Wieder führt uns unser Weg durch schöne Landschaft. Wir fahren in die Minenstadt Tom Price, sie liegt rund 750 Meter über dem Meeresspiegel und ist die am höchsten gelegene Stadt Westaustraliens. Wir kaufen in diesem netten Städtchen ein. Weiter geht es Richtung Nanutarra.
Am Ortsausgang ist eines der großen im Bergbau eingesetzten Fahrzeuge ausgestellt. Später sehen wir am Straßenrand noch die dazu passenden Reifen, ausrangiert und weiß angestrichen und erst jetzt merkt man, wie überdimensional diese ganzen Maschinen sind.
Wir sind bereits 25 Kilometer gefahren, als wir die Abzweigung erreichen und erst hier merken: Vor uns liegen 57 Kilometer unbefestigte Straße. Im Autoatlas ist das nicht zu erkennen. Schon nach wenigen 100 Metern merken wir, hier können wir unmöglich fahren, selbst bei einer Geschwindigkeit von 20 kmh bebt der ganze Camper und im Küchenbereich rasselt und klappert es. Ich bin sicher, wenn wir nach dieser Strecke die Tür öffnen, gibt es keine Schränke mehr, dann fallen uns die Bretter und Schrauben einzeln entgegen. Es bleibt uns nur übrig, umzudrehen, zurück nach Tom Price zu fahren und die Strecke über Paraburdoo mit einem Umweg von insgesamt 180 Kilometern zu fahren.
Zwei Stunden später erreichen wir die Einmündung der Holperstrecke, aber wenigstens ist bei uns alles heil geblieben. Der Campingplatz in Paraburdoo ist zwar pieksauber, aber hier stehen einheitliche Mobilhomes in Reih und Glied nebeneinander, es gibt keinen Baum und keinen Strauch. Hier wollen wir nicht übernachten, es ist schließlich auch noch hell genug, den 100 Kilometer entfernt liegenden nächsten Platz anzufahren. Wir erreichen Sheelas Plains Farm Stay kurz nach Sonnenuntergang. Das ist für uns das erste Mal, dass wir auf einer Farm übernachten. Der Platz gefällt uns. In einem großen Oval gruppieren sich die Fahrzeuge um eine Rasenfläche. Campingküche und sanitäre Anlagen sind sauber und gepflegt. Die Luft ist herrlich, wir sitzen nach dem Essen noch eine Weile draußen und schauen in die Sterne.
Wir sind schon entschlossen, noch eine weitere Nacht hier zu bleiben, aber da haben wir den Camper noch nicht verlassen. Draußen erwarten uns Fliegen. Die sind – noch vor den Mücken – das lästigste Viehzeug Australiens. Sie sehen aus wie halbstarke Stubenfliegen, sind aber sehr viel zielstrebiger. Sobald man das Auto verlässt, stürzen sie sich auf das hilflose Opfer und versuchen in Augen, Nase, Mund und Ohren zu gelangen. Wir sind so vermessen, draußen zu frühstücken, und jeder Bissen den man zum Mund führt muss ernsthaft verteidigt werden. Jeder von uns ist von mindestens 50 Exemplaren umschwärmt. Wir werfen alles ins Auto und flüchten.
Die Küste ist unser Ziel, daran gibt es keinen Zweifel, nur ob wir nach Norden (Exmouth) oder Süden (Coral Bay) fahren, ist noch nicht entschieden. Die Beschreibung in unserem Reiseführer bringt nähere Erläuterungen: In Exmouth kann man mit Walhaien schwimmen (kostet auch wieder eine Stange Geld), in Coral Bay hat man die Korallen direkt am Strand. Letztendlich entschließen wir uns für Coral Bay, weil wir mit der Zeit knausern müssen und es auch für unseren Geldbeutel besser ist.
