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Um von San Pedro fortzukommen, müssen wir noch einmal mit dem Boot über den See. Zum Glück verhält er sich um 8 Uhr morgens noch gnädig, kaum Wellen kräuseln die Wasseroberfläche, gut für meinen Rücken.
In Panajachel haben wir noch Zeit für ein kleines Frühstück, bevor unser Shuttlebus kommt. Nur noch ein weiterer Passagier – Sophie, eine junge Deutsche – hat denselben Weg wie wir. Die Rückfahrt ist um einiges angenehmer als die Hinfahrt.
Die Straße von Panajachel in die Berge ist lange nicht so steil, und eine knappe Stunde später sind wir oben an der Schnellstraße, der Panamericana. Wir wundern uns, dass der Fahrer Richtung Guatemala City abbiegt, aber schon nach 5 Minuten fährt er zu einer Tankstelle auf der anderen Straßenseite, hier müssen wir umsteigen. Das hat auch Sophie – trotz ihres Spanischkurs am Lago Atitlán – nicht verstanden. Wir wechseln in einen bequemen Minivan mit weich gepolsterten Sitzen und sind weiterhin nur zu dritt.
Nach Quetzaltenango – von den Einheimischen in der Maya-Sprache Xela (gesprochen Schela) genannt – geht es über die gut ausgebaute Panamericana. In anspruchsvollen Kurven erreichen wir eine Höhe von 3.300 Metern. Die Berge links und rechts sind noch höher und bestehen zum größten Teil aus Tuffgestein. Das ist ein großartiges Material, leicht zu bearbeiten und in diesem Klima recht haltbar. Die hier lebenden Menschen haben Lagerräume und Treppen in das Gestein gekratzt. Irgendwann sehen wir sogar Garagen.
Das große Tal in der Sierra Madre, in dem Xela liegt, ist durch Ablagerungen der umgebenden Vulkane überaus fruchtbar. Scheinbar jede Art von Gemüse wächst auf den dunklen Böden. Große gelbe Flecken dazwischen zeigen, dass Bäume und Sträucher gerade aus dem Winterschlaf erwachen und Blätter und Blüten austreiben.
Xela – die zweitgrößte Stadt Guatemalas – liegt auf 2.300 Metern. Hier ist es deutlich kühler als in allen Orten, in denen wir bisher waren. Deshalb liegen in unserem Hotel, das in den verschachtelten Gassen der Altstadt liegt, auch drei Decken auf dem Bett.
Die Sehenswürdigkeiten der Stadt gruppieren sich fast alle um den Park Centroamérica, das schaffen wir an einem Nachmittag. Wir müssen uns umgewöhnen, Zebrastreifen haben für die Auto- und Mopedfahrer nicht die geringste Bedeutung. Also kann man sich genauso gut an jeder anderen beliebigen Stelle überfahren lassen.
Einen guten Kilometer vom Park entfernt befindet sich der große Friedhof. Am Eingang sind die Etagengräber der ärmeren Bevölkerung – sozialer Grabbau sozusagen. Ein Stück weiter können wir dann Mausuleen aller Größen und Stilrichtungen bestaunen. Die Hinterbliebenen haben offenbar keine Kosten gescheut, um die Wichtigkeit des oder der Verstorbenen zu betonen. Als wir den Friedhof verlassen wollen, kommt uns gerade eine Trauergesellschaft entgegen. Voran läuft die Mariachi-Band, dahinter die Angehörigen. Der Sarg wird von schwarz gekleideten Frauen auf den Schultern getragen. Unauffällig mache ich ein paar Fotos.
Abends treffen wir uns mit einer Bekannten: Vanessa ist bereits seit einer Woche hier und besucht eine der vielen Sprachschulen. Vier Stunden täglich hat sie Unterricht und für nachmittags noch Hausaufgaben auf. Wie von der Sprachschule empfohlen wohnt sie in einer einheimischen Familie, wo niemand englisch spricht. Ihr muss permanent der Kopf schwirren.
