(Wegen fehlender Bilder ist diese Seite mit einer älteren Version verlinkt)
Wir haben uns bei den Besitzern unseres Homestay Fahrkarten für den Bus nach Phong Nha bestellt und wundern uns schon, dass wir dieses Mal zwei bedruckte Zettel bekommen. Auch die Abfahrtszeit: 8.22 Uhr kommt uns komisch vor. Als der Taxifahrer dann vor dem Bahnhof hält, und auf unsere Frage nach der Haltestelle in den Bahnhofseingang zeigt, sind wir verunsichert. Er will gerade sein Handy zücken, als wir klein und unscheinbar auf dem Zettel den Aufdruck „train“ entdecken. Wir habe immer vom BUS gesprochen und an gar nichts anderes gedacht.
Der Bahnhof sieht aus, als habe man ihn extra geputzt und poliert. Auf dem Bahnsteig treffen wir wieder die holländische Familie, die dasselbe Ziel hat wie wir. Der Zug kommt pünktlich, pro Wagon ist eine Tür geöffnet, vor der jeweils ein Kontrolleur steht, der die Reisenden erst nach einem Blick auf die Fahrkarten einsteigen lässt. Direkt am Eingang steht eine Kiste mit Wasserflaschen, aus der sich jeder bedienen kann. Die Sitzreihen haben einen merklich größeren Abstand als bei uns üblich, die Rückenlehnen lassen sich in eine angenehme Schlafposition zurückstellen. In der einen Hälfte des Wagens sind die Sitze in, in der anderen gegen die Fahrtrichtung montiert. Wo sie sich in der Mitte treffen, gibt es in jeder der beiden Reihen ein Tischchen. Leider sind die Fenster von außen mit einer Lochfolie beklebt. Man kann zwar erkennen, durch was für eine Gegend wir fahren, aber alles nur verschwommen. Der Grund dafür bleibt uns verborgen; denn innen sind noch Rollos gegen Sonneneinstrahlung angebracht. Diese achtstündige Fahrt verbringen wir hauptsächlich mit Lesen und Beobachten, denn vom Rausschauen wird einem etwas schwindelig und fotografieren ist schon gar nicht möglich. Vor uns sitzen zwei Frauen, wahrscheinlich Großmutter und Mutter mit drei Mädchen. Solange nicht alle Plätze besetzt sind, können sie sich nach Belieben ausbreiten. Die Mutter des etwa 6-jährigen Mädchens und der 4-jährigen Zwillingsschwestern ist unglaublich gestresst, und während der Fahrt kriegen die kleineren Mädchen öfter mal einen Schlag auf den Po oder auf den Kopf. Sie verziehen keine Miene, sondern klettern fröhlich weiter auf den Sitzen herum. Sie sind diese Behandlung offenbar gewohnt. Die Großmutter der Kinder mischt sich nicht ein, versucht aber die Kinder ruhig zu halten, und irgendwann liegen sie vor ihrer Bank auf dem Boden und schlafen. Sie selbst rollt sich auf der Sitzbank zusammen und fällt auch sofort in Tiefschlaf.
Die Zugbegleiter laufen immer wieder durch die Gänge, ich weiß nicht, ob sie auch kochen, denn der Geruch nach Essen zieht durch den Wagon und mehrmals werden Wagen mit heißer Suppe, Reis, Fleisch und Gemüse durch die Gänge geschoben. Die Fahrgäste kaufen ordentlich ein und lassen es sich schmecken. Verpackung und Reste werden nach einer Weile wieder eingesammelt.
Nachdem wir in Dong Hai ausgestiegen sind, verhandelt Susanna, die Tochter der Holländer, mit einem Taxifahrer über einen angemessenen Preis für uns fünf. Nach Phong Nha sind es noch 45 Kilometer, und für 17 € bringt uns der Fahrer alle zu unserem Hotel.
Als wir das Hotel betreten, schallt uns ein unglaublicher Lärm entgegen. Hier findet gerade eine „besinnliche“ Weihnachtsfeier statt. Ungefähr zwölf Männer lassen wen auch immer hochleben, dazwischen ist ein verschwommenes „Halleluja“ auszumachen. Die Anmeldung funktioniert nur mit Zeichensprache. Auch in unserem Zimmer zwei Stockwerke höher klingt es, als sei die Feier vor unserer Tür. Wir flüchten und suchen ein Restaurant. Angelockt vom Geruch nach Holzfeuer betreten wir eines. Es brennt auch wirklich ein Feuer in einem nach zwei Seiten offenen Blechkasten, aber es gibt keinen Kamin, der Qualm zieht einfach durch das Lokal. Wir wollen ja nicht wie ein Schinken riechen und suchen einen Platz entfernt vom knisternden Feuer. Nur noch im vorderen Teil, der an zwei Seiten von einem Holzgitter eingefasst ist, gibt es freie Plätze. Während wir essen, wird es unangenehm kalt. Zum Glück ist die Weihnachtsfeier bereits vorbei, als wir zum Hotel zurückkehren. Eine heiße Dusche, und dann unter die Bettdecke, anders kann man es in den ungeheizten Räumen nicht aushalten.
