Ivana fahren uns am Sonntag nach Goianinha, wo wir in den Bus nach Recife einsteigen. Die Endstation liegt weit außerhalb der Großstadt, hätten wir das gewusst, wären wir eine Station vorher ausgestiegen, so müssen wir über 30 Kilometer mit dem Taxi nach Olinda, einer der ältesten Städte des Landes fahren. Juwel der Barockarchitektur, Weltkulturerbe, Bischofssitz, viele Begriffe werden diesem auf einem Hügel gelegenen alten Teil der Stadt mit knapp 400.000 Einwohnern zugeordnet.

In Olinda (der Name bedeutet: oh wie hübsch) findet heute ein Volksfest statt. Die Rhythmen des Maracatu dröhnen durch die Stadt. Wir schieben uns durch die Menschenmenge, schauen den Trommlern eine Weile zu, bewundern die ausgestellte Handwerkskunst, steigen im Observatorium die Wendeltreppe hoch, um den Saturn durch ein Teleskop zu betrachten, und suchen uns etwas abseits eine Lokal.

Im Tageslicht sieht man an allen Ecken und Enden den Renovierungsbedarf. Die feuchte, salzhaltige Luft am Atlantik setzt den Fassaden schon nach kurzer Zeit zu. Dem Charme der Stadt tut das allerdings keinen Abbruch. Während wir in einer Galerie stöbern, verkündet die junge Dame, dass der Künstler gleich persönlich erscheinen werde. Fotografieren sei hier leider nicht gestattet, erwidert sie auf meine Frage.

Der Künstler selbst sieht das anders, er stülpt Klaus und sich einen der Tierköpfe aus Pappmaché über, die er für den Karneval in dieser Stadt herstellt, und fordert mich dann auf, Fotos zu machen.

Unten am Strand dümpeln die Fischerboote, und ein paar Familien sitzen in einem Strandrestaurant. Zum baden und schwimmen gibt es jedenfalls bessere Orte, denn die Küsten in und um Recife werden häufig von Haien besucht. Zwischen 1992 und 2007 wurden 50 Angriffe auf Schwimmer und Surfer gemeldet, 19 endeten für die betroffenen Menschen tödlich.

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Wir besuchen das hochmoderne Einkaufszentrum, um noch ein paar Dinge einzukaufen, darunter eine Reisetasche, um alles gut verstauen zu können. Am 31. 7. fliegen wir von Recife direkt zurück nach Frankfurt. Den letzten Abend verbringen wir in einem Restaurant, das eine Überraschung bereit hält. Wir werden nach dem Eintritt zu einem gläsernen Fahrstuhl geleitet, der auf einer schrägen Ebene ca. 10 Meter den Hang hinab gleitet. Erst hier befindet sich der Speisesaal mit einem grandiosen Blick auf das hell erleuchtete Recife.

Was für ein schöner Abschied von unserer Reise durch Mittel- und einen Teil Südamerikas. Wir empfinden ein wenig Wehmut, aber dieses Mal vor allem große Freude. Uns erwartet das Wiedersehen mit der Familie und den Freunden. Doch im Hintergrund steht das Wissen: Wir können jederzeit wieder aufbrechen.

Vielen Dank an alle Follower und Leser unseres Blogs, ihr habt mich immer wieder motiviert und angespornt, weiter zu schreiben.

Guadalajara und der Chapalasee (Mexiko)

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Um 15 Uhr Ortszeit landen wir in Los Angeles. Herrlich, es ist ungefähr 26 Grad warm. Zum Genießen sind wir jedoch zu müde und sinken im Hotel gleich aufs Bett, Schlaf nachholen. Da unser Flug nach Mexiko erst am nächsten Abend um 21.30 startet, deponieren wir am morgens unser Gepäck im Hotel und lassen uns an den nahe gelegenen  Strand von  Hermosa-Beach fahren.

Vor dem Pier sind Marktstände mit Kleidung, Schmuck und Lebensmitteln aufgebaut, im Wasser versuchen sich die Surfer und am Strand haben sich die Sonnenanbeter ihren Platz gesucht. Der richtige Tag um auf der Strandpromenade spazieren zu gehen und die vielen schönen Häuser zu bewundern. Ab und zu hört man aus Lokalen das Gejohle der Fußballfans, die beim Spiel um den dritten Platz bei der diesjährigen Weltmeisterschaft mitfiebern.
Unser Flug startet ohne Verzögerung, so dass wir nach drei Stunden Flugzeit (Zeitverschiebung + 2 Stunden) um 1.30 Uhr Ortszeit in Guadalajara landen. Die Zufahrt zum Hotel ist mit einer Schranke gesichert, zusätzlich steht ein Wachmann mit Maschinenpistole daneben. Der Taxifahrer muss seine Papiere vorweisen, für uns interessieren sich die grimmig dreinblickenden Herren nicht. Erst nachdem sie mit der erhaltenen Auskunft zufrieden sind, wird die Schranke geöffnet und das Auto schraubt sich in weiten Kurven eine gepflasterte Straße hoch bis zu einem ausgedehnten Hotelkomplex im Hacienda-Stil. Um drei Uhr sind wir endlich in unserem riesengroßen Zimmer mit Holzbalkendecke, schweren Möbeln und ausladendem Bett.
An Schlaf ist nicht zu denken, wir sind noch zu aufgekratzt, und schauen vom Balkon auf die unter uns liegende hell erleuchtete Stadt, die auf 1.500 Meter Meereshöhe liegt. Auch mitten in der Nacht herrscht in dieser Stadt keine Ruhe, die Straßen sind voller Autos, in irgendeiner Fabrik wird lautstark gearbeitet, kurzum es brummt wie in einem Bienenstock. Das Frühstück verschlafen wir und später zwingt uns ein heftiges Gewitter zurück ins Zimmer. Am nächsten Tag ziehen wir um in ein Hotel in der Innenstadt.
Die Innenstadt von Guadalajara, der zweitgrößten Stadt in Mexiko und Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco, ist eine einzige Baustelle. Man ist dabei, die existierenden zwei U-Bahnlinien um eine dritte zu erweitern. Und die braucht diese Stadt dringend, der Autoverkehr kommt mit schöner Regelmäßigkeit zum Erliegen.

Die Altstadt im Kolonialstil ist erstaunlich groß und hat viele schöne Kirchen und Gebäude, dazwischen aber unzählige Lokale und Geschäfte jeglicher Art. Hier ist ein Leben und Treiben, dass man sich verwundert die Augen reibt. Niemand scheint es eilig zu haben.
DSC08314Vor dem Cordoba Portal treibt ein Clown sein Unwesen und die Menschentraube um ihn herum ist ein dankbares Publikum, das seine derben Späße mit schallendem Gelächter belohnt.
Bis in den späten Abend sind Familien mit Kindern vom Neugeborenen (fast immer auf dem Arm, wir sehen kaum mal einen Kinderwagen) bis zum Teenager unterwegs.

Während einer Stadtrundfahrt fällt uns eins besonders auf, Stubenhocker sind die Mexikaner keinesfalls, überall in der Stadt sitzen sie auf Bänken, in Lokalen, auf Treppenstufen. Immer erklingt irgendwo Musik, und häufig ergreifen einzelne Paare die Gelegenheit zu einem Tänzchen auf der Straße. Es wirkt alles so fröhlich und unbeschwert, man kann das überhaupt nicht mit den Beschreibungen von der Gefährlichkeit in diesem Land in Verbindung bringen.

Auf der Plaza de Liberacion hinter der Kathedrale stehen Zelte. Die Menschen feiern ihr Bundesland Jalisco mit Volkstänzen, Mariachi-Musik, mexikanischer Küche und Produkten aus der Region. Gegessen wird hier gern und oft, deshalb sind die meisten Mexikaner auch wohlgenährt, überaus wohlgenährt. Geschätzte 70 % der Erwachsenen schleppen zu viel Gewicht mit sich herum und mit 163 Litern pro Einwohner ist Mexiko Spitzenreiter im Cola-Konsum.
Jalisco ist einer der reichsten Bundesstaaten Mexikos, hier gibt es sowohl Bodenschätze als auch eine florierende Wirtschaft. Dazu trägt auch der weltweit bekannte Tequila bei. Wir sind neugierig auf die wohlhabende Stadt und fahren mit dem öffentlichen Bus ins 50 Kilometer entfernte Städtchen Tequila.

Schon etliche Kilometer vorher sehen wir links und rechts die Felder mit den bläulich schimmernden Weber-Agaven. Mal sind sie ordentlich in Reih und Glied gepflanzt und kein Hälmchen Unkraut wagt sich hervor, dann wieder nimmt man es nicht so genau, zwischen den piksenden Stauden wächst Gras, davon wiederum ernähren sich die dort weidenden Kühe. Einige Felder sind auch bereits abgeerntet, nur die lanzenförmigen Blätter liegen noch auf dem Feld; denn für den Schnaps braucht man nur das Herz auch Piña genannt. Acht bis neun Jahre müssen die Agaven alt sein, bevor das Herz die richtige Größe hat. Danach entsteht in einem langwierigen Prozess aus Kochen, Pressen, Gären und Brennen der weltbekannte Agavenschnaps. In der Stadt liegt ein eigenartiger Geruch in der Luft, er kommt aus den Schornsteinen der vielen Brennereien.

Im historischen Teil des Ortes stehen entlang einer begrünten Straße die Prachtbauten. Die älteste Brennerei Cuervo (Rabe) hat den Vogel als Markenzeichen. In einem großen Bauer im Hof des prachtvollen Gebäudes sitzt ein lebendiges Exemplar. Ein übermannshohes Exemplar steht in der Nähe.
Tequila-Touren sind bei in- und ausländischen Touristen beliebt. Innerhalb der Stadt fahren Busse in Form von Tequila-Flaschen oder auch großen Peperonis (?) herum. Als wir zurück zur Busstation laufen dröhnt uns aus einem der Ausflugsbusse grölendes Gelalle entgegen. Der Busfahrer steht neben seinem Gefährt und sieht unbeteiligt zu, wie seine Passagiere versuchen in den Bus zu gelangen.
Es ist zehn Uhr und bereits dunkel, als uns der Busfahrer in der Nähe des alten Busbahnhofs in Guadalajara aussteigen lässt. Die anderen ausgestiegenen Passagiere zerstreuen sich sofort in alle Winde. Wir stehen noch dort, Klaus bestellt ein Taxi und verfolgt auf dem Display seines Handys dessen Route, als wie aus dem Nichts ein dunkler Schatten hinter uns auftaucht. Ein dunkel gekleideter Mann auf unbeleuchtetem Fahrrad rast auf uns zu, reißt Klaus das Handy aus der Hand und ist auch schon verschwunden. Wir sind im ersten Moment wie gelähmt. Nachdem uns unser Taxi ins Hotel gebracht hat, bestellen wir auf den Schreck unseren ersten Tequila. Die Kellner sind voller Mitgefühl und bitten uns, bloß nicht schlecht von den Mexikanern zu denken, die meisten wären nicht so. In dieser Nacht schmiede ich finstere Rachepläne gegen unbekannt.
Was jetzt alles zu tun ist, dauert Tage. Neues Handy kaufen und einrichten, für verschiedene Zugänge neue Passwörter anlegen. Mein mit dem geraubten Mobiltelefon synchronisiertes Handy ist plötzlich auf Werkseinstellung zurückgesetzt, der Kalender mit allen Informationen unserer Reise gelöscht. Zu allem Übel haben wir unter der Anspannung durch Falscheingabe den Zugang zum Konto gesperrt, jetzt hilft nur noch ein Telefongespräch mit der Bank in Deutschland. Wir sind froh, als wir am Nachmittag Guadalajara verlassen können. In Ajijic, einer kleinen Stadt am Chapalasee, dem größten Binnensee Mexikos, wollen wir ein paar Tage bleiben.
Ajijic ist ein kleines Juwel, das haben vor uns schon viele kanadische und amerikanische und auch ein paar europäische Rentner entdeckt. Deshalb sind hier auf die engen Straßen fast mehr ausländische als einheimische Menschen zu finden.