Am nächsten Morgen holt sie uns um kurz nach sieben ab. Gemeinsam wollen wir den größten typischen Markt des Landes in dem 17 Kilometer entfernten Ort San Francisco besuchen. Wir lassen uns mit einem Taxi zum Busbahnhof bringen. Um diese Zeit ist noch nicht viel los, nur ein Mitarbeiter schaut aus seinem hölzernen „Amtsgebäude,“ das die Größe einer Telefonzelle hat. Wie immer kommt sofort jemand und will uns weiterhelfen. Der Bus lässt auch nicht lange auf sich warten und da er völlig leer ist, können wir uns die Plätze aussuchen. Uns ist klar, dass das bei diesem Ziel nicht so bleiben wird. Aber auf diese Fülle sind wir dann doch nicht vorbereitet. Eine Viertelstunde später sind alle Zweiersitze von drei Menschen besetzt. Weitere drängen sich im Mittelgang. Wenn jemand vorbei will, steht meine Sitznachbarin auf und lässt sich völlig selbstverständlich auf meiner Hüfte nieder.
Auf halber Strecke ist in Salajá eine Art Verkehrsknotenpunkt. Mindestens 10 Chickenbusse treffen hier von allen Seiten ein und die Menschen wuseln hin und her. Raus aus dem einen, rein in den anderen Bus, dazwischen Lastwagen, Transporter, Pkw und Mopeds. Es ist ein unglaubliches Gedränge und Gehupe. Fährt einer der Busse endlich los, stößt er erstmal eine tiefschwarze Wolke aus, das grenzt schon an Grobstaubbelastung. Plötzlicht stoppt er dann wieder um weitere Passagiere aufzunehmen. Das passiert dann drei bis viermal. Für uns absolut undurchsichtig.
In der Nähe ist das erste Waisenhaus der Rudolf Walther Stiftung (Möbel-Walther aus Gründau-Lieblos) gebaut worden. Es ist das Zuhause für 140 Kinder. Nicht alle sind Waisen, manche wurden von ihren Eltern hier abgegeben, weil sie sie nicht ernähren können, andere wurden auf der Straße aufgegriffen.
In Guatemala ist Busschaffner einer der anspruchsvollsten Berufe. Die Männer müssen mindestes eine Artisten-Ausbildung haben. Kurz vor der Haltestelle springen sie aus dem fahrenden Bus und suchen nach weiteren Fahrgästen. Hat jemand sperriges Gepäck dabei, klettern sie flink wie Eichhörnchen die hintere Leiter hoch aufs Dach und nehmen die Sachen entgegen. Während der Bus bereits wieder losfährt, verstauen sie alles und zurren die Kästen oder Säcke fest. In voller Fahrt geht es die Leiter wieder hinunter und durch die hintere Tür zurück in den Bus. Und dann wissen sie auch noch, wer bereits bezahlt hat und wer neu dazu gekommen ist.
Endlich erreichen wir San Francisco – schön wieder durchatmen zu können, bevor wir uns ins bunte Markttreiben stürzen. Der wöchentliche Markt findet nicht nur in der Markthalle oder auf dem Marktplatz statt, der ganze Ort ist Markt. Von nah und fern kommen die Verkäufer mit ihrem Warenangebot bereits in den Nachtstunden, denn der Verkauf beginnt bereits morgens um sieben Uhr.
Wir stehen mitten in einem Farbenmeer: Stoffe, gewebt in den typischen Mustern, die die Maya-Frauen Tag für Tag tragen. Ständig entdecken wir neue Farbkombinationen und Muster. Mein Kaufimpuls muss heftig unterdrückt werden. Und irgendwann weiß ich auch gar nicht mehr, was ich eigentlich aussuchen sollte. Zu überwältigend ist das Angebot. Da der Ort auf einem Hügel liegt, geht es immer wieder bergauf und bergab.
Vanessa hat von ihrer Gastfamilie von einem Platz gehört, der für die Maya von besonderer Bedeutung ist. Sie fragt sich durch und schließlich stehen wir an einem Abhang. Unter dem größten Baum glimmen noch kleine Feuer, ein würziger Geruch liegt in der Luft und kleine Papierfetzen bewegen sich im Wind. Ein paar Menschen sind noch hier, aber die große Opferzeremonie hat vermutlich am frühen Morgen stattgefunden und das Saubermachen hat bereits begonnen. Wofür jeweils geopfert wurde, und was man sich davon erhofft, bleibt das Geheimnis jedes Einzelnen.
