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Für den Morgenbus in die Hauptstadt Phnom Penh gibt es keine Tickets mehr. Wir müssen auf den nächsten um 14.30 Uhr warten. Ein glücklicher Zufall, dadurch können wir uns noch mit unseren Reisefreunden Christian und Stefan zum Lunch treffen, die gerade in Kampot angekommen sind.
Die Fahrt soll drei Stunden dauern, es geht vorbei an Straßendörfern, Reisfeldern und Fabriken. Aber auch hier dasselbe Spiel wie in Saigon: Wir erreichen den Stadtrand zwar rechtzeitig aber dann geht alles nur noch im Schneckentempo. An der Busstation angekommen ist es bereits dunkel. Großes Gewimmel, viele „hilfreiche“ Taxifahrer, die uns zum überteuerten Sonderangebot zum Hotel bringen oder ein anderes verkaufen wollen. Wir verzichten und greifen auf den verlässlichen Uber-Transport zurück. Unser Fahrer muss durch den dichten Verkehr am Night-Market, kommt dann aber doch irgendwann an. Es ist nicht so einfach unser Hotel zu finden, denn die Häuser tragen nur ab und zu Hausnummern, aber letztendlich finden wir es gemeinsam. Es gehört zu einem australischen Lokal, wo wir hungrig erstmal zu Abend essen. Der Renner ist hier eine kleine Bierzapfkanne mit 3 Litern, die man sich an den Tisch bringen lassen kann. Innen ist ein mit Eiswürfeln gefüllter Zylinder, damit es bis zum letzten Glas kühl bleibt. Die meist westlichen Gäste sind begeistert und natürlich blendender Laune. Wir verzichten allerdings denn wir wollen noch etwas von der Stadt sehen. Auf der Hinfahrt kamen wir an einer breiten Allee vorbei, die steuern wir jetzt an. Von weitem sehen wir viele bunte Lichter, wahrscheinlich ist schon für das chinesische Neujahrsfest dekoriert. An jeder Straßenkreuzung stehen zwei Soldaten mit Maschinenpistolen. Das wirkt schon ein wenig bedrohlich.
Ich passe einen Moment nicht auf und verknackse mir den Knöchel auf einem breiten, gut gepflasterten Bürgersteig, durch den sich ohne erkennbaren Grund eine Absenkung zieht. Bei der schummrigen Beleuchtung war sie nicht zu sehen. Vor Schmerz bleibt mir kurz die Luft weg. Selbst der grimmige bewaffnete Soldat schaut mitleidig. Bewegung soll ja helfen, und so laufen wir weiter.
Mitten auf dem großen Kreisel das Unabhängigkeitsmonument, das nach der Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich errichtet wurde. Daran anschließend eine gepflegte Grünanlage mit mehreren Brunnen und einem Denkmal. Links und rechts braust der Verkehr. Viele Familien mit Kindern sind am Freitag Abend unterwegs. Die Kinder toben herum, laufen quietschend unter den Wasserstrahlen der Brunnen durch, die Eltern sitzen am Rand, unterhalten sich und schauen dem Treiben zu. Nur wenn eins der ganz Kleinen sich der Straße nähert, wird eingegriffen.
Die Mitarbeiter im Hotel entschuldigen sich dafür, dass mir in ihrer Stadt ein Unfall passiert ist. Sie versorgen mich mit einem großen Beutel Eis. Immer wenn mir am nächsten und übernächsten Tag jemand begegnet, drückt er sein Bedauern aus und entschuldigt sich wieder. Und Eis bekomme ich so oft und so viel, wie ich möchte.
Der für den nächsten Tag geplante Rundgang durch die 1,5 Millionenstadt fällt natürlich ins Wasser. In der Hauptstadt sein, ohne ein paar Sehenswürdigkeiten besucht zu haben, geht jedoch nicht. Deshalb lassen wir uns im Tuktuk fahren. Dabei sehen wir den Anfang des 19. Jahrhunderts erbauten Königspalast mit Silberpagode und die 1930 im Art-Déco-Stil errichtete Markthalle wenigstens von außen.
eine Wasserflasche muss vor der Markthalle die Dusche ersetzen
Die Killing Fields und das Genozid-Museum – Erinnerungen der schlimmsten Art an das Phol Poth Regime – hatten wir sowieso nicht auf dem Plan. Wir schaffen es einfach nicht uns anzusehen, was Menschen sich für Folter- und Tötungsmethoden ausgedacht haben, um ihre Macht zu festigen und zu erhalten.
