Popayán und Salento (Kolumbien)

Die Tickets für die Weiterfahrt nach Popayán kaufen wir in einer Agentur auf der Hauptstraße. Für die 136 Kilometer Entfernung werden 4 Stunden veranschlagt, kaum vorstellbar. Bis zur Abfahrt haben wir noch eine halbe Stunde Zeit und gehen frühstücken. Als wir zurückkommen, lädt der Inhaber der Agentur unser Gepäck in seinen PKW und fährt uns ein paar Kilometer aus der Stadt heraus bis zu einer Straßengabelung. An dem steilen Berghang gegenüber wächst Kaffee. Der Hang ist so steil und so hoch, dass die Weinberge an der Mosel dagegen was für Anfänger sind.

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Unser Fahrer wartet gemeinsam mit uns auf den Bus, der aus Pitalito kommend nach Popayán fährt. Erst als er sicher ist, dass wir im richtigen Bus sitzen, fährt er zurück. Die Straße ist sehr kurvenreich und ich bin wieder unglaublich dankbar, dass Klaus und ich keine Reiseübelkeit kennen. Leider trifft das nicht auf alle Mitreisenden in unserem kleinen Bus zu. Die Spucktüten werden ausgiebig genutzt. Wenn man bei dem ständigen hin- und herschaukeln glaubt, es könne nicht schlimmer kommen, ist das ein Irrtum. Nach zwanzig Kilometern ist den Straßenbauern der Asphalt ausgegangen, und jetzt sucht der Fahrer im strömenden Regen seinen Weg zwischen Schlaglöchern, in denen sich ein Elefant bequem schlafen legen könnte. Dabei ist das hier die Hauptverbindung.

Der Bus durchquert den Puracé Nationalpark, der nach dem sehr aktiven 4.750 Meter hohen Schichtvulkan benannt ist. Die Vegetation ist äußerst abwechslungsreich und streckenweise so dicht, dass sie für Menschen undurchdringlich ist. Irgendwann muss der Bus anhalten. Mehrere Dutzend Motorräder stehen schon kreuz und quer auf der Straße, hier findet eine Polizeikontrolle statt. Alle Männer müssen mit ihrem Gepäck den Bus verlassen und werden draußen kontrolliert. Im Bus lassen sich Polizisten das restliche Handgepäck zeigen und öffnen bei den Einheimischen jede Tasche, jeden Rucksack. Meiner wird halbherzig von außen abgetastet. Drogen sind auch nach dem Tode Escobars ein allgegenwärtiges Thema, zu groß die Gewinne, als das man auf dieses einträgliche Geschäft verzichtet.

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die Werkstatt seines Vertrauens

Plötzlich ein Knall, der Fahrer stoppt und schaut nach: Ein Reifen ist geplatzt. Da der Bus über Doppelbereifung verfügt, können wir die Fahrt bis zur nächsten Werkstatt fortsetzen. Einige Kilometer vor Popayán erreichen wir dann wieder eine befestigte Straße und 5,5 Stunden nach Fahrtantritt auch das Ziel.

Die Außenbezirke und die Neustadt der 250.000 Einwohner-Stadt sind ziemlich uninteressant. Die große Altstadt – auch die weiße Stadt genannt – mit ihrer kolonialen Architektur ist unser Ziel.

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Als wir am Abend auf der Suche nach einem Restaurant durch die Straßen laufen, macht die Altstadt den Eindruck, sich auf eine Belagerung vorzubereiten. Zwar beleuchten die eckigen Laternen an den Häusern die Straßen einigermaßen, aber wo wir auch hinkommen, die massiven dunklen Holztüren sind verschlossen und die eisernen Gitter davor ebenfalls. Kein Lichtschein dringt aus den Häusern. Eine junge Frau, die gerade ihre Mutter abholt, fährt uns zu dem vermutlich einzigen offenen Lokal und rettet uns vor dem Hungertod. Nochmals herzlichen Dank Maria.

In der Kathedrale
Theater unten ‚Demonstratiönchen‘
Baum mit Louisiana Moos
Juristische Fakultät

Heute – am Montag, dem 24. Juni – ist Fronleichnam und somit Nationalfeiertag, erklärt uns der Hotelbesitzer später, deshalb ist alles geschlossen. Und wirklich ist die Stadt am nächsten Morgen nicht wiederzuerkennen. Die jetzt geöffneten Türen führen in Geschäfte und Lokale aller Art. Verkaufsstände stehen rund um den Platz vor der Kirche und in den nahe gelegenen Straßen. Dazu duftet es überall nach Ananas. Die bereits geschälten goldgelben Früchte schmecken köstlich, und wo kommen auf einmal die vielen Menschen her? Auch am Abend sind noch etliche Türen geöffnet und wir bekommen in einem Restaurant, aus dem es verlockend duftet, das bisher beste Stück Fleisch während unserer Kolumbienreise.

