Morelia und die Quinceañera (Mexiko)

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Wie bestellt steht morgens um 10.20 Uhr das Taxi vor dem Haus. Noch eine herzliche Verabschiedung von unseren beiden Gastgebern Herb und Susan, dann geht es wieder in Richtung Guadalajara. Unser Taxifahrer – ein ehemaliger Pilot – erzählt uns von seinem Leben in der ganzen Welt. Die Frage nach dem besten Land beantwortet er überzeugend mit: „Mexiko!“

Der neue Busbahnhof am Stadtrand ist riesig. Fahrkarten haben wir uns schon in einer Reiseagentur in Ajijic besorgt, so dass wir hier nicht anstehen müssen. Nach dem wir die Tickets vorgezeigt haben, dürfen wir in den mit Sesseln und großen Bildschirmen ausgestatteten Wartebereich. Eine Viertelstunde vor Abfahrt wird es vor dem Bussteig lebhaft. Tickets vorzeigen, dann drückt eine nette Dame jedem eine Flasche Wasser und eine kleine Schachtel mit einem Dognut in die Hand. Die Koffer bekommen einen Anhänger und werden im Gepäckfach verstaut. Vor dem Einstieg schaut ein Mann in Uniform oberflächlich ins Handgepäck, erst dann dürfen wir den Bus betreten. Hier gibt es pro Reihe nur drei weich gepolsterte Sitze, schön breit und mit viel Abstand zum Vordermann. Da kann man es sich richtig gemütlich machen. Wenn man die Lehnen nach hinten verstellt und die Fußstützen ausfährt, reist man wie in einem Liegestuhl. Dazu gibt es Bildschirme an jedem Platz mit Filmen und Musik zur Auswahl, Kopfhörer stecken in den Taschen der Vordersitze. Für Kinder sind auch ein paar Zeichentrick- bzw. Animationsfilme vorhanden.
Pünktlich auf die Minute fährt der Bus ab. Zuerst geht es durch die Randbezirke der Großstadt, dann nur noch durch grüne Landschaft. Maisfelder sind links und rechts der Autobahn zu sehen und so viele Rizinussträucher, dass man mit den Samen ganz Mexiko vergiften könnte.

Vulkankegel stehen dicht an dicht und mehrere große Seen breiten sich in der Landschaft aus. Der Bus fährt so sanft, als schwebe er über die Autobahn. Als wir diese verlassen, stehen mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten am Straßenrand. Für unseren Bus interessieren sie sich nicht, und wir erreichen unser Ziel Morelia nach angenehmer 3,5 stündiger Fahrt ohne Zwischenstopp. Auch hier verblüfft uns die Größe des Busbahnhofes. Praktisch, direkt in der Abfertigungshalle ist ein Taxischalter. Man nennt das Hotel, bezahlt den genannten fairen Preis und wird von einem der offiziellen Taxen ans Ziel gebracht.
Unser Hotel liegt in der historischen Altstadt, die 1991 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Die auf 1920 Meter Höhe gelegene Hauptstadt des Bundeslandes Michoacán hat 600.000 Einwohner und viele gut erhaltene Gebäude aus der Kolonialzeit. Das macht sie zur meistbesuchten Stadt Mexikos im Landesinneren. Gleich nach der Ankunft machen wir einen ersten Erkundungsgang und stehen begeistert vor der Kathedrale aus rosa Basalt im Barockstil. Ein Blick ins Innere zeigt, dass gerade Messe ist. Später erkennen wir das schon von außen. Stehen Bettler vor den Portalen, ist Messe. Wir verschieben die Besichtigung und laufen durch ein paar Straßen der imposanten Altstadt.

Die prächtigen Gebäude gegenüber der Kathedrale haben großzügige Arkaden, unter denen die vielen Restaurants Tische und Stühle dicht an dicht aufgestellt haben. Es ist wirklich ein schöner Platz zum essen. Es sind so viele Menschen unterwegs, da versuchen etliche Händler ihre Waren zu verkaufen: Schmuck, Rosen und auch viele traditionelle Handarbeiten. Ein „Nein danke“ genügt, und sie gehen weiter zum nächsten Tisch. Ein Mann verkauft Honig in großen Gläsern. Als wir abwinken bietet er uns stattdessen eine Gitarre an; auch eine interessante Geschäftsidee.
Ausgestattet mit einem Plan der Sehenswürdigkeiten machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Mercado de Dulces (Süßwarenmarkt). Unterwegs frühstücken wir in einem der vielen netten Lokale. Nach so vielen Monaten mit Toastbrot freuen wir uns jeden Morgen über leckeres frisch gebackenes Brot oder Brötchen.

