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Wir warten auf unser Taxi, als es plötzlich knallt. Schon vor fünf Minuten ist mir ein Autofahrer aufgefallen, der sich unsicher an sein Lenkrad klammert. Er dreht den Kopf nach links und rechts auf der Suche nach einem Parkplatz. Dann hält er vor dem Restaurant gegenüber von unserem Hotel, lässt Frau und Tochter aussteigen und sucht erneut eine Stelle, wo er sein Auto abstellen kann. Dreimal versucht er zu parken, dreimal gibt er auf, um dann an derselben Stelle – wo Frau und Tochter ausgestiegen sind – anzuhalten und die Tür aufzureißen. Ein Mopedfahrer kann nicht mehr ausweichen, fährt gegen die Tür und stürzt. Laut weinend liegt er auf der Straße und umklammert sein Knie. Schnell sind ein paar Leute da, richten sein Moped auf, sammeln den heruntergefallenen Zeitungsstapel auf und versuchen, ihm auf die Beine zu helfen. Der Verursacher klopft an ihm herum, befühlt ihn hier und da und hat auch sofort ein wirksames Schmerzmittel in der Hand: mehrere Geldscheine, die rasch in der Tasche des Verletzten landen und eine Wunderheilung bewirken. Den Ausgang bekommen wir nicht mehr mit, das Taxi ist da.
Mit der Fähre geht es von Georgetown auf die andere Seite nach Butterworth. Vom Terminal aus fahren ständig Busse durch ein Riesenbaustelle zum Busterminal. Wir hatten im Internet unsere Fahrkarten gebucht, konnten sie aber nirgends ausdrucken. Unsere Sorge war umsonst, hier wird auch die elektronische Version akzeptiert. Wir fahren durch Butterworth, überall Baustellen. Gegenüber Georgetown – der schönen Schwesterstadt auf Penang – besteht hier erheblicher Nachholbedarf. Die Fahrt bringt uns über die Autobahn zügig voran. Als wir die Küstenstadt Lumut erreichen, genügt ein Telefonanruf bei unserem Vermieter und fünf Minuten später werden wir an der Bushaltestelle abgeholt. Wir haben in einem Hochhaus ein Appartement gemietet. Es gibt eine Küche ohne Herd, aber dafür steht direkt neben dem Bett eine Waschmaschine.
Der Ausblick von unserem Balkon in der 13. Etage erfreut uns die nächsten Tage. Lumut selbst hat nicht viel zu bieten, die meisten Touristen nutzen nur den Fährhafen, um auf die Insel Pulau Pankor zu kommen, die ein beliebtes Ziel an Malaysias Westküste ist. Wir haben keine Zeit um auf die Insel zu fahren, wir waschen. Nach vielen Handwäschen machen wir Generalreinigung einschließlich der Schuhe.
Und dann macht Klaus Ohr mal wieder Probleme. Eine Klinik ist in der nächsten Stadt, die Chance nutzen wir. Wir sind sprachlos, was wir da vorfinden, ein hochmodernes Krankenhaus. Aufnahme, fünf Minuten später Voruntersuchung, kurz darauf der Facharzt. Er schreibt ein Rezept aus, und als wir in die Apotheke im selben Gebäude kommen, liegen die Medikamente unter seinem Namen schon bereit.
Zurück wollen wir mit Uber fahren. Leider ist nach der Bestellung des Autos der Akku im Handy leer. In einem Laden gegenüber vom Krankenhaus ist man gern bereit, das Handy kurz an den Strom anzuschließen. Im Display ist zu sehen, dass das bestellte Auto durch sämtliche Straßen in den Nähe kurvt, aber der Fahrer findet uns nicht, obwohl ich gut sichtbar am Straßenrand warte. Auch ein zweiter Versuch schlägt fehl. Eine Stunde später: Ein Angestellter aus dem Handyladen hat Feierabend; er erbarmt sich und fährt uns zurück. Er nimmt kein Geld und lässt sich auch nicht von uns ins Restaurant einladen. Wir können ihm nur herzlich danken und seine Hilfsbereitschaft loben.