Wir laufen zurück, nicht ohne am beliebtesten Stand halt zu machen, dem Toilettenhäuschen. Die Besitzer haben es gut, sie müssen keine Kunden anlocken, die kommen alle freiwillig und warten sogar, wenn sie nicht gleich an die Reihe kommen. Für ein paar Quetzales kann man sich noch die Hände waschen, was will man mehr.
Inzwischen hat das Gedränge in den Gassen noch weiter zugenommen. Zwischen Ständen mit moderner Kleidung, Schuhen, Heiligenfiguren und Lebensmitteln drängen wir weiter nach oben in Richtung Viehmarkt.
Auf dem großen Platz stehen Kälber, Schweine, Federvieh, Kaninchen und Haustiere zum Verkauf. Die Interessenten schlendern herum, begutachten, befühlen, dann gehen ein paar Scheine von Hand zu Hand und das neue Haustier wird in einem Sack geschultert oder am Seil hinterhergezogen. Hier sehen wir das erste Mal noch andere Touristen, aber wir machen zusammen kaum ein Dutzend aus.
Auf dem Weg zurück staunen wir über das Angebot an Nähmaschinen. Alte mechanische stehen neben robusten Profigeräten. Kochtöpfe, Elektrokabel, Werkzeug, Radios, Garten- und Haushaltsgeräte – alles neu oder gebraucht. Natürlich gibt es auch Imbissstände, es wird gerührt, geknetet, geraspelt, frittiert und gebacken und duftet köstlich. In der Markthalle probieren wir eine der hiesigen Spezialitäten: knusprige gerollte Maisfladen auf rohem Gemüse, mit würziger Soße übergossen und mit Käse bestreut. Richtig lecker.
Gegen Mittag beginnen die ersten Aussteller, ihre Sachen zusammen zu packen. Dabei können wir beobachten, wie die Träger die riesigen Ballen und Säcke an um die Stirn gelegten Riemen zu den unten geparkten Autos schleppen. Von hinten sieht man nur einen Sack auf Füßen. Alles was nicht verkauft wurde, muss schließlich wieder zurück transportiert werden.
Wir klettern in den nächsten Bus, damit wir vor Marktschluss noch einigermaßen gut zurück kommen. Trotzdem geht es quälend langsam voran. Vom Bus aus sehen wir viele Läden mit riesigen Stoffballen. Hier ist das Zentrum der Textilindustrie in Guatemala, deshalb auch die vielen Nähmaschinen.
Am nächsten Morgen fahren wir zurück nach Antigua. Wir haben Glück und werden von dem netten Fahrer mit dem bequemen Minivan abgeholt. An der Abzweigung zum Lago Atitlán steigen die anderen Passagiere aus, wir sind die einzigen die nach Antigua fahren. Der Fahrer spricht gut englisch, so können wir uns über alles Mögliche mit ihm unterhalten. Mich hat die ganze Zeit der hohe Benzinpreis von 20 – 26 Quetzales (2,33 – 3,03 €) gewundert, doch der Preis gilt für eine Gallone (3,785 Liter).
Gut, dass ich auf dem Markt außer einem gewebten Gürtel nichts gekauft habe, der Koffer will kaum noch zugehen. Meine Vorstellung, ein Paket per Post nach Deutschland zu schicken, lässt sich nicht in die Tat umsetzen. Guatemala hat seit über 3 Jahren keine Post mehr. Den jährlichen Versprechungen, dass es in Kürze wieder eine gibt, schenkt niemand mehr Glauben. Zwar sind DHL und FedExx vertreten, aber die Preise sind extrem hoch. Angeblich kostet das Porto für einen einfachen Brief 20 US$. Kein Wunder, dass es nirgendwo Ansichtskarten zu kaufen gibt.
Als wir an einer Raststätte eine kurze Pause machen, stehen dort viele Radfahrer in Sporttrickots. Heute findet ein Straßenrennen statt, an dem Männer und Frauen teilnehmen. Sogar der führende Rennstall, der auch internationale Erfolge aufweisen kann, ist vertreten. Das Rennen wird auf dem Standstreifen der hier vierspurigen Panamerican ausgetragen, der Autoverkehr darf schließlich nicht beeinträchtigt werden.
