Manuel Antonio und die Halbinsel Osa (Costa Rica)

(Wegen fehlender Bilder ist diese Seite mit einer älteren Version verlinkt)

Der Nationalpark Manuel Antonio – an der Pazifikküste bei Quepos gelegen – ist unser nächstes Ziel. Die Straße führt durch üppig grüne Landschaft. Zum Glück hat man sich nach der Abholzung von 80 % des Regenwaldes in den 70er und 80er Jahren besonnen und heute sind nach Aufforstung wieder 50 % des Landes, das etwas größer ist als die Slowakei, von Wald bedeckt. Plantagen für das weltweit begehrte Palmöl sind dazwischen auch immer wieder zu entdecken. Die Regierung hat 27 % der 51.000 km² des Landes unter Naturschutz gestellt. Aber eine weitere Entscheidung macht mir dieses Land so überaus sympathisch: Seit 1948 gibt es kein Militär, die gesparten Kosten werden für Bildung und Gesundheit ausgegeben. Ein Resultat ist sicherlich, dass der 5 Millionen Einwohner Staat die höchste Alphabeti- sierungsrate Mittelamerikas und mit ca. 750 US$das zweithöchste Durchschnittseinkommen pro Kopf in Mittelamerika hat.

Der Bus fährt die 111 Kilometer bis zum Eingang des Nationalparks in 3,5 Stunden. Ein paar Minuten davon entfernt liegt unser Hostel mit schönen Zimmern und einem kleinen Pool. Und in fünf Minuten sind wir Strand, wo die Wellen in schöner Regelmäßigkeit die Badenden umwerfen. Zum Glück sind kaum Steine im Wasser und der Sand ist fein und weich. Was für eine Kraft die Wellen schon bei ein bis zwei Metern Höhe entwickeln, kaum ein Bikinioberteil bleibt an seinem Platz. Da fühle ich mich in meinem Badeanzug etwas sicherer. Später unter der Dusche fällt jede Menge Sand heraus, wie der wohl darein gekommen ist.

Um den Parkeingang herum sind in den letzten Jahren Hotels, Hostels, Läden und Restaurants entstanden. Tagsüber kommen noch die mobilen Händler dazu. Wir staunen nicht schlecht, als wir am Morgen ein Lokal zum frühstücken suchen, hier war doch gestern Abend absolut nichts los. Jetzt kann man sich hier alles mögliche kaufen und zwischendrin laufen etliche Männer mit einem Spektiv  auf einem Stativ herum und bieten Führungen durch den Park an.

Die meisten Lokale haben nur halbhohe Wände und ein Dach. Kalt wird es hier nie, und vor dem häufigen Regen ist man ausreichend geschützt. Wir können beim frühstücken wunderbar Vögel beobachten. Zwei schwarze Vögel mit leuchtend rotem Rücken fliegen in den nahe stehenden Baum. Ein Stück weiter bauen zwei Maskentyranne am Stamm einer Palme unter den verwelkten Blättern eines Epiphyten (Aufsitzerpflanze) ein Nest. Die Vögel schleppen lange Halme heran und stopfen und polstern eifrig.

P1030748

Plötzlich kommt ein Swainson-Tukan mit dem gelb/kastanienbraunen Schnabel angeflogen, ein zweiter bleibt ein Stück weiter im hohen Baum hinter der Palme. Aufmerksam beobachten die Vögel die fleißigen Nestbauer, dann nähert sich einer. Tapfer versuchen die viel kleineren Vögel den Tukan zu vertreiben, aber wehrt sie mit mehreren Flügelschlägen ab.

Mal mit dem rechten dann mit dem linken Auge schaut er in das Nest und beginnt dann, es mit seinem Schnabel zu zerstören. Glück für die Maskentyranne, sie waren noch in der Bauphase und haben keine Jungen im Nest. Auf die hat es der Tukan nämlich abgesehen. Meist ernährt er sich von Früchten, aber gerade diese Art ist ein berüchtigter Nesträuber. Ich habe die Kamera dabei und drücke im richtigen Moment auch auf Videoaufnahme. Dass ich später aus Versehen den Film lösche, ihn aber mit einem Spezialprogramm rekonstruieren kann, ist eine andere Geschichte.

Um sieben Uhr gehen wir in den Nationalpark. Am Eingang werden die Taschen kontrolliert. Wasser, Sandwich und Früchte sind erlaubt, Nüsse, Kekse und andere Süßigkeiten verboten. Die Mitarbeiter, die jeden Rucksack und jede Tasche kontrollieren, müssen sich manches Mal ganz schön was anhören. Die jungen Männer und Frauen bleiben freundlich aber bestimmt. Es gab wohl immer wieder unvernünftige Besucher, die Tiere mit Gebäck usw. anlockten, daraus hat die Parkleitung Konsequenzen gezogen.

Obwohl um diese Zeit die großen Busse noch nicht eingetroffen sind, ist es ganz schön voll. Wie mag das wohl erst in der Hauptsaison aussehen? Es gibt betonierte und naturbelassene Wege. Der Park ist gut beschildert und mit Informationstafeln ausgestattet. Eigentlich erwartet man ja, das Menschen sich bei der Tierbeobachtung ruhig verhalten, aber hier schallen laute amerikanische Rufe durch den Urwald: „Oh nein – das kann ich nicht glauben – wie wunderschön – oh mein Gott!“ Bestimmt haben sie ein Faultier entdeckt, vielleicht so gar mit einem Jungen oder gar Zwillingen. Wir nähern uns der begeisterten Gruppe und sehen – einen Frosch.

P1030763

Heute ist uns das Glück hold und wir können Faultiere, Waschbären, Agutis, Rehe, drei verschiedene Affenarten, Schmetterlinge und jede Menge Blattschneiderameisen beobachten. Die machen sie es sich leicht und nutzen die angelegten Wege, Stufen und Geländer, um die geernteten Blätter auf schnellstem Wege zu ihrem Bau zu befördern.

Nach ungefähr zwei Kilometern hat man die meisten Besucher hinter sich gelassen. Die geführten Touren dauern zwei Stunden und so weit laufen die Führer mit ihren Gruppen nicht. Nur zwei Frauen in Rollstühlen sind auf den gut angelegten Wegen noch unterwegs. Zu der verlockend aussehenden kleinen Bucht wollen sie dann aber doch nicht, zu steil der Weg, den sie ja auch wieder zurück müssen.

P1030788

Wir ziehen gerade hinter einem Felsen Badesachen an, als ich das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Ein über einen Meter langer Leguan liegt direkt neben uns auf dem Felsen und sonnt sich. Nach und nach entdecken wir noch andere. Im Schatten der Bäume machen wir eine lange Pause. Der Wind in den Bäumen und das Rauschen der Wellen haben eine einschläfernde Wirkung.

Sieht harmlos aus ist aber giftig
o.: Wer hat den Rest des Leguans?
u.: Eisiedlerkrebse mögen Bananen

Auf dem Weg zum Aussichtspunkt La Cathedral geht es über Stufen ständig bergauf. Wir beschließen, nur die kurze Runde zu gehen. Die richtige Wahl, denn kurz darauf beginnt es heftig zu regnen. Wir stellen uns eine Weile unter, beschließen dann aber trotz des Regens weiter zu laufen. Das war die richtige Entscheidung, denn es regnet bis weit in den Abend hinein und der Park wird um 16 Uhr geschlossen. Nass bis auf die Haut kommen wir im Hostel an. Hier gibt es die Regelung, dass auf der überdachten Terrasse keine Kleidungsstücke liegen dürfen. Die Wäscheleinen hinter dem Pool im Freien sind jetzt auch keine Lösung. Wir legen alle Sachen auf den Fußboden, stellen Klimaanlage und Ventilator an und am nächsten Morgen sind sogar die Sportschuhe fast trocken.

Der Bus nach Puerto Jiménez auf der Halbinsel Osa fährt nicht am Busterminal in Quepos ab, sondern von dem weit außerhalb liegenden Hospital. Außer einer halb zusammengebrochenen Haltestelle gibt es dort nichts, weder einen Kiosk in dem man Fahrkarten kaufen kann, noch irgendeine Information. Eine junge Französin will auch in unsere Richtung. Sie hat am Vortag in Quepos Tickets gekauft und meint, dass wir eine falsche Information haben. Als nach 20 Minuten ein Bus hält, der die Stadt David in Panama anfährt, fragen wir nach unserem Zielort. Der Busfahrer bietet an, uns nach Golfito mitzunehmen, von dort kann man mit einem Boot übersetzen. Besser als die Ungewissheit ist das alle Mal. Man merkt immer wieder, Costa Rica ist kein Backpacker-Land. Hierher kommen meist organisierte Reisegruppen oder Individualreisende mit PKW. Richtige Auskünfte oder etwa Fahrpläne im Internet – Fehlanzeige.

