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Rico schickt einen seiner Mitarbeiter zur Straße, um den nächsten Bus anzuhalten, der nach Siem Reap fährt. Keine fünf Minuten später ruft er und wir hasten mit Gepäck auf die Straße. Schnelle Umarmung und wir sitzen im Bus.
Unterwegs hatten wir unser Hotel kontaktiert und rufen verabredungsgemäß nach der Ankunft in Siem Reap noch mal an. Kurze Zeit später kommt das Tuktuk und bringt uns zum Hotel. Es liegt außerhalb und hat einen Pool – wunderbar. Der holländische Besitzer hat alles perfekt organisiert und erklärt uns was wir zur Besichtigung von Angkor wissen müssen. Angkor ist eine 40.000 ha große Region, die zwischen dem 9. Und 15. Jahrhundert das Zentrum des Khmer-Königreiches war. Es gibt Tickets mit Gültigkeit für einen, drei oder sieben Tage. Wir hatten uns eigentlich für die mittlere Version entschieden, aber im Hinblick auf meinen immer noch schmerzenden Fuß werden wir nur einen Tagesbesuch machen.
Aber zuerst lassen wir uns abends in die Innenstadt fahren. Siem Reap hat etliche Luxushotels und auch entsprechende Geschäfte. Je näher wir dem Zentrum kommen, umso mehr Touristen sehen wir. Lokal an Lokal, Bar an Bar und Tuktus in Reihe, hier sieht man genau, woher die Einnahmen kommen. Ein- oder mehrfarbig bebilderte Touristen schieben sich dicht an dicht durch die erleuchteten Straßen der Altstadt. Natürlich sind wir auch Touristen, aber bei uns löst ein Blick auf die Massen unwillkürlich einen Fluchtreflex aus. Unser ausgewähltes Restaurant liegt zum Glück in dritter Reihe, aber einen wirklichen Geheimtipp kann es hier im Zentrum nicht mehr geben. Die gefüllten Frösche auf der Speisekarte wässern uns nicht den Mund, wir entscheiden uns für Amok, eine Art Eintopf, den es mit Fisch oder Fleisch gibt. Und danach nichts wie zurück in unser ruhig gelegenes Hotel.
Den nächsten Tag verbringen wir im Wasser und im schönen Garten. Um vier Uhr holt uns unser Fahrer ab und es entwickelt sich folgender Dialog auf englisch:
Er: „Kohl in Berlin?“
Ich: „Nein, Merkel. Kohl ist tot.“
Seine Augen weiten sich und er startet einen neuen Versuch: „Kohl in Berlin!“ Dabei schüttelt er sich, klappert mit den Zähnen und schlingt die Arme um sich.
Der Mann hat Recht, es ist kalt in Berlin!
Er bringt uns zur Ticket-Verkaufsstelle um die Eintrittskarten für den nächsten Tag zu kaufen. Ab 16.45 Uhr öffnen die Schalter. „Stellt euch nicht hinter Chinesen an,“ meint er „bei denen dauert es immer ewig.“ Wir befolgen seinen Rat und suchen in der großen Schalterhalle einen ohne. Pünktlich wird geöffnet und dann geht es wie am Fließband. Zuerst wird man fotografiert, dann das Ticket mit Foto ausgedruckt und die 37 US$ für einen Tag gezahlt. Es gibt eine Besonderheit, mit unserem Eintrittsausweis dürfen wir ab 17 Uhr bereits auf das Gelände, um beim Pre RupTempel den Sonnenuntergang zu betrachten und zu fotografieren. Natürlich machen das viele, und so knattern die Tuktuks gleich einer riesigen Schlange alle in dieselbe Richtung, um die erwartungsvollen Besucher in das geheimnisvolle Angkor zu bringen.
Sowohl an der Einfahrtsstraße als auch beim Tempel werden unsere Karten sorgfältig kontrolliert. Eine Menge Personal wird hier beschäftigt. Gut, dass die Einheimischen auf diese Weise von der alten Kulturstätte profitieren können.