In Antigua ist was los, so viele Menschen haben wir in der Stadt noch nicht gesehen, aber für die Semana Santa (heilige Woche) ist das hier völlig normal. Wir wohnen keine 100 Meter von der Kathedrale „La Merced“ entfernt und wollen uns hier gleich mal umschauen. Rund um die Kirche reihen sich Buden aneinander. Auch hier wird deutlich: Gegessen wird immer. Gerade kommt eine festlich gekleidete Familie mit 15jähriger Tochter aus der Kirche. Die Quincenera wird also auch hier mit aller Pracht gefeiert. Ein Blick in die Kirche zeigt: Die Alfombra (Sägemehlteppich) mit den Fußspuren ist inzwischen durch eine neue unversehrte ersetzt worden.
Am Sonntag um 11 Uhr beginnt die zweit wichtigste Prozession der Osterwoche. Von überall her strömen Besucher in die Stadt. Viele Straßen sind bereits gesperrt. Autos, die trotz Verbotsschildern in diesem Bereich parken, werden gnadenlos abgeschleppt. Wir laufen zu einer Straße, wo der Umzug in der nächsten Stunde vorbeikommen soll.
Eifrig wird hier noch an einer Alfombra gearbeitet, es kann also noch dauern. Zunächst gehört die Straße den Verkäufern. Eis, Leihhocker, Sonnenschirme, Sombreros, Getränke, Spielzeug, Sonnenbrillen, Fächer, eben alles was den Menschen die Wartezeit angenehmer macht, ist zu haben. Lila Kutten für Männer und schwarze Spitzenschals für Frauen werden auch noch verkauft, falls sich jemand jetzt noch entschließen sollte, während der Prozession eine aktive Trägerrolle einzunehmen.
Nach einer Stunde geben wir auf, es wird in der Sonne einfach zu warm. Nachmittags gibt es eine neue Chance. Die Frau neben uns gibt uns ihren Programmzettel. Jetzt wissen wir, zu welcher Zeit die Prozession in welcher Straße sein wird und stellen uns nachmittags noch einmal an.
Schon bald hören wir Trommeln und Blasinstrumente. Zu sehen ist außer einer dichten Qualmwolke nichts. Jetzt holen die erfahrenen Besucher ihre Atemschutzmasken heraus, denn die vielen qualmenden Weihrauchkessel bringen die Zuschauer zum weinen und zum husten. Angeführt wird die Prozession von Männern im Römerkostüm. Es folgen Träger mit den nummerierten Bildtafeln der Kreuzigungsstationen. Männer in lila Gewändern laufen jetzt links und rechts der Straße mit einem langen Seil in Händen, damit trennen sie den Umzug von den Zuschauern. Denn jetzt kommen die dicht hintereinander laufenden Männer in ihren lila Kutten mit dem größten der tonnenschweren Gestelle auf ihren Schultern. Die geschnitzte hölzerne Plattform mit ihren Aufbauten – mittig Jesus mit dem Kreuz – schwankt wie ein Schiff durch die Straße. Lange hält diese Anstrengung niemand aus, deshalb wird ständig während des Laufens gewechselt. Die Plattform mit Maria wird dagegen von Frauen getragen. Hinter den Figuren folgt jeweils eine Musikkapelle. Dazwischen jeweils drei Mayas in Tracht mit Flöte und Trommeln. Am Ende der Prozession folgen mehrere Müllwagen und kehren die zertretenen Alfombras und alles was sonst noch rumliegt auf. Dahinter sieht es aus, als sei nie etwas gewesen.
Bis nachts um 2 Uhr dauert dieser Umzug. Schön, dass wir das miterleben konnten, denn morgen verlassen wir Guatemala, dieses wunderschöne Land, das so viel zu bieten hat.
Super eindrucksvoller Foto-Bericht! Ostern mal ganz anders – ohne Eier und Hasen (vom Tiermarkt abgesehen…)!
Weiterhin gute Reise auf dem Weg gen Süden!