Der Markt ist in einem Teil des Clavijero Palastes untergebracht, dem ehemaligen Jesuitenkolleg. Hier werden die traditionellen handgefertigten Süßwaren angeboten: Kandierte Früchte, Waffeln, Karamellen, Kokosberge, Konfekt aus Fruchtmus, süß-scharfe Bonbons, Schokolade und vieles mehr. Aber nicht nur Süßwaren gibt es hier, auch Kunsthandwerk ist stark vertreten, darunter viele bestickte Blusen, Kleider und Schals, Stoffpuppen, Bilder, Holzarbeiten und normale Handelswaren. Über all dem liegt der süße Geruch der Naschereien.
Durch die Haupteinkaufsstraße schieben sich die Menschen. Auch hier sind viele Bettler unterwegs. Merkwürdigerweise sehen wir auch zwei Männer in sandfarbenen Uniformen, die ihre Schirmmütze den vorbeilaufenden Menschen entgegenstrecken. Auf der Suche nach Glückwunschkarten gehen wir in eine Papellerie (Papiergeschäft). Hier drängt sich eine dichte Menschentraube vor der Kasse. In drei Woche sind die Ferien zu Ende, und die Eltern nutzen das Wochenende um gemeinsam mit ihren Kindern die zwei DIN A 4 Seiten lange Liste abzuarbeiten. Es gibt alles – nur keine Glückwunschkarten.
Klaus muss ein paar Dinge wegen des neuen Handys klären. Ich schaue mich währenddessen in der Haushaltsabteilung des Kaufhauses um.

Die Waschmaschinen haben alle amerikanischen Standard: Große oben offene Trommeln, die die Wäsche nur hin und her drehen. In 20 bis 40 Minuten sind die rund 20 Kilogramm gewaschen und geschleudert. Auch die Kühlschränke entsprechen den in Amerika verwendeten, sie haben Eiswürfelbereiter und Wasserspender. Kochherde werden grundsätzlich mit Gas betrieben. Die meisten haben sechs Kochstellen und einen entsprechend großen Backofen. Schon ab 180 € wird man Besitzer eines solchen Herdes.

Wir laufen zum Aquädukt, einem Bauwerk im Barockstil mit 253 Bögen auf 1,8 Kilometer Länge. 1728 wurde auf Initiative des Bischofs Antonio de San Miguel mit dem Bau begonnen. Ziel war einerseits die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser und andererseits die Beschäftigung der indigenen Bevölkerung. Bis 1910 wurde es für die Wasserversorgung genutzt, heute erfreut es gut restauriert Besucher und Einheimische.
Im kleinen Park Villalongín suchen wir uns eine Bank im Schatten, um ein wenig auszuruhen und das Leben und Treiben zu beobachten. Wie bestellt fährt plötzlich eine Stretchlimousine vor und heraus arbeitet sich ein junges Mädchen im langen türkisfarbenen Kleid mit bauschigem Rock. Ihr folgen vier junge Männer in identischen Anzügen. Wir erleben hautnah eine Quinceañera, oder doch zumindest den Fototermin. In vielen Ländern Latein- und Südamerikas wird der 15. Geburtstag eines Mädchens als rauschendes Fest gefeiert. Ab jetzt wird es nicht mehr als Kind, sondern als Frau betrachtet. Gekleidet in ein festliches Ballkleid mit passendem Blumenstrauß, begleitet von Eltern und Geschwistern und den vier Ehrenherren geht es erst in die Kirche, dann zum Fototermin und später zum Feiern in ein Restaurant.