Um 9 Uhr gehen wir frühstücken. Noch ist alles ruhig, aber eine halbe Stunde später sind bereits zwei Gruppen da, die auch eine Weihnachtsfeier „zelebrieren“. Der Feuertopf mit brodelnder Brühe und den unzähligen Zutaten steht schon auf dem Tisch, das Bier schäumt in den Gläsern, und unter lautem Gesang, in dem keine Melodie erkennbar ist, feiert man „Gröhliche Weihnachten.“
Rasch verlassen wir das Hotel, um uns die Gegend anzusehen. Bei unserer Ankunft am Vorabend war es bereits dunkel, aber jetzt sehen wir rundherum wieder Kalkfelsen.
Als wir die katholische Kirche erreichen, hören wir dumpfe Paukenschläge. Viele Menschen laufen einem mit lila Samt bedeckten Sarg hinterher, der in einer Art Sänfte gefahren wird. Geschnitzte Drachenköpfe bilden den Abschluss der Tragestangen. Die Träger sind in roten Satin mit Goldverzierungen gekleidet, die nächsten Angehörigen haben sich weiße Umhänge zum Zeichen der Trauer übergeworfen. Symbole aus dem chinesischen Buddhismus vermischen sich mit denen aus dem Christentum.
Bei einer Krippe, die wir ein Stück weiter sehen, stehen neben Ochs und Esel auch Zebra, Tiger, Giraffe und Elefant vor dem Christkind.
Phong Nha Phong Nha liegt in einem Nationalpark, der zum Weltnaturerbe gehört. Das riesige Karstgebiet ist bekannt für seine beinahe 300 Höhlen und Grotten. Während des Vietnamkrieges führte der Ho-Chi-Minh-Pfad durch dieses Gebiet. Einige Höhlen wurden wie Bunker von der Bevölkerung oder Unterschlupf für die Soldaten genutzt. Hier liegt auch die Son Doong Höhle, die zu den größten der Welt zählt, die Höhe von über 200 Metern gibt es bei keiner anderen. Sie wurde erst vor ein paar Jahren entdeckt und von einem britischen Forscherteam untersucht. Sie ist nur in einer mehrtägigen Tour zum Preis von 2.321 € zu besichtigen.
Wir entscheiden uns für die Phong Nha Cave, die wir von der nahe gelegenen Bootsanlegestelle auf dem Fluss erreichen können. Eintritt kostet pro Person 150.000 Dong = 4,55 €. Das Boot bietet Platz für 12 Personen und kostet 360.000 Dong. Schnell kommt eine 12er-Gruppe zustande, und damit zahlt jeder 1,11 €. Die erste halbe Stunde fährt das Boot mit Motorkraft.
Aber am Eingang der Höhle wird er ausgeschaltet und nun rudern uns die zwei Bootsfrauen in die Höhle hinein. Das Dach – bestehend aus drei großen Blechabdeckungen – wird mit Hilfe der Passagiere übereinander und nach hinten geschoben, so dass man freien Blick nach oben hat. Obwohl außer unserem auch etliche andere Boote in der Höhle sind, ist es leise. Man hört nur das Aufschlagen der Ruder und das Klicken der Fotoapparate. Die Höhle ist unbeschreiblich, wunderschöne Formationen haben sich in verschiedenen Farben herausgebildet. Die Decke hat eine unglaubliche Farbgestaltung. Man könnte glauben, Michelangelo habe sie schon für die Schöpfungsszene vorbereitet. In einigen Foren wird sie als die schönste Tropfsteinhöhle der Welt beschrieben, aber ist Schönheit messbar?