Unser Fahrer ist ein waghalsiger junger Mann. Wahrscheinlich will er uns zeigen, dass wir mit ihm die richtige Wahl getroffen haben, und so fährt er bei Dunkelrot über zwei große Kreuzungen. Beifallheischend schaut er sich um und erwartet ein Lob für seine Tollkühnheit dabei donnert er fast gegen die sich gerade öffnende Fahrertür eines Lieferwagens. Klaus bittet ihn eindringlich, vorsichtiger zu fahren, sonst darf er uns am nächsten Tag nicht zum Busbahnhof bringen.
Die Strecke nach Siem Reap, unser nächstes Ziel, ist zu weit für meinen dicken Fuß, deshalb entscheiden wir uns für einen Aufenthalt auf halber Strecke. In der Nähe von Kampong Thom (auf der Ostseite des Tonle Sap – dem größten Binnensee Südostasiens) finden wir ein kleines Homestay. Dort im Nirgendwo will ich ein bisschen das Bein hochlegen und dabei ins Grüne schauen. Vor der Abfahrt erkläre ich dem Busfahrer, dass wir ein paar Kilometer vor Kampong Thom aussteigen möchten. Nach kurzer Beratung mit zwei Kollegen stimmt er zu.
Kaum sind wir losgefahren, fährt der Bus rechts ran und hält. Die Zeit vergeht, nichts passiert. Die Menschen werden nicht etwa ungehalten oder unruhig.
Eine ältere Frau erledigt ein kleines Geschäft ganz zwanglos auf dem Bürgersteig. Vierzig Minuten später kommen drei Personen, steigen ein und sofort setzt der Bus die Fahrt fort über den Fluss in Richtung Norden.Tja, das zum Thema Fahrplan. Es folgen Dörfer, Städte und Reisfelder. Heute am Sonntag nutzen viele Menschen den luftigen, schattigen Platz unter ihren auf Stelzen errichteten Häusern. Sie liegen in Hängematten oder sitzen mit Familie und Freunden beim Essen.
Nach drei Stunden nähern wir uns unserem Ziel und ich sehe das Schild von unserm Gasthaus. Der Busfahrer denkt aber nicht daran zu stoppen. Auf unseren Hinweis schüttelt er lächelnd den Kopf, er weiß schon wo wir hin müssen, schließlich kennt er sich aus und wir sind wir fremd im Land.
Nachdem er dann gehalten hat, gelingt es mit Hilfe einer englisch sprechenden Frau in einem Miniladen Kontakt zu unserem Gasthaus aufzunehmen. Und nach einer Weile kommen drei Motorräder an.
Rico, der französische Besitzer mit seiner kambodschanischen Frau Kunthy und ein Mitarbeiter bringen uns und die Koffer die fünf Kilometer zurück zur Unterkunft. Dort wartet ein kleiner gelb gestrichener Bungalow auf uns.
Ein sechs Wochen alter Welpe mit zu großem Fell und Denkerstirn erobert uns im Sturm. Wenn ich auch nicht richtig laufen kann, spielen und schmusen geht prima.
Tags darauf machen einen Motoradausflug auf dem Sozius in die Umgebung. Gefahren von den Besitzern geht es über rote Sandpisten an den kleinen, typischen Häusern der Reisbauern vorbei.
Uns begegnen viele Kinder mit ihren Fahrrädern auf dem Weg zur Schule; alle winken uns freundlich zu. Wir fahren an Teichen, Gräben und sonstigen Wasserstellen vorbei. Ideale Voraussetzungen für den Reisanbau. Da gerade keine Pflanzzeit ist, haben die Wasserbüffel ein faules Leben. Sie weiden auf den abgeernteten Feldern oder nehmen ein erfrischendes Schlammbad. Auch die weißen Buckelrinder freuen sich noch über die Stoppeln auf den Reisfeldern. Kreuz und quer fahren wir durch die Gegend, durch kleine Ansiedlungen, an Läden, Lokalen, Schulen und Tempeln vorbei.
