Um 9 Uhr soll uns ein Tuktuk zum Bahnhof fahren. Der Besitzer ist der Nachbar, also eigentlich ideal, wenn ja wenn das Gefährt nur anspringen würde. Es ist störrisch wie ein Esel und das Gesicht unseres Gastgebers wird immer besorgter. Dann, nach mehrfachem bedenklichen Röcheln und einem heftigen Schnaufer geht es doch los. Die verlorene Zeit muss unbedingt wieder eingeholt werden, und so heizt der junge Fahrer um die Kurven, dass wir trotz der Enge mit unserem Gepäck auf der Rückbank hin- und hergeschleudert werden. Aber wir sind rechtzeitig am Bahnhof. Für die Fahrt zweiter Klasse nach Kandy zahlen wir 400 Rupien für uns beide (2,20 €). Der Bahnsteig ist mehr als voll, und der Fahrkarten-Kontrolleur – ja den gibt es hier noch – schickt uns weiter nach links. Viele Rucksackreisende stehen schon hier, aber auch viele mit kleinem Gepäck. Als der Zug hält, habe ich den Einstieg direkt vor mir, und schon bin ich mit meinem Koffer drin und belege zwei Plätze.
Glück gehabt, zwar werden wir die nächsten 6 ½ Stunden rückwärts fahren, aber alles ist besser als stehen.
Viele Einheimische sind mit im Zug und vertreiben sich die Zeit mit Singen und Klatschen. Ihr Repertoire ist unerschöpflich, so werden wir bestens unterhalten. Als wir dann durch den ersten Tunnel fahren, hört der Gesang abrupt auf, dafür setzt ein lautes Huhu-Geheule ein, das wiederholt sich bei jedem Tunnel.
Die Fahrt ist sehr interessant, die Strecke Ella-Kandy soll die schönste des Landes sein.
Nach einiger Zeit fahren wir durch die ersten Tee-Plantagen und sehen Pflücker bei der Arbeit.
Die Vegetation ist unglaublich abwechslungsreich, haushohe Rhododendronbüsche, Baumfarne, Eukalyptuswälder, viele mit Brandschäden, riesengroße Bäume, eine unbeschreibliche Vielfalt.
Dazwischen immer wieder Wasserläufe und Wasserfälle, an denen einheimische Frauen Wäsche waschen und Männer Kanister füllen.
Wir fahren durch Städte und Orte, mal ist Markt, dann ein Sportturnier. Es folgen große Gemüsefelder mit Weißkohl, Frühlingszwiebeln, Möhren, Kartoffeln, Lauch, Blumenkohl u.a., immer nur eine Sorte. Es wird gehackt, gegossen und geerntet. Manche Häuser stehen so dicht an den Bahngleisen, dass man den Leuten in die Fenster sehen kann. Überall hängt Wäsche, und wenn man keine Leine hat, nutzt man Büsche oder Gras, um die nasse Wäsche zu trocknen.
Im Zug ein ständiges Aus- und Zusteigen.
Verhungern oder verdursten muss auch niemand, alle möglichen Arten von Proviant und Getränken werden verkauft. Es duftet herrlich, und die offenbar noch warmen Gebäckstücke finden reißenden Absatz. Wir geben uns mit einem Beutel Ananasstückchen zufrieden.
Als wir gegen 16 Uhr Kandy, die alte Königsstadt, erreichen, sind wir wir 500 m niedriger als in Ella. Das Klima ist zwar immer noch kühler als an der Küste, aber die Frische von Ella fehlt.
Auf dem Weg zu unserem Hotelchen kommen wir am Kandy-Lake vorbei. Ein künstlicher See, den der letzte König vor dem Zahntempel, dem größten Heiligtum der Buddhisten in Sri Lanka, anlegen ließ.
Nach einer Erfrischungspause machen wir uns auf den Weg zu einem Restaurant, das laut einer Karte im Internet 600 m von unserem Hotel entfernt sein soll. Nachdem wir eine viertel Stunde gelaufen sind und immer noch nicht dort sind, lassen wir uns fahren. Gute Wahl, denn es geht ganz schön bergauf, und das ohne Bürgersteig. Das Lokal ist voll, viele Touristen, aber auch „besser gestellte“ Einheimische sind hier. Es gibt eine große Terrasse mit einem tollen Ausblick auf die Stadt und die umgebenden Berge, leckeres Essen und eiskaltes Bier.
Am Sonntag machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Eine große Menschenmenge, fast alle weiß gekleidet, ist auf dem Weg zum Zahntempel, einem der größten Heiligtümer der Buddhisten.
Auch hier wieder viele Stände, an denen die Gläubigen ihre Opfergaben kaufen können. Alles noch schöner, noch aufwändiger als wir es bisher gesehen haben.
Der Tempelbezirk ist durch hohe Zäune abgesperrt, und an den Eintrittskassen drängen sich die Menschen. Wir laufen am Tempel vorbei, bis zum Ende des Sees und biegen in eine Geschäftsstraße ein. Schon seit Tagen gibt es Probleme mit der Internetverbindung, wir brauchen einen externen WLAN-Adapter und bekommen ihn auch tatsächlich in einem der vielen Handy-Läden. Handys sind allgegenwärtig. Alle Menschen, mit denen wir zu tun hatten, benutzen sie fleißig. Auch das kleinste Hotel oder Homestay bietet kostenloses WLAN an, was in Deutschland noch lange nicht selbstverständlich ist.