Die Weiterreise geht zunächst nach Cali, der drittgrößten Stadt in Kolumbien. Die Einfallstraße hat einen 15 bis 20 Meter breiten Grünstreifen in der Mitte, der demnächst wohl einer Buslinie nach dem Vorbild Bogotas zum Opfer fallen wird.

Der zweistöckige Busbahnhof bietet Geschäfte, Restaurants, Frisör, Schönheitssalon und eine Bankfiliale. Wir kaufen die Fahrscheine für die Weiterfahrt und sehen, dass wir bis zur Abfahrt noch gut zwei Stunden Aufenthalt haben. Zeit genug, etwas zu essen und gemütlich zum Wartebereich zu schlendern. Ein Blick auf seinen Rucksack lässt Klaus wie von der Tarantel gestochen hochfahren. Die kleine Reisegitarre fehlt, sie ist im Gepäckfach des letzten Busses liegengeblieben. Und plötzlich verfliegt die Zeit nur so, die Abfahrtszeit des Anschlussbusses rückt näher, gerade noch rechtzeitig kommt mein Mann strahlend mit seiner Gitarre zurück. Der Bus war noch da, Fahrer brauchen schließlich auch eine Mittagspause.

Eine halbe Stunde, nachdem der Bus Cali verlassen hat, werden wir erneut von einer Polizeikontrolle gestoppt. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter: „Amigo,“ sagt er „das passt mir jetzt überhaupt nicht, ich bin sowieso schon spät dran.“ Und der Polizist winkt ihn weiter. Gute drei Stunden braucht der Bus bis Armenia, dort steigen wir um und fahren mit dem öffentlichen Bus im Feierabendverkehr noch knapp 30 Kilometer bergauf nach Salento. Die kleine Ortschaft liegt in der Kaffeeanbauregion auf 1900 Meter Höhe. Gleich nach der Ankunft folgen wir der Empfehlung einer Hostelmitarbeiterin und kehren im 50 Meter entfernten Lokal ein. Spezialität ist in den hiesigen Restaurants Forelle aus den nahen Gebirgsbächen. Wir entscheiden uns für die gegrillte Version, die auf Patacones (frittierte und plattierte Kochbananen) serviert wird, und zu der es eine fruchtige Ananas-Salsa gibt. Und dazu einen der hier immer köstlichen Fruchtsäfte. Wie werden wir in Deutschland Lulo, Guruba oder Guanabana vermissen. Wir sind so begeistert, dass wir auch in den nächsten Tagen zum essen in das Lokal gehen. Auch hier hat der Wirt alte Autoreifen verwendet, und zwar als Sitzmöbel. Drei farbig lackierte liegen übereinander, der obere hat ein geknüpftes Netz als Sitzfläche. Die Luxusversion ist mit Rückenlehne, ebenfalls ein Reifen, der mit zwei Latten an den unteren befestigt ist.

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Am nächsten Morgen sehen wir erst, in welch wunderschöner Gegend wir gelandet sind. Die Andengipfel ragen bis zu 4.750 Meter in die Höhe, mal sind sie von Wolken verhüllt, dann wieder sieht man sie vor blauem Himmel. Der Ort selbst ist ein beliebtes Ausflugsziel und hat im Zentrum noch die schönen bunten Häuser der Kaffeebauern. Heute sind sie fast alle zu Andenkenläden und Restaurants umgebaut worden, doch ihren Charme hat der Ort dadurch nicht verloren. Von hier aus gelangt man auch in den Parque Nacional Natural los Nevados (Nationalpark Los Nevados), zu dem die drei großen Vulkane Nevado de Santa Isabel (4.950 m), Nevado del Tolima (5.215 m) und Nevado del Ruiz (5.311 m) gehören. Gerade der letzte ist uns durch seinen spektakulären Ausbruch 1985 noch im Gedächtnis, als in der 47 Kilometer entfernten Stadt Armero über 22.000 Menschen durch eine Schlammlavine ums Leben kamen. Noch immer habe ich das Bild des 12-jährigen Mädchens vor Augen, das im Schlamm feststeckte und dem die Welt beim Ersticken zusah. Obwohl die Vulkane in der Nähe des Äquators liegen, sind ihre Gipfel ganzjährig schneebedeckt.

