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Wir haben es nochmal getan. Am 16. 1. 2019 sind wir in ein Flugzeug gestiegen, um unsere unterbrochene Reise fortzusetzen.
Unser Überraschungsbesuch bei der Hochzeit von Klaus Sohn Ende August und die Freudentränen der Enkelin waren die Unterbrechung auf jeden Fall wert. Dass der Wasserrohrbruch in unserem Haus genau in die Zeit der Rückkehr fiel, war ebenfalls Glück im Unglück. So konnten wir alle erforderlichen Maßnahmen selbst organisieren. Der Hausbau von Tochter und Schwiegersohn braucht noch ein paar Monate, ideale Voraussetzungen für uns, um noch einmal auf Reisen zu gehen.
Fürsorglich liefert uns Freund Max am Flughafen ab. Wir erwarten lange Schlangen und Verzögerungen wegen des gestrigen Streiks. Aber alles läuft normal. Pünktlich startet die A330 nach Cancún. Ein paar Stunden später – ich verlasse gerade die Toilette – drängt sich eine der Stewardessen an mir vorbei in die kleine Kabine. Und kurz darauf folgt eine Durchsage, die auf das absolute Rauchverbot im Flugzeug und den Toiletten hinweist und bei Zuwiderhandeln drakonische Strafen – bis hin zur Zwischenlandung auf dem nächsten Flughafen – androht. Ich bin mir jedenfalls keiner Schuld bewusst, schließlich rauche ich seit 40 Jahren nicht mehr.
Nach deutscher Zeit ist es bald Mitternacht, und noch immer fliegen wir im Hellen. Kurz nach der Landung gegen 21 Uhr Ortszeit in Cancún werden alle Passagiere aufgefordert, sich wieder hinzusetzen, weil gleich die mexikanische Polizei die identifizierten Raucher abholen wird. Und kurz darauf verlassen die Polizisten mit den Übeltätern die Maschine.
Nach den Einreiseformalitäten suchen wir einen Taxistand. Die geforderten überhöhten Preise wollen wir keinesfalls bezahlen und nehmen deshalb den Bus in die Innenstadt. Wir fahren durch hell erleuchtete Straßen mit Bars und Restaurants. Bei dröhnender Musik genießen Urlauber Essen, Cocktails und anderes. Die Fahrt endet am Busbahnhof, von dort ist es nur noch eine kurze Taxifahrt zum Hotel.
Am nächsten Morgen laufen wir bei angenehmen 24 Grad zum nächsten Geschäft, um zwei mexikanische SIM-Karten für unsere Handys zu besorgen. Anschließend wollen wir unsere Weiterreise organisieren. Dazu müssen wir wieder zum Busbahnhof. „Der Bus fährt morgens um 10 Uhr, aber Sie müssen um 9 Uhr hier sein,“ erklärt uns die Angestellte in spanischem Englisch oder englischem Spanisch und mit Händen und Augenrollen. Leider wird nur Barzahlung akzeptiert. Die Geldautomaten im Busterminal sind außer Betrieb, so müssen wir erst einmal eine Bank suchen. Aber dann können wir die 500 Pesos bezahlen und werden noch einmal ermahnt, pünktlich zu sein.
Jetzt ist ein Mittagsschlaf nötig. Unsanft werde ich durch einen Schrei geweckt. Klaus ist aufgestanden und steht im Wasser. Die Toilettenspülung ist undicht und hat schon das halbe Zimmer unter Wasser gesetzt. Leider sind auch ein paar Kleidungsstücke nass geworden. Zwei Frauen und ein Mann vom Hotelpersonal beheben den Schaden routiniert und nehmen auch die Sachen zum Trocknen mit.
In einem schönen Restaurant mit herrlichem Innenhof lassen wir den Tag ausklingen. Der Rückweg führt über den Nachtmarkt und bringt uns zu einer großen Eisbahn, die gerade abgetaut wird. Kinder springen jauchzend in den Pfützen herum. Mehrere Wochen lang konnte sich hier Groß und Klein auf Schlittschuhen tummeln. In der Natur haben sie so etwas in Mexiko bestimmt noch nie gesehen.
Viertel vor neun steigen wir am nächsten Morgen in unser Taxi und lassen uns zum Busbahnhof bringen. Ein Kontrolleur winkt uns zu sich, zeigt nach rechts, wo uns schon ein anderer Mann entgegenkommt. Im Eilschritt läuft er vor uns her, zeigt auf einen Bus. Unsere Koffer werden verstaut, und wir in den Bus gescheucht. Vorwurfsvolle Blicke mustern uns. Wir sitzen noch nicht richtig, da steuert der Fahrer um 2 Minuten nach neun aus der Parklücke. Puh, das war knapp.
Auf einer achtspurigen Straße verlassen wir im Regen die ca. 800.000 Einwohner zählende Stadt Cancún Richtung Westen. Vom Bus aus sind interessante Transportmittel beobachten. Der deutsche TÜV könnte sie gar nicht so schnell aus dem Verkehr ziehen, wie findige Tüftler wieder neue bauen.