Die Eltern müssen tief in die Tasche greifen, um all den Pomp und Prunk zu bezahlen: Kleidung für alle, Frisör, Schönheitssalon, Fotograf, Leihwagen und dann die anschließende Feier für eine große Anzahl Gäste. Häufig ist die Summe höher als bei einer Hochzeit. Während wir interessiert zuschauen, treffen weitere geschmückte Limousinen mit herausgeputzten Familien ein. Die Kleider glitzern und funkeln im Sonnenlicht, petrol, tintenblau, weinrot, zartrosa und altrosa haben die jungen Damen gewählt. Die kleine Schwester einer Fünfzehnjährigen trägt ein Kleid in derselben Farbe. Die Hauptpersonen bewegen sich mit unterschiedlicher Anmut vor der Kamera, so dass einige Gruppen nach 15 Minuten weiterziehen können. Doch manchmal müssen die Fotografen richtig arbeiten. Da wird ein Arm graziös verbogen, dort der Hals überstreckt, alles um das perfekte Foto zu bekommen. Als wir nach über einer Stunde weitergehen, ist das türkisfarbene Team noch immer bei der Arbeit.

Die Schaufenster sind voll von Kleidern für diesen Anlass. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben außer weiß und schwarz. Eine Puppe im nahezu identischen Kleid in derselben Farbe gibt es dazu. Die sitzt dann wahrscheinlich lebenslang auf der Couch und erinnert an diesen einen Tag.
Am Abend ist die Straße vor der Kathedrale für den Autoverkehr gesperrt. Bei den vielen Menschen wäre ein Durchkommen sowieso unmöglich.
Exif_JPEG_420Das Bauwerk wird in allen Farben des Regenbogens angestrahlt und um 20.45 Uhr beginnt – wie an jedem Samstagabend – ein 15 minütiges Feuerwerk, begleitet von Musik, einer Erzählstimme und den begeisterten Ah’s und Oh’s der Zuschauer. Es dauert, bis sich danach die Menschenmasse verläuft. Nachdem wir uns zum Straßenrand durchgekämpft haben, schlüpfen in eine Nebenstraße und kommen doch recht schnell zu unserem Hotel.
Auch am Sonntag ist die Straße vor der Kathedrale gesperrt. Heute gehört sie Fußgängern, Skatern, Radfahrern und Hunden. Kinder wuseln herum und die Erwachsenen haben alle Zeit der Welt. Unter den Arkaden wird ausgiebig gefrühstückt, dabei kann man wunderbar die sportlichen Aktivitäten der Menschen auf der Straße beobachten.

Besonders beliebt ist ein Gespann aus 13 Fahrrädern, vorne eins, dahinter sechs Zweiergruppen jeweils mit bequemen Kindersitzen davor. Nach dem Gejohle zu urteilen, sind die Herrschaften nicht ganz nüchtern unterwegs. Eine Gruppe kostümierter junge Menschen zieht plötzlich die Blicke auf sich. Sie werben für eine Veranstaltung am Abend. Erzählt wird die Legende von Morelia.

Gegen Mittag können wir uns endlich die Kathedrale in aller Ruhe von innen anschauen. Sie ist sehr elegant im Stil der Neoklassik gestaltet. Besonders beachtenswert ist eine Christusstatue aus Maispaste.
Auf den Plätzen links und rechts der Kirche sind Clowns und mehrere Tänzer aktiv. Diese tragen Masken, gehen an Stöcken und fangen in ihren Schuhen mit klappernden Holzsohlen plötzlich gemächlich an zu tanzen.

Dann folgen solistische Einlagen in einem solchen Tempo, dass ihnen die Kleider um den Körper fliegen.
Dieser traditionelle Tanz der alten Männer (Danza de los Viejitos) gehört zu Michoacan wie die Gitarre zur Mariachi-Musik. Wir sehen uns diese großartige Vorstellung eine ganze Weile an. Heute ist hinter der Kathedrale auf einem kleinen eingezäunten Platz ein alternativer Markt aufgebaut. Es gibt selbst gemachte Konfitüren, Salsas, Kosmetik, den hier offenbar sehr beliebten Eierlikör, Schuhe, Schmuck und noch vieles mehr. Für 250 Pesos (11,25 €) gibt es hier schöne Schuhe aus geflochtenen Lederstreifen. Wenn wir doch bloß noch Platz in unseren Koffern hätten. Doch nicht nur auf diesem Markt kann man heute einkaufen, fast alle Geschäfte haben geöffnet und dadurch ist ein Leben in der Stadt, dass es eine Freude ist. Auf allen Plätzen sitzen Menschengruppen zusammen. Es ist so eine schöne Atmosphäre, wenn ich da an deutsche Innenstädte an Sonntagen denke … Offenbar sind Frömmigkeit und Sonntagsarbeit doch kein Widerspruch.
In einem der alten jetzt motorisierten Straßenbahnwagen – noch mit den Original-Holzbänken – machen wir eine Stadtrundfahrt. Der Tourleiter erzählt frei und anscheinend sehr humorvoll. Leider hat eine Mutter mit vier Kindern im Alter von eins bis fünf Jahren heute offenbar nichts Besseres vor, und so übertönen die Kleinen mit ihrem Gebrüll mühelos den sicherlich interessanten Vortrag. Von mehreren Seiten ertönt ein: „Pssst,“ das stört aber weder die kleinen Racker noch deren Mutter. Aber irgendwann geht auch diese Rundfahrt zu Ende und die Nerven und Ohren können sich erholen.