In den Straßen, die vom Kirchplatz abgehen, sind die Häuser bunt angestrichen und mit farbenfrohen Gemälden verziert. Auch auf Masten und Baumstämmen sind die bunten Bilder zu finden. Die Straßen sind bis auf die Durchgangsstraße mit unterschiedlich großen Steinen gepflastert. Manche Straßen haben Bürgersteige, aber wenn man auf der Straße läuft, muss man höllisch aufpassen, nicht umzuknicken. Beinahe jedes Haus auf der zum See führenden Straße hat entweder einen kleinen Lebensmittel- oder Getränkeladen; eine Mode- oder Schmuckboutique, eine Galerie oder ein Lokal. Vom Ufer aus ist eine gemauerte Plattform in den See hineingebaut.
Zum Baden lädt der Chapalasee nicht ein, Wasserhyazinthen treiben an der Oberfläche und das Wasser ist trübe. Guadalajara deckt einen großen Teil seines Bedarf an Trinkwasser aus dem Zulauf und das fehlt dem See. Außerdem hat er unter der Einleitung von Nährstoffen(Nitrate) zu leiden, was eine starke Veralgung mit sich bringt. Ein paar halbherzige Versuche, die Menschen für die Problematik zu interessieren, sind zwar unternommen worden, zeigen aber noch keine deutliche Besserung. Gefischt wird hier allerdings nach wie vor. Aber vor allem hat das Gebiet rund um den See ein hervorragendes Klima.
Es gefällt uns hier, und wir verlängern unseren Aufenthalt noch um eine Woche. Unser erstes Hotel ist übers Wochenende ausgebucht, wir finden im drei Kilometer entfernten San Antonio ein Bed and Breakfast bei einem österreichisch/mexikanischen Künstlerpaar.

Thomas und Luz sind beide sehr talentierte Maler. Zur Zeit kommen sie allerdings selten dazu, neue Bilder zu malen. Die beiden kleinen Söhne fordern ihre Aufmerksamkeit beinahe pausenlos. Und die Unterbringung und Bewirtung der Gäste läuft auch nicht von allein. Der vierjährige Max hat schon die Anlage zum künftigen Naturforscher. Er sammelt Raupen und und beobachtet täglich, wie sie fressen, sich verpuppen und zum Schmetterling werden. Der vier Monate alte Theo hat noch keine anderen Interessen, als so oft wie möglich auf Mamas oder Papas Arm zu sein. Als wir am Sonntag abreisen, können wir nicht widerstehen und kaufen zwei Bilder von Luz. Hoffentlich bringen wir die unbeschädigt mit nach Deutschland.
Die nächsten fünf Tage haben wir ein kleines Häuschen bei einem amerikanischen Ehepaar gemietet. Vor zwei Jahren haben sie ihre Zelte in Virginia abgebrochen und freuen sich jeden Tag aufs Neue über die Entscheidung nach Mexiko zu ziehen.
Das Haus zu finden ist allerdings nicht einfach. Wir haben eine Adresse mit der Hausnummer 219A. Die findet sich schließlich zwischen den Häusern 86 und 89A. Wann immer wir in den nächsten Tagen nach einer bestimmten Adresse suchen, dasselbe Phänomen. Es gibt einfach keine fortlaufenden Hausnummern. Wie das zustande kommt, konnte uns niemand erklären.

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die Bäume werden zu Rechtecken gestutzt, damit Busse und LKWs besser durchkommen

Während wir hier sind, lässt unser Vermieter den Bürgersteig machen. Hier sind die Hausbesitzer dafür verantwortlich. Deshalb gibt es auch keine durchgängig breiten, hohen oder gestalteten Bürgersteige. Wir sehen die unterschiedlichsten Varianten: Mit Platten belegt, in Zement gegossen mit oder ohne Verzierungen, mit Steinen gepflastert, dazwischen auch große und kleine Obsidian-Klumpen (Vulkanglas). Die Zufahrten in die Höfe sind manchmal wie eine Berg- und Talbahn.
In den schmalen Straßen und Gassen sind Autos unterwegs, die bestimmt schon 40 Jahre auf dem Buckel haben, darunter viele VW Käfer. Plötzlich ist Pferdegetrappel zu hören. Ganz selbstverständlich sind Männer hier noch mit oder ohne Sattel zu Pferd unterwegs. Gespannt beobachten wir einen kleinen LKW, der versucht auf der schmalen Straße weiter zu kommen. Links die geparkten PKW, rechts ein Betonmast. Praktischerweise hat dieser in 2 Metern Höhe schon eine Einkerbung und der LKW ist an dieser Stelle verschrammt und eingebeult. Dass beide in derselben Farbe lackiert, bzw. gestrichen sind, ist wahrscheinlich Zufall. Als die Engstelle unter lauten Schabegeräuschen passiert wird und der PKW unversehrt bleibt obwohl kein Blatt dazwischen passt, atmen die Zuschauer erleichtert auf.
In vielen Lokalen wird abends von 6 bis 8 Uhr Musik gemacht. Wir hören in verschiedenen Restaurants eine mexikanische Band mit moderner, eine andere mit traditioneller Musik.
DSC08568Einen Abend tritt ein amerikanisches Paar mit Gesang und Gitarrenmusik auf. Mexikaner sucht man hier auch vergebens. In Mexiko geht man früh zum Essen, denn um neun Uhr ist in den Küchen Schluss. Um zehn Uhr werden Tische und Stühle reingeräumt, dann wird es leer auf den Straßen. In der Großstadt gibt es natürlich Ausnahmen, aber früh gegessen wird auch hier.
Am letzten Abend laden uns unsere Gastgeber Herb und Susan zum Essen in ihr Haus ein. Susan ist eine hervorragende Köchin und verwöhnt uns mit Meeresfrüchten. Wir haben einen so schönen Abend mit diesen beiden netten Menschen, jetzt fällt uns der Abschied von Ajijic noch schwerer.

Morelia und die Quinceañera (Mexiko)

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Wie bestellt steht morgens um 10.20 Uhr das Taxi vor dem Haus. Noch eine herzliche Verabschiedung von unseren beiden Gastgebern Herb und Susan, dann geht es wieder in Richtung Guadalajara. Unser Taxifahrer – ein ehemaliger Pilot – erzählt uns von seinem Leben in der ganzen Welt. Die Frage nach dem besten Land beantwortet er überzeugend mit: „Mexiko!“

Der neue Busbahnhof am Stadtrand ist riesig. Fahrkarten haben wir uns schon in einer Reiseagentur in Ajijic besorgt, so dass wir hier nicht anstehen müssen. Nach dem wir die Tickets vorgezeigt haben, dürfen wir in den mit Sesseln und großen Bildschirmen ausgestatteten Wartebereich. Eine Viertelstunde vor Abfahrt wird es vor dem Bussteig lebhaft. Tickets vorzeigen, dann drückt eine nette Dame jedem eine Flasche Wasser und eine kleine Schachtel mit einem Dognut in die Hand. Die Koffer bekommen einen Anhänger und werden im Gepäckfach verstaut. Vor dem Einstieg schaut ein Mann in Uniform oberflächlich ins Handgepäck, erst dann dürfen wir den Bus betreten. Hier gibt es pro Reihe nur drei weich gepolsterte Sitze, schön breit und mit viel Abstand zum Vordermann. Da kann man es sich richtig gemütlich machen. Wenn man die Lehnen nach hinten verstellt und die Fußstützen ausfährt, reist man wie in einem Liegestuhl. Dazu gibt es Bildschirme an jedem Platz mit Filmen und Musik zur Auswahl, Kopfhörer stecken in den Taschen der Vordersitze. Für Kinder sind auch ein paar Zeichentrick- bzw. Animationsfilme vorhanden.
Pünktlich auf die Minute fährt der Bus ab. Zuerst geht es durch die Randbezirke der Großstadt, dann nur noch durch grüne Landschaft. Maisfelder sind links und rechts der Autobahn zu sehen und so viele Rizinussträucher, dass man mit den Samen ganz Mexiko vergiften könnte.

Vulkankegel stehen dicht an dicht und mehrere große Seen breiten sich in der Landschaft aus. Der Bus fährt so sanft, als schwebe er über die Autobahn. Als wir diese verlassen, stehen mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten am Straßenrand. Für unseren Bus interessieren sie sich nicht, und wir erreichen unser Ziel Morelia nach angenehmer 3,5 stündiger Fahrt ohne Zwischenstopp. Auch hier verblüfft uns die Größe des Busbahnhofes. Praktisch, direkt in der Abfertigungshalle ist ein Taxischalter. Man nennt das Hotel, bezahlt den genannten fairen Preis und wird von einem der offiziellen Taxen ans Ziel gebracht.
Unser Hotel liegt in der historischen Altstadt, die 1991 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Die auf 1920 Meter Höhe gelegene Hauptstadt des Bundeslandes Michoacán hat 600.000 Einwohner und viele gut erhaltene Gebäude aus der Kolonialzeit. Das macht sie zur meistbesuchten Stadt Mexikos im Landesinneren. Gleich nach der Ankunft machen wir einen ersten Erkundungsgang und stehen begeistert vor der Kathedrale aus rosa Basalt im Barockstil. Ein Blick ins Innere zeigt, dass gerade Messe ist. Später erkennen wir das schon von außen. Stehen Bettler vor den Portalen, ist Messe. Wir verschieben die Besichtigung und laufen durch ein paar Straßen der imposanten Altstadt.