Klaus ist stark erkältet und so müssen wir die geplanten Ausflüge verschieben. Zu unserer Freude ist Amira, unsere liebenswerte Reisebekanntschaft aus El Salvador, gerade in Salento. Natürlich treffen wir uns und erzählen uns beim Mittagessen unter viel Gelächter unsere bisherigen Reiseerlebnisse.

Am Wochenende wird es voll. Die Besucher bummeln durch die Hauptstraße und stöbern in den vielen Geschäften. Rund um die Plaza de  Bolivar vor der Kirche drängen sich die fliegenden Händler. Besonders gut gefällt uns die „Kinderbelustigung“, mehrere kleine Autos stehen in Reihe vor der Kirche. Die Kinder wollen unbedingt damit fahren und 2.000 COP (0,50 €) scheint ein angemessener Preis zu sein. Sobald das Kind hinter dem Lenkrad sitzt, schieben die Eltern es wie einen Kinderwagen mehrmals um den Platz.

Umweltfreundlich ist das auf jeden Fall, nur Muskelkraft und Ausdauer sind erforderlich.

Der Aufstieg zum Aussichtspunkt ist ganz schön anstrengend, 6 Treppen mit jeweils 34 Stufen führen nach oben, wo man auf der einen Seite einen schönen Blick auf die Stadt und auf der anderen in die Berge mit Kaffeeplantagen hat. Am Abend spielt Kolumbien im Viertelfinale gegen Peru und verliert im Elfmeter-Schießen. Das Tragen der Fußballtrikots hat nicht geholfen.

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Am Sonntag fühlt sich Klaus dann soweit gut, dass wir ins Cocoratal fahren können. Wir wissen, dass es nicht die beste Wahl ist, aber dass es so voll ist haben wir nicht erwartet. Alte Jeeps fahren die Besucher zum 11 Kilometer entfernten Parkeingang. Normalerweise werden jeweils acht Personen mit einem Fahrzeug befördert, bei dem heutigen Andrang müssen sich zwölf den knappen Platz teilen, wobei zwei hinten auf der Plattform stehen. Mit uns fahren Maria und Freddy aus Medellin, mit denen wir in der Warteschlange ins Gespräch gekommen sind. Beide sprechen gut englisch, eine Seltenheit hier. Die Jeeps fahren im Abstand von wenigen Minuten los. Schnell lassen wir den Ort hinter uns und fahren auf schmaler Straße durch die Berge. Außer Kaffee werden auch Avocados hier angebaut.

Der Eintritt ins Valle de Cocora ist frei, wer allerdings den Weg zum Mirador wählt, muss 4.000 COP
(1,08 €) bezahlen. Wir laufen einen anderen Weg – nicht wegen des Eintrittspreises – der Aufstieg ist uns zu steil. Maria erzählt mir, dass diese Region für ihren Kinderreichtum bekannt ist. Pro Familie sind 15 bis 20 Kinder normal, 24 soll es auch schon gegeben haben. Die Männer haben nicht etwa mehrere Frauen, die eine, die einzige Ehefrau hat sie alle zu Welt gebracht. Auf meine Frage nach der Kindersterblichkeit lächelt Maria: „Nein, die überleben alle.“

Das Cocoratal ist wegen seiner landschaftlichen Schönheit und seiner Wachspalmen bekannt. In einer Gegend, die der Schweiz nicht unähnlich ist, wo Rinderherden auf grünen Hängen weiden, ragen schlanke Palmen 50 bis 60 Meter in die Höhe, ein surreales Bild. Auf dem staubigen Weg werden wir immer wieder von Pferden überholt, die hier zu hunderten vermietet werden. An einem Bach ist für die Fußgänger erstmal Schluss, die Reiter haben es da besser, bei ihnen bleiben die Füße trocken. Ein schmaler Weg führt rechts in den Wald und bald erreichen wir eine Brücke über den Bach. Danach wird der Weg matschig und rutschig. Noch einmal geht es auf einem Baumstamm über den Bach und danach auf Felsen steil bergauf. Für die Pferde ist hier der Endpunkt erreicht, ab hier geht es nur auf den eigenen Füßen weiter. Die meisten Ausflügler sind längst zurückgeblieben. Wir suchen uns einen Platz für unser Picknick und gehen denselben Weg zurück. An der ersten Brücke kommt uns eine Gruppe in eleganter Kleidung entgegen. Eine der Frauen trägt ein Kleid aus aprikotfarbener Spitze und zierliche goldfarbene Pumps. Ohne unsere helfenden Hände kommt sie nicht von der schrägen Brücke herunter. Wie das wohl weitergeht?

Am Morgen waren schon viele Menschen unterwegs, jetzt hat sich die Anzahl nochmals vervielfacht, nichts wie weg ist unser Motto und wir steigen in den nächsten Jeep.