Unterwegs fällt dem Busfahrer ein, dass es für uns viel zu gefährlich sei, mit dem Boot zu fahren. Er lässt uns in Piedras Blancas aussteigen. „Der Buss nach Puerto Jiménez kommt bald,“ verspricht er. Piedras Blancas hat eine Tankstelle, zwei Lokale und fünf Häuser. Erstaunlicherweise gibt es sogar ein Wartehäuschen aus vier Stämmen, drei Brettern und Palmwedeln. Malerisch ist es, aber nicht dicht. Als es anfängt zu schütten, drängen wir uns mit den anderen Passagieren in der Mitte zusammen. Eine Stunde später kommt tatsächlich ein Bus, sogar ein ganz moderner. Die Strecke um die Bucht herum ist wunderschön. Auf Osa liegt der Nationalpark Corcovado, der der tierreichste des ganzen Landes ist. Wir erreichen unser Ziel kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Vom Busbahnhof sind es nur ein paar hundert Meter bis zu unserem Hotel. Wir bekommen ein großes sauberes Zimmer mit zwei Betten und zwei Ventilatoren. Gleich um die Ecke ist eine Pizzeria. Die Pizza schmeckt wirklich gut, aber die Limetten-Basilikum-Limonade toppt alles, was wir bisher getrunken haben.

Der Besuch des Nationalparks ist mit Schwierigkeiten verbunden. Morgens um sechs Uhr fährt der Bus. Von der Haltestelle führt ein Fußweg 3,5 Kilometer bis zum Parkeingang. Die Tour durch den Park ist angeblich nur mit Führer möglich und dauert 5 Stunden. Zu anstrengend und zu teuer, wir verzichten. Wir fragen unseren Hotelbesitzer, ob er schon mal einen Jaguar im Park gesehen hätte. Dort nicht, aber hier in der Stadt. Als er abends seine Eltern nach Hause begleitete, stand einer keine 50 Meter vom Haus entfernt auf der Straße.

Abendstimmung in Puerto Jiménez

Immer wieder regnet es in den nächsten Tagen, aber in den trockenen Stunden laufen wir bei Ebbe am Strand entlang, entdecken einen Park und die „Werkstatt“ von Blattschneiderameisen. Sie haben einen großen Busch besetzt und zerlegen kunstvoll die Blätter in fingernagelgroße Stücke. Die liegen als kleiner Hügel auf dem Boden und werden nach und nach von großen Kolonnen abtransportiert. Wir folgen dem Weg über fast 100 Meter. Diese Organisation und Effizienz ist bewundernswert.

Wir sind in einem Wohnpark gelandet, geschmackvolle Häuser stehen weit von einander entfernt im dichten Grün, die Anlage wirkt richtig einladend. Reinkommen war leicht, aber der Ausgang ist nicht zu entdecken. Ein junger Mann begleitet uns zu einem Pförtnerhäuschen, wo man uns ohne Probleme neben der Rollbahn des kleinen Flughafens wieder heraus lässt.

Am frühen Morgen und am frühen Abend erfüllt ein Gekreische die Luft. Große Schwärme grüner Papageien fliegen nach einem Tag am Meer abends zurück in den Urwald. Die Nachzügler sind immer paarweise unterwegs. Zweimal sehen wir sogar die auffälligen rotbunten Aras, die größten in der Papageienfamilie.

Es regnet mal wieder und wir liegen bei geöffneter Tür auf dem Bett, als das plötzlich zu schwanken beginnt. Wahrscheinlich nur ein paar Sekunden – mir kommt es wie eine Minute vor – dann ist es vorbei. Ein Erdbeben! Die Hotelbesitzer kommen angelaufen und fragen: „Habt ihr das gespürt?“ Sie erzählen uns, dass gestern die Brüllaffen schon so unruhig gewesen seien, ein Vorzeichen. Wir waren beim Beben so verblüfft, dass wir gar nicht reagieren konnten. Genau das hat uns auch Roland in San José erzählt. Während er sich noch in seinem Sessel aufrichtet und fragt: „Was war jetzt das?“ steht seine aus Costa Rica stammende Frau schon auf der Straße. Costa Rica liegt in einer sehr aktiven Zone, deshalb baut man schon seit langer Zeit „erdbebensicher.“

Kurz darauf melden die Nachrichten ein Erdbeben mit einer Stärke von 6,1. Das Epizentrum lag an der Grenze zwischen Costa Rica und Panama, rund 30 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Ein paar Stunden später kommt schon eine Mail von einer besorgten Freundin, woraufhin wir unsere Familie per Whats-App beruhigen, die gar nicht beruhigt werden muss, weil sie überhaupt nichts mitbekommen hat.

o.r.: man beachte die Gangway (wahrscheinlich Maya Kultur)

Zu guter Letzt kommen wir doch noch zu unserer Bootsfahrt über den Golfo Dulce, die große Meeresbucht zwischen der Halbinsel Osa und dem Festland. Hierher kommen Buckelwale, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Bisher noch unbemerkt von den Orcas, die besonders gerne Jagd auf Walkälber machen. Auch Delfine lieben diese Bucht, doch wir bekommen während der Überfahrt keinen dieser Meeresbewohner zu Gesicht. Die Fahrt durch die Bucht lohnt sich trotzdem.

In Golfito teilen wir uns mit zwei anderen Personen ein Taxi bis zur 40 Kilometer entfernten Grenze nach Panama. Die Bequemlichkeit ist mit 6 US$ pro Person nicht zu teuer bezahlt.

Panama Stadt und Land

(Wegen fehlender Bilder ist diese Seite mit einer älteren Version verlinkt)

Der Taxifahrer bringt bis zur Grenze in Costa Rica. Kaum sind wir ausgestiegen, kommt ein Mann auf uns zu und bietet seine Hilfe an. Es sei seine Aufgabe, Touristen beim Grenzübergang behilflich zu sein, behauptet er. Auf sein Angebot, unsere Koffer zu ziehen, gehen wir gar nicht erst ein. Vor dem Ausreiseschalter stehen drei Personen, er führt uns zu einem Nebenschalter, wo wir direkt an die Reihe kommen. Danach zeigt er uns den Einreiseschalter in Panama und danach den Bus nach David. Dort fordert er plötzlich 20 US$ für seine Hilfe. So haben wir nicht gewettet, all das hätten wir auch ohne seine Hilfe geschafft. Er bekommt ein kleines Trinkgeld und zieht schimpfend davon.

David ist nicht schön aber groß, die drittgrößte Stadt in Panama. Vor der Fahrt nach Panama City wollen wir noch einmal übernachten. Unser Zimmer hat schon bessere Zeiten gesehen, dafür schmeckt das Essen im nahe gelegenen Restaurant so richtig gut.

Wir erwischen den 10 Uhr Bus nach Panama Stadt so gerade noch. Die Zeit ist zu knapp, eine Fahrkarte zu kaufen, wir bekommen aber zwei Platzkarten ausgehändigt und bezahlen einfach später während der Fahrt. Unsere Mitreisenden haben große Taschen dabei, obwohl die Staufächer unter dem Fahrgastraum liegen. Reiseprofis, wie sich herausstellt. Sie haben Mützen, Schals, Steppjacken und Wolldecken dabei. Draußen haben wir 30 Grad, aber die Temperatur im Bus bewegt sich zwischen 14 und 16 Grad. Die Klimaanlage pustet unerbittlich kalte Luft auf uns. Wir Optimisten sind in Shorts und kurzärmligen T-Shirts unterwegs. Wenigstens haben wir jeder noch ein Handtuch im Rucksack, das wir uns über die Knie legen können.

Ungefähr auf der Hälfte der 450 Kilometer langen Strecke auf der Panamerikana gibt es eine Pause zum Essen und sich draußen wieder aufzuwärmen. Die Straße führt teils durch Wald – 45 % des Landes sind davon bedeckt – und teils durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Bananen, Ananas, Mais und Reis werden großflächig angebaut. Auch in Panama gibt es Nationalparks 15 insgesamt, die zusammen 34 % der Fläche des Landes einnehmen. Während unserer Fahrt in die Hauptstadt kommen wir an keinem der Nationalparks vorbei.

P1030903 - Kopie

Dafür fahren wir auf der Amerika-Brücke über den Panamakanal und sehen die riesigen Krananlagen.

Der Busbahnhof liegt direkt am größten Einkaufszentrum der Stadt, vielleicht ist es auch umgekehrt. Während wir darauf warten, dass unsere Koffer ausgeladen werden, sehen wir staunend zu, wie sich vor einer der Mitreisenden ein immer größer werdender Berg Gepäck auftürmt. Koffer, Taschen, Säcke und Kartons. Es sieht aus, als hätte sie sich den Umzugswagen gespart.