Die prächtigen Gebäude gegenüber der Kathedrale haben großzügige Arkaden, unter denen die vielen Restaurants Tische und Stühle dicht an dicht aufgestellt haben. Es ist wirklich ein schöner Platz zum essen. Es sind so viele Menschen unterwegs, da versuchen etliche Händler ihre Waren zu verkaufen: Schmuck, Rosen und auch viele traditionelle Handarbeiten. Ein „Nein danke“ genügt, und sie gehen weiter zum nächsten Tisch. Ein Mann verkauft Honig in großen Gläsern. Als wir abwinken bietet er uns stattdessen eine Gitarre an; auch eine interessante Geschäftsidee.
Ausgestattet mit einem Plan der Sehenswürdigkeiten machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Mercado de Dulces (Süßwarenmarkt). Unterwegs frühstücken wir in einem der vielen netten Lokale. Nach so vielen Monaten mit Toastbrot freuen wir uns jeden Morgen über leckeres frisch gebackenes Brot oder Brötchen.

Der Markt ist in einem Teil des Clavijero Palastes untergebracht, dem ehemaligen Jesuitenkolleg. Hier werden die traditionellen handgefertigten Süßwaren angeboten: Kandierte Früchte, Waffeln, Karamellen, Kokosberge, Konfekt aus Fruchtmus, süß-scharfe Bonbons, Schokolade und vieles mehr. Aber nicht nur Süßwaren gibt es hier, auch Kunsthandwerk ist stark vertreten, darunter viele bestickte Blusen, Kleider und Schals, Stoffpuppen, Bilder, Holzarbeiten und normale Handelswaren. Über all dem liegt der süße Geruch der Naschereien.
Durch die Haupteinkaufsstraße schieben sich die Menschen. Auch hier sind viele Bettler unterwegs. Merkwürdigerweise sehen wir auch zwei Männer in sandfarbenen Uniformen, die ihre Schirmmütze den vorbeilaufenden Menschen entgegenstrecken. Auf der Suche nach Glückwunschkarten gehen wir in eine Papellerie (Papiergeschäft). Hier drängt sich eine dichte Menschentraube vor der Kasse. In drei Woche sind die Ferien zu Ende, und die Eltern nutzen das Wochenende um gemeinsam mit ihren Kindern die zwei DIN A 4 Seiten lange Liste abzuarbeiten. Es gibt alles – nur keine Glückwunschkarten.
Klaus muss ein paar Dinge wegen des neuen Handys klären. Ich schaue mich währenddessen in der Haushaltsabteilung des Kaufhauses um.

Die Waschmaschinen haben alle amerikanischen Standard: Große oben offene Trommeln, die die Wäsche nur hin und her drehen. In 20 bis 40 Minuten sind die rund 20 Kilogramm gewaschen und geschleudert. Auch die Kühlschränke entsprechen den in Amerika verwendeten, sie haben Eiswürfelbereiter und Wasserspender. Kochherde werden grundsätzlich mit Gas betrieben. Die meisten haben sechs Kochstellen und einen entsprechend großen Backofen. Schon ab 180 € wird man Besitzer eines solchen Herdes.

Wir laufen zum Aquädukt, einem Bauwerk im Barockstil mit 253 Bögen auf 1,8 Kilometer Länge. 1728 wurde auf Initiative des Bischofs Antonio de San Miguel mit dem Bau begonnen. Ziel war einerseits die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser und andererseits die Beschäftigung der indigenen Bevölkerung. Bis 1910 wurde es für die Wasserversorgung genutzt, heute erfreut es gut restauriert Besucher und Einheimische.
Im kleinen Park Villalongín suchen wir uns eine Bank im Schatten, um ein wenig auszuruhen und das Leben und Treiben zu beobachten. Wie bestellt fährt plötzlich eine Stretchlimousine vor und heraus arbeitet sich ein junges Mädchen im langen türkisfarbenen Kleid mit bauschigem Rock. Ihr folgen vier junge Männer in identischen Anzügen. Wir erleben hautnah eine Quinceañera, oder doch zumindest den Fototermin. In vielen Ländern Latein- und Südamerikas wird der 15. Geburtstag eines Mädchens als rauschendes Fest gefeiert. Ab jetzt wird es nicht mehr als Kind, sondern als Frau betrachtet. Gekleidet in ein festliches Ballkleid mit passendem Blumenstrauß, begleitet von Eltern und Geschwistern und den vier Ehrenherren geht es erst in die Kirche, dann zum Fototermin und später zum Feiern in ein Restaurant.

Die Eltern müssen tief in die Tasche greifen, um all den Pomp und Prunk zu bezahlen: Kleidung für alle, Frisör, Schönheitssalon, Fotograf, Leihwagen und dann die anschließende Feier für eine große Anzahl Gäste. Häufig ist die Summe höher als bei einer Hochzeit. Während wir interessiert zuschauen, treffen weitere geschmückte Limousinen mit herausgeputzten Familien ein. Die Kleider glitzern und funkeln im Sonnenlicht, petrol, tintenblau, weinrot, zartrosa und altrosa haben die jungen Damen gewählt. Die kleine Schwester einer Fünfzehnjährigen trägt ein Kleid in derselben Farbe. Die Hauptpersonen bewegen sich mit unterschiedlicher Anmut vor der Kamera, so dass einige Gruppen nach 15 Minuten weiterziehen können. Doch manchmal müssen die Fotografen richtig arbeiten. Da wird ein Arm graziös verbogen, dort der Hals überstreckt, alles um das perfekte Foto zu bekommen. Als wir nach über einer Stunde weitergehen, ist das türkisfarbene Team noch immer bei der Arbeit.

Die Schaufenster sind voll von Kleidern für diesen Anlass. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben außer weiß und schwarz. Eine Puppe im nahezu identischen Kleid in derselben Farbe gibt es dazu. Die sitzt dann wahrscheinlich lebenslang auf der Couch und erinnert an diesen einen Tag.
Am Abend ist die Straße vor der Kathedrale für den Autoverkehr gesperrt. Bei den vielen Menschen wäre ein Durchkommen sowieso unmöglich.
Exif_JPEG_420Das Bauwerk wird in allen Farben des Regenbogens angestrahlt und um 20.45 Uhr beginnt – wie an jedem Samstagabend – ein 15 minütiges Feuerwerk, begleitet von Musik, einer Erzählstimme und den begeisterten Ah’s und Oh’s der Zuschauer. Es dauert, bis sich danach die Menschenmasse verläuft. Nachdem wir uns zum Straßenrand durchgekämpft haben, schlüpfen in eine Nebenstraße und kommen doch recht schnell zu unserem Hotel.
Auch am Sonntag ist die Straße vor der Kathedrale gesperrt. Heute gehört sie Fußgängern, Skatern, Radfahrern und Hunden. Kinder wuseln herum und die Erwachsenen haben alle Zeit der Welt. Unter den Arkaden wird ausgiebig gefrühstückt, dabei kann man wunderbar die sportlichen Aktivitäten der Menschen auf der Straße beobachten.

Besonders beliebt ist ein Gespann aus 13 Fahrrädern, vorne eins, dahinter sechs Zweiergruppen jeweils mit bequemen Kindersitzen davor. Nach dem Gejohle zu urteilen, sind die Herrschaften nicht ganz nüchtern unterwegs. Eine Gruppe kostümierter junge Menschen zieht plötzlich die Blicke auf sich. Sie werben für eine Veranstaltung am Abend. Erzählt wird die Legende von Morelia.

Gegen Mittag können wir uns endlich die Kathedrale in aller Ruhe von innen anschauen. Sie ist sehr elegant im Stil der Neoklassik gestaltet. Besonders beachtenswert ist eine Christusstatue aus Maispaste.
Auf den Plätzen links und rechts der Kirche sind Clowns und mehrere Tänzer aktiv. Diese tragen Masken, gehen an Stöcken und fangen in ihren Schuhen mit klappernden Holzsohlen plötzlich gemächlich an zu tanzen.

Dann folgen solistische Einlagen in einem solchen Tempo, dass ihnen die Kleider um den Körper fliegen.
Dieser traditionelle Tanz der alten Männer (Danza de los Viejitos) gehört zu Michoacan wie die Gitarre zur Mariachi-Musik. Wir sehen uns diese großartige Vorstellung eine ganze Weile an. Heute ist hinter der Kathedrale auf einem kleinen eingezäunten Platz ein alternativer Markt aufgebaut. Es gibt selbst gemachte Konfitüren, Salsas, Kosmetik, den hier offenbar sehr beliebten Eierlikör, Schuhe, Schmuck und noch vieles mehr. Für 250 Pesos (11,25 €) gibt es hier schöne Schuhe aus geflochtenen Lederstreifen. Wenn wir doch bloß noch Platz in unseren Koffern hätten. Doch nicht nur auf diesem Markt kann man heute einkaufen, fast alle Geschäfte haben geöffnet und dadurch ist ein Leben in der Stadt, dass es eine Freude ist. Auf allen Plätzen sitzen Menschengruppen zusammen. Es ist so eine schöne Atmosphäre, wenn ich da an deutsche Innenstädte an Sonntagen denke … Offenbar sind Frömmigkeit und Sonntagsarbeit doch kein Widerspruch.
In einem der alten jetzt motorisierten Straßenbahnwagen – noch mit den Original-Holzbänken – machen wir eine Stadtrundfahrt. Der Tourleiter erzählt frei und anscheinend sehr humorvoll. Leider hat eine Mutter mit vier Kindern im Alter von eins bis fünf Jahren heute offenbar nichts Besseres vor, und so übertönen die Kleinen mit ihrem Gebrüll mühelos den sicherlich interessanten Vortrag. Von mehreren Seiten ertönt ein: „Pssst,“ das stört aber weder die kleinen Racker noch deren Mutter. Aber irgendwann geht auch diese Rundfahrt zu Ende und die Nerven und Ohren können sich erholen.

Uruapan – Volcano bumm (Mexiko)

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Montagmorgen, wir verlassen Morelia und nehmen den Bus nach Uruapan. Die Fahrt durch das Hochland zeigt uns wieder nur die grüne Seite Mexikos Die gut 100 Kilometer sind in zwei Stunden zurückgelegt, und wir finden uns in einer völlig anderen Stadt wieder. Verwöhnt vom prächtigen Aussehen Morelias sind wir erst mal enttäuscht. Auf den ersten Blick hat Uruapan so gar nichts zu bieten. Bei dem gerade niedergehenden Wolkenbruch sieht man deutlich, dass es keine Regenrinnen gibt. Von den Häusern schießt das Wasser in weiten Fontänen aus Wasserspeiern auf die Straße. Von einem der Häuser ergießt sich eine mächtiger Wasserfall.

Unser Eindruck von Uruapan ändert sich, als wir nach dem Regen einen Rundgang machen und die versteckten schönen Seiten der Stadt entdecken. Den großen Platz vor der Kirche, mit Bäumen, Bänken, Brunnen und Blumenbeeten, der viele Menschen anzieht. Hier ist zu jeder Tageszeit Betrieb. Am ersten Abend landen wir in einem Lokal, das zu den preiswerten gehört, aber die Taccos kommen frisch gebacken auf den Tisch. Ich habe ein merkwürdiges Stück Fleisch auf dem Plastikteller; millimeterdünn und hart wie ein Stück Karton. Später sehen wir dieses „gedörrte“ Fleisch in Handtuchgröße in einer Metzgerei hängen.