Auf der Fahrt dorthin wird die Vegetation immer eintöniger, es gibt wieder Termitenhügel, aber weder Baum noch Strauch, nur eine Grasart. Hier pfeift der Wind, und rüttelt an unserem Auto. Eine Zufallsbekanntschaft im Supermarkt in Derby hatte uns einen bestimmten Campingplatz empfohlen, und dort bekommen wir auch einen Stellplatz mit Stromanschluss. Wir haben zwar keinen Meerblick, aber nach 2 Minuten laufen ist man am Strand. Wir sind gemeinsam mit einem Schlechtwettergebiet hier angekommen und halten uns am ersten Abend hauptsächlich im Camper auf. Auch am nächsten Tag ist es noch stürmisch, die Palmen biegen sich, es ist nicht daran zu denken, draußen zu frühstücken. Der Toast würde uns vom Teller geweht werden.
Wir nutzen die Zeit zum Schreiben, um Fotos auf den Computer zu laden und zu sortieren, eine Waschmaschine in Betrieb zu nehmen, Kleidung zu sortieren, einiges umzuräumen und im Nu ist es Nachmittag. Der Wind hat etwas nachgelassen und wir wollen uns den Sonnenuntergang anschauen. Hier an der Westküste gibt es so viele ideale Plätze. Trotz der dichten Wolken liefert die Sonne uns ein Schauspiel mit einem Regenbogen als Zugabe.
Wie unser Nachbar Peter uns versprochen hat, haben wir am nächsten Tag wieder herrlichen Sonnenschein. Dick eingecremt und mit einem Shirt über den Badesachen gehen wir mit geliehener ABC-Ausrüstung (Maske, Schnorchel und Flossen) ins Wasser. Keine 50 Meter vom Ufer sind wir am insgesamt 250 Kilometer langen Ningaloo-Riff und schnorcheln zuerst gegen, später mit der Strömung über die Korallen. Es sieht aus, als ob wir über ein riesiges Kohlkopf- oder Salatfeld gleiten, die Korallen haben überwiegend diese Form. Daneben gibt es aber auch Hirn- oder Hirschgeweihkorallen. Das Schönste, was wir heute zu sehen bekommen, ist eine grüne Meeresschildkröte, die gemächlich über die Kohlköpfe paddelt. Viele Korallenfische sind zu sehen. Für die großen Bewohner wie Haie oder Mantas muss man bis ans Außenriff schnorcheln, aber dazu ist die Strömung im Moment zu stark und das Wasser ohne Neopren-Anzug zu frisch.
Wir haben uns gerade wieder in der Sonne aufgewärmt, als wir ein Stückchen weiter nördlich einen Menschenauflauf im Wasser sehen. Neugierig laufen wir auf weichem Sandboden durch das knietiefe Wasser. In erster Reihe stehen vor allem Kinder. Eine junge Frau gibt jedem eine Art Erbse in die Hand, und plötzlich wird das Wasser aufgewühlt. Ein Schwarm Schnapper kommt – wie jeden Nachmittag um 15.30 Uhr – zum Fressen hierher. Sie nehmen den Kindern das Fischfutter aus den Händen. Die unterschiedlichen Reaktionen der Kinder zu sehen ist fast noch spannender, als die Fische zu beobachten.
Doch nach drei Nächten in dieser schönen Bucht brechen wir auf. Noch einmal laufen wir zum Aussichtspunkt in den Dünen und treffen dort Steven und Susanna, ein Ehepaar aus Sydney. Susannas Vorfahren stammen aus Münster und Gronau und sie spricht sehr gut deutsch. Beide warnen uns vor der Stadt Carnarvon. Wegen der vielen Aborigines haben sie sich dort nicht nur unwohl, sondern auch nicht sicher gefühlt. Wir müssen auf jeden Fall auf dem Highway Nr. 1 in Richtung Süden und denken nicht weiter daran. Bisher haben wir drei lebendige Kängurus gesehen, am Straßenrand liegen Dutzende in allen Verwesungsstadien. Ständig sehen wir zusätzlich von der Sonne gebleichte Gerippe mehr oder weniger vollständig im roten Sand liegen. Was das mal war, ist nicht mehr zu erkennen.