Uruapan – Volcano bumm (Mexiko)

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Montagmorgen, wir verlassen Morelia und nehmen den Bus nach Uruapan. Die Fahrt durch das Hochland zeigt uns wieder nur die grüne Seite Mexikos Die gut 100 Kilometer sind in zwei Stunden zurückgelegt, und wir finden uns in einer völlig anderen Stadt wieder. Verwöhnt vom prächtigen Aussehen Morelias sind wir erst mal enttäuscht. Auf den ersten Blick hat Uruapan so gar nichts zu bieten. Bei dem gerade niedergehenden Wolkenbruch sieht man deutlich, dass es keine Regenrinnen gibt. Von den Häusern schießt das Wasser in weiten Fontänen aus Wasserspeiern auf die Straße. Von einem der Häuser ergießt sich eine mächtiger Wasserfall.

Unser Eindruck von Uruapan ändert sich, als wir nach dem Regen einen Rundgang machen und die versteckten schönen Seiten der Stadt entdecken. Den großen Platz vor der Kirche, mit Bäumen, Bänken, Brunnen und Blumenbeeten, der viele Menschen anzieht. Hier ist zu jeder Tageszeit Betrieb. Am ersten Abend landen wir in einem Lokal, das zu den preiswerten gehört, aber die Taccos kommen frisch gebacken auf den Tisch. Ich habe ein merkwürdiges Stück Fleisch auf dem Plastikteller; millimeterdünn und hart wie ein Stück Karton. Später sehen wir dieses „gedörrte“ Fleisch in Handtuchgröße in einer Metzgerei hängen.

Uruapan ist eine der ältesten Städte in Mexiko. Der Name geht auf eine indigene Sprache zurück und bedeutet: Die Bäume tragen immer Früchte. Davon können wir uns auf unserer Fahrt in nach Paracho überzeugen. Ungefähr zwanzig Kilometer fährt der Bus an Plantagen vorbei. Avocado- und Macadamia-Bäume, soweit das Auge reicht. Der Ertrag ist so gewaltig, dass nahezu die ganze USA mit Avocados aus dieser Region beliefert wird.

Nach weiteren 15 Kilometern erreichen wir Paracho, die Gitarrenstadt Mexikos. Schon von weitem fällt das riesige Instrument auf einem Verkehrskreisel am Ortseingang auf. In der Hauptstraße der Stadt liegt ein Geschäft neben dem anderen. In etlichen sind Musikinstrumente zu sehen, aber auch andere aus Holz gefertigte Artikel wie Möbel, Spielzeug und Küchenartikel werden angeboten. Wir sind hauptsächlich wegen der Gitarren hergekommen. Der Instrumentenbau hat eine lange Tradition. Ein Franziskanermönch soll der Legende nach geflüchteten, handwerklich überaus geschickten Purépecha-Indianeren die Herstellung beigebracht haben. Rund 600 Werkstätten gibt es, in denen manuell gefertigt wird.

Bei unserem Rundgang kann man auch in einigen Häusern die Rohformen sehen. Der Instrumentenbau wird hauptsächlich von Männern ausgeübt und geht häufig vom Vater auf den Sohn über. Frauen dürfen so wichtige Tätigkeiten wie schmirgeln und polieren übernehmen, das können sie durch von Kindesbeinen an praktizierte Hausarbeit als dem Effeff.