In Valladolid biegt der Bus nach Norden ab, um dann in Tizimin weiter nach Westen zu fahren. Dabei verlässt er immer wieder die Bundesstraße 176, um in jede einzelne Ortschaft abzubiegen. Unterwegs kommen wir an einem großen eingezäunten Platz vorbei.
An dem mehrere Meter hohen Zaun sind dicht an dicht lange, lanzenartige grüne Blätter befestigt. Erst als wir ein Stück weiter über Stäben hängende strohfarbene Fasern sehen wir mir klar, dass es sich um Sisal handelt. Diese aus einer Agavenart gewonnene Naturfaser wurde schon von den Mayas kultiviert und hat diesem Teil Yucatans Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts Reichtum und Wohlstand gebracht. Benannt ist die Faser – aus der bis heute Seile, Taue, Teppiche und ganz wichtig: Dartscheiben hergestellt werden – nach der westlich von Merida gelegenen Hafenstadt in Yucatan. Von dort wurde sie in alle Welt verschifft. Heute werden viele dieser Artikel aus Kunstfasern hergestellt, so dass neue Verwendungsmöglichkeiten für Sisal gesucht werden.
In den kleinen Orten fallen die frisch gestrichenen Mauern auf. Ob verputzt, gemauert oder lose aus Steinen aufgeschichtet, alles erstrahlt blütenweiß. Auch der Bürgersteig und vorwitzig heraus schauende Pflanzen wurden nicht verschont.
Schon nach fünfeinhalb Stunden (wir haben 300 km zurückgelegt) erreichen wir die Stadt Motul. Als wir auf dem Marktplatz in ein Taxi steigen bin ich kurz verunsichert und vermute uns in der falschen Stadt. In bunten meterhohen Buchstaben steht dort JUTOM. Doch dann wird mir klar, dass ich den Namen der Stadt von der Rückseite her sehe. Nach 25 Kilometern sind wir am Ziel und können unsere Unterkunft direkt am Meer beziehen.
Luzma, die uns schon erwartet, fährt mit uns zum Einkaufen und setzt uns dann vor einem Lokal ab. Frisch gestärkt laufen wir zur unserem Domizil. Jetzt haben wir eine Woche Zeit, um uns ganz entspannt auf das erneute Nomadenleben vorzubereiten.
Nach einem zwölfstündigen Schlaf sind wir bereit, Telchac Puerto näher kennen zu lernen. Klaus macht mutig einen Ganzkörper-Wassertemperatur-Test. Ich muss verzichten, der Niedrigtemperaturmodus im Flugzeug ist mir nicht bekommen.
Die Einwohner des Ortes lebten auch von der Sisalverschiffung und bis heute vom Fischfang. Der kleine Ort wirkt widersprüchlich. Einerseits wunderschöne neue Villen, andererseits verlassene und verfallene Häuser. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert, alle anderen bestehen aus weißem Sand. Am Wochenende ist Telchac Puerto ein beliebter Ausflugsort für die Einwohner aus Mérida, der Hauptstadt Yucatans. Nur so ist die große Anzahl von 15 Restaurants bei knapp 2000 Einwohnern zu erklären. In allen werden Fisch und Meeresfrüchte serviert, die meisten schließen um 19 Uhr.
Als wir nach dem Essen zurückgehen, läuft ein Aguti (mit dem Stachelschwein verwandt) vor uns über den Weg. Wir warten noch auf unsere neuen Nachbarn. Kathy kommt mit ihren drei jugendlichen Kindern aus Nevada, um ein Jahr in Mexiko zu leben. Sie ist nicht die einzige, die aus den USA ausreist. Viele ihrer Landsleute haben sich in Mexiko angesiedelt. Ich frage mich langsam, ob die von Trump geplante Mauer in Wirklichkeit eine Ausreise der Amerikaner verhindern soll. So etwas hat es doch schon mal gegeben.
Im Laufe der Woche gehen wir viel spazieren oder sitzen am Meer und beobachten die Pelikane. Ein Ausflug mit dem Mototaxi (ein auf Mopedbasis gebautes Transportmittel) zur Lagune in San Crisanto ist nicht erfolgreich.
Wir wollten dort Flamingos sehen, aber hierher kommen sie nur im Oktober. Aber wir haben noch andere Möglichkeiten solche zu sehen.
Für den Tag unserer Abreise haben wir für halb zwölf ein Mototaxi bestellt. Für den Fall, dass der Fahrer uns nicht findet, rollen wir unsere Koffer durch den tiefen Sand bis zur Hauptstraße, aber nichts passiert. Wir sind schon zehn Minuten auf der Straße unterwegs, als es hinter uns knattert. Ein älterer Mann auf seinem selbst gezimmerten und geschweißten Mototaxi rollt vorbei. Unser heftiges Winken lässt ihn dann doch anhalten. So kommen wir mal wieder auf abenteuerliche Weise zu unserem Ziel, in diesem Fall zum Busbahnhof.