Auf der Rückfahrt hält das Boot an und wir klettern über eine Sanddüne in die Höhe, um den restlichen Weg zu laufen. Wenn der Fluss Hochwasser führt, ist die Höhle unpassierbar, dann wird Sand angeschwemmt und auch abgetragen. Wir kommen an wunderbaren Gebilden vorbei. In schneeweiß, karamellbraun, sandbeige mit Glitzer sind die vielfältigsten Formen zu sehen. Eine zwanzig Meter hohe Formation aus Quallen, zerbrechlich wirkende Faltenwürfe, aufsteigende Oktopusse, Orgeln und so viele andere. Durch dieser Zauberwelt kann man bequem über sorgfältig angelegte Stufen laufen. Wächter passen auf, dass nichts angefasst oder etwa ein Souvenir abgebrochen wird. Es ist ein wunderschönes Erlebnis.
Abends sehen wir in einem Restaurant dicke Tontöpfe mit glühender Holzkohle auf den Tischen. Das verspricht einerseits Wärme und andererseits Abwechslung auf dem Speiseplan. Beides wollen wir auch und bestellen Hühner- und Schweinefleisch für das BBQ. Der Chef kommt zu uns, fragt uns dies und das und setzt sich dann zu uns und spielt kurzerhand für uns den Grillmeister. Er spricht besser Englisch, als die meisten, und so haben wir einen interessanten Abend mit leckerem Essen.
Beim Gehen treffen wir im vorderen Teil des Lokals das junge deutsche Paar, das im Boot hinter uns saß. Wir kommen ins Erzählen und erfahren, dass die Beiden schon einen Monat länger als wir unterwegs sind und bereits in Gegenden waren, wo wir erst noch hinwollen. Sie geben uns gute Tipps, und als wir dann noch herausfinden, dass wir am nächsten Morgen mit dem selben Bus fahren, beschließen wir, unsere Unterhaltung dort fortzusetzen.
Auf dem Weg ins Hotel sehen wir gewitzte Räuber, die sich an Mülltonnen zu schaffen machen. Kennt man ja auch bei uns, Füchse und Waschbären sind bekannt dafür, aber hier sind es KÜHE.
Um sieben Uhr ist Abfahrt. Als wir den Bus betreten, werden wir aufgefordert, unsere Schuhe auszuziehen. Und dann stellen wir fest, dass wir in einem Schlafbus fahren werden, als Liegendtransport sozusagen.
In drei Reihen sind Doppelstockkojen montiert. Die Lehnen sind weit zurückgeklappt, die Füße kommen in eine keilförmige Hülle, die wiederum Stütze für die vordere Lehne ist. Ein großer Mensch kann hier nicht aufrecht sitzen, weil er sonst mit dem Kopf an die darüber liegende Koje stößt. Außerdem lässt sich die Rückenlehne nicht aufrecht stellen. Steppdecken liegen bereit, und schon bald nach der Abfahrt schlafen die meisten, eingelullt durch den gegen die Scheiben tropfenden Regen. Und auch mir fallen in dieser Position, mit warmer Decke und dem Brummen des Motors die Augen zu.
Plötzlich stoppt der Bus, ich schaue aus dem Fenster und direkt in die Augen eines Kuhkopfes. Der Fahrer hat offenbar angehalten, um hier an diesem Fleischstand am Straßenrand den Weihnachtsbraten zu kaufen.
Und dann reihen sich Soldatenfriedhöfe aneinander. Hieran sieht man die Schrecken des Vietnamkrieges sehr deutlich. Mehrere Millionen Vietnamesen mussten während des Krieges ihr Leben lassen und auch viele amerikanische Soldaten fielen den Kampfhandlungen zum Opfer.
Unser Schaffner schnappt sich plötzlich eine Schaumstoffunterlage, legt sie neben Klaus auf den Boden, darauf ein Kopfkissen und schon liegt er mit Schlafmaske und Steppdecke da und schläft den Schlaf des Gerechten.
Hue – die Stadt am Parfümfluss – die unser heutiges Ziel ist, ist für ihren Regenreichtum bekannt. Die vielen Mopedfahrer tragen Regencapes in bunten Farben. Die meisten haben vorne einen mit klarer Folie hinterlegten rechteckigen Ausschnitt? Erst später wird uns klar, dass der für die Scheinwerfer gedacht ist.
In unserem Hotel, in dem wir die Weihnachtstage über wohnen werden, erwartet uns im 5. Stock eine Suite zum Preis von 24 € pro Nacht inklusive Frühstück. Noch nachträglich beglückwünschen wir uns zu der Entscheidung. Die Ausläufer des Tropensturms „Tembin“, der auf den Philippinen Tod und Zerstörung hinterlassen hat, bringen die nächsten Tage heftigen Regen. Wir halten uns daher häufiger als normal im Hotel auf, und das ist in einer solchen Umgebung doch viel angenehmer.