Unser Fahrer zeigt in die Richtung, in der wir ihn wiederfinden werden und knattert davon. Wir laufen zum Tempel und steigen an einer Seite die ca. 45 cm hohen Stufen hinauf. Oben drängeln sich die Menschen an der Westseite wegen des zu erwartenden Sonnenuntergangs. Wir haben gedacht, dass man von oben einen Blick auf andere Tempel hat, aber man sieht nur Wald. Da erscheint uns der Sonnenuntergang nicht so verlockend und wir klettern wieder runter, bevor es alle tun und sehen uns lieber – beinahe allein – unten um. Eigentlich ist auch nicht der Ausblick vom Tempel im Sonnenuntergang, sondern der Tempel selbst – der in diesem Licht eine warme Bernsteinfarbe annimmt – die Sehenswürdigkeit. Aber beides wird durch Wolken heute verhindert.
Wir haben die Möglichkeit, schon morgens um 5 Uhr zum Sonnenaufgang nach Angkor zu fahren, da es aber nachmittags heftig geregnet hat und der Himmel immer noch bewölkt ist, meint unser Fahrer, dass sich das nicht lohnt. So verabreden wir uns für 9 Uhr am nächsten Morgen.
Um diese Zeit ist schon eine endlose Blechschlange unterwegs in die wir uns einreihen. Viele große Busse steuern als erstes Angkor Wat an, die Tuktuk-Fahrer durchbrechen diesen Automatismus und fahren entgegen der üblichen Reihenfolge an Angkor Wat vorbei nach Angkor Thom, der größten Anlage mit einer Seitenlänge von 3 Kilometern. Wir sehen die Menschenmassen, die auf dem Zugang stehen und sind froh über diese Entscheidung. In Angkor Tom sind immer noch mehr als genug Touristen, aber doch deutlich weniger als am Wat. Wir gehen zu Fuß über die Brücke, die uns wegen ihrer einzigartigen Gestaltung sprachlos macht. Dicht an dicht viele überlebensgroße Steinfiguren in Hockstellung hintereinander. Jede hat unter dem Arm einen Steinblock, der das Geländer bildet. Links hocken die Guten, rechts die Dämonen. Die Figuren sind zum Teil stark verwittert, werden aber nach und nach restauriert. Kein Gesicht gleicht dem anderen. Gestaltung und Ausführung begeistern noch heute und der Respekt vor den Erbauern kann gar nicht groß genug sein.
Und die Brücke ist erst der Anfang. Nachdem wir durch das Portal gegangen sind, sehen wir die vielen Türme des Bayon-Tempels.
Auf jedem sind nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtete mehrere Meter große Gesichter angebracht. Insgesamt sind es beinahe 200. Überall sind Verzierungen, die feinsten Reliefs, Friese, Kapitäle und Skulpturen. Um alles genau zu betrachten brauchte man Wochen. Das Gebäude ist total verschachtelt. Man gelangt von Raum zu Raum und verliert dabei total die Orientierung. Es gibt zwar eine vorgeschriebene Gehrichtung, aber weil sich nicht alle daran halten, gibt es bei den engen Durchgängen immer wieder Drängeleien. Je heißer es draußen wird, um so mehr Besucher wollen ins kühle Innere.
Vom Bayon Tempel führt ein 200 Meter langer Weg zum Baphuon Tempel. Auf einem Platz tummeln sich Affen. Man soll sie auf keinen Fall füttern, aber das kümmert viele Touristen überhaupt nicht. Sie verteilen mit lächelnder Miene gekochte Maiskolben und andere Leckereien und versuchen Fotos von sich mit den fressenden Tieren zu machen. Ein Affe trinkt wie ein Mensch aus einer Wasserflasche und wird sofort zum Lieblings-Fotomotiv.