Wenn wir einen Wasserlauf auf einer der schmalen Hängebrücken überqueren müssen, steigen wir ab, und laufen hinüber. Auf dem Fluss sind mehrere beinahe runde Bereiche mit Bambusstangen und Netzen abgesteckt. Hier fängt sich der treibende Wasserkohl, bildet ein dichtes Feld und unter Wasser bieten die Triebe und Wurzeln den Fischen Verstecke und Schatten. Die Menschen haben doppelten Nutzen, Fisch und Gemüse für die nächste Mahlzeit sind jederzeit verfügbar und immer frisch.
Interessant ist ein Halt an einer Deckstation mit zwei prächtigen Buckelrinderbullen. Die Tiere liegen gemütlich herum und warten auf ihren nächsten Einsatz, für den der Besitzer je 55 $ kassiert.
Unser nächster Stopp ist an einem Palmenhain. Viele der Bäume wurden vom Blitz getroffen. Übrig geblieben sind schwarze Stümpfe. Warum das immer wieder an dieser Stelle passiert und nicht an dem hundert Meter weiter entfernten, weiß kein Mensch. An den noch intakten Palmen klettert ein Mann auf der angebundenen Bambusleiter rund zehn Meter nach oben, schneidet vom Blütenstab die vordere Spitze ab und hängt ein Plastikgefäß an. Nach 24 Stunden hat die Palme pro Blütenstab einen Liter Saft abgegeben. Einmal am Tag wird der Saft abgeholt.
An unserem nächsten Haltepunkt sehen wir auch, was damit passiert. Am Ufer des Flusses leben drei Familien in den allereinfachsten Bambushütten. Eine Menge Kinder wuseln herum. Kunthy versammelt sie um sich und zaubert aus ihrer Tasche bunte Kugelschreiber. Sie legt Wert darauf, dass sie und nicht die Touristen die Schenkenden sind, um die Kinder bei zukünftigen Besuchen nicht zum betteln zu verleiten.
Ein großer Berg gehäkseltes Palmholz liegt vor der einen Hütte, wo in der Kochstelle ein munteres Feuer prasselt. Obendrauf eine große Blechschale, von rund 60 cm Durchmesser, in dieser ein Korb, der offenbar dafür sorgt, dass der Palmsaft gleichmäßig verteilt ist. Hier dampft, zischt und brodelt es, und es riecht leicht nach Karamell. Eine Charge ist gerade fertig geworden und wird in weiße Eimer umgefüllt. Sie hat Farbe und Konsistenz von Kleehonig. Die zähe Masse schmeckt gut und ist ewig haltbar. Mit längerer Lagerzeit wird sie steinhart, und muss dann zerstoßen werden. Für die Familien scheint das die einzige Einnahmequelle zu sein, aber um diesen Palmzucker ohne irgendwelche Zusätze zu kaufen, kommen Menschen bis aus der Hauptstadt.
Die Kinder sind inzwischen zum Flussufer gelaufen und planschen herum. Keins von ihnen kann schwimmen, aber die Eltern haben vollstes Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Das Wasser ist an der tiefsten Stelle höchstens 70 Zentimeter tief. Es sieht so einladend aus, dass ich in voller Montur ins Wasser steige. Die Kinder schauen mir erst mit offenem Mund zu und sind dann begeistert. Das Wasser strömt gewaltig, bestimmt 1-2 Meter pro Sekunde. Eine Weile lasse ich mich treiben, dann gehe ich an anderer Stelle ans Ufer. Kunthy wollte auch gern schwimmen, aber sie plagt sich mit einer Erkältung und geht nur bis zu den Oberschenkeln ins Wasser, um Flussmuscheln zu sammeln.
Als wir zurück im Ressort sind, bin ich fast wieder trocken, doch der rote Staub steckt in Ober- und Unterkleidung und wir lassen noch schnell alles in die Waschmaschine stecken. Aber wer hätte gedacht, dass rote Erde so farbecht ist.
Knabe auf dem Büffel ein ungewöhnliches Bild – in unserer Kultur. Etwas zwischen Realität und Fantasy-Spiel