Vor und an Weihnachten wird hier wohl besonders gern geheiratet. Wir kamen schon mit dem Bus und später auch zu Fuß an mehreren, üppig mit Rosen geschmückten Sälen vorbei, wo die Feiern in vollem Gange sind. Die Bräute tragen prächtige weiße Kleider nach westlichem Vorbild. Am späten Nachmittag laufen wir durch die Stadt.
An vielen Ecken stehen Verkäufer, die dicke Trauben von Luftballons in Form eines Weihnachtsmanns in den Händen halten. Die müssen sie jetzt schleunigst loswerden, in zwei Tagen will sie auch zum Schnäppchenpreis niemand mehr. Wir kommen an schuhschachtelgroßen Boutiquen vorbei, links zwei übereinander angebrachte Kleiderstangen mit der Ware, dahinter ein Vorhang an einer Duschstange als Umkleidekabine, rechts ein schmaler Tisch für die Kasse. Wenn zusätzlich zur Verkäuferin drei Kundinnen drinnen sind, ist der Laden voll. Ich sehe sehr schicke Kleidungsstücke, die auch bei uns reißenden Absatz finden würden.
Am 24. 12. wollen wir über die 460 Meter lange Brücke, die den Parfüm-Fluss überspannt, zur Zitadelle auf der anderen Seite. Im ersten Regenguss flüchten wir mit nassen Hosen und Schuhen in ein Café. Nachdem es aufgehört hat, laufen wir weiter, um wieder komplett nass zu werden. Selbst unsere Regenjacken können diesen Wassermengen nicht standhalten, auch sie werden durchweicht. Wir geben auf und kehren ins Hotel zurück. Abends hört der Regen auf und wir wollen uns ein nettes Lokal suchen. In der für Autos und Mopeds gesperrten Straße sind unglaublich viele Menschen unterwegs.
Viele haben irgend etwas Rotes an oder tragen Weihnachtsmützen. Kinder laufen in Weihnachtsmann-Kostümen herum, selbst aus Babys werden heute Mini-Weihnachtsmänner. Von vielen Seiten wird uns „Merry Christmas“ entgegen gerufen. Auf der Kreuzung ist eine Bühne aufgebaut, auf der ein einheimischer Sänger ein Chanson von Edith Piaf zum Besten gibt. Erkennbar nur an den ersten vier Noten, der Rest des Liedes könnte irgendwas sein. Nur wenn er wieder „Non, je ne regrette rien“ schmettert wissen wir, dass er noch immer bei demselben Stück ist.
Im Restaurant sind die Tische festlich gedeckt, und bei dem, was der höchstwahrscheinlich angemeldeten Gruppe am Nachbartisch serviert wird sehen wir, dass in der Küche Künstler am Werk waren. Aus Gemüse geschnitzte Vögel und Drachen verzieren die Speisen. Unsere fallen dekomäßig bescheidener aus, stellen uns aber geschmacklich zufrieden. Auf dem Rückweg gewinnt Klaus beim Wurfspiel mit gefederten Pfeilen auf Luftballons einen rosa Elefanten, den er später den jungen Damen an der Rezeption schenkt. Neben dem Weihnachtsbaum ist in der Lobby ein Tisch mit Süßigkeiten, Bier und Obsttellern für die Hotelgäste aufgebaut. Wir sitzen noch ein Weilchen mit einem Paar aus Portugal und einem aus Australien (sie ist Chinesin, er Kanadier) zusammen und erzählen von der Familie, von Weihnachtsbräuchen zuhause und vom Reisen.
Am ersten Weihnachtstag passen wir eine Regenpause ab, um den abgebrochenen Besuch in der Zitadelle nachzuholen. Sie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der verbotenen Stadt in Peking gebaut. Termiten und Wirbelstürme setzten ihr zu, aber vollends zerstört wurde sie bei Bombenangriffen der US-Streitkräfte. Inzwischen ist sie UNESCO Weltkulturerbe und wird nach und nach restauriert.
Als wir abends unterwegs sind, ist nichts mehr von der gestrigen Weihnachtsstimmung zu merken. Abends um zehn Uhr sind noch Geschäfte geöffnet. Wir sehen Schuster, Gürtelmacher und Frisöre bei der Arbeit, ganz zu schweigen von all den Restaurants, Garküchen und Straßenlädchen.
Den völlig verregneten zweiten Weihnachtstag verbringen wir mit einem winzigen schlechten Gewissen lesend, schreibend und rätselnd im Hotel. Selbst das Essen lassen wir uns ins Zimmer liefern.