Das Hotel erweist sich als Glücksgriff. Es liegt im modernen Zentrum nahe der Universität, hat acht Zimmer und wir genießen in den nächsten Tagen den schönen, ungewöhnlich großen Raum und die Dusche mit heißem Wasser.

Vier Tage bleiben uns, die reichste Stadt Mittelamerikas kennenzulernen. Die Hochhäuser unterschiedlichen Alters zeigen deutlich den wachsenden Wohlstand. Die älteren sind schlicht und grau, die neuen – teils noch im Bau befindlichen – überstrahlen mit ihren verspiegelten, teils goldenen Fassaden alles. Doch so ganz stimmig ist das Stadtbild nicht. In den Nebenstraßen kaputte Bürgersteige, geschlossene Läden, heruntergekommene Häuser und demgegenüber die glitzernde Pracht der Wolkenkratzer.

Panama Stadt hat seit 2014 eine Metro. Man kauft am Automaten für 2 $ eine Magnetkarte, lädt sie mit einem beliebigen Betrag auf und kann für 0,25 $Cent beliebig viele von insgesamt 14 Stationen fahren. Ein- und Ausgänge sind mit Schranken gesichert und öffnen sich nur nach Auflegen der Magnetkarte. So eine Karte kann auch von mehreren Personen genutzt werden und sie gilt auch für die Busse. Wir fahren bis zum Busterminal/Einkaufszentrum und steigen dann in einen Bus zur Miraflores-Schleuse am Panamakanal. Vorn beim Fahrer befindet sich ein Drehkreuz, erst wenn die Magnetkarte vor das Erfassungsgerät gehalten wird, löst sich die Sperre. Wir haben bereits die halbe Strecke zurück gelegt als ich feststelle, dass der Fotoapparat noch zum Aufladen am Kabel im Hotelzimmer liegt. Ärgerlich, jetzt müssen die Handys einspringen.

Der Panamakanal ist ein technisches Meisterwerk, die Idee dahinter schon ein paar hundert Jahre alt. Erst 1880 begannen französische Fachleute, die Idee in die Tat umzusetzen, es gab gute Erfahrungen mit dem Suezkanal. Eine Wasserstraße quer durch Panama – das noch zu Kolumbien gehörte – würde die Umrundung des gefährlichen Kap Horn überflüssig machen, eine Ersparnis von 15.000 Kilometern. Allerdings hatte man wohl den Unterschied zwischen Wüste und Regenwald nicht hinreichend bedacht. Ungeahnte Probleme durch die geologischen Gegebenheiten und der Tod von über 20.000 Arbeitern durch Malaria und Gelbfieber ließen die Franzosen aufgeben. Das war die Stunde der Amerikaner. Panama erklärte 1903 die Unabhängigkeit von Kolumbien und schloss einen Vertrag mit der USA zu unfassbar günstigen Bedingungen. Die Amerikaner bekämpften zuerst das Gelbfieber, bevor sie die Bauarbeiten weiterführten. 1914 konnte das erste Schiff den Kanal mit seinen drei ausgeklügelten Schleusensystemen passieren. Bis 1999 war der Kanal mit einer 5 Meilen Schutzzone und einem Militärstützpunkt Eigentum der USA.

Danach ging es mit der Wirtschaft des Landes aufwärts. Für die Durchfahrt werden sechsstellige Beträge fällig. Die Erweiterung des Kanals war durch die immer größer werdenden Containerschiffe nötig und ist seit 2016 fertiggestellt. Dadurch konnten die Einnahmen noch einmal erhöht werden. Weitere Gelder fließen durch die Zulassung von Schiffen in die Staatskasse, weltweit fährt jedes 5. Schiff unter panamaischer Flagge.

Die Miraflores-Schleuse am alten Kanal hat ein Besucherzentrum mit Museum. Während der Mittagspause haben wir ausreichend Zeit, den Informationsfilm und die Ausstellung zu besuchen. Vormittags fahren die Schiffe zum Atlantik, nachmittags zum Pazifik. Von der Besucherterrasse kann man genau beobachten, wie die Schiffe in die Schleuse gezogen werden. Sobald sie die Kammer erreichen übernehmen Treidellokomotiven links und rechts die Aufgabe. Wir sind so nah dran, dass man den Menschen auf dem Schiff in die Augen blicken kann. Sehr eindrucksvoll.

Während wir auf den Bus zurück in die Innenstadt warten, beginnt es leicht zu regnen, so dass wir mit feuchter Kleidung am Busterminal ankommen. Ausgehungert laufen wir ins große Einkaufszentrum, wo auch alle möglichen Lokale zu finden sind. Die Temperatur ist auf lauschige 15 Grad eingestellt. Wir müssen wählen zwischen verhungern und erfrieren. Wir entscheiden uns für verhungern, nehmen die Metro bis zu unserem Hotel und genießen eine heiße Dusche, bevor wir uns ein Restaurant in der Nähe suchen.

Panama Stadt hat zwei Altstadtviertel, Panama la Vieja eine Ruinenstadt, die 1671 von englischen Piraten zerstört und Casco Viejo, das danach 18 Kilometer weiter südwestlich auf einer Landzunge neu errichtet wurde. Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts ist Casco Viejo Weltkulturerbe und der Spaziergang durch Gassen und Straßen beschert immer wieder neue schöne Eindrücke. Zum Glück ist es nicht nur touristisch, es leben auch noch „normale Menschen“ hier. Die meisten Gebäude sind wunderschön restauriert, in bunten Farben gestaltet und geben Restaurants und Geschäften den passenden Rahmen. Wir essen in einer Brauereigaststätte und trinken ein herrlich fruchtiges Mango-Weizenbier.

Die Rückfahrt führt uns dann durch ein heruntergekommenes Viertel. Selbst im Taxi fühlt man sich hier nicht wohl, ich mag mir das Elend bei Tageslicht kaum vorstellen.

Am letzten Tag in der Hauptstadt fahren wir mit der Metro bis zur Station 5 de Mayo. Ganz in der Nähe ist der Fischmarkt. Als wir aussteigen ist die Sonne verschwunden und es regnet heftig. Das Gedränge in der U-Bahn-Station ist so groß, dass wir 100 Meter weiterlaufen bis zu einem überdachten Platz unterhalb der auf Stelzen gebauten Hochstraße. Jedes Mal, wenn oben ein Bus oder ein LKW durch die Pfützen fahren, ergießt sich ein Wasservorhang auf die Straße darunter. Meistens auf die Autos, ab und zu auf ein paar eilige Fußgänger, die es danach noch eiliger haben. Obwohl in Panama und auch Costa Rica eine große Anzahl von Luxuskarossen unterwegs sind, haben wir nicht ein einziges Cabrio gesehen.

Wir fragen mehrere Menschen nach dem Weg zum Fischmarkt und bekommen genauso viele unterschiedliche Auskünfte. Google Maps zeigt uns einen Weg, der eine 2 Kilometer-Schleife macht, um dann das 300 Meter Luftlinie entfernte Ziel anzuzeigen. Endlich erbarmt sich eine Frau, sie will auch zum Fischmarkt, wir sollen ihr nur folgen. Unter der Hochstraße laufen wir entlang, überqueren eine Straße und sind da. Das Angebot ist nicht so überwältigend, wie wir es schon in anderen Städten gesehen haben. Erstaunlich, dass Fisch der ohne Pflege im Meer lebt und sich selbst ernährt, teurer ist als das beste Fleisch. Rund um den Fischmarkt haben sich ca. 30 Lokale angesiedelt, die den Tagesfang in verschiedenen Zubereitungsarten anbieten. Ceviche steht bei allen auf der Karte. Gar nicht so einfach, sich hier durchzuarbeiten, ausnahmslos alle wollen uns in ihrem Lokal haben.

Am Ende stoßen wir auf eine Meeresbucht, in der die Fischerboote angelegt haben. Die Eingänge zur Großmarkthalle direkt daneben sind von Wachleuten blockiert. Nachdem wir dort mit einem Mann ins Gespräch gekommen sind, folgen wir ihm zu seinem Lokal. Das Essen ist gut, der Fisch definitiv super frisch, aber doch recht teuer.

Den Rückweg laufen wir über die 4 Kilometer lange Promenade in die Innenstadt. Natürlich öffnet der Himmel wieder seine Schleusen und wir flüchten tropfend in ein Einkaufszentrum, das wir genauso schnell auf der anderen Seite wieder verlassen. Wir beginnen jämmerlich zu frieren und sind froh, draußen ein überdachtes Café zu finden, wo wir bei einer Tasse Kaffee aufhören zu zittern.

Am nächsten Tag lassen wir uns zum Flughafen fahren, um Panama auf dem Luftweg zu verlassen. Kolumbien ist auf dem Landweg nicht zu erreichen, undurchdringlicher Dschungel liegt auf beiden Seite der Grenze zwischen beiden Ländern.

