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Für 11 Uhr hat uns Kevin Fahrkarten nach Cat Ba besorgt und wir warten in der Lobby vor dem Tannenbaum auf unseren Abholer. Kevins Handy läutet, er gibt ein paar Anweisungen und schon sind drei Leute dabei, unser Gepäck vor die Tür zu bringen. Der Verkehr ist so dicht, dass der Bus nicht halten kann, jetzt müssen wir 200 Meter weit laufen, bis wir einsteigen können. Aber um unser Gepäck brauchen wir uns nicht zu kümmern. Ein Moped steht bereit, die zwei Koffer werden hinter den Fahrer auf den Sitz gelegt und er kurvt mit einer Hand am Lenker, mit der anderen am oberen Koffer lässig durch das Gewühl. Wir haben Mühe, hinterher zu kommen. Der Bus ist bis auf unsere zwei Plätze schon besetzt. Uns ist ein bisschen mulmig, wir haben keine Fahrkarten, angeblich wäre alles organisiert.
Es geht über den Roten Fluss durch Stadtteile und Vororte. Außerhalb der Altstadt sind die Straßen breit, viele Neubauten zeigen, wie die Stadt wächst. Alles macht einen guten Eindruck. Auch die ländlichen Gebiete, die dann kommen wirken sehr aufgeräumt.
Die Straßen sind asphaltiert, die Beete ordentlich angelegt. Hier im Deltas des Roten Flusses ist Wasser keine Mangelware. Große Wasserflächen mit Unmengen von Enten wechseln sich mit Obstgärten und Gemüsebeeten ab. Auffallend sind die vielen Kirchtürme, die so gar nicht hierher zu passen scheinen. Rund 6 % der Einwohner Vietnams sind Christen. Friedhöfe sind auch in großer Anzahl vorhanden. Interessant finde ich, dass die nicht nach Konfessionszugehörigkeit getrennt sind, sondern dass Grabstätten mit Kreuzen und buddhistische und hinduistische Kleinsttempel ganz selbstverständlich nebeneinander liegen. Die Grabsteine sind mit leuchtenden Farben bemalt, so dass diese letzten Ruhestätten einen frischen, fröhlichen Eindruck vermitteln.
Die Strecke in Richtung Küste legen wir auf einer gut ausgebauten Autobahn in bisher ungewohntem Tempo zurück. Nicht mal 2 Stunden braucht der Bus für die 170 Kilometer.
Und hier, im größten Hafen Vietnams kommt man aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Es scheint, als wären die Bagger des ganzen Landes hier gleichzeitig eingesetzt. Was hier alles auf einmal passiert ist unfassbar. Gebäude werden hochgezogen, Straßen in alle Richtungen angelegt, Bürgersteige gepflastert, Einfahrten planiert. Wie das wohl in 10 Jahren aussieht?
Am Hafen müssen wir den Bus verlassen, er kehrt hier um. Wir sollen in einem der kleinen Lokale warten, sagt ein Mann im weißen Pulli und verschwindet. Ich schaue mich ein bisschen um und entdecke am Ufer ein paar Menschen, die Muscheln sammeln.
Offenbar besteht fast der ganze Boden aus Muscheln; denn obwohl nur zwei Frauen eifrig graben, stehen ein Stück weiter Mengen von Muscheln, bereits gewaschen und in Säcke verpackt, zum Abtransport bereit. Der Abhang, der aussieht wie aus Kies, besteht komplett aus Muschelschalen.
Unser Schiff, das uns auf die andere Seite bringen wird, legt an. Der Mann im weißen Pullover winkt die entsprechenden Personen zusammen. Am anderen Ufer wartet bereits der Bus. Wir werden nach Fahrkarten gefragt, und wieder erscheint der „Weiße“, ruft dem Kontrolleur etwas zu, und wir können passieren. Unglaublich, wie das hier funktioniert. Ohne irgendeinen Beleg zu haben, kommt man an sein Ziel. So auch dieses Mal. Wir haben noch eine halbstündige Fahrt zum Hotel in der Stadt Cat Ba zurückzulegen. Wenigstens scheint nach den trüben Tagen in Hanoi hier die Sonne.