Ein Schild macht uns darauf aufmerksam, dass wir gerade den Wendekreis des Steinbocks überqueren und damit in die subtropische Zone wechseln.
Am Nachmittag erreichen wir die Stadt Carnarvon an der Mündung des Gascoyne River. Zwar führt der Fluss zu dieser Jahreszeit kein sichtbares Wasser, aber unterirdisch versorgt er die ganze Gegend mit Grundwasser. Dadurch ist hier eine Oase mit Bouganvillea und Palme in der ariden Region entstanden. Rund um die Stadt Stadt liegen Obst- und Gemüseplantagen, hauptsächlich werden Bananen und Mangos angebaut. Jeden Samstag findet in hier ein Markt aufgebaut, wo die Produkte der Region angeboten werden.
Am Stadtrand gibt es einen Hinweis auf kriminelle Elemente. Man soll sich sofort mit der Polizei in Verbindung setzen, falls einem irgend etwas auffällt. Da fällt uns die Warnung wieder ein. Trotzdem suchen wir uns in der Stadt einen Caravan-Park für die Nacht. Wir haben keine Lust, heute noch weiter zu fahren.
Die Campingplätze in Australien sind toll. Sehr großzügig bemessen, entweder hat man vor dem Ausstieg eine zementierte Fläche, Rasen oder eine Matte. Dazu Strom- und Wasseranschluss für einen Aufpreis von 5 $ = 3 €. Je nach Größe des Platzes gibt es einen oder mehrere Sanitärbereiche mit Toiletten, Waschbecken und Duschkabinen, häufig noch ein extra Waschbecken, das nur für Babys vorgesehen ist. Auf diesem Platz bekommen wir einen Chip, mit dem man Zugang zu den Waschräumen hat. En-Suite-Waschkabinen hatten wir bisher noch nicht. Das sind viele kleine separate Badezimmer mit Dusche, Waschbecken und WC. Seife, Duschgel und Papierhandtücher liegen dagegen fast überall bereit. Manches Mal bekommt man auch einen Zettel mit einer Buchstaben-Zahlen-Kombination für ein entsprechendes Türschloss. Äußerst unangenehm, wenn es wirklich eilig ist und man den Zettel verlegt hat oder im Dunklen die Zahlen und Buchstaben auf der Tastatur nicht erkennen kann.
Auch der Küchenbereich ist gut ausgestattet. Arbeitsplatten, Herde, Kühlschrank, Spülbecken und Esstische sind Standard. Waschküchen mit mehreren Waschmaschinen, Trockner und Wäscheleinen sind häufig vorhanden. Ein schöner Aufenthaltsbereich mit Pool und ein Spielplatz gehört ebenfalls häufig dazu.
Wir haben uns auf diesem Platz auf jeden Fall sehr wohl und vor allem auch sicher gefühlt.
Dieses Problem, dass einem eine Straßenkarte eine asphaltierte Straße vorgaukelt, die sich dann als rumpelig herausstellt, kenne ich auch. Ich hatte es neulich auf Rhodos, wo man sich im Inselinneren auch nicht unbedingt auf die Karten verlassen kann. Ich habe dann festgestellt, dass die beste Quelle, den Straßenbelag vor der geplanten Fahrt zu überprüfen, Google Maps in der Satellitenansicht oder sogar Street View ist. Die Abdeckung durch Google Street View ist mittlerweile weltweit erstaunlich. Eure Strecke kann z.B. komplett in Street View verfolgt werden, wo man auch sieht, dass jene Straße von Tom Price in Richtung Nanutarra nicht asphaltiert ist. Gute Weiterreise!
Ja, Street View ist toll, Voraussetzung ist natürlich, dass man es überhaupt aufrufen kann. Das ist in Australien manches Mal schwierig. Nur in großen Städten konnten wir ins Internet. Da wir uns ja nicht akribisch vorbereitet haben gab es eben den ein oder anderen Reinfall, den man dann im Nachhinein oft als „Bereicherung“ ansieht.