Panama ist schön, aber eins muss ich feststellen: „Janosch hat gelogen, das Land riecht nicht nach Banane, nirgends.“

Cartagena, Karibikstrand und Minca (Kolumbien)

Am internationalen Flughafen Panama müssen Passagiere selbst tätig werden, Bord-Karte und Kofferband druckt man sich selber aus und geht damit zum Schalter. Nur eine gute Stunde dauert der Flug von Panama in die Hafenstadt Cartagena in Kolumbien. Das erste Mal seit Jahren erleben wir wieder, wie sich die Anspannung der Passagiere nach der Landung in lautem Klatschen löst. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, ein Hoch auf den Piloten.

Dieser Flughafen ist noch nicht voll automatisiert, Gangway und Bus statt Rüssel. Bei der Einreisekontrolle wird zwischen Kolumbianern und Ausländern unterschieden. „Kolumbianer?“ „Nein.“ „Dann bitte dort entlang.“ Doch hier kassieren wir einen Rüffel. Streng werden wir gemustert und angeherrscht,dass wir uns falsch angestellt hätten. Widerspruch zwecklos. Wir bekommen trotzdem unseren Einreisestempel von dem mürrischen Grenzbeamten.

Das Gepäck kreiselt schon auf dem Laufband und ruck-zuck sind wir draußen und sitzen im Taxi.

P1040094 - Kopie

Wir fahren am Meer entlang, wo sich heute am Sonntag viele Menschen am karibischen Strand aufhalten. Hier gibt es kleine U-förmige Stoffhütten statt Sonnenschirmen.

Das Taxi kann uns nicht direkt zum Hotel bringen, weil sonntags das Viertel Getsemani, das direkt an das historische Viertel grenzt, für Autos gesperrt ist. Der Fahrer deutet wage in eine Richtung und wir ziehen los und biegen um die nächste Ecke.

Hier wäre er auch garantiert nicht durchgekommen. Mitten auf der Straße haben die Anwohner ein quadratisches Planschbecken aufgestellt. Frauen liegen bequem im Wasser, während die Kinder um sie herumwuseln und sich gegenseitig nass spritzen, die Mütter bleiben dabei völlig gelassen.

Die Häuser zeigen nach außen ihre abweisende Seite. Sie grenzen direkt an den Bürgersteig und sind in verschieden Farben gestrichen, viele sind auch mit bunten Bildern geschmückt oder blühenden Bougainvilleen berankt. Die Fenster sind zur Straße mit Holzgittern gesichert. Als wir die hohe massive Holztür zu unserem Hotel öffnen, sehen wir sofort den schönen begrünten Innenhof.

Die interessantesten Ecken der Millionenstadt können wir zu Fuß erreichen. Im Land des Kaffees müssen wir natürlich sofort ein Café aufsuchen und bekommen wirklich einen sehr aromatischen starken Kaffee vorgesetzt.

Der nächste Geldautomat ist in der Nähe des Castillo San Felipe zu finden. Die mächtige Festung thront auf einem Hügel und wurde kurz nach der Stadtgründung 1533 errichtet. In Cartagena lagerten große Mengen Gold und Silber, die alle möglichen Menschen in ihren Besitz zu bringen versuchten. Die Festung hat ein ausgeklügeltes Tunnelsystem, das den Bewohnern Rückzugsmöglichkeiten und Verstecke bot und für Eindringlinge ein gefährliches Labyrinth war, in dem sich nicht wenige verirrten. Die Festung schützte die mit einer imposanten Mauer umgebene Stadt Jahrhunderte lang vor Eindringlingen.

Die Statue in der Nähe des Eingangs zeigt Admiral Blas de Leo, dem es 1741 gelang, mit 3.000 Mann und 6 Schiffen einen Angriff der Engländer mit 23.000 Mann und 186 Schiffen abzuwehren. Das allein ist schon beeindruckend, denn Blas de Leo war quasi ein halber Mann: einäugig, einbeinig und einhändig!

Die Altstadt innerhalb der 13 Kilometer langen und über 400 Jahre alten Mauer gehört zu den schönsten Kolonialstädten Südamerikas und ist UNESCO Weltkulturerbe. Die an manchen Stellen 30 Meter breite Mauer besitzt fenstergroße Nischen an der Außenseite, in denen tagsüber die Liebespärchen turteln und nachts die Obdachlosen schlafen. Auch Spaziergänge auf der Mauerkrone sind beliebt.

Das Haus von Gabriel Garcia Marques, dem größten Schriftsteller des Landes, ist auch innerhalb der Mauer zu finden. Natürlich erkunden auch wir die Altstadt und ja, sie ist schön und nein, richtig wohlgefühlt haben wir uns hier nicht. Was schön ist, zieht Touristenmassen an und damit beginnt auch schon der Teufelskreis. Pferdekutschen, Taxis und Lieferfahrzeuge quetschen sich durch die engen Straßen. Wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt, fluten tausende zusätzliche Touristen die engen Gassen.

P1040143 - Kopie

Am Hafen erscheinen wie aus dem Hut gezaubert als Sklaven verkleidete Menschen mit Ketten an den Beinen und Frauen in karibischer Tracht, um sich gegen Geld fotografieren zu lassen. Dazwischen laufen immer wieder Männer herum, die ein gelbes Plakat mit einer riesigen Ameise (?) herumtragen. Unzählige Verkäufer bieten Sonnenbrillen, Sonnenhüte, Kleidung, Uhren, Schmuck etc. an. Wir finden es nervig, kaum ist der erste Hutverkäufer erfolglos abgezogen, steht schon der nächste vor uns. Das zieht sich durch die gesamte Altstadt. Wir sind so mit abwimmeln beschäftigt, dass es unsere Besichtigungsfreude trübt. Man kann nicht vor einem Schaufenster stehenbleiben und sich die elegante Kleidung, Kunstgewerbe oder Smaragdschmuck anschauen, ohne dass man fast am Arm in den Laden gezogen wird. Unmöglich an einem Lokal vorbei zu kommen, ohne dass man eine Speisekarte vor die Nase gehalten bekommt.

P1040062 (2) - Kopie - Kopie

Und es dauert lange, bis es gelingt, die Statue der ruhenden Dame von Botero zu fotografieren, ohne das jemand mit der Hand auf ihrem Busen – wie originell – darauf wartet, abgelichtet zu werden.

Eine Stadtrundfahrt bringt uns auch in weiter entfernte Viertel, Boccagrande zum Beispiel, die Halbinsel mit den modernen Hotels. In einem von ihnen hat sogar mal US-Präsident Clinton genächtigt, darauf ist man hier sehr stolz. Der Stadtteil Manga ist der bevorzugte Wohnort der Reichen und Wichtigen von Cartagena und in San Francisco leben die Armen, die mit allen möglichen Verkäufen oder mit Betteleien ihren Lebensunterhalt verdienen.

Wir sind auf der Suche nach einer Landkarte von Kolumbien. Im Einkaufszentrum nahe der Festung gibt es eine Buchhandlung, aber Landkarten werden dort nicht verkauft. Die Verkäuferin und alle, die wir sonst noch fragen, haben auch keine Ahnung, wo es so etwas geben kann. In Boccagrande steht das größte und modernste Einkaufzentrum der Stadt. Hier gibt es nicht mal eine Buchhandlung. Wir werden auf den Centenario Park verwiesen, in dem Antiquariate dicht an dicht stehen, prall gefüllt mit alten Büchern.

P1040073 - Kopie - Kopie

Aber auch hier bekommen wir das Gewünschte nicht. Offenbar wird in Kolumbien nicht viel gelesen, und wer braucht schon Landkarten.

Getsemani gefällt uns unglaublich gut. Das quirlige Viertel wirkt authentisch, denn hier leben noch viele Einheimische. Überall gibt es Street-Art zu bewundern und jeden Abend versammeln sich Bewohner des Viertels und Touristen auf dem halbrunden Platz vor der Holy-Trinity-Kirche und genießen kostenlose Musik- und Tanzdarbietungen.

viele kleine Gassen

überall Wandmalereien

Regelmäßig finden sich auch Händler ein und bieten Obst, Schmuck, Textilien und die unvermeidlichen Hüte an.

Wir wollen eine Woche am karibischen Meer östlich von Cartagena ausspannen und nehmen einem Shuttlebus der über Barranquila und Sant Marta dorthin fährt. Hinter der großen Hafenstadt Barranquilla (Geburtsstadt der Sängerin Shakira) führt die Straße über eine Nehrung. Zur Seeseite hin gedeihen unzählige imposante Kakteen, doch der Blick zur Lagune hin zeigt inmitten von Müllbergen die erbärmlichsten Elendsquartiere, die wir bisher auf dieser Reise gesehen haben.