Hier hängt also der Himmel voller hochwertiger Gitarren und mein musikbegeisterter Mann bekommt glänzende Augen bei dieser Auswahl. Nachdem er einige ausprobiert hat, wird er glücklicher Besitzer einer schwarzen Westerngitarre. Aber ein Guitarron (Bassgitarre) will er auf jeden Fall noch ausprobieren. Bereitwillig drückt ihm eine Ladenbesitzerin ein solches Instrument in die Hand. Groß und dickbauchig ist es und hat einen schönen vollen Klang. Es wird fast ausschließlich in Mariachi-Bands gespielt. Auf dem Marktplatz wird an einer Bühne gezimmert. Am Wochenende beginnt das jährliche Gitarrenfestival, aber da werden wir leider schon weitergereist sein.

Jetzt haben wir also noch eine Gitarre. Die Halbgitarre reist seit Bali schon mit uns durch die Welt, aber die neue ist zu unhandlich, um sie auch noch mit herum zu schleppen. Wir haben die Wahl zwischen der staatlichen Post, die als unzuverlässig gilt, und drei international agierenden Unternehmen. In Uruapan ist eine Niederlassung eines amerikanischen Transportunternehmens. Da erkundigen wir uns nach Versandmöglichkeiten. Auf Schnelligkeit kommt es uns nicht an, aber man hat keine Wahl, hier wird nur per Luftfracht verschickt. Die Auskunft, die wir erhalten macht uns Hoffnung, dass der Versand problemlos vonstatten geht. Als wir unterwegs einem Kartonsammler begegnen, kaufen wir ihm für ein paar Pesos einen ab, ohne zu wissen, ob wir ihn überhaupt brauchen.

Auf dem Rückweg zum Hotel machen wir einen kleinen Abstecher zur ehemaligen Textilfabrik San Pedro. Im historischen Zentrum der Stadt sieht dieses Gebäude aus dem 19. Jahrhundert aus wie eine alte Hacienda. Zweistöckig, aus Backstein und mit Rundbögen auf einem großen schön bewachsenen Grundstück. Nach der Fertigstellung 1894 wurde Wolle, Leinen, Baumwolle und Seide von höchster Qualität produziert. Um 1910 waren 200 Webstühle in Betrieb. Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohmaterial und einige Streiks der Belegschaft führten letztendlich dazu, dass der Betrieb eingestellt werden musste. Zeitweilig – Anfang der 70er bis Mitte der 80er Jahre – war hier das städtische Gefängnis untergebracht. Würde mich nicht wundern, wenn einige der damaligen Insassen nur straffällig geworden wären, um einmal in diesem schönen Gebäude „wohnen“ zu können.

Im Untergeschoss des 12.000 m² großen Gebäudes stehen die schweren gut hundert Jahre alten Eisenmaschinen aus England. Kämm- und Spinnmaschinen und Webstühle für die Baumwollverarbeitung, teilweise demontiert und verstaubt. Als das alles noch in Betrieb war, muss hier ein unglaublicher Lärm geherrscht haben.

Im Erdgeschoss ist ein großer leerer Saal, den man heutzutage für Veranstaltungen mieten kann. In einem kleinen Teil ist noch eine Textilfirma untergebracht, die auf traditionelle Weise gefärbte und handgewebte Stoffe in herrlichen Farben anbietet. Hier weiß man, wie das geht, immerhin haben schon die Inkas vor über 7.000 Jahren Gewebe aus Baumwolle hergestellt. Bei schönen Stoffen kann ich einfach nicht widerstehen, und praktisch ist es für die Polsterung der Gitarre obendrein.

Im Hotel stopfen wir das Instrument mit unserer Skiunterwäsche aus, die wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr brauchen, und wickeln es in zwei gerade gekaufte Stoffbahnen. Danach passt es gerade so in die Tragetasche. Die dritte Stoffbahn polstert den Hals und dann kommt der Karton drumherum. Beim Transportunternehmen wird später alles nochmal eng mit Folie umwickelt. Die Abfertigung dauert beinahe eine Stunde. Versand nach Deutschland hatte man hier wohl noch nie. Hinter uns stehen etliche Menschen an, aber niemand beschwert sich. Nachdem wir bezahlt haben und im Gegenzug die Papiere ausgehändigt bekommen, fühlen wir uns richtig erleichtert. Hoffentlich kommt die Sendung heil bei uns in Deutschland an. Aber bei den vielen „ACHTUNG, ZERBRECHLICH“-Aufklebern wird sich wohl niemand trauen, dieses Paket unsanft zu behandeln.