Zurück zum See, an dieser Seite stehen dichtgedrängt die Verkaufsstände mit Eis, Süßigkeiten, Obst und Spielzeug.
Es scheint sich zu lohnen, denn Sonntag ist Familientag.
Ein Stück weiter sehen wir das erste große und moderne Einkaufszentrum. Es ist klimatisiert, blitzsauber und in der oberen Etage ist ein riesengroßes Restaurant. Wir wollen einfach nur mal herumbummeln und uns einen Eindruck über das komplexe Warenangebot verschaffen. Kleidung, Schuhe, Elektronik, Schmuck, Spielzeug, Taschen, Koffer, ein Angebot wie es auch bei uns üblich ist. Auffällig ist das viele Personal. Bereits am Eingang eines Geschäftes stehen in elegante Saris gekleidete Empfangsdamen, die nach den Wünschen fragen und sofort einen der vielen Verkäufer herbeirufen. Ein besonderes Highlight ist ein Spezialgeschäft für Saris. Was für Farben, was für Muster, da muss ich natürlich vor dem Schaufenster stehen bleiben. Und sofort kommt einer der Verkäufer heraus und lädt uns ein, uns „nur“ umzuschauen. Es gibt Baumwoll- und Seidensaris, die dazu passenden Tops, und einige fertige Kleidungsstücke. Das Geschäft ist riesengroß und – wie der Verkäufer behauptet – eines der führenden des Landes. Ich bin sofort bereit, ihm das zu glauben.
Und natürlich will er mich doch überzeugen, mir einen Sari zuzulegen. Wenigstens anprobieren soll ich ihn, er sucht einen seidenen in blau/rot heraus und knotet, fältelt und wickelt mich darin ein. „Er braucht nur ganz wenig Platz,“ erwidert er auf meinen Einwand keinen zu haben.
Wir laufen rüber zum Markt, der auch wieder eine große Faszination ausübt.
Was es hier alles gibt, und anders als auf dem Sonntagsmarkt in Bentota, werden hier die Waren viel ansprechender präsentiert. Äpfel und Mandarinen sind zu Pyramiden gestapelt, Trauben werden an Bändern zu einer Riesentraube gebündelt, Bananen hängen sowieso an der kompletten Staude usw.
Als wir uns hungrig gelaufen haben, kehren wir zurück zum großen Restaurant im Einkaufszentrum, in dem man indisch, chinesisch, italienisch und thailändisch essen kann. Klaus entscheidet sich für italienisch, ich für thailändisch, und wir stellen uns vor der entsprechenden Küche an.
Die Küchen sind offen und wirken klinisch sauber. Man kann zusehen, wie die Mahlzeit zubereitet wird. Alles ist perfekt organisiert, und als ich Fotos mache, winken die Köche mir fröhlich zu. Leckeres Essen.
Zurück laufen wir an der anderen Seite des Sees. Wir kommen an einem eingezäunten großen Spielplatz vorbei. Wer ihn betreten will, muss Eintritt zahlen, trotzdem ist er voll mit spielenden Kindern und ihren Eltern und Großeltern. Ein besonders cleverer Mann hat direkt am Zaun Spielzeug ausgestellt und wittert ein gutes Geschäft.
Im Umgang mit Kindern sind die Sri Lanker unglaublich liebevoll und geduldig.
Babys und Kleinkinder werden getragen. Kinderwagen haben wir nirgends gesehen. Quengelnde oder weinende Kinder werden geschaukelt, gestreichelt oder abgelenkt. Sie werden zum Kindergarten und zur Schule begleitet und wieder abgeholt. Nie haben wir erlebt, dass jemand mit einem Kind geschimpft hat.Und die größeren Kinder erleben wir als selbstbewusst, offen, friedfertig und kontaktfreudig.
Am nächsten Tag machen wir uns per Bus auf den Weg zum Königlichen Botanischen Garten. Vorbei geht die Fahrt an vielen Ministerien in die Universitätsstadt Peradeniya.
Die Anlage dieses 60 Hektar großen Areals geht zurück bis ins Jahr 1371. Besonders eindrucksvoll sind die vielen riesigen Bäume.
Da gibt es Kanonenkugelbäume, die an den Stämmen gleichzeitig mit merkwürdigen Blüten an die hundert harte bis zu 24 cm Durchmesser dicke Kugeln tragen.
Oder Brettwurzelbäume,
die lange Allee mit den eleganten, über 20 m hohen Palmyrah-Palmen,
hohe schlanke Bäume, wo Bienen in schwindelnder Höhe ihre Waben an die Äste kleben, Urwaldriesen, die so ehrfurchteinflößend sind, dass man nicht begreifen kann, dass irgendwo derartig prächtige Bäume gefällt werden, nur um Möbel oder Terrassenbeläge daraus herzustellen.
In diesem Park, der an drei Seiten vom Mahaweli-River umgeben ist, lebt eine Population von rund 24.000 Flughunden.
Das muss ein Spektakel sein, wenn sie sich in der Dämmerung zur Nahrungssuche auf den Weg machen. Es gibt aber auch noch verschiedene Gewächshäuser, unter anderem mit
Kakteen und
Orchideen.
Als wir den Park gegen 16 Uhr verlassen, kommt eine Schulklasse zur Besichtigung. Das wäre bei uns undenkbar, aber hier werden Ausflüge anscheinend nur außerhalb der Unterrichtszeit unternommen.