Kilometerlange Bananenplantagen sind links und rechts der Straße zu sehen. Unser Ressort, das zu Beginn der Regenzeit mit dem unschlagbaren von Argument 79 % Rabatt überzeugt,  liegt östlich vom Tayrona Nationalpark am Strand, 1,5 Kilometer von der Hauptstraße entfernt. Verstreut auf einem riesigen Grundstück stehen einige Bungalows, etliche Kokospalmen, Bäume und blühende Sträucher. Eine Woche lang nur faulenzen, schwimmen, spazieren gehen und lesen.

Aus dem Schaukelstuhl und der Hängematte auf der Terrasse können wir Tiere beobachten. Kolibris holen Nektar aus den Blüten, Geier rasten in den Palmen, Eichhörnchen jagen sich, Schildkröten spazieren gemächlich über den Sand und abends hüpfen große Kröten über die Wege. Hunde und Katzen leben auch auf dem Grundstück und sitzen bei den Mahlzeiten neben uns, in der Hoffnung auf milde Gaben.

Während dieser Woche treffen wir andere Langzeitreisende. Das ist immer eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen, z.B. zum Thema Ansichtskarten. Nicht nur wir haben vergeblich danach gesucht. Emma aus Frankreich weiß auch die Erklärung, das Porto ist so hoch, dass kein Mensch welche verschickt. Ihre Freundin aus Paris wollte dem zurückgebliebenen Freund dann wenigstens einen Brief senden. Das Porto in Höhe von 80 US$ brachte ihren ganzen Monatsetat durcheinander.   

Außer Text zu schreiben, kann ich nicht am Blog arbeiten, das Internet ist grottenschlecht, von den Stromausfällen ganz zu schweigen.

Ein kratzendes Geräusch bei unseren Koffern alarmiert uns eines Abends. Klaus vermutet ein großes Insekt, ich etwas viel Größeres. Respektvoll nähern wir uns der Stelle, ziehen vorsichtig einen Koffer an die Seite und sehen uns einer großen blauen Landkrabbe mit wehrhaft erhobener Schere gegenüber.

Mit Hilfe des Regenschirms, der zu jedem Bungalow gehört, scheucht Klaus sie durch den aus Koffern und Rucksäcken gebildeten Gang nach draußen.

Diese Krabben leben zu Hunderten in der dunklen Erde um das Grundstück, aber auch auf dem Sandboden läuft hin und wieder eine vorbei.

Ein Krokodil wohnt in dem Bach vor dem Grundstück. Hotelgäste zeigen uns ein Foto davon. Leider haben wir kein Glück, trotz mehrfacher Besuche zeigt es sich uns nicht.

Vom Meer aus fahren wir in die Berge. Den Tayrona Nationalpark, der wunderschöne Strände hat, und den wir eigentlich besuchen wollten, haben wir nicht betreten. Warum viereinhalb Kilometer durch den Urwald laufen, wenn wir hier den Strand vor der Haustür haben.

Der Ort Minca liegt auf 600 Metern Höhe, 15 Kilometer südlich der Küstenstadt Santa Marta. Andreas, den wir in San José trafen, hat uns von der Natur vorgeschwärmt. Minca liegt auch wirklich wunderschön, ist aber längst kein Geheimtipp mehr.

Der Fluss, der über dicke Felsen plätschert, lockt uns nicht zum baden. Wir haben verschiedene Gräben gesehen, die hineinfließen, und die nicht gerade gut riechen. Auf einem Spaziergang in die Berge treffen wir Borris und Anna aus Hamburg, denen es hier so gut gefällt, dass sie ein Haus gemietet haben und zum Hostel ausbauen. Viele Reisende haben vor ihnen auch nach Möglichkeiten gesucht, sich hier etwas aufzubauen. Deshalb gibt es inzwischen Yogaschulen, Handarbeitskurse und kleine vegane oder vegetarische Lokale.

Nachdem es gestern den ganzen Tag geregnet hat, wollen wir heute eine Wanderung zu den Kaskaden machen. Der Weg ist noch richtig schlammig, hier ist nur die Hauptstraße betoniert. Merkwürdigerweise kommen nach 1000 Metern Matschweg 50 Meter perfekt gepflasterte Strecke. Danach geht es mit Pfützen weiter.

Wir bestaunen den ca. 30 Meter hohen Bambus. Ich habe Bambus immer nur mit Asien in Verbindung gebracht. Dass er auch in Mittel- und Südamerika so häufig anzutreffen ist, überrascht mich. Leider müssen wir nach gut zwei Kilometern abbrechen, die Steigung bringt mich bei über 30 Grad völlig außer Puste. Aber auf der Terrasse unseres Hostels ist es auch schön. Rundherum ist alles üppig grün. Direkt gegenüber stehen einige der unzähligen riesigen Mangobäume. Sie hängen so voller Früchte, dass man komplette Markthallen mit Mangos beliefern könnte, wenn sich nur alle ernten ließen.

P1040185
der ist noch jung (der Baum)

Die Bäume können 35 Meter hoch werden und 300 Jahre lang Früchte tragen. Auf unserer Reise haben wir tausende Mangobäume gesehen. Wenn sie voller Früchte sind, die an ca. 30 cm langen Stilen hängen, denkt man an mit Ostereiern geschmückte Bäume. Unreif sind sie grün, später gelb, orange oder rot. Neben dem Weg liegen die herunter gefallenen Früchte bergeweise herum und gammeln vor sich hin.

Und nun steht die Weiterreise nach Medellin an. Eigentlich wollen wir unterwegs nur per Bus, Bahn oder Schiff reisen, aber uns wurde erzählt, dass die Fahrt statt der genannten 15 Stunden um einiges länger ist. Ganze 25 Stunden waren Reisende unterwegs. Das würden wir niemals ohne Zwischenübernachtung machen. Die Kosten für Bus und Übernachtung sind genauso hoch, wie die für den Flug. Im Stundentakt heben die Maschinen nach Bogota oder Medellin in Santa Marta ab. Das ist wesentlich angenehmer, als zwei Tage lang im Bus zu sitzen und weitere zwei Tage mit schmerzenden Knien herumzulaufen, weil die Sitzabstände im Bus enger als in jedem Flieger sind.

Medellin und Guatapé (Kolumbien)

(Wegen fehlender Bilder ist diese Seite mit einer älteren Version verlinkt)

Der Flughafen in Santa Marta hat die schönste Lage, die man sich vorstellen kann. Das Meer ist gerade mal 10 Meter entfernt. Während wir vor den bodentiefen Glasfenstern im Restaurantbereich sitzen, fliegen zwei Pelikangeschwader ganz dicht vorbei.

Der Direktflug ist teurer, als der mit Zwischenlandung in Bogota, also landen wir zwischen. Wir wundern uns, in beiden Maschinen sitzen wir in der letzten Reihe – ohne Fenster. Als wir um 18.30 Uhr in Medellin landen ist es bereits dunkel. Busse stehen bereit, um die Reisenden in die 30 Kilometer entfernte und 600 Meter tiefer liegende Stadt zu bringen. Eine Stunde dauert die Fahrt über die kurvenreiche Strecke. Der Tunnel mit anschließender Schnellstraße, der die Fahrzeit auf 20 Minuten verkürzen soll, wird erst im Juli eröffnet. Da haben wir ja richtig Glück, die immer neuen Ausblicke auf die hell erleuchtete Stadt unter uns sind unglaublich schön.
Während unserer Reise haben wir viele der gelben rautenförmigen Warnschilder mit Tiersilhouetten gesehen. In Kolumbien waren das bisher Ameisenbären, Eidechsen und Schildkröten hier kommt ein Jaguar hinzu. Aber leider zeigt sich keiner.
Medellin, zweitgrößte Stadt Kolumbiens, liegt in einem Tal der Anden auf gut 1500 Metern Höhe. Die mittlerweile 2,5 Millionen Einwohner brauchen Platz, und so wächst die Stadt in die Breite, zu beiden Längsseiten die Berghänge hinauf. Unser Hotel liegt im beliebten Viertel Poblado am Rande der Zona Rosa. Nein, das ist nichts unanständiges, die Zona Rosa ist das Ausgehviertel mit unzähligen Bars, Restaurants und Musikkneipen. Zu meinem Leidwesen geht es hier aber ständig bergauf und bergab, ganz schön anstrengend.
Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Taxi zu einem Einkaufszentrum und können die Stadt nun auch bei Tageslicht sehen. Medellin ist besonders in den Randbezirken unglaublich grün, es sieht aus, als würde jeweils nur soviel von dem dichten Wald gerodet, wie für die Grundfläche des neuen Hauses nötig ist. Terrassen werden einfach um Bäume herum gebaut. Die Häuser sind eher hoch als breit, und fast jedes ist außen ganz oder teilweise aus roten Ziegelsteinen. Für uns ein ungewohnter Anblick in so einer großen Stadt.
Es gibt Probleme mit der SIM-Karte fürs Handy. Man muss sich in einem offiziellen Büro der Telefongesellschaft registrieren lassen, um die Karte online aufladen zu können. Das Service-Center des Anbieters Claro ist perfekt organisiert. Am Eingang erklärt man der netten Empfangsdame um was es geht, wird in eine Liste eingetragen und bekommt eine Nummer. Auf großen Bildschirmen kann man verfolgen, wann man an der Reihe ist und zu welchem der 35 Schalter man gehen soll. Nach einer halben Stunde ist das erledigt und wir können uns schöneren Dingen zuwenden. Kultur steht auf unserem Programm.