Uruapan ist eine der ältesten Städte in Mexiko. Der Name geht auf eine indigene Sprache zurück und bedeutet: Die Bäume tragen immer Früchte. Davon können wir uns auf unserer Fahrt in nach Paracho überzeugen. Ungefähr zwanzig Kilometer fährt der Bus an Plantagen vorbei. Avocado- und Macadamia-Bäume, soweit das Auge reicht. Der Ertrag ist so gewaltig, dass nahezu die ganze USA mit Avocados aus dieser Region beliefert wird.

Nach weiteren 15 Kilometern erreichen wir Paracho, die Gitarrenstadt Mexikos. Schon von weitem fällt das riesige Instrument auf einem Verkehrskreisel am Ortseingang auf. In der Hauptstraße der Stadt liegt ein Geschäft neben dem anderen. In etlichen sind Musikinstrumente zu sehen, aber auch andere aus Holz gefertigte Artikel wie Möbel, Spielzeug und Küchenartikel werden angeboten. Wir sind hauptsächlich wegen der Gitarren hergekommen. Der Instrumentenbau hat eine lange Tradition. Ein Franziskanermönch soll der Legende nach geflüchteten, handwerklich überaus geschickten Purépecha-Indianeren die Herstellung beigebracht haben. Rund 600 Werkstätten gibt es, in denen manuell gefertigt wird.

Bei unserem Rundgang kann man auch in einigen Häusern die Rohformen sehen. Der Instrumentenbau wird hauptsächlich von Männern ausgeübt und geht häufig vom Vater auf den Sohn über. Frauen dürfen so wichtige Tätigkeiten wie schmirgeln und polieren übernehmen, das können sie durch von Kindesbeinen an praktizierte Hausarbeit als dem Effeff.

Hier hängt also der Himmel voller hochwertiger Gitarren und mein musikbegeisterter Mann bekommt glänzende Augen bei dieser Auswahl. Nachdem er einige ausprobiert hat, wird er glücklicher Besitzer einer schwarzen Westerngitarre. Aber ein Guitarron (Bassgitarre) will er auf jeden Fall noch ausprobieren. Bereitwillig drückt ihm eine Ladenbesitzerin ein solches Instrument in die Hand. Groß und dickbauchig ist es und hat einen schönen vollen Klang. Es wird fast ausschließlich in Mariachi-Bands gespielt. Auf dem Marktplatz wird an einer Bühne gezimmert. Am Wochenende beginnt das jährliche Gitarrenfestival, aber da werden wir leider schon weitergereist sein.

Jetzt haben wir also noch eine Gitarre. Die Halbgitarre reist seit Bali schon mit uns durch die Welt, aber die neue ist zu unhandlich, um sie auch noch mit herum zu schleppen. Wir haben die Wahl zwischen der staatlichen Post, die als unzuverlässig gilt, und drei international agierenden Unternehmen. In Uruapan ist eine Niederlassung eines amerikanischen Transportunternehmens. Da erkundigen wir uns nach Versandmöglichkeiten. Auf Schnelligkeit kommt es uns nicht an, aber man hat keine Wahl, hier wird nur per Luftfracht verschickt. Die Auskunft, die wir erhalten macht uns Hoffnung, dass der Versand problemlos vonstatten geht. Als wir unterwegs einem Kartonsammler begegnen, kaufen wir ihm für ein paar Pesos einen ab, ohne zu wissen, ob wir ihn überhaupt brauchen.

Auf dem Rückweg zum Hotel machen wir einen kleinen Abstecher zur ehemaligen Textilfabrik San Pedro. Im historischen Zentrum der Stadt sieht dieses Gebäude aus dem 19. Jahrhundert aus wie eine alte Hacienda. Zweistöckig, aus Backstein und mit Rundbögen auf einem großen schön bewachsenen Grundstück. Nach der Fertigstellung 1894 wurde Wolle, Leinen, Baumwolle und Seide von höchster Qualität produziert. Um 1910 waren 200 Webstühle in Betrieb. Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohmaterial und einige Streiks der Belegschaft führten letztendlich dazu, dass der Betrieb eingestellt werden musste. Zeitweilig – Anfang der 70er bis Mitte der 80er Jahre – war hier das städtische Gefängnis untergebracht. Würde mich nicht wundern, wenn einige der damaligen Insassen nur straffällig geworden wären, um einmal in diesem schönen Gebäude „wohnen“ zu können.

Im Untergeschoss des 12.000 m² großen Gebäudes stehen die schweren gut hundert Jahre alten Eisenmaschinen aus England. Kämm- und Spinnmaschinen und Webstühle für die Baumwollverarbeitung, teilweise demontiert und verstaubt. Als das alles noch in Betrieb war, muss hier ein unglaublicher Lärm geherrscht haben.

Im Erdgeschoss ist ein großer leerer Saal, den man heutzutage für Veranstaltungen mieten kann. In einem kleinen Teil ist noch eine Textilfirma untergebracht, die auf traditionelle Weise gefärbte und handgewebte Stoffe in herrlichen Farben anbietet. Hier weiß man, wie das geht, immerhin haben schon die Inkas vor über 7.000 Jahren Gewebe aus Baumwolle hergestellt. Bei schönen Stoffen kann ich einfach nicht widerstehen, und praktisch ist es für die Polsterung der Gitarre obendrein.

Im Hotel stopfen wir das Instrument mit unserer Skiunterwäsche aus, die wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr brauchen, und wickeln es in zwei gerade gekaufte Stoffbahnen. Danach passt es gerade so in die Tragetasche. Die dritte Stoffbahn polstert den Hals und dann kommt der Karton drumherum. Beim Transportunternehmen wird später alles nochmal eng mit Folie umwickelt. Die Abfertigung dauert beinahe eine Stunde. Versand nach Deutschland hatte man hier wohl noch nie. Hinter uns stehen etliche Menschen an, aber niemand beschwert sich. Nachdem wir bezahlt haben und im Gegenzug die Papiere ausgehändigt bekommen, fühlen wir uns richtig erleichtert. Hoffentlich kommt die Sendung heil bei uns in Deutschland an. Aber bei den vielen „ACHTUNG, ZERBRECHLICH“-Aufklebern wird sich wohl niemand trauen, dieses Paket unsanft zu behandeln.

Uruapan hat ein Geheimnis, den unterirdischen Fluss Cupatitzio, der einen knappen Kilometer vom großen Platz vehement an die Oberfläche drängt.

Hier in der Stadt gibt es deshalb den Nationalpark Barranca del Cupatitzio. Schon kurz hinter dem Eingang (Eintritt kostet 25 Pesos = 1,125 €) ist man in einer anderen Welt. Riesige Bäume, Sträucher, Stauden, baumgroße Engelstrompeten und über all dem ein ständiges Rauschen. Innerhalb des Parks ist die Luft frisch und ungefähr 5 Grad kälter als außerhalb. Der Cupatitzio drückt hier sein kristallklares Wasser aus dem Boden, durch Felsspalten, lässt es in einem munteren Bach dahineilen, von einem Felsen stürzen und hat die Gestalter des Parks animiert, den Besuchern immer neue Erlebnisse zu bieten. Die verschiedensten Kaskaden und Quellen erfreuen sowohl das Auge als auch das Ohr mit Plätschern, Gurgeln, Sprudeln und Dröhnen.

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Auf dem Geländer einer steinernen Brücke steht ein Mann und wartet auf Publikum. Als sich eine für ihn ausreichende Anzahl versammelt hat, klettert er vom Geländer hoch in einen Baum und stürzt sich mit einem Kopfsprung in das brodelnde Wasser. Alle halten den Atem an und starren ins Wasser; eine Minute vergeht, zwei Minuten. Was ist passiert? Auf der anderen Seite der Brücke steht der mutige Springer, trocknet sich ab und lacht. Natürlich fällt das Trinkgeld sehr großzügig aus.

An einem Obststand pult der kleine Sohn des Besitzers geduldig Granatapfelkerne aus der ledrigen Hülle. In kleine Plastikbecher gefüllt werden sie gern gekauft. Wir entscheiden uns für geschälte Mangos und Ananas. Ein ruhiges Plätzchen ist bald gefunden. Während wir unser Obst genießen, beobachten wir einen Kolibri, der aus den Blüten der Engelstrompeten Nektar saugt.

Als wir weiterlaufen hören wir ein surrendes Geräusch, dann saust etwas Buntes vorbei. Im Park kann man ein Stück an einer Zip-Line hängend zurücklegen. Diese Attraktion heißt hier übrigens  TIROLESA. Dann geht es über eine Hängebrücke – bei der jedes zweite Brett fehlt – auf eine Plattform in 20 Meter Höhe und über eine weitere Zip-Line zurück auf den Boden. Besonders den Kindern gefällt dieser Nervenkitzel. Die stolzen Eltern filmen das Abenteuer per Handy oder Tablet.

Am großen Platz im Zentrum liegt das Museo Indigena Huatápera (Kulturmuseum verschiedener indigener Gruppen aus der Region).

Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1530 und war einst ein Hospital. Heute kann sich jeder bei freiem Eintritt in den liebevoll restaurierten Räumen umsehen und findet Trachten, Geschirr, Schmuck und Informationen über das frühere Leben der Ureinwohner. Ein Raum ist für wechselnde Ausstellungen reserviert. Holzspielzeug, Keramik und neuzeitliche Textilien, bestickt mit traditionellen Mustern werden gezeigt. Die bestickten Blusen sieht man – auch an jungen Frauen – täglich im Straßenbild.

Am Busbahnhof kaufen wir heute Fahrkarten nach Angahuan. Da das nicht die Endstation ist, wirken wir wohl ein bisschen orientierungslos. Ein Mexikaner fragt, wo wir hinwollen und ich zeige ihm unsere Tickets. „Volcano bumm?“ fragt er und als ich nicke, deutet er auf den richtigen Bus. Der erste Teil der Strecke ist identisch mit der nach Paracho. Als wir abbiegen finden wir uns plötzlich im Nebel wieder. Erst nach einer Weile erkennen wir, dass es kein Nebel ist sondern Qualm. Hier existiert das Köhler-Handwerk noch. Aus den aufgeschichteten Erdhügeln quillt dichter Rauch, und der Geruch lässt keinen Zweifel, um was es sich hier handelt. Heute fahren wir wirklich durch das ländliche Mexiko. An der Haltestelle in Angahuan sprechen uns zwei Frauen auf englisch an. Mutter und Tochter mit elfjährigen Sohn bzw. Enkel, sind Mexikanerinnen und leben in Palm Springs. Sie verbringen hier ihren Urlaub und bieten uns an, mit ihnen gemeinsam im Taxi zum Ausgangspunkt der Vulkanbesichtigung zu fahren. Das nehmen wir gern an. In Angahuan kommen wir uns vor, als hätten wir eine Zeitreise angetreten. Wir sitzen in einem mehrere Jahrzehnte alten Auto und schaukeln über die mit Felsbrocken belegte Straße. Viele Männer sind auf Pferden, die Frauen sind in ihren Trachten zu Fuß unterwegs. Hier im Auto erfahren wir, dass man am besten mit einem Pferd zum Vulkan gelangt. Der Weg ist zwar auch zu Fuß möglich, aber wegen der Höhe recht anstrengend. Nach kurzer Überlegung stimmen wir zu. Noch während wir durch das Dorf fahren, verhandelt unser Fahrer mit einem Mann wegen der benötigten fünf Pferde.