Der nächste Tag beschert uns ein Wiedersehen mit Kuala Lumpur. Der Bus fährt um 7.30 Uhr in Lumut ab und wir sind gegen 13 Uhr in unserem Hotel. Unser Zimmer ist noch nicht bezugsfertig und wir wollen den Nachmittag am liebsten in einem der großen Parks in der Innenstadt verbringen. Nur eine Station mit dem öffentliche Nahverkehr, dann steigen wir an der großen Moschee aus, um zum Vogelpark zu laufen. Wir laufen schon eine Weile, als wir auf einen dieser kleinen offenen Busse treffen. Der Fahrer bietet uns eine Fahrt für 3 € durch die Parklandschaft an. Bei 35 Grad keine schlechte Idee.
Wie gut sie wirklich ist merken wir erst, als uns die Entfernung bewusst wird. Es geht an einem großen Teich vorbei zum Hirschgehege (Eintritt frei). Hier steigen wir aus und laufen zwischen den Volieren auf angelegten Wegen zum Gehege der Hirsche und wieder zurück. Der Fahrer nimmt uns auf seiner nächsten Runde mit zum Vogelpark. Schweißnass fehlt uns plötzlich die Motivation, in dem großen Gelände herumzulaufen. Auf dem Stadtplan sah alles so überschaubar aus, aber in Wirklichkeit ist die Parklandschaft riesig. Also zurück ins Hotel und eine kühle Dusche genießen. Abends noch ein wenig herumlaufen. Es ist sehr viel angenehmer ohne Sonnenschein, obwohl es nicht merklich kühler ist.
Am nächsten Morgen geht es auch wieder früh los. Eine vierstündige Bus- mit anschließender dreistündiger Bootsfahrt auf dem Sungei (Fluss) Tembeling soll uns in den Taman Negara (übersetzt Nationalpark) mit dem ältesten Regenwald der Welt (130 Millionen Jahre alt) bringen .
Der Fluss fließt durch einsames Gebiet. Die Freude ist groß, als ich einen spielenden Otter in Ufernähe entdecke. Auf halber Strecke auf dem Fluss geht ein tropischer Regen nieder. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil unserer Hartschalenkoffer gegenüber den Rucksäcken. Als es anfängt zu schütten, steuert der Bootsführer das Ufer an und bringt gemeinsam mit den Backpackern deren Rucksäcke ins Heck und deckt sie notdürftig mit einer Plane ab. Unsere Koffer können im Bug liegenbleiben. Das Dach über uns schützt nicht wirklich, der Regen kommt von allen Seiten und peitscht uns ins Gesicht. Wir suchen Schutz unter unserem Regenschirm. Unsere Mitfahrer und wir erreichen völlig durchnässt Kuala Tahan, das Dorf am Eingang des Parks. Unser Boot macht an einem schwimmenden Restaurant fest. Hier warten wir, bis es nur noch tröpfelt und machen uns über steile Treppen auf den Weg zu unsrer kleinen Lodge direkt am Ufer des Flusses. Während die Backpacker ihr tropfendes Gepäck schultern, sind unsere Koffer nur von außen nass.
Tags darauf sehen wir uns den Ort genauer an. Es gibt viele kleine Agenturen für Trekkingtouren in den Tahan Negara. Von einem halben bis zu drei Tagen mit Übernachtung im Zelt ist alles im Angebot. Wir entscheiden uns für die kürzeste Version und sollen am nächsten Tag um 9.15 Uhr wieder an der Agentur sein. Von den schwimmenden Restaurants legen kleine Fährboote nach Bedarf ab, um die Gäste auf die andere Seite zu bringen.
Man zahlt pro Person 1 Ringgit (20 Cent). Eine steile Treppe führt zum Eingang des Nationalparks und einem sehr großen Ressort mit über 100 Bungalows. Für das Gepäck gibt es hier einen „Aufzug.“ Die Eintrittskarte kostet ebenfalls 1 Ringgit und gilt maximal einen Monat. Sollte man bei einer Kontrolle keine Karte vorzeigen können, sind 10.000 Ringgit fällig, ersatzweise bis zu 2 Jahren Gefängnis!?
Mit einem Führer gehen wir und drei junge Franzosen auf die Tour. Das Hauptmerkmal dieser Führung liegt auf der Pflanzenwelt.