Auf der Plazoleta de las Esculturas stehen 23 Bronzeskulpturen des kolumbianischen Künstlers Fernando Botero. 1932 wurde er in dieser Stadt geboren, und Medellin bietet seinen Werken einen würdigen Rahmen. Seine Figuren haben eines gemeinsam: sie sind füllig, sehr füllig. Auf mich macht es den Eindruck, als ob er bei der Erschaffung ständig geschmunzelt hat. Aber damit nicht genug, im Museo de Antioquia – einem großen Gebäude im Art Deco Stil – sind seine Gemälde und die vieler weiterer Künstler ausgestellt.

Botero malt Stilleben, Tiere und besonders häufig Menschen. Familien, Prostituierte, bekannte Figuren der älteren und neueren Geschichte. Pablo Escobar – den Drogenbaron – zeigt er, wie er auf den Dächern der Stadt erschossen wird. Seine Abneigung gegen den Stierkampf ist in seinen Werken unschwer zu erkennen. Wir laufen Stunden lang durch die großzügigen Ausstellungsräume und setzen unseren Besichtigungsdrang nach einer Pause im Museumscafé im Palacio de la Cultura gegenüber fort.

Dieses auffällige Gebäude im flämisch gotischen Stil wurde 1925 nach dem Entwurf eines belgischen Architekten begonnen und ist Nationaldenkmal. Im Inneren gibt es wechselnde Ausstellungen, der Eintritt ist frei. Wir betrachten Bilder des jungen Künstlers Luis Pala, der gerade im Raum gegenüber ein Fernsehinterview gibt.

Da wir noch ein paar Kleinigkeiten brauchen, laufen wir weiter bis zur von Läden gesäumten Fußgängerzone. Links und rechts stehen in zweiter Reihe Verkaufsbuden mit allen möglichen Waren. Das auffällige Gebäude, auf das wir zulaufen, heißt Nationalpalast und ist ein Kaufhaus, und zwar ein besonders schönes. Der Architekt ist derselbe, der auch den Kulturpalast entworfen hat. Im Gegensatz zu seiner Schönheit findet man hier keine Luxusboutiquen, in den meisten der über 400 Läden stehen Schuhe zum Verkauf, genauso wie in der Fußgängerzone. Der Bestand dürfte reichen, um alle Bewohner Medellins mit Schuhen zu versorgen.

Rund um die Kirche Ermita de la Veracruz ist jede Menge los. Die Damen des ältesten Gewerbes der Welt warten gelangweilt auf Kundschaft. Bis jemand kommt, können sie dem Verkäufer mit seinem Wundermittel lauschen. Vor ihm liegt ein Haufen bräunlicher Knollen und er erzählt von der unglaublichen Heilkraft, die sich in den unscheinbaren Gebilden verbirgt. Er schneidet eines dieser Gewächse auf. Aus der bernsteinfarbigen gallertartigen Masse in den Knollen wird eine Tinktur hergestellt, die gegen wirklich alles hilft, von Appetitlosigkeit über Fettleibigkeit, Haarausfall, Erektionsstörungen, Fußpilz, Unfruchtbarkeit wird einfach alles, was in einem medizinischen Lexikon zu finden ist, geheilt. Zusätzlich wirkt das Mittel auch noch verjüngend. Die Flaschen finden reißenden Absatz. Nur gegen Dummheit wirkt das Mittel nicht, aber dagegen ist sowieso kein Kraut gewachsen.

Wir kommen zum Parque de la Luz mit seinen über 300 Lichtsäulen. Abends soll er besonders eindrucksvoll aber auch gefährlich sein. Hierher kommen bei Dunkelheit die gestrandeten Existenzen, die vermutlich einst voller Hoffnung in die große Stadt kamen und nun weder Arbeit noch Wohnung haben. Schon am Tage sieht man sie mitten auf den Bürgersteigen oder Grünstreifen der Fahrbahnen liegen, schlafend oder vor sich hin starrend. Selbst zum betteln fehlt ihnen die Energie. Einige durchstöbern jeden Mülleimer und tragen das, was sie verwenden können, davon. Die Kolumbianer sind offensichtlich an den Anblick gewöhnt und schauen gar nicht mehr hin.
Zurück fahren wir mit der Metro, Medellin hat die einzige in Kolumbien. Auch das ist ein Erlebnis. Obwohl alle 4 Minuten ein Zug kommt, sind die Wagen unglaublich voll. Wer aussteigen will, muss Gewalt anwenden, die Masse der Wartenden drängt ohne Rücksicht ins Innere, sobald sich die Türen öffnen. Im Inneren kleben die Menschen aneinander wie Froschlaich. Verlassen einige todesmutig die Bahn, schließt sich die Lücke sofort wieder und bildet einen neuen Klumpen. Die Strecke folgt streckenweise dem Lauf des Rio Medellin, In mehreren Abwasserrohren, die in den Fluss münden, hocken Menschen und waschen dort sich und ihre Kleidung.
Als wir abends im Restaurant sitzen, kommt ein Mann mit dem schon in Cartagena gesehenen Ameisenschild an unseren Tisch. Er dreht das Schild um. Die englische Beschriftung auf der Rückseite lüftet das Geheimnis. Die „fette Hintern Ameisen“ sind geröstet und in kleine Tüten verpackt. Sie werden als Nascherei verkauft. Dass der Genuß die Potenz steigern soll, steigert vermutlich auch den Umsatz. Als ich mich vor Ekel schüttele, zieht er grinsend weiter.

In Medellin gibt es drei Seilbahnlinien, die die Armenviertel an den Berghängen mit der Innenstadt verbinden. Von der Metro Endstation San Javier steigen wir direkt in eine der ständig ankommenden Gondeln. Jede bietet sechs bis acht Personen Platz und dann schweben wir bergauf bis zu einer Kuppe, wieder bergab und erneut bis zur Endstation bergauf, insgesamt 2,7 Kilometer. Dabei können wir die unter uns liegenden Favelas (Armensiedlungen) betrachten. Einige der Wellblechdächer sind bemalt. Auf anderen wird gerade Wäsche getrocknet. Hier wird gekocht, dort gebaut. Die Seilbahn, deren Benutzung im Ticketpreis von 5.100 COP (1,35 €) enthalten ist, bietet der armen Bevölkerung ganz neue Möglichkeiten, eine Beschäftigung zu finden. Vorher hatten sie eine stundenlange Anfahrt in die Innenstadt, heute ist das dank der guten Verbindung in 30 Minuten möglich.

Der Ausblick vom Endpunkt der Seilbahn in La Aurora auf die Stadt ist unglaublich. An den Zwischenhaltestellen soll man besser nicht aussteigen, der Weg zwischen den teilweise elenden Hütten hinunter gilt als gefährlich.
Nachdem wir wieder unten am Bahnhof der Metro angekommen sind, laufen wir in die entgegengesetzte Richtung. Die Comuna 13, einst das gefährlichste Stadtviertel Kolumbiens, ist heute ein Besuchermagnet. Hier rekrutierte Pablo Escobar seine Helfer und Auftragskiller. Für jeden getöteten Polizisten gab es ein Kopfgeld von 1.000 US$. Obwohl die Liste seiner getöteten Feinde und Gegner ellenlang ist, genießt der 1993 auf dem Dach seines Hauses getötete Drogenkönig noch heute eine gewisse Verehrung. Seine guten Taten – Bau von Schulen und Krankenhäusern, finanzielle Unterstützung für die Hinterbliebenen seiner getötete Mitarbeiter – sind bis heute unvergessen.

Die Comuna 13 ist heute ein buntes Viertel mit vielen Wandgemälden. Besonders, seitdem die an den Berg geklebten Hütten und Häuschen über sechs Rolltreppen – die eine Höhe von 28 Stockwerken überwinden – bequem erreicht werden können, lassen sich Touristen gerne durch die verwinkelten Gassen führen. Aber auch hier sollte man abends besser in sein „sicheres“ Gebiet zurückkehren.