Vor einem Restaurant wird das Auto geparkt und schon stehen die Pferde für uns bereit. Ich bekomme ein isabellfarbenes Tier; das Aufsitzen klappt jedenfalls noch. Unser Fahrer läuft neben der kleinen Gruppe her. Er spricht nur spanisch und seinen indigenen Dialekt. Was für ein Glück, dass wir die Frauen getroffen haben. Der Weg führt steil bergab, mal gibt es Treppenstufen, mal kleine Gräben, die quer über den Weg laufen, und immer wieder gemauerte Durchgänge. Die Tiere kennen ihren Weg so genau, dass man die Zügel nicht einzusetzen braucht . Nach einer dreiviertel Stunde erreichen wir den Sammelplatz. Etliche Pferde sind in einem nach allen Seiten offenen Stall untergestellt. Mein Tier läuft zielstrebig in eine Lücke zwischen zwei Tieren, genau hierhin will es, da kann ich machen was ich will. Jetzt muss ich zwischen den eng stehenden Pferden absitzen und mich durchschlängeln.

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Ab hier geht es nur zu Fuß weiter. Einheimische haben viele kleine Stände aufgebaut; vielleicht wollen die Touristen ja essen und trinken oder etwas kaufen.

Und dann stehen wir vor der Lava des Paricutin. Am 20. Februar 1943 war der Farmer Dionisio Pulido auf seinem Maisfeld, als er plötzlich einen Erdspalt bemerkte. Er versuchte, ihn zuzuschaufeln, als die Erde anfing zu beben und aus dem Spalt Qualm aufstieg. Dionisio tat das einzig Richtige, er rannte so schnell er konnte davon. Gute Entscheidung, denn da begann ein Vulkan zu wachsen. Nach einem Jahr war er bereits 410 Meter (2.800 Meter über Meereshöhe) hoch. Zum Glück floss die Lava langsam, so dass sich alle Einwohner des Dorfes Paricutin mit ihren Besitztümern in Sicherheit bringen konnten. Bis 1952 stieß der Vulkan immer weiter Lava aus und begrub 20 km² Land und darunter das gesamte Dorf Paricutin unter sich. Lediglich einige Wände und der Turm der großen Kirche ist zwischen den Lavabrocken heute noch zu sehen. Der Vulkan bekam den Namen des ausgelöschten Dorfes. Während wir über das Geröll klettern, um zum früheren Altarraum zu gelangen, fängt es plötzlich an zu regnen und zu hageln. Der elfjährige Hector aus Palm Springs ist entzückt. Noch nie in seinem Leben hat er Regen, geschweige denn Hagel erlebt. Fasziniert hebt er die erbsengroßen Eiskörner auf und lässt sie in seiner Hand schmelzen. Nach einer halben Stunde beschließen wir, trotz des Gewitters zurückzulaufen. Wir haben die Regenjacken über die Rucksäcke gezogen, aber Schuhe und Hosen sind patschnass. Noch schnell einen heißen mit Zimt und Kardamom gewürzten Kaffee Olla trinken und dann schlängeln wir uns hinter unserem Begleiter durch die Verkaufsstände, wo der Boden einigermaßen trocken geblieben ist, zurück zum Stall. Kaum sitzen wir wieder auf den Pferden, hört es auf zu regnen. Mit noch immer nassen Hosen und Schuhen kommen wir nach zweieinhalb Stunden im Hotel an. Die heiße Dusche ist eine Wohltat und verhindert hoffentlich eine Erkältung.

Zihuatanejo, Acapulco und Puerto Escondido – Pazifikküste (Mexiko)

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Wir wollen zu unserem letzten Frühstück in Uruapan in unser Lieblingscafé.

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Eine dichte Menschentraube versperrt uns auf dem Bürgersteig den Weg. Was mag da los sein? Die Menschen stehen Schlange vor der Bank, um an die Geldautomaten zu kommen. Monatsanfang bedeutet „frisches“ Geld. Die Stimmung ist fröhlich, man redet miteinander und niemand scheint es eilig zu haben. Diejenigen, die ihr Geld schon bekommen haben, wollen es auch gleich in den gegenüber liegenden Geschäften wieder loswerden. Mit großen „Rebajas“-Werbetafeln machen die Läden auf den Sommerschlussverkauf mit unglaublich niedrigen Preisen aufmerksam.

Für uns kommt ein Einkaufsbummel nicht infrage, wir müssen zum Bus, denn heute geht es an die Küste. Von 1600 Höhenmetern geht es in knapp fünf Stunden auf Meereshöhe. Und von angenehmen 24 – 26 Grad auf Temperaturen über 30 Grad. Immer wieder staunen wir, wie grün sich das Land präsentiert. Maisfelder, Obstplantagen, Gemüsebeete, alles wächst und gedeiht. Und immer wieder der Blick auf Vulkane. Mexiko hat 61 namentlich bekannte Vulkane, 10 davon sind Vulkanfelder, von denen schon ein einzelnes rund 900 Vulkankegel umfasst.

Nachdem wir schon 1000 Höhenmeter überwunden haben, fallen immer mehr große Kakteen in der grünen Landschaft auf. Wir überqueren einige Male einen Fluss, der mehrmals aufgestaut ist. Hier erkennt man an den nackten Uferböschungen, dass es an Wasser mangelt.

Im heftigen Gewitter erreichen wir Zihuatanejo und kurze Zeit später unsere Wohnung für die nächsten Tage. Anna, die Tochter der Hausbesitzerin begrüßt uns auf deutsch. Ihre beiden Kinder wohnen in Berlin und sie wechselt jedes Vierteljahr ihren Wohnort von Mexiko nach Deutschland und zurück.

In Zihuatanejo machen hauptsächlich Mexikaner Urlaub, seit in den 70er Jahren ein paar Kilometer nördlich der Stadtteil Ixtapa mit großen Hotels und hochpreisigen Ressorts für den internationalen Tourismus ausgebaut wurde.

Die rund 70.000 Einwohner zählende Stadt Zihuatanejo im Staat Guerrero liegt an einer großen geschützten Bucht. Vorgelagerte Felsen brechen die großen Wellen des Pazifik und lassen sie gemächlich an den Strand rollen. Auf dem Weg zum Meer begegnen uns viele Einheimische in triefend nassen Kleidern. Sie brauchen weder Badehose noch -anzug. In der Wärme friert man nicht und trocken werden die Sachen auch ganz schnell. Heute am Sonntag vergnügen sich Jung und Alt am Strand. Die meisten Erwachsenen sitzen in den unzähligen Lokalen am Strand, die Kinder spielen im Sand oder toben im Wasser. Auf einem schön angelegten Weg kann man fast um die ganze Bucht laufen. Leider sind Weg und die Begrenzung zum Wasser hin teilweise kaputt und ungepflegt. Große Steinplatten liegen im Wasser, Taue die als Geländer angebracht wurden sind zerrissen. Uns fallen viele unterschiedliche handgemalte Tafeln auf, mit denen Besucher gebeten werden, Müll und Zigarettenkippen nicht am Strand liegen zu lassen. Diese Projektarbeit einer fünften Klasse zeigt auf jeden Fall Wirkung, denn die darunter stehenden Kartons sind mit leeren Flaschen und Abfalltüten gefüllt.

Kleinsthändler laufen mit verschiedenen Warenangeboten herum. Nachdem wir schon dreimal die angebotenen Erdnüsse abgelehnt haben, erkläre ich dem vierten Händler, ich sei gegen die Nüsse allergisch. Sein Sohn bietet mir kleine Spielzeuge an und bemerkt sofort augenzwinkernd: „No allergia.“ Pfiffiges Kerlchen.

Neben dem Pier, von dem die Boote mit Anglern und Ausflüglern ablegen, ist eine Art „Galgen“ angebracht, an der man seinen Fang befestigen kann, um sich damit fotografieren zu lassen. Bei den Hochsee – Angeltouren können immerhin Schwertfisch und Blauer Merlin gefangen werden. In der Nähe warten Pelikane und Reiher darauf, dass die Angler ihnen etwas von ihrem Fang überlassen. Im Wasser sehen wir verschiedenfarbige Kugelfische und Adlerrochen, die vermutlich auf auf leichte Beute aus sind. Und jeden Nachmittag kommt ein Schwarm Fregattvögel mit demselben Ziel in die Bucht.

Das Lokal, in dem wir abends essen, gehört einer Italienerin und ihrem mexikanischen Ehemann. Sie ist begeistert, Gäste aus Deutschland zu haben. Mit einer herzlichen Umarmung werden wir verabschiedet.

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In einem anderen Restaurant wundern wir uns über die vielen Garderobenständer. Hier trägt doch niemand eine Jacke. Als wir am Tisch sitzen, wird solch ein vermeintlicher Garderobenständer neben mich gestellt:  Er ist für die Handtasche bestimmt.

Morgens ist ein leichtes Erdbeben zu spüren, abends hören wir zwei Schüsse. „Ja, gestern Abend ist ein junger Mann zwei Straßen weiter erschossen worden,“ lässt uns die Hausbesitzerin wissen. „Er war halt ein böser Junge und hat sich mit den falschen Leuten eingelassen,“ erklärt sie uns achselzuckend. Dieser Einstellung begegnen wir noch öfter. Ja, es gibt Gewalt und Kriminalität in Mexiko; und nein, mit den „normalen“ Menschen hat das rein gar nichts zu tun.

Acapulco ist unser nächstes Ziel. Das Urlaubsparadies der Reichen und Schönen in den 50er und 60er Jahren hat längst seine Anziehungskraft verloren. Es liegt günstig auf unserer Route nach Süden, und ein wenig neugierig sind wir auch, deshalb haben wir uns entschlossen, ein paar Tage zu bleiben. Während der Busfahrt lese ich, dass Acapulco in einer Auflistung der gefährlichsten Städte der Welt aus dem vergangenen Jahr den dritten Platz inne hat. Ob es diese Information ist oder die Hitze kann ich nicht recht sagen, auf jeden Fall sind wir nicht so unternehmungslustig wie sonst. Wir haben ein schönes Hotel mit Swimmingpool und machen uns erst Nachmittags auf den Weg in die Stadt.

Die Lage ist wunderschön, Acapulco schmiegt sich um eine weite Bucht. Vorne das Meer, hinter der Stadt grüne Berge. Nur die vielen Hochhäuser – fast nur Hotels – stören die Harmonie. Seit hier Bandenkriege stattfinden, bleiben die ausländischen Touristen weg und Acapulco gehört wieder den Mexikanern.