Beim Baphuon Tempel kann man auf die dritte Ebene klettern. Die Aussicht soll toll sein, aber bei den Temperaturen machen nur wenige Menschen von der Möglicheit Gebrauch. Wir finden ihn auch von unten eindrucksvoll und laufen außen herum. Auf der Rückseite ist ein 60 Meter langer liegender Buddha im Halbrelief zu erahnen.
Weiter zum Phimeanakas Tempel und zur Terrasse des Lepra-Königs, der einen besonderen Schatz bereit hält, ein Relief, das perlengeschmückte Tänzerinnen und bewaffnete Krieger zeigt. Die Detailtreue und die Vielfalt bei den Gesichtern ist verblüffend. Das Relief zählt zu den schönsten Kunstwerken der Khmer-Aera.
Nachdem wir die Elefantenterrasse entlang gelaufen sind, die wirklich zum Andenken und zur Verehrung der vielen Arbeitselefanten errichtet wurde, treffen wir unseren Fahrer wieder.
Er bringt uns zum Ta Phrom Tempel. Auch wer noch nie in Angkor war hat mit Sicherheit schon Bilder von dieser Anlage gesehen. Sie ist bekannt dafür, dass viele Würgefeigen ihre Wurzeln durch und über das Gemäuer gewunden haben. Im Film „Lara Croft“ findet man die Ruinen als Kulisse.
Hier will natürlich jeder so viele Fotos machen, wie nur möglich. Es könnte auch so einfach sein. Hundert Personen können mit einigen Einschränkungen ein und dasselbe Motiv gleichzeitig fotografieren. Aber wenn jeder dieser Hundert zusammen mit dem Motiv im Hintergrund fotografiert werden will, braucht man unendlich viel Zeit und Geduld. Hat man dann den seltenen Moment erwischt, wo niemand davor steht, rennen die Menschen ohne Rücksicht durchs Bild. Besonders Reisende aus einem Land sind da völlig schmerzfrei. Ich will ja keinen Namen nennen, aber das Land fängt mit Chi an und hört mit na auf. Das ist nicht nur unsere Meinung, Gespräche mit anderen Reisenden bestätigen diesen Eindruck immer wieder.
Unser Fahrer empfiehlt uns ein Restaurant fürs Mittagessen, das einen klimatisierten Raum hat. Das ist wirklich das Beste, was wir jetzt tun können. Und wir merken, wie gut uns die Pause in der kühen Gaststätte bekommt. Jetzt sind wir bereit für Angkor Wat.
Diese rechteckige Tempelanlage hat Abmessungen, die Fotos können einfach nicht vermitteln können. Jede Seite ist über einen Kilometer lang. Außen herum verläuft ein rund 200 Meter breiter Wassergraben und über eine schwankende Pontonbrücke aus Plastikelementen führt der Weg zum Eingang. Die fünf markanten Türme hat sicher jeder schon mal abgebildet gesehen, und wenn es nur auf der Flagge Kambodschas ist. Zum Glück wurde dieser ganze Bezirk als Ausdruck der Religion nicht von den Roten Khmer zerstört.
Die Mitte bildet der 65 m große Turm – der wahrscheinlich als Totentempel gedacht war – umgeben von vier Ecktürmen. Man kann gegen extra Eintrittsgeld hochsteigen, und die willigen Touristen reihen sich in die über 100 Meter lange Schlange – in der mindestens fünf Menschen nebeneinander stehen – ein.
Dieser Turmkomplex ist von einem umlaufenden Hof umgeben. Dann folgt ein breiter überdachter Gang, dann die Becken der heiligen Bäder und ein weiterer überdachter Gang, jeweils 800 Meter lang. In diesem Gang sind die Wände mit Reliefs bedeckt, die eine fortlaufende Geschichte von Kriegen, Eroberungen und Niederlagen und religiösen Szenen zeigen. Man wird einfach sprachlos angesichts dieser kunstvollen Darstellungen.
Was für ein wunderbarer, Ehrfurcht einflößender Tag. Ganz erfüllt von all dem Schönen kehren wir in unser Hotel zurück.