Am Sonntag bummeln wir durch Poblado. Ein langgestreckter Park führt durch das Viertel, viele kleine Lokale stehen inmitten des Grüns. Auf den Bürgersteigen der Straßen die wir überqueren bieten Händler selbstgebastelte Schmuck- und Dekorationsgegenstände an. Sonntag ist in Kolumbien Familientag. Großeltern, Eltern und Kinder sind gemeinsam unterwegs, bummeln durch die Einkaufszentren, schlecken Eis, sitzen im Park und essen zusammen im Restaurant.
Am nächsten Tag geht es weiter. Wir fahren mit einem Kleinbus nach Guatapé, 85 Kilometer entfernt. Am Busbahnhof geht es professionell zu. Bevor man zu den Bussteigen kommt, wird Gepäck und Passagier kontrolliert und durchleuchtet. Die Tickets sind nummeriert – wir haben unsere im Internet bestellt und bekommen sie am Schalter ausgedruckt. Unsere Plätze sind allerdings bereits besetzt. Der Fahrer bietet uns den Doppelsitz neben sich an. Auch gut, die Rucksäcke dürfen vorne auf das Armaturenbrett und dann fahren wir los. Als wir die Schranke des Terminals durchfahren, bekreuzigt sich der Fahrer und küsst den am Rückspiegel hängenden Rosenkranz. „Er bittet um eine sichere Fahrt“, denke ich noch, als der Bus 100 Meter weiter auch schon stoppt. Hier stehen ein paar Menschen mit Gepäck – undurchleuchtet natürlich – die zum Schnäppchenpreis mitfahren wollen, einer davon zwischen dem Fahrer und uns. Können sie auch, das Fahrgeld landet in der Hemdentasche unseres Fahrers. Die eigentlich zweistündige Fahrt dehnt sich auf 4,5 Stunden aus. Schuld daran sind die Fahrgäste, die einen Weg von 50 Metern scheuen, um gemeinsam mit den schon dort Wartenden einzusteigen, und natürlich auch der Busfahrer, der die 50 Meter bis zum nächsten Fahrgast fährt, und auch diesem die Tür öffnet. Zum Ende der Fahrt hin stehen mindestens 15 Personen dichtgedrängt im schmalen Gang und die Nähte der Hemdentasche des Fahrers werden durch den Inhalt fast gesprengt. Ich bin mir fast sicher, er hat nicht um Sicherheit sondern um viele zusätzliche Fahrgäste gebeten, die sein mageres Monatsgehalt aufbessern.
In allen Ländern, die wir bisher bereist haben, wird das Gehalt halbmonatlich ausgezahlt, damit die Menschen mit ihrem Verdienst besser über die Runden kommen. Dabei fällt mir der Fensterputzer ein, den eine Freundin während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Rio de Janeiro beschäftigte. Alle sechs Wochen sollte er kommen, um die Fenster zu reinigen. Er kam immer dann, wenn er Geld brauchte, mal nach vier Monaten, mal am übernächsten Tag.
P1040608 - KopieIn der Stadt zeigen Jongleure von sechs bis achtzig Jahren mit Bällen, Keulen, Reifen oder allen drei Gegenständen ihr Können vor roten Ampeln. Irgendjemand reicht immer ein Trinkgeld durch die heruntergelassene Scheibe.
Die Fahrt führt durch ein wunderschönes Gebiet, hügelig, grün und mit Blumen, sowohl im Freien wie auch in Gewächshäusern gedeihend. An den Hängen überwuchert die schwarzäugige Susanne alles, was darunter wächst. Kolumbien ist der zweitgrößte Blumenexporteur der Welt, und seine Lage in unterschiedlichen Höhen in der Nähe des Äquators bietet die besten Bedingungen. Am Straßenrand bieten Schreiner eigenwillige Möbel an. Sie sehen aus, wie aus dem kompletten Stamm gearbeitet und Betten, Tische und Kommoden tragen noch einen Teil der Baumrinde. Vielleicht leben Hobbits in der Nähe, in deren Häuser würden die Stücke perfekt passen.

Riesenhibiskus

Guatapè ist ein zauberhaftes Städtchen mit bunt gestrichenen Häusern. Eine Besonderheit sind die Sockel der Häuser, die mit plastischen Motiven – Zocales genannt – geschmückt sind. Eigentlich sind wir wegen des 200 Meter hohen Monolithen Piedra del Peñol hergekommen, den man über 659 Stufen erklimmen kann, um von dort einen Ausblick auf den 1970 entstandenen Stausee mit seinen vielen kleinen Inseln und Schluchten zu haben. Ein Virus vermiest mir die Tour. Einen Tag lang kann ich das Zimmer nicht verlassen, danach fühle ich mich zu schwach für den Aufstieg. Doch in unserer Nähe gibt es einen Mirador (Aussichtspunkt), der wenigstens einen schönen Blick auf den Felsen bietet. Als wir dann noch ein Motmot-Pärchen vor die Kamera bekommen, bin ich versöhnt.

Blauscheitel Motmot

Die Tatacoa-Wüste und San Agustin (Kolumbien)

Vom Busbahnhof, der größer als mancher Flughafen ist, fahren wir Richtung Süden. Erst nach 1,5 Stunden haben wir die Stadtgrenze von Bogota erreicht. Danach kommen wir an unzähligen Gärtnereien vorbei, bevor die Straße in eine Art grünen Tunnel mündet. Die Bäume links und rechts der Straße haben so weit ausladende Kronen, dass sie sich in der Mitte berühren und den Blick auf den Himmel versperren. Langsam kommen wir in die Berge, und die Straße windet sich durch die zerklüftete Landschaft. Nach acht Stunden haben wir die quirlige Stadt Neiva erreicht, wo wir übernachten, um nicht in der Dunkelheit weiterfahren zu müssen.

Am nächsten Morgen geht es gleich wieder zum Busbahnhof. Neiva hat nichts, was uns noch zum Bleiben animieren könnte.

Für die Weiterfahrt landen wir in einem Pickup, auf dessen Ladefläche Sitzbänke montiert sind. Wir dürfen auf die Rückbank, bleiben da aber nicht lang allein. Eine Frau mit Sack, Karton und Handtasche quetscht sich neben uns, den Beifahrersitz erobert sich ein 150 kg-Mann. Nach und nach füllen sich die hinteren Bänke, und immer noch hält der Fahrer an mehreren Stellen an, um Waren mitzunehmen oder für den Beifahrer Proviant zu kaufen. Der kann die 40 km lange Strecke ohne Nahrung offenbar nicht überstehen. Auf den durchgesessenen Sitzen schlafen uns nach und nach verschiedene Körperteile ein, so dass sich das Aussteigen in Villavieja nicht ganz einfach gestaltet. Die 11 km lange Weiterfahrt im Tuctuc könnte man fast als Erholung bezeichnen.

Nach so vielen Ur- und Regenwäldern hat Klaus sich schon mehrmals nach einer Wüste gesehnt, und jetzt sind wir mitten drin in der merkwürdigen Tatacoa-Wüste, die ringsum von üppigem Grün umgeben ist. Das 330 km² große Gebiet ist durch eine geografische Besonderheit entstanden. Zwei Gebirgszüge lassen die in Äquatornähe nicht gerade seltenen Regenwolken ringsherum abregnen. Soviel Wasser kommt hier herunter, dass sogar Reis angebaut werden kann. In dem Gebiet innerhalb der Berge verdunstet bei Temperaturen von bis zu 50 Grad mehr Wasser, als dem Gelände zugeführt wird. Trotzdem wächst noch einiges in der Wüste, vor allem Kakteen. Es gibt einen roten und einen grauen Teil, unsere Unterkunft befindet sich zwischen den beiden. Wir wohnen in einem Haus aus Plastikflaschen, das ist konsequent durchgeführtes Recycling.

P1050001

Die innen weiß gefärbten Flaschen sind reihenweise aufgefädelt und bilden die Wände. Von innen hängt ein licht- und luftdurchlässiges Gewebe davor, das einerseits vor unerwünschten Einblicken schützt und andererseits dem Wind gestattet, für ein angenehmes Klima zu sorgen. Im ebenfalls durch eine Flaschenwand abgeteilten Badezimmer ruht das Waschbecken auf drei gelb lackierten Autoreifen. Die überaus herzlichen Besitzer haben vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für abgenutzte Reifen gefunden.

P1050005

In ihrem sandigen Garten befindet sich ein kleiner Zoo aus bunt angemalten Reifentieren. Zebra, Giraffe, Käfer, Schlangen, Fische und Vögel erfreuen die kleinen Besucher und bringen die großen zum schmunzeln.

Am späten Nachmittag machen wir einen ersten Erkundungsgang durch die graue Wüste. Manolito, der Hund der Hotelbesitzer, begleitet uns, obwohl er hinkt. Damit zeigt er wohl seine Dankbarkeit, weil ich mein Mittagessen mit ihm geteilt habe.