Cat Ba ist zwischen Felsen, die sich wie Finger ins Meer schieben, errichtet. Die meisten Straßen sind nur in eine Richtung befahrbar, Querstraßen sind selten und schmal. Deshalb landet man eigentlich immer unten am Meer auf der breiten vierspurigen Straße an der Promenade.
Die Häuser sind ein, höchstens zwei Zimmer breit, können aber durchaus bis 10 Stockwerke hoch sein. Sie sehen aus wie in Scheiben geschnitten. Wir sind froh, dass wir nicht in der Hauptsaison hier sind, Cat Ba ist auch bei den Einheimischen so beliebt, dass die Stadt dann aus allen Nähten platzt.
Auf dem Wasser liegen schwimmende Restaurants, die zwar abends mit bunten Leuchtreklamen locken, aber um diese Jahreszeit will niemand in an vier Seiten offenen Restaurants auf dem Wasser speisen. Wir hatten nachmittags viele Lokale gesehen, in denen Fische, Krabben, Schnecken, Shrimps und Muscheln bis zum Verzehr in Aquarien gehalten werden, darunter war eine riesige Meeresschnecke, die auch gut in einen Zoo gepasst hätte. Wir finden ein Lokal, das zwar auch eine offene Front hat, aber die Wände sind mit Bambus und die Decke mit Reisstrohmatten verkleidet, das vermittelt zumindest optisch einen Eindruck von Wärme. Nach 18 Grad am Mittag ist die Temperatur mittlerweile auf unter 10 Grad gefallen, und im ungeheizten Hotelzimmer ist es richtig ungemütlich.
Am Sonntag fahren wir gemeinsam mit einem holländischen Ehepaar und deren Tochter im Taxi zum Cat Ba Nationalpark, einem der schönsten in Vietnam. Im Urwald leben seltene Tiere; immer wieder besuchen Forscher den Park, um hier Studien zu betreiben. Wir laufen die markierte Tour bergauf zu einem Aussichtsturm.
Der Weg ist malerisch und führt über Stufen und Felsbrocken stetig bergauf. Jetzt sind wir froh, dass es nicht so heiß ist. Ober auf dem Aussichtsturm hat man einen wunderbaren Blick auf die Landschaft ringsum. Leider begegnet uns keines der Tiere.
Abends finden wir ein Restaurant, das einen durch Glasscheiben und –türen abgetrennten Raum hat. Die nach vorne offene Küche trägt dazu bei, dass es wärmer ist, als im vorderen offenen Bereich. Wir entscheiden uns sofort, hier Stammgäste zu werden, zumal auch der „Meeresfrüchtekorb“ mit frischem gegrilltem Fisch ein wichtiges Argument ist.
Für den nächsten Tag steht eine Bootstour durch die Halong-Bucht auf dem Programm. Die 1500 km³ große Bucht wurde von der UNESCO 1994 zum Weltnaturerbe ernannt. Die zum Teil mehrere 100 Meter hohen Kalksteinfelsen sind größtenteils bewachsen. Eins haben alle gemeinsam, am unteren Rand, der ständig vom Wasser umspült wird, sind alle „karriös“. Geologen könnten dazu jetzt viele Erklärungen liefern, aber der vietnamesische Mythos, wonach ein Drache diese Wunderwelt geschaffen hat, ist doch geheimnisvoller. Wir haben im Hotel eine private Tour gebucht, weil wir weder Kajak fahren noch schwimmen wollen. Die Komplett-Touren, die in jedem zweiten Laden angeboten werden, richten sich hauptsächlich an ein junges Publikum, das vor allem eins will: Spaß haben. Wir wollen einfach nur durch diese fantastische beinahe 2000 Inseln umfassende Wasserwelt fahren. Während der Tour hat man ständig wechselnde Ausblicke.