Überdurchschnittlich viele Taxen sind auf den Straßen unterwegs, darunter viele VW Käfer in mehr oder weniger gutem Zustand. Je nachdem, zu welcher Organisation die Fahrer gehören, sind sie entweder weiß-blau oder weiß-gelb lackiert.

Unser nächstes Ziel, Puerto Escondido liegt zwar nur gute 400 Kilometer entfernt, aber die Busfahrt soll 10 Stunden dauern.

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die Großstadt Acapulco braucht auch große Handymasten

Es gibt hier keine Autobahn, eine Landstraße führt durch die Berge in der Nähe der Küste. Jedesmal wenn wir eine Ortschaft – und sei sie noch so klein – erreichen, muss der Bus über die „Reductores  de Velocidad“ fahren. Diese bei uns Bremsschwellen genannten Hindernisse auf der Fahrbahn sind unterschiedlich breit, aber immer ganz schön hoch, so dass man im Bus jedes mal durchgeschüttelt wird.  Man ieht viel den Anbauovon Tropenfrüchten. Links und rechts der Straße sind Papaya-Plantagen angelegt.

Als wir in einem Ort plötzlich Tuktuks an der Haltestelle sehen, fühlen wir uns sofort wieder nach Südostasien zurückversetzt. Anscheinend sitzt hier ein Importeur, da wir TukTuks sonst nie in Mexiko sehen konnten.

Der Bus macht komische Geräusche und die Videoanlage schaltet sich aus. Der Fahrer hält an und werkelt am Motor herum, ein Stück geht es weiter. Es sind noch ca. 20 Kilometer bis Puerto Escondido, als der Bus dann wirklich stehen bleibt. Ein Keilriemen ist gerissen. Bei diesem Klima kann der Busfahrer auch nicht darauf hoffen, dass eine der Mitfahrerinnen ihm mit einer Strumpfhose aushilft. Klaus kann einen Kleinbus anhalten, und so setzen wir nach einer halben Stunde den Rest der Fahrt fort. Es ist schon dunkel, als wir an unserem hübschen kleinen Hotel ankommen.

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Kaktusblüte

„Das finde ich großartig, dass ihr in Acapulco wart,“ begrüßt uns Manuela, die Besitzerin unseres Hotels. „Die meisten Touristen trauen sich dort gar nicht mehr hin.“ Auch für sie und ihren Mann, beide Schweizer, die seit neun Jahren in Mexiko leben, ist Gewalt und Kriminalität nur mit schlechten Menschen (Opfer und Täter natürlich auch) in Verbindung zu bringen. Wenn ein Vergewaltiger ermordet, ein Pädophiler verprügelt wird, haben sie es eben verdient.

Puerto Escondido ist das Surferparadies von Mexiko. Der Ortsteil Zicatela hat einen vier Kilometer langen Strand, an den unablässig die Wellen donnern. Die „Mexican Pipe“, eine Riesenwelle von 10 Metern Höhe und der Länge eines australischen Roadtrain, kann nur von absoluten Könnern bezwungen werden. Aber auch die müssen ihren Wagemut manchmal mit Knochenbrüchen oder sogar mit dem Leben bezahlen. Am Haus der Rettungsstation sind drei Fotos der letzten Opfer angebracht. Trotzdem trauen sich Menschen jeden Tag mit ihren Brettern ins Wasser.

Etliche Versuche hinter die Welle zu kommen, sind zum scheitern verurteilt. Immer wieder werden die Surfer ans Ufer gespült. Überdies gibt es hier eine Unterströmung, die Menschen aufs offene Meer hinauszieht. Wer trotz der roten Fahnen ins Wasser geht, bekommt richtig Ärger mit den Lebensrettern. Wir erliegen der Faszination dieser Wellen jeden Morgen beim Frühstück im Strandcafé, aber ins Wasser trauen wir uns hier nicht.

Beim Strandspaziergang kommen uns die Wellen durch die auflaufende Flut ziemlich nahe, plötzlich stehen wir bis zu den Knien im Wasser. Und das zurückfließende Meer nimmt den Sand mit und zieht uns förmlich den Boden unter den Füßen weg. Ein Paar, das gerade noch grinsend zuschaut, wird von der nächsten Welle erwischt und muss mit nassen Hosen seinen Weg fortsetzen.

Am Strand bietet uns ein Mann einen Ausflug zur Manialtepec-Lagune in der Nähe an. Biolumineszenz heißt das Zauberwort, dass uns gleich elektrisiert. Um 19 Uhr holt uns ein Kleinbus ab. Nach uns werden noch neun weitere Passagiere abgeholt und danach haben wir noch eine halbstündige Fahrt vor uns, bevor wir in einem kleinen Ort in ein Boot umsteigen.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Das Boot hat einen schön leisen Motor, die Luft ist angenehm mild und ringsherum ist kein Licht mehr zu sehen. Mit einer Taschenlampe leuchtet unser Führer in die Uferzonen, wo Mangroven wachsen. Er erklärt – leider auf spanisch – die Besonderheiten dieser Lagune. Ein Salzwasseranteil von knapp 30 % schafft besondere Lebensbedingungen für Mikroorganismen, die durch Wasserbewegung zu leuchten beginnen. Das Boot ankert, Klaus und ich springen ins Wasser und sehen beglückt, wie es während unseres Planschens im Wasser silbrig aufleuchtet. Die Temparatur liegt bei ca. 30 °C und hat Schichtungen von Süßwasser (kühler) und Salzwasser. Wir können gar nicht genug bekommen, schwimmen hin und her, schlagen aufs Wasser, tauchen und bespritzen uns gegenseitig. Die anderen Passagiere sind noch zurückhaltend. Nach und nach ziehen vier von ihnen Schwimmwesten an, klettern über die Leiter ins Wasser und hängen dann – mit dem Gesicht zur Wand – am Boot. Offenbar können sie nicht schwimmen und trauen sich auch nicht, eine Hand loszulassen, um besser aufs Wasser schauen zu können. Sehr schade. Dann verziehen sich die Wolken und wir haben auch noch den Blick in den Sternenhimmel. Nach einer Stunde klettern wir zurück ins Boot. Bei der Rückfahrt sieht das Wasser aus, als wären die Sterne ins Wasser gefallen. Es blitzt und glitzert wie ein Unterwasser-Feuerwerk. Unzählige Fische bringen dieses Wunder durch ihre Bewegungen zustande. Was für ein wunderschönes Erlebnis an unserem letzten Abend in Puerto Escondido.

Mexico City

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Es ist noch dunkel, als wir morgens um sechs Uhr unser Hotel verlassen. Die Taxen rollen zu dieser frühen Stunde langsam über die Hauptstraße von Zicatela und ihre Fahrer spähen aufmerksam in die Nebenstraßen auf der Suche nach Kundschaft. Wer um diese Zeit auf der Straße ist, will meistens zum Flughafen, um den ersten Flug nach Mexiko City zu nehmen. Das haben wir auch vor. Die Abfertigung kommt uns hier ein wenig unprofessionell vor. Links vor dem Abfertigungsschalter ein Tisch, an dem die Koffer mit einem Schnelltest auf Sprengstoff kontrolliert werden. Wir werden durchgewunken, um dann am Check-In wieder zurückgeschickt zu werden. Die Koffer können nur von diesem Tisch aus zur Gepäckaufgabe gelangen(?) Aber gut, es ist ja schließlich auch für das Personal noch früh am Morgen. In der Wartehalle sitzen viele Familien mit kleinen Kindern, die mehr oder weniger gelassen mit der Wartezeit umgehen. Ein gut einjähriger Junge brüllt wie am Spieß und beruhigt sich erst, als seine Mutter das Handy rausrückt. Versonnen wischt er nun über den Bildschirm und seine Welt ist wieder in Ordnung.

Der Flug ist verspätet und wir haben Zeit, uns umzusehen. Nachdenklich stehen wir vor einer Stellwand mit aufgehängten Vermisstenmeldungen. Zwölf junge Menschen werden gesucht, die in dieser Gegend um 2014 spurlos verschwunden sind. Wie schrecklich für die Angehörigen nicht zu wissen, was mit ihnen passiert ist.

Während des knapp 1,5-stündigen Fluges kommen wir am Popocatepetl (rauchender Berg) vorbei. Der schneebedeckte 5.426 Meter hohe Zwillingsvulkan stößt kleine Rauchwolken in den blauen Himmel.

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Kurz danach fliegen wir über Mexiko Stadt und fliegen und fliegen. Die auf 2.200 Höhenmetern liegende neun Millionen Metropole erstreckt sich über rund 1.500 Quadratkilometer. Frisch ist es heute Morgen, 15 Grad kühler als in Puerto Escondido.

Für unseren Weiterflug in drei Tagen wollen wir gleich am Flughafen die im Ticketpreis enthaltenen 15 Kilo Freigepäck auf 20 Kilo aufstocken. Klaus ist fassungslos, die beiden Damen am Schalter der Airline im internationalen Flughafen der Hauptstadt sprechen kein englisch. Mit Gesten und Zeichnungen gelingt es uns, ihnen begreiflich zu machen, was wir wollen. Und dann klappt es auch. Für 27 € dürfen wir insgesamt 10 Kilo „Übergepäck“ mitnehmen.

Im Flughafen kaufen wir am „offiziellen“ Taxischalter ein ziemlich teures Ticket und stehen dann vor einem Großraumtaxi, das uns über die beeindruckende Paseo de la Reforma in die Innenstadt bringt. Links und rechts der mehrspurigen Allee, die auch noch einen breiten Grünstreifen in der Mitte hat, Hochhäuser mit Banken, Verwaltungen, Versicherungen und dazwischen mehrere elegante Einkaufszentren und immer wieder der Blick auf Grünanlagen.

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Das Hotel liegt einen Steinwurf weit entfernt von der Säule mit dem goldenen Engel – El Ángel de la Independencia – der 1910 zum Gedenken an die hundertjährige Unabhängigkeit Mexikos von Spanien errichtet wurde. Dieser Engel sieht aus wie eine Schwester der Berliner „Goldelse“. Unser Zimmer ist noch nicht fertig, aber wir können unser Gepäck an der Rezeption deponieren. Jetzt brauchen wir erst mal ein spätes Frühstück.

Rund um den Kreisverkehr mit der Engelssäule in der Mitte ist heute Pfadfindertreffen.

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Voller Stolz tragen die Pimpfe ihre Uniform und die Fahnenträger strahlen vor Wichtigkeit.

Am Sonntag ist – wie in Morelia – auch in Mexiko Stadt die Hauptstraße bis nachmittags für den motorisierten Verkehr gesperrt, Radfahrer und Rollschuhläufer haben die Prachtstraße erobert. Für den Autoverkehr aus den Seitenstraßen werden die Radfahrer immer wieder mit einem großen Bannern zum Halten gezwungen.