Um halb acht fahren wir am Montag Morgen zur Busstation und weiter nach Armenia. Busse nach Bogota sollen von hier im Stundentakt abfahren. Das ist eindeutig falsch. Die Buslinie, auf die wir gesetzt haben, fährt erst abends um 19.30 ab. Die zweite Gesellschaft um 14 Uhr, die dritte überhaupt nicht bis Bogota. Bei der vierten landen wir einen Treffer. Der Bus soll um 9.30 Uhr abfahren, den schaffen wir gerade noch. Die Dauer der Fahrzeit ist nur kurz rätselhaft. Der Bus schraubt sich hinter der Stadt zielstrebig die Berge hoch, bald sind wir in den Wolken und erreichen nach einigen Stunden eine Höhe von über 3.500 Metern.

Die unvollendete….

Vor Jahren hat man damit begonnen, diese Region durch Brücken und Tunnel leichter erreichbar zu machen, vollendet wurde dieses ehrgeizige Projekt jedoch bis heute nicht. Auf den halbfertigen Brücken wachsen inzwischen wieder Büsche und Sträucher. Nach wie vor müssen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus dieser Region auf der kurvenreichen Straße in die Hauptstadt befördert werden.

Der Taxifahrer – ein Mann von Mitte vierzig – der uns zum Hotel fährt, trägt eine Zahnspange. Keine Seltenheit in diesem Land, hier scheint man mit der Zahnkorrektur erst im Erwachsenenalter anzufangen.

Am letzten Abend in Bogota finden wir ein kleines verstecktes Lokal. Der Besitzer ist außer sich vor Freude über die deutschen Touristen. Wir bestellen nach seiner Empfehlung. Immer wieder kommt er an unseren Tisch und sucht das Gespräch, bringt ein Getränk auf Kosten des Hauses, aber in der gut einsehbaren Küche tut sich nichts. Nach einer Stunde plötzlich lautes Gepolter, ein Mann wuchtet eine Gasflasche herein und im Handumdrehen zischt es in der Pfanne, brodelt es in den Töpfen und eineinhalb Stunden nach der Bestellung bekommen wir auch unser Essen.

Am Morgen fliegen wir nach Leticia. Diese Stadt im Südosten Kolumbiens ist nur auf dem Luft- oder Wasserweg erreichbar, ringsherum nichts als Urwald. Am Flughafen nochmal eine Irritation, dieses Mal nimmt die Dame an der Gepäckaufgabe Anstoß an den großen Rädern an unseren Koffern. Da hilft kein Protest, wir müssen zu einem Extra Schalter für übergroßes Gepäck. Sie deutet mit der Hand in etwa die Richtung an und wendet sich dem nächsten Fluggast zu. Wir irren durch die Abflughalle, nirgends ein Hinweis, wo dieser Schalter zu finden ist. Erst nach mehrmaligem Fragen finden wir ihn. Dort versteht man nicht, warum wir hier sind, aber schließlich nimmt man uns die Koffer doch ab.

Schwüle Hitze in Leticia. Kleidung, die in Bogota für 17 Grad richtig ist, klebt hier unangenehm am Körper. Wir holen uns im Imigrationsbüro gleich die Ausreisestempel aus Kolumbien, denn lange wollen wir uns hier nicht mehr aufhalten. Im Hostel unter die Dusche und luftige Kleidung anziehen, dann lassen wir uns zum Hafen in Tabatinga fahren. Tabatinga liegt bereits in Brasilien, beide Städte gehen ohne deutlich sichtbare Grenze ineinander über, kein Schlagbaum, keine Kontrollen.

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Leticia hat allerdings die schöneren Geschäfte und wirkt gepflegter. Von hier aus wollen wir mit einem Schiff auf dem Amazonas bis zur Atlantikküste fahren. Ein Schiff geht bereits am nächsten Tag. Die Fahrkarten kann man allerdings nur bar bezahlen, eine Bankfiliale sei ganz in der Nähe. In der Banco do Brasil stehen 10 Geldautomaten. Beim ersten wird eine Höchstgrenze von 600 Real (150 €) angezeigt, der nächste bietet 300 und der dritte 150 an. Ausgezahlt wird allerdings gar nichts. Geld bekommen wir erst bei der dritten Bank, die anderen sind nicht auf ausländische Kreditkarten eingerichtet. Jetzt brauchen wir noch den Einreisestempel für Brasilien, den gibt es in der Polizeistation auf der Hauptstraße. Danach holen wir erleichtert unsere Fahrkarten ab, morgen sind wir in Brasilien.

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