Uruapan hat ein Geheimnis, den unterirdischen Fluss Cupatitzio, der einen knappen Kilometer vom großen Platz vehement an die Oberfläche drängt.

Hier in der Stadt gibt es deshalb den Nationalpark Barranca del Cupatitzio. Schon kurz hinter dem Eingang (Eintritt kostet 25 Pesos = 1,125 €) ist man in einer anderen Welt. Riesige Bäume, Sträucher, Stauden, baumgroße Engelstrompeten und über all dem ein ständiges Rauschen. Innerhalb des Parks ist die Luft frisch und ungefähr 5 Grad kälter als außerhalb. Der Cupatitzio drückt hier sein kristallklares Wasser aus dem Boden, durch Felsspalten, lässt es in einem munteren Bach dahineilen, von einem Felsen stürzen und hat die Gestalter des Parks animiert, den Besuchern immer neue Erlebnisse zu bieten. Die verschiedensten Kaskaden und Quellen erfreuen sowohl das Auge als auch das Ohr mit Plätschern, Gurgeln, Sprudeln und Dröhnen.

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Auf dem Geländer einer steinernen Brücke steht ein Mann und wartet auf Publikum. Als sich eine für ihn ausreichende Anzahl versammelt hat, klettert er vom Geländer hoch in einen Baum und stürzt sich mit einem Kopfsprung in das brodelnde Wasser. Alle halten den Atem an und starren ins Wasser; eine Minute vergeht, zwei Minuten. Was ist passiert? Auf der anderen Seite der Brücke steht der mutige Springer, trocknet sich ab und lacht. Natürlich fällt das Trinkgeld sehr großzügig aus.

An einem Obststand pult der kleine Sohn des Besitzers geduldig Granatapfelkerne aus der ledrigen Hülle. In kleine Plastikbecher gefüllt werden sie gern gekauft. Wir entscheiden uns für geschälte Mangos und Ananas. Ein ruhiges Plätzchen ist bald gefunden. Während wir unser Obst genießen, beobachten wir einen Kolibri, der aus den Blüten der Engelstrompeten Nektar saugt.

Als wir weiterlaufen hören wir ein surrendes Geräusch, dann saust etwas Buntes vorbei. Im Park kann man ein Stück an einer Zip-Line hängend zurücklegen. Diese Attraktion heißt hier übrigens  TIROLESA. Dann geht es über eine Hängebrücke – bei der jedes zweite Brett fehlt – auf eine Plattform in 20 Meter Höhe und über eine weitere Zip-Line zurück auf den Boden. Besonders den Kindern gefällt dieser Nervenkitzel. Die stolzen Eltern filmen das Abenteuer per Handy oder Tablet.

Am großen Platz im Zentrum liegt das Museo Indigena Huatápera (Kulturmuseum verschiedener indigener Gruppen aus der Region).

Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1530 und war einst ein Hospital. Heute kann sich jeder bei freiem Eintritt in den liebevoll restaurierten Räumen umsehen und findet Trachten, Geschirr, Schmuck und Informationen über das frühere Leben der Ureinwohner. Ein Raum ist für wechselnde Ausstellungen reserviert. Holzspielzeug, Keramik und neuzeitliche Textilien, bestickt mit traditionellen Mustern werden gezeigt. Die bestickten Blusen sieht man – auch an jungen Frauen – täglich im Straßenbild.