Kurz bevor die Sonne untergeht, laufen wir zum 10 Minuten entfernten Observatorium. In dieser Wüste gibt es sogar zwei, weil die Luft hier dünn ist und es kaum „Lichtverschmutzung“ gibt. Schon eine halbe Stunde vor Beginn sind wir auf dem Parkplatz und unterhalten uns eine Weile mit dem Assistenten von Javier Fernando Rua Restrepo, der dieses privat finanzierte Observatorium leitet. Nach und nach fahren Autos auf den Parkplatz und insgesamt warten schließlich an die 30 Personen in der Dunkelheit darauf, dass sie um 19 Uhr eingelassen werden. Leider sind Wolken am Himmel, aber am unbedeckten Teil ist deutlich das Kreuz des Südens zu sehen. Señor Rua Restrepo hält seinen Vortrag auf spanisch. Ich verstehe nur die Namen der meisten genannten Planeten und Sternbilder, aber hier in der milden Luft auf dem Kunstrasen zu sitzen – manche liegen auch auf dem Rücken – und in den Himmel zu schauen, ist ein großartiges Erlebnis. Die fünf Teleskope sind auf verschiedene Himmelskörper ausgerichtet und wir können nacheinander den Jupiter mit seinen Ringen und Monden, Omega, Alpha Centauri, den Sternenhaufen im Sternbild Carina und später den gerade aufgehenden Vollmond sehen. Nach 1,5 Stunden ist die Veranstaltung zu Ende. Der helle Mond hilft uns, den Rückweg auf der unbeleuchteten Straße zu bewältigen ohne zu stolpern.

Am nächsten Tag machen wir eine Wanderung durch die rote Wüste. Es gibt einen markierten Rundweg, der uns nach 4 Kilometern wieder zurück zur Straße bringt. Zum Glück ist der Himmel heute total bewölkt, so dass die Temperatur 30 Grad nicht überschreitet. Die Formationen aus einer Art gebackenem Sand sind fantastisch. Bei manchen Anblicken stellen wir uns vor, dass hier jemand Teile aus amerikanischen Nationalparks geschrumpft hat. Die Wegmarkierungen sind nicht immer vorhanden, aber wirklich verirren kann man sich hier nicht. In der karg bewachsenen Wüste sind Fuchs, Gürteltier und viele Vogelarten zuhause. Ein paar Familien halten sich Ziegen, die hier offensichtlich bestens zurechtkommen. Aus der Ziegenmilch wird Yoghurt und Käse hergestellt und zusammen mit Rohrzucker spezielle Süßigkeiten auf Karamellbasis.

Einen Tag später haben wir wieder 34 Grad, so dass wir erst am späten Nachmittag in die Wüste gehen. Den Tag verbringen wir auf der schattigen Terrasse des Hauses, beobachten die Papageien, die beinahe täglich kommen, um sich Sonnenblumenkerne zu holen und genießen herrlich kühle selbstgemachte Orangenlimonade.

Auf dem Weg zu unserer nächsten Stadt müssen wir mehrmals umsteigen. Vom Tuctuc aus der Wüste kommend in Villavieja in den Minibus, in Neiva in einen Kleinbus, in Pitalito auf einen Pick-up (dieses Mal mit sechs weiteren Personen auf der engen Ladefläche) und in San Agustin, unserem Zielort nehmen wir in der Dunkelheit schließlich noch ein Taxi zu unserem Hotel. Für die 270 Kilometer lange Strecke haben wir 11 Stunden gebraucht. Und jetzt müssen wir uns noch daran gewöhnen, dass die Temperatur nur noch halb so hoch ist.

Wie in allen Städten, die wir bisher besucht haben, gibt es auch in San Agustin vor der Kirche einen großen begrünten Platz, auf dem immer einige Menschen auf Bänken sitzen. Heute ist er jedoch gerammelt voll.

In der Stadt findet an jedem Samstag im Juni ein Sportereignis statt. Das Karree vor dem Platz wird für den Autoverkehr gesperrt, die Polizei sichert die vier Straßenecken und dann geht es los. Eine Gruppe von ungefähr 50 Reiterinnen und Reitern trippeltrabt (ich weiß nicht, wie man diese Gangart nennt, gesehen habe ich die noch nie) 3 Stunden lang über die abgesperrte Strecke. Wirklich ernsthaft wird hier nicht geritten, immer wieder halten die Reiter(innen) an, um mit jemandem am Straßenrand ein Schwätzchen zu halten. Die männlichen Reiter lassen dabei auch gern eine Flasche mit hochprozentigem Inhalt kreisen. Die armen Pferde müssen ganz schön was aushalten, gerade vor dem Zelt mit der Band halten die Reiter gern an und hören der flotten Musik zu. Das laute Schlagzeug und die daneben abgebrannte Feuerwerksraketen erschrecken die Tiere in schöner Regelmäßigkeit. Was es mit dieser Reiterei auf sich hat, kann uns niemand erklären und diejenigen, die es wissen müssten, können wir wegen Verständigungsschwierigkeiten nicht fragen. Aber vielleicht gewinnt derjenige, der sich zum Schluss noch auf seinem Pferd halten kann. Nach dem alles vorbei ist, könnte man direkt Rosen pflanzen, so viele Pferdeäpfel liegen auf der Straße. Doch oh Wunder, am nächsten Morgen ist davon nichts mehr zu sehen.

San Agustin hat in der Umgebung etliche Sehenswürdigkeiten, darunter einen 400 Meter hohen Wasserfall, und eine Felsenpassage am beeindruckenden Rio Magdalena, bei der die Wassermassen durch eine 1,70 Meter breite Engstelle strömen.

Aber die größte und wichtigste ist der Parque Arqueológico, der Archäologiepark. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden bei Ausgrabungen im Umkreis von mysteriöse Steinfiguren vor Dolmengräbern gefunden. Wer genau auf diese Weise bestattet wurde, weiß man nicht. Vermutlich waren es Stammesfürsten eines inzwischen ausgestorbenen Volksstammes, der in vorspanischer Zeit hier lebte. Über 500 der aus Vulkangestein gefertigten Statuen in einer Größe von 20 Zentimeter bis 7 Meter wurden bisher ausgegraben.

In diesem riesigen Gelände sind 130 von ihnen ausgestellt. Der Eintritt von 50.000 COP (13,50 €) ist für hiesige Verhältnisse nicht gerade günstig, aber der Park ist schön angelegt, die Wege gepflegt und das kleine Museum am Eingang informativ. Außerdem kann man am nächsten Tag noch zwei weitere Parks mit Steinfiguren besuchen.

In der überwiegenden Mehrheit sind Kolumbianer hier unterwegs und viele von ihnen tragen gelbe Fußballtrikots. Erst später dämmert uns, dass gerade der Südamerika-Cup stattfindet. Außer zehn südamerikanischen Ländern nehmen noch Japan und Katar an dieser Meisterschaft teil. Die kolumbianische Mannschaft hat es gerade ins Viertelfinale geschafft.

Am Abend gehen wir in ein vegetarisches israelisches Restaurant. So begeistert wir von Kolumbien sind, die Küche hat uns nicht überzeugt. Vom Frühstück bis zum Abendessen gibt es Arepas, aus weißem Mais hergestellte Fladen, die nicht mehr Geschmack haben, als ein Bierdeckel. Fleisch wird zur Sicherheit noch einmal totgebraten, wahrscheinlich damit es wegen der lieblosen Zubereitung nicht noch flüchten kann. Das Ergebnis ist bei Hühnchen zäh, bei Rind und Schwein sehr zäh. Es gibt vermutlich auch keine Regel, wie ein Tier zerlegt wird. Positiv ist, dass man dem Geflügel nicht mit einem Hackbeil zu Leibe rückt, wie in einigen asiatischen Ländern, wo man immer Knochenteile im Essen findet. Apropos Knochen, bei unserem Abendessen in einem Steakhaus hatte mein zähes Ribeye-Steak nicht weniger als drei fingerdicke Knochen. Beilagen sind Arepas plus Reis oder Pommes frites, wenig Gemüse oder etwas Salat ohne Dressing. Zum Glück lungern immer hungrige Hunde und Katzen herum, denen man mit diesen lederartigen Fleischstücken noch einen Gefallen tut. Der einzige Ausweg: Restaurants mit ausländischer Küche, oder die schon beschriebene Kette Crepes & Waffles aufsuchen.

Zuverlässig gut sind die Cafés mit meist quietschbunten Torten, aber auch Croissants usw. Klaus hat sich als Tester für tiefdunkle Schokoladentorten betätigt und konnte mehrmals die Höchstnote vergeben.

Aber dieses Lokal enttäuscht uns nicht, leckere knusprig gebratene Falaffel und ein Auberginen-Eintopf zum niederknien werden uns serviert.