Was wie ein langer Gebirgszug aussieht, entpuppt sich beim Näherkommen als Einzelfelsen, die sich je nach Standort in immer anderen Formationen vor- und hintereinander schieben. Das Schauspiel ist unbeschreiblich schön. Das Boot fährt durch die schwimmenden Ansiedlungen.
Kleine Häuser mit Vorgärten (ein paar Blumenkübel) und Wachhunden liegen nebeneinander. Wäsche hängt auf der Leine, Frauen kochen oder arbeiten in den abgeteilten „Wassergärten“. Dort werden Hummer und Austern für die Perlenzucht gehalten.
Nach einer Weile legen wir an einem schwimmenden Gasthaus an. Auf der Plattform stehen Korbmöbel – wie angenehm hier zu sitzen – es schaukelt ganz leicht, die Sonne scheint und wenn kein Boot vorbeikommt, herrscht himmlische Ruhe. Unser Bootsführer will uns unbedingt etwas zeigen und winkt uns zu sich. Auf der anderen Plattform hebt er 10 Holzbohlen hoch und zieht an dem befestigten stabilen Netz, und dann kommt er, ein ca. 2 m langer Zackenbarsch, der sein Leben hier im Gefängnis verbringen muss. Nicht anders ergeht es fünf Riffhaien in einem anderen Netzbecken. Es tut uns so leid, diese gefangenen Fische zu sehen, aber wir können hier nicht den Moralapostel spielen, wenn in unserem Land Nutztiere unwürdig in Massen gehalten werden.
Nach einem Cà Phê a la Vietnam (in einem Glas eine Schicht gezuckerte Kondensmilch, darauf ein Metallfilter, durch den der starke Kaffee läuft, dann je nach Geschmack wenig oder mehr verrühren) geht es weiter nach Monkey Island. Wir müssen auf dem Wasser in ein flaches Boot umsteigen, weil es keinen Anlegesteg gibt. Das Boot fährt so weit zum Strand, wie es geht. Obwohl wir beim Rausspringen vorsichtig sind, haben wir beide nasse Füße. Über den weißen Strand laufen wir ein Stück, bis wir an gezückten Handys und Actioncameras sehen: Hier tut sich was.
Ein paar Affen toben durch die Büsche, fangen sich, raufen miteinander, spielen. Aber es sind alles andere als friedliche, harmlose Plüschtiere; hier geht es richtig zur Sache. Der Anführer trägt deutliche Kampfspuren, offensichtlich ist ihm von einem Rivalen die Oberlippe abgebissen worden.
Eine Weile schauen wir zu, fotografieren und lassen uns dann – dieses Mal barfuß – wieder zu unserem Schiff bringen. Im Licht der untergehenden Sonne erreichen wir den Hafen, wo bereits ein Taxi darauf wartet, uns zurück zum Hotel zu bringen.
Beim Frühstück am nächsten Morgen fragt uns eine amerikanische Touristin, ob wir auch in der Nacht einen Anruf erhalten hätten, dass der Bus früher geht? Haben wir nicht, und machen uns auch keine Gedanken. Wir haben für 8.40 Uhr gebucht und glauben, dass uns das nicht betrifft. Als wir unsere Rechnung bezahlen und fragen, ob der vor dem Hotel wartende Bus unserer sei, antwortet die Rezeptionistin, dass wir doch erst um 14.40 Uhr führen. Als sie versteht, dass sie einen Fehler gemacht hat und wir am Vorabend nochmals unsere Abfahrtszeit bestätigt hätten, ruft sie ein Taxi, das uns ein paar Kilometer zu einem wartenden Kleinbus bringt, der dem gebuchten Bus hinterher fährt. Zwei Paare sitzen bereits drin, der Bus fährt sofort los, bis zum Hafen, auf die Fähre und auf der anderen Seite weiter. Wir haben einen Fahrer, der wie ein Wilder durch die Gegend fährt und erreichen nach vier Stunden die Stadt Ninh Binh. Vor einem Hotel steht der Bus, mit dem wir eigentlich fahren sollten. Drin sitzt die amerikanische Touristin vom Frühstück und grinst uns an. Für die letzten 5 Kilometer steigen wir noch um und werden durch die Stadt mit den großzügigen Grünanlagen in den Stadtteil Tam Coc gefahren.