Beim Gang in die Innenstadt kommen wir an etlichen Häuserblocks mit zugenagelten Türen vorbei. Nach den letzten Erdbeben sind die Häuser einsturzgefährdet. Die Risse auf dem Bürgersteig haben vermutlich dieselbe Ursache. Bei vielen neuen Häusern sind große Stahlträger bereits in die Fassade integriert. Die aufgemalten grünen Vierecke auf der Straße sind Sammelpunkte, an denen keine Gefahr von oben droht, wenn die Erde mal wieder bebt.

An diesem sonnigen Tag drängen sich die Menschen in der Stadt. Wir kommen zu einem Markt auf der Plaza de la Solidaridad, auf dem sowohl Früchte und kleine Gerichte als auch Textilien, Spielzeug und Lederwaren angeboten werden. Außer den Schuhputzern mit festem Stand, bei dem die Herren erhöht wie auf einem Thron sitzen, laufen auch die mobilen Kollegen herum. Sie tragen eine Art Werkzeugkasten aus Holz, in dem ein paar Flaschen, Dosen, Lappen und eine Bürste zu sehen sind. Bis jetzt sind wir noch nie ins Visier dieser Zunft geraten, tragen wir doch entweder Wandersandalen oder unsere Laufschuhe aus textilem Material. Aber heute meint einer, er müsse die Schuhe von Klaus einer gründlichen Reinigung unterziehen. Wir winken ab, er gibt nicht auf. Wir haben kaum noch Bargeld, er meint das sei doch kein Problem. Letztendlich reibt er ein wenig mit einem feuchten Lappen an den Schuhen herum, findet seine Leistung großartig und auf jeden Fall 200 Pesos (9 €) wert. Als er nur die Hälfte bekommt, weil wir wirklich nur noch zwei 100 Pesos Scheine einstecken haben und der Preis sowieso völlig überzogen ist, schimpft er wie ein Rohrspatz. Nach einigem Hin und Her gibt er sich aber dann doch mit einem Händedruck und den üppigen 100 Pesos zufrieden. Immerhin: Für 400 Pesos kriegt man schon neue Laufschuhe!

Rund um die „Plaza de la Republica“ mit dem „Monumento a la Revolucion“ treffen sich Verliebte in den Grünanlagen.

Die Möglichkeit, mit dem Aufzug auf den Turm zu fahren nutzen hauptsächlich Touristen. Der Eintrittspreis beinhaltet auch eine Führung durch die Ausstellung, leider nur auf spanisch. Als wir die Schlange vor der Kasse sehen haben wir noch einen weiteren Grund zu verzichten. Weiter geht es durch die historische Altstadt. Die Blues-Rockband vor dem Tor zur Chinatown spielt auf professionellem Niveau und scharrt deshalb auch eine große Menschengruppe um sich.

Ein Stück weiter links steht das Haus der schönen Künste. Rund um den prächtigen Bau und im angrenzenden Park sind viele Menschen unterwegs. In der Avenida Francisco Madero müssen wir uns vorwärts kämpfen. Es ist so voll, wie in Frankfurt auf dem Weihnachtsmarkt. Mit ein Grund ist sicherlich, dass alle Geschäfte sonntags geöffnet sind. Endlich erreichen wir die „Plaza de la Constitucion“, auf dem die „Metropolitana Kathedrale“ – die größte und älteste Kirche des gesamten amerikanischen Kontinents – steht. 1573 wurde mit dem Bau begonnen und bis zur endgültigen Fertigstellung vergingen 240 Jahre. Verschiedene Stilepochen haben dem Gebäude ihren Stempel aufgedrückt. Da gerade Messe ist, können wir nur einen kurzen Blick in das verschwenderisch mit Gold verzierte Innere werfen.

Am Montag laufen wir zum „Mercado de Artesanias la Ciudadela“. Hier wird Kunsthandwerk aus allen Landesteilen Mexikos angeboten. Bestickte Blusen, Kissenhüllen und Tischläufer liegen neben gewebten Teppichen, Lederarbeiten, Silberschmuck und Hängematten. Verschiedene Musikinstrumente, darunter Gitarren hängen an den Wänden. Wir wissen inzwischen, dass unser sorgfältig verpacktes Instrument trotz aller „Zerbrechlich“-Aufkleber, nicht heil in Deutschland angekommen ist. Sehr schade, aber einen Ersatz werden wir hier nicht finden. Stattdessen kaufen wir ein paar Mitbringsel für zuhause, denn heute ist unser letzter Tag in Mexiko. Mexiko, dieses wunderschöne Land mit seinen freundlichen, lebensfrohen Menschen hat uns im Sturm erobert. Und wir versprechen uns am letzten Abend gegenseitig: Wir kommen zurück.

Vor fünf Tagen haben wir uns entschlossen, die uns gesetzte Frist von einem Jahr doch einzuhalten. Verschiedene Gründe führten zu diesem Entschluss, z.B. die Schwierigkeit, die Auslandskrankenversicherung zu verlängern. Der Beitrag bei unserer bisherigen Versicherung ist für das zweite Jahr beinahe doppelt so hoch. Bei anderen Gesellschaften muss man zum Abschluss in Deutschland sein, wieder andere versichern Menschen in unserem Alter gar nicht mehr. Zum anderen hat sich vorübergehend eine gewisse Reizüberflutung eingestellt, und last but not least heiratet Klaus Sohn an diesem Wochenende und wir wollen ihn und unsere zukünftige Schwiegertochter überraschen. Überrascht ist aber zunächst mal unsere Tochter, die nun mit ihrem Mann in unserem Haus zusammenrücken muss.

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Unser Flug führt über die Wüste von Nevada mit Zwischenlandung in Las Vegas. Als wir am nächsten Vormittag über Deutschland fliegen, sieht unser Heimatland von oben an vielen Stellen genauso trocken aus, wie die Wüste. Schade, dass die Tränen der Rührung bei unserer Rückkehr nur auf den Boden der Ankunftshalle fallen, als wir von unserer Tochter und Freunden völlig unerwartet abgeholt werden.

Hinter uns liegt ein wunderbares, überraschendes, verrücktes und unvergessliches Jahr. Würden wir das nochmal machen?

Auf jeden Fall.

Darwin und der Kakadu-Nationalpark (Australien)

Der Besitzer unseres süßen kleinen Hotels fährt uns abends um 22.30 Uhr zum Flughafen Denpasar. Vor dem riesigen modernen Gebäude lässt er uns aussteigen und verabschiedet sich mit der Aufforderung, möglichst bald wieder zu kommen und doch bitte die ganze Familie mitzubringen. Um diese Zeit ist unglaublich viel los. Wir reihen uns in die Schlange der Wartenden ein und durchlaufen alle erforderlichen Prozeduren: Erster Sicherheitscheck, dann Gepäckaufgabe am Check-In-Schalter. Der Mitarbeiter schaut von einem zum anderen, mustert uns streng und gibt dann seine Einschätzung preis: „Sie haben einen falschen Charakter.“ Über diese Erkenntnis sind wir mehr als verblüfft. Er hält mit seinem Vorgesetzten Rücksprache, dann teilt er uns mit, dass wir trotz des des falschen Charakters (dem Ü in unserem Nachnamen) mitfliegen dürfen. Es folgt die Passkontrolle, der zweite Sicherheitscheck, der Ausreise-Schalter und dann warten wir im Abflugbereich auf den Aufruf, um an Bord gehen zu können. Statt dessen werden wir informiert, dass die Maschine erhebliche Verspätung hat. Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück laufen, der Ausreisestempel wird ungültig gemacht, wir bekommen unsere Koffer zurück und vor dem Terminal wartet ein Bus, der uns in ein nahe gelegenes Hotel bringen soll. Als wir aus dem Flughafen kommen, ist er bereits voll besetzt.

Ein australisches Paar namens Stella und Martin ruft kurzerhand ein Taxi, winkt uns dazu und wir fahren dem Bus hinterher. Die Kosten solle er am Flughafen geltend machen sagen sie dem verblüfften Fahrer, drücken ihm aber ein Trinkgeld in die Hand. Die Beiden kennen sich ganz offensichtlich aus. An der Rezeption des Hotels hat sich bereits eine lange Schlange gebildet, aber die Menschen sind völlig gelassen; und das nachts um zwei Uhr. Niemand ist verstimmt oder mürrisch, einer nach dem anderen rückt vor, bekommt seine Schlüsselkarte und verschwindet im zugewiesenen Zimmer. Eine gute Gelegenheit für uns, die Menschen zu beobachten.Tatoos sind bei den Australiern offenbar sehr beliebt, was es da nicht alles zu sehen gibt: Auf dem linken Oberschenkel einer jungen Frau einen 20 Zentimeter hohen Löwenkopf, auf dem rechten einen Tiger. Eine andere junge Frau hat auf dem rechten Oberarm einen Engel, die Flügel reichen hinten bis zur Wirbelsäule und vorne bis zur Halsgrube. Ein stark behaarter Mann hat einen rasierten rechten Unterschenkel, der noch braun vom Jod ist und eine wilde Geschicht von Drachen und Schlangen erzählt. Eine Frau bewegt vorsichtig einen ungesund glänzenden Arm, auf dem ein Rosenbukett prangt. Manche nutzen jeden sichtbaren Körperteil, Finger und Zehen eingeschlossen, um ein Statment abzugeben oder nur die leichtsinnige Entscheidung unter Alkoholeinfluss im Urlaub zu präsentieren. Eine merkwürdige Schlussfolgerung drängt sich auf: Die am wenigsten attraktiven Menschen haben die größten Tatoos.

Eine halbe Stunde später sind wir an der Reihe. Unsere Pässe werden kopiert, daraufhin bekommen wir eine Schlüsselkarte mit einer dreistelligen Nummer. Die Zimmernummer beginnt mit 12, der dritte Kringel könnte eine 0, 6 oder 8 sein. Keines der Zimmer lässt sich öffnen. Der nette junge Mann von der Rezeption versucht es selbst und erreicht nur, dass aus Zimmer 126 eine etwas befremdet wirkende Dame kommt. Wir entschuldigen uns bei ihr, bekommen an der Rezeption eine neue Schlüsselkarte für einen anderen Gebäudetrakt und landen in einer großzügigen Suite mit einem über zwei Meter breiten Bett, einem Wohnraum und zwei Badezimmern. Wirklich auskosten können wir das nicht, wir wollen nur schlafen und kommen morgens erst kurz nach 10 Uhr zum Frühstück. Ein riesiges Buffet mit allem was das Herz begehrt erwartet uns.

Um 14 Uhr fährt der Bus zum Flughafen, die Maschine soll um 17.15 starten. Gute 2,5 Stunden Flugzeit, dazu noch 1,5 Stunden Zeitverschiebung nach vorne, das wird spät. Ich buche noch schnell ein Hotelzimmer in Darwin, denn unseren Camper können wir heute nicht mehr übernehmen. Heute klappt alles wie am Schnürchen. Wir starten und landen pünktlich.