Er zeigt uns Ingwer und Hibiskus, die Nationalblume Malaysias. Beide werden auch zur Heilung von Krankheiten eingesetzt. Ingwer gegen Magenprobleme, Erkältungen und Fieber. Die Blätter des Hibiskus sind ebenfalls fiebersenkend. Von einer anderen Pflanze werden die Blätter zerknüllt, ein bisschen Wasser dazu und dann solange zwischen den Händen gerieben, bis ein üppiger Schaum entsteht. Dieser wirkt blutstillend oder gegen den Juckreiz nach Insektenstichen. Wir sehen Rattan, der dicht mit Stacheln bestückt ist, die lang und spitz wie Stecknadeln sind. Hat die aufwärts strebende Ranke Halt gefunden, fallen die Stacheln ab. Armdicke Lianen hängen immer wieder quer über unseren Weg, der zuerst über bequeme Stufen und später steil bergauf durch unwegsames Gelände geht. Lianen haben innen Wasseradern. Ist die Flüssigkeit klar, kann man sie trinken. Wenn sie allerdings rot oder milchig ist, ist sie giftig. Auch verschiedene Bambusarten sind wasserspendend und können Menschen helfen im Dschungel zu überleben.
Während Bambus bis zu 1,5 Meter pro Tag wachsen kann, schaffen manche der Urwaldriesen gerade mal 2,5 Zentimeter pro Jahr. Je geringer das Wachstum, umso dichter das Holz, das auch unbehandelt resistent gegen Fäulnis und Insektenfraß ist. Einige Pflanzen haben so große Blätter, dass sie von Menschen als Sonnen- oder Regenschutz verwendet werden. Während dieser interessanten Erzählungen sind wir an dem angesteuerten Aussichtspunkt angekommen. Von hier aus sieht man auf der anderen Flussseite ein Dorf, das noch von Ureinwohnern, den Orang Asli bewohnt wird. Sie pflegen noch viele ihrer Traditionen, wie die Jagd mit dem Blasrohr aus Bambus. Die Pfeilspitzen werden mit einer giftigen Latexmilch präpariert. So erbeuten sie Affen, Vögel und Flughunde, die auf ihrem Speisezettel die Eiweißlieferanten sind.
Weiter führt der Weg zum nächsten Höhepunkt, dem Canopy-Trail, einem Baumwipfelpfad der in bis zu 60 Meter Höhe verläuft. Elf verschieden lange, auf- oder abwärts geneigte Stege, versehen mit einem Drahtnetz an beiden Seiten führen über 500 Meter weit durch den Urwald. Ein Teilstück endet und beginnt immer auf der Plattform um einen Baum. Im Abstand von 10 Metern zum Vordermann betritt man die schwankenden Stege. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, in dieser Höhe zu laufen aber keinesfalls ein unsicheres. Über eine leiterähnliche Treppe geht es zum Boden zurück. Das hat richtig Spaß gemacht. Bewohner dieser Baumwipfelzone bekamen wir allerdings nicht zu Gesicht. Und jetzt liegt nur noch der Rückweg über unzählige Stufen bergab vor uns.
Am nächsten Tag machen wir uns allein auf den Weg. Wir kaufen am Parkeingang eine Landkarte und laufen los, zuerst am Tahan Fluss (kleiner Nebenfluss) entlang, dann über Stufen bergauf. Es folgt ein Naturpfad über Wurzeln, Baumstämme, Schlammlöcher und Felsbrocken. Entgegen kommende junge Wanderer bitten uns, sehr vorsichtig zu sein, der Weg sei nicht ungefährlich. Scheinbar zweifelten sie an unserer Trittsicherheit. Wir sind gerührt und geben uns wirklich alle Mühe, ihnen zuliebe wieder heil zurück zu kommen.
Wenn uns im letzten Jahr jemand gefragt hätte: „Würdet ihr allein in den Urwald gehen?“ Wir hätten vehement den Kopf geschüttelt. Undenkbar! Und nun laufen wir hier alleine eine Strecke von 8 Kilometern, machen ab und zu auf einem dicken Baumstamm sitzend eine Pause und fühlen uns total sicher. Der letzte Kilometer fällt uns zwar nicht leicht, aber das liegt am kräftezehrenden Weg und der nun merklich größeren Mittagshitze. Eines ist uns klar geworden: Wilde Tiere, Schlangen und Urwaldvögel bekommt man auch hier nur durch lange Expeditionen tief in den Urwald und mit viel Geduld beim Ansitzen vor die Kamera.