Unsere Vermieterin erwartet uns bereits und bringt die Koffer per Moped schon zur Unterkunft.
Eine hübsche Anlage mit aus Ziegelsteinen gebauten Häuschen. Der in unserem Zimmer stehende Heizofen erfreut uns ganz besonders.
Von Tam Coc aus kann man sich per Boot durch die sogenannte „trockene Halong-Bucht“ rudern lassen. Die Landschaft ist ähnlich, wie wir es schon gesehen haben, aber eben mitten im Land, allerdings von einem Fluss durchzogen. Wir wollen uns erstmal umsehen und gehen los. Es gibt einige Wege, auf denen man in diesem Felsengebiet laufen kann. Auf dem von rechts kommenden Weg sehen wir eine Staubwolke.
Neugierig bleiben wir stehen, und da kommt im Laufschritt eine über 100 Stück starke Gänseschar auf uns zu, rennt vorbei, um sich dann nacheinander links in den Teich zu stürzen. Wir sind richtiggehend entzückt über das vietnamesische Bullerbü.
Am nächsten Tag leihen wir uns Fahrräder und fahren zum 5 Kilometer entfernten Vogelpark.
Unterwegs soviel ländliche Idylle, dass wir immer wieder stehen bleiben, um kleine Schweinchen, Gänse, Enten, Hunde und andere Tiere zu betrachten. Im Park müssen wir irgendwann die Räder stehen lassen, es geht über Stufen, verschlungene enge Wege und über Bambusbrücken. Von einem Aussichtspunkt hat man einen guten Blick auf die hier lebenden Störche und Reiher. Die Jungvögel machen Flugübungen und wir staunen, wie schnell sie in engen Kreisen nach oben gleiten. Auf dem Rückweg kommen wir an einem engen Käfig vorbei, in dem ein wuchtiges Paar Schweine liegt. Die Sonne brennt auf das Wellblechdach und die Tiere haben kein Wasser. Vom daneben liegenden Bach hole ich Flasche für Flasche und gieße das Wasser in den halbierten Autoreifen. Schnell sind die Tiere auf den Beinen und saugen mit laut vernehmlichem Schmatzen das Wasser ein.
Ein Stück weiter kommen wir an eine Baustelle. Der Vogelpark wird zu einem großen Freizeitpark ausgebaut mit vielen Restaurants, gepflegten Grünanlagen und Spielplätzen.
Nach ein paar Kilometern lassen wir die Räder stehen und laufen über ein Flüsschen zu einer Tempelanlage vor und in den Felsen. Viele Stufen führen immer weiter den Berg hinauf, in eine große Höhle und auf der anderen Seite noch weiter nach oben. Die Anstrengung wird durch einen tollen Ausblick belohnt.
Als wir an diesem Abend zum Essen gehen, überreicht uns die Bedienung im Restaurant jedem ein Geschenk und wünscht uns ein frohes Weihnachtsfest. Das muss man sich mal vorstellen, in Vietnam in einem kleinen Ort im Landesinneren solch eine Geste.
HINWEIS: Meine „Drivies“, so nenne ich die während der Fahrt geschossenen Bilder, haben die ein oder andere Macke. Spiegelungen oder Schatten, die durch verschmutzte Scheiben entstehen. Das lässt sich leider nicht vermeiden, trotzdem will ich nicht auf sie verzichten.