Im Flugzeug bekommen wir ein Formular, das wir ausfüllen und für die Einreise bereit halten sollen.Wir hatten uns vorab per E-Visa bereits registriert und sind gespannt, was wir jetzt bei der Einreise noch brauchen. Eine einzelne Dame fertigt die Insassen des ganzen Flugzeuges ab und das dauert, aber auch hier wieder keinerlei Unmut. Wir bekommen ohne Probleme einen Stempel in den Pass und sind in Australien. Abends um diese Zeit scheint sich bis auf die Passagiere unserer Maschine und ein paar Mitarbeiter niemand mehr im Flughafen aufzuhalten. Welch ein Unterschied zu Südostasien mit dem ständigen Gewusel. Wir werden gefragt, ob wir Alkohol, Zigaretten, Pflanzen, Nüsse oder Holzerzeugnisse bei uns haben. Die neu erworbene kleine Gitarre von Klaus wird von allen Seiten betrachtet, der Beamte erkennt, die schlägt garantiert nicht mehr aus und gefährdet keinesfalls die einheimische Natur. Wir dürfen ohne weitere Untersuchung durch die Zollkontrolle.

Das Taxi bringt uns über leere Straßen in kürzester Zeit ins Hotel. Ich hatte vorab mitgeteilt, dass wir spät ankommen und wurde gebeten, vom Flughafen aus anzurufen. Der Taxifahrer erledigt das für uns, weil wir noch keine SIM-Karte haben, und die Dame ist wirklich extra aufgeblieben, um uns um halb elf noch herein zu lassen. Für 41 € ist das Zimmer gegenüber allem, was es in Südostasien für diesen Preis gibt, eine bessere Bruchbude. Egal, das Bett ist frisch bezogen und wir haben ein kleines Bad. Das Frühstück am nächsten Morgen für 10 € ist ordentlich, frisch zubereitete Spiegeleier, leckerer Bacon, knuspriger Toast, nur der Pulverkaffee überzeugt nicht ganz.

Und dann haben wir nur noch einen 100 Meter langen Weg zur Camper-Mietstation vor uns. Eine Stunde und zehn Formulare später bekommen wir den Schlüssel in die Hand gedrückt und dann können wir unser Heim auf vier Rädern betreten.

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Wir packen die Koffer aus, verstauen unser Gepäck und dann kommt das, worauf ich mich schon seit Tagen freue: Einkaufen. Nicht weit von der Vermietstation gibt es ein großes Einkaufszentrum mit einem schönen Supermarkt. Woolworth war ja bei uns fast ein Synonym für billige Waren. Dieser Supermarkt ist alles andere als billig; ausgesprochen gut sortiert, Obst und Gemüse aus biologischem Anbau, Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, eine große Weinabteilung und viele andere Artikel. Unser Einkaufswagen wird voll und voller, wir brauchen einen zweiten. Das alles unterzubringen wird nicht einfach. Der Kühlschrank ist klein, hat aber wenigstens ein Gefrierfach. Der Schrank daneben hat zwei Fächer, doch wenn die eingeräumt sind, muss man jedes Mal alles wieder rausholen, wenn das Gesuchte ganz hinten steht. Wir brauchen ein paar Gegenstände die uns helfen, Ordnung zu halten. Ausgerüstet mit einem Maßband und einer Liste mit den wichtigsten Abmessungen betreten wir ein Kaufhaus und finden zwei Plastikboxen auf Rollen, die in die Fächer passen. Wir nehmen ein paar Körbchen für Kleinkram mit, die mit Stecknadeln am Filz der Seitenbespannung befestigt werden können. Ein sicherer Platz für Taschenlampe, Ladekabel und Autoschlüssel. Kleine runde Behälter und Klebehaken landen ebenfalls im Einkaufswagen. Darin können nachts die Brillen sicher und griffbereit untergebracht werden. Eine rutschfeste Unterlage für den 10 Liter-Karton mit Wasser neben der Kochstelle muss mit, ebenso eine Kühltasche, die genau in die Lücke zwischen Spüle und Vorratsschrank passt und damit unseren Kühlschrank erweitert und – ganz wichtig – ein kleiner Ventilator; denn unser Camper hat zwar eine Klimaanlage, aber die funktioniert nur während der Fahrt und im Fahrerraum. Zu guter Letzt nehmen wir noch einen Autoatlas mit.

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Während der Fahrt zu einem Campingplatz in der Nähe wird der Himmel plötzlich schwarz, und es fängt heftig an zu regnen. Der ausgesuchte Campingplatz ist geschlossen, der nächste auf unserer Liste 40 Kilometer entfernt. Nach 5 Minuten auf der Straße sehen wir einen Hinweis auf einen Campingplatz auf der anderen Straßenseite. Kurz entschlossen biegen wir ab und können uns einen Platz aussuchen. Es ist keine Saison, nur ein paar wild entschlossene Angler sind ebenfalls hier. Natürlich haben alle viel größere Wohnmobile oder Wohnwagen, zum Teil mit ausfahrbaren Seitenteilen, großen Fernsehern und bequemen Sitzgarnituren. Keck stellen wir uns dazwischen, ohne auf die gerunzelten Stirnen und die grübelnden Minen zu achten. Der Platzwart kommt, und als er mit uns scherzt und lacht, ist für die anderen auch alles in Ordnung.

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Der Weg zu den Waschräumen ist nicht weit, und in der Nacht haben wir nette Begegnungen mit Fröschen in allen Größen, die hektisch die Wände hoch klettern, von Waschbecken zu Waschbecken springen und aus der Dusche flüchten.

Am nächsten Tag fahren wir über den Arnhem Highway Richtung Kakadu-Nationalpark. Schon auf dem Weg dorthin sehen wir die ersten Namensgeber des Parks. Hier auf diesen menschenleeren Straßen handhaben wir den Linksverkehr tatsächlich mit links. Obwohl das Klima sich nicht groß von dem in Südostasien unterscheidet, ist die Vegetation völlig anders. Keine Palmen, kein Urwald, stattdessen Eukalyptus in allen Variationen, und Bäume, deren Namen wir (noch) nicht kennen. Wir fahren an Mango-Plantagen vorbei und sehen am Straßenrand immer wieder Warnschilder, die auf Überschwemmungen nach starken Regenfällen hinweisen. Um die Bedeutung dieser Hinweise zu erhöhen, stehen daneben Messlatten, die 2 Meter in der Höhe anzeigen. Das kann ja heiter werden.

Inzwischen haben wir die Wetlands erreicht und fahren zu dem ausgewiesenen Aussichtspunkt. Ein Gewitter stoppt unseren Eifer, den Aussichtsturm zu besteigen, stattdessen machen wir ein Mittagsschläfchen. Campervans sind doch was herrliches, man hat immer sein Bett, den Kühlschrank und den Kleiderschrank dabei. Auf der Weiterfahrt entdecken wir die ersten Termitenbauten. Wir finden einen Platz, wo man gefahrlos anhalten kann, und ich springe aus dem Auto. „Der ist bestimmt zwei Meter hoch“, rufe ich begeistert. Als ich später das Foto betrachte sehe ich, wie sehr ich mich verschätzt habe.

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In unserem Atlas war ein Platz markiert, den wir ansteuern. Als wir dort gerade versuchen, uns zu orientieren, kommt ein doppelt so großes Wohnmobil herangerauscht, und lachend steigen Stella und Martin aus. Sie umarmen uns, als seien wir langjährige Freunde und erklären, dass sie den nächsten Stellplatz im Kakadu-Nationalpark ansteuern werden, weil der auf dem wir gerade stehen weder sanitäre Anlagen noch Wasser und Elektrizität hat.

Wir schließen uns an und treffen die beiden gleich an der Rezeption, wo wir sowohl die Eintrittskarten für den Park zum Rentnertarif kaufen, als auch die Gebühr für den Stellplatz entrichten können. Eine junge Polin aus Brelau, die in Australien mit dem Work and Travel-Programm unterwegs ist, händigt uns eine Landkarte vom Park aus. Etliche Straßen sind jetzt, zum Ende der Regenzeit noch gesperrt. Wenigstens auf dem Campingplatz haben wir freie Platzwahl und stellen uns wieder in die Nähe der Waschräume. Die Stellplätze sind nicht extra markiert, sondern nur durch einen Wasserhahn und eine Steckose als solche zu erkennen. Wie man sich dann dort hinstellt, ist jedem selbst überlassen. Es gibt einen schönen Pool, der uns magisch anzieht. Ein großes Sonnensegel ist hier aufgespannt. Die Australier haben einen Riesenrespekt vor der Sonneneinstrahlung – zu Recht, denn die Anzahl der Todesfälle durch Hautkrebs ist die höchste weltweit. Um diese Uhrzeit besteht jedoch keine Gefahr, die Sonne geht gleich unter. Zeit für die Flughunde, den Himmel unsicher zu machen. Wir freuen uns über die uns aus Sri Lanka vertauten Silhouetten am Himmel. Der Pool hat aus Sicherheitsgründen rundherum einen hohen Zaun. Auch ein noch so großes Krokodil hätte keine Chancen, sich hier häuslich einzurichten. Nach dem ersten Schreck wegen der Temperatur genießen wir das Suhlen im badewannenwarmen Wasser.

Nach sieben Monaten in fast immer klimatisierten Räumen müssen wir uns erst mal an das Schlafen ohne Kühlung gewöhnen. Am nächsten Morgen sehen wir unser erstes Känguru, ein Wallaby. Keine 10 Meter entfernt hockt es im Gras und frühstückt.

Wir packen zusammen und weiter geht die Fahrt in Richtung Jabiru und Katherine. Außer den bereits eingezeichneten Straßen sind etliche andere gesperrt.

Bedingt durch die vorangegangene Regenzeit und die damit einher gehenden Überschwemmungen verlassen die Krokodile häufig ihre angestammten Gewässer und suchen neue Gebiete auf. Dann wird zur Sicherheit der Besucher lieber zu viel als zu wenig gesperrt. Außerdem sind die nicht asphaltierten Straßen noch aufgeweicht. Wir sind froh, dass eines der wichtigsten Zeugnisse der Aboriginee-Kultur erreichbar ist, der Burrungkuy Park mit den 20.000 Jahre alten Zeichnungen.

Die Wege sind gut angelegt und die Sehenswürdigkeiten gut beschrieben. Mit uns ist nur noch ein Ehepaar mit zwei Kindern unterwegs. Die 12 Kilometer lange Wanderung durch das Gebiet ist bestimmt unglaublich interessant, doch die Temperaturen von nahe 40 Grad lassen jegliches Interesse daran in uns verdorren.

Zwei von uns favorisierte Campingplätze sind geschlossen, auf dem dritten, der auch wieder einen schönen Pool hat, treffen wir auch Stella und Martin wieder.

Es ist ein Dilemma, drinnen im Camper ist es zu warm, draußen lauern die Raubtiere, die nur eins wollen: BLUT. Der Wunsch nach einen Luftzug und einem Blick in den faszinierenden Sternenhimmel lässt alle Vorsicht vergessen. Wir sitzen noch ein wenig draußen, aber das muss ich büßen. Über 200 Mückenstiche fange ich mir ein, Klaus bleibt für heute verschont.