Am Busbahnhof kaufen wir heute Fahrkarten nach Angahuan. Da das nicht die Endstation ist, wirken wir wohl ein bisschen orientierungslos. Ein Mexikaner fragt, wo wir hinwollen und ich zeige ihm unsere Tickets. „Volcano bumm?“ fragt er und als ich nicke, deutet er auf den richtigen Bus. Der erste Teil der Strecke ist identisch mit der nach Paracho. Als wir abbiegen finden wir uns plötzlich im Nebel wieder. Erst nach einer Weile erkennen wir, dass es kein Nebel ist sondern Qualm. Hier existiert das Köhler-Handwerk noch. Aus den aufgeschichteten Erdhügeln quillt dichter Rauch, und der Geruch lässt keinen Zweifel, um was es sich hier handelt. Heute fahren wir wirklich durch das ländliche Mexiko. An der Haltestelle in Angahuan sprechen uns zwei Frauen auf englisch an. Mutter und Tochter mit elfjährigen Sohn bzw. Enkel, sind Mexikanerinnen und leben in Palm Springs. Sie verbringen hier ihren Urlaub und bieten uns an, mit ihnen gemeinsam im Taxi zum Ausgangspunkt der Vulkanbesichtigung zu fahren. Das nehmen wir gern an. In Angahuan kommen wir uns vor, als hätten wir eine Zeitreise angetreten. Wir sitzen in einem mehrere Jahrzehnte alten Auto und schaukeln über die mit Felsbrocken belegte Straße. Viele Männer sind auf Pferden, die Frauen sind in ihren Trachten zu Fuß unterwegs. Hier im Auto erfahren wir, dass man am besten mit einem Pferd zum Vulkan gelangt. Der Weg ist zwar auch zu Fuß möglich, aber wegen der Höhe recht anstrengend. Nach kurzer Überlegung stimmen wir zu. Noch während wir durch das Dorf fahren, verhandelt unser Fahrer mit einem Mann wegen der benötigten fünf Pferde.

Vor einem Restaurant wird das Auto geparkt und schon stehen die Pferde für uns bereit. Ich bekomme ein isabellfarbenes Tier; das Aufsitzen klappt jedenfalls noch. Unser Fahrer läuft neben der kleinen Gruppe her. Er spricht nur spanisch und seinen indigenen Dialekt. Was für ein Glück, dass wir die Frauen getroffen haben. Der Weg führt steil bergab, mal gibt es Treppenstufen, mal kleine Gräben, die quer über den Weg laufen, und immer wieder gemauerte Durchgänge. Die Tiere kennen ihren Weg so genau, dass man die Zügel nicht einzusetzen braucht . Nach einer dreiviertel Stunde erreichen wir den Sammelplatz. Etliche Pferde sind in einem nach allen Seiten offenen Stall untergestellt. Mein Tier läuft zielstrebig in eine Lücke zwischen zwei Tieren, genau hierhin will es, da kann ich machen was ich will. Jetzt muss ich zwischen den eng stehenden Pferden absitzen und mich durchschlängeln.

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Ab hier geht es nur zu Fuß weiter. Einheimische haben viele kleine Stände aufgebaut; vielleicht wollen die Touristen ja essen und trinken oder etwas kaufen.

Und dann stehen wir vor der Lava des Paricutin. Am 20. Februar 1943 war der Farmer Dionisio Pulido auf seinem Maisfeld, als er plötzlich einen Erdspalt bemerkte. Er versuchte, ihn zuzuschaufeln, als die Erde anfing zu beben und aus dem Spalt Qualm aufstieg. Dionisio tat das einzig Richtige, er rannte so schnell er konnte davon. Gute Entscheidung, denn da begann ein Vulkan zu wachsen. Nach einem Jahr war er bereits 410 Meter (2.800 Meter über Meereshöhe) hoch. Zum Glück floss die Lava langsam, so dass sich alle Einwohner des Dorfes Paricutin mit ihren Besitztümern in Sicherheit bringen konnten. Bis 1952 stieß der Vulkan immer weiter Lava aus und begrub 20 km² Land und darunter das gesamte Dorf Paricutin unter sich. Lediglich einige Wände und der Turm der großen Kirche ist zwischen den Lavabrocken heute noch zu sehen. Der Vulkan bekam den Namen des ausgelöschten Dorfes. Während wir über das Geröll klettern, um zum früheren Altarraum zu gelangen, fängt es plötzlich an zu regnen und zu hageln. Der elfjährige Hector aus Palm Springs ist entzückt. Noch nie in seinem Leben hat er Regen, geschweige denn Hagel erlebt. Fasziniert hebt er die erbsengroßen Eiskörner auf und lässt sie in seiner Hand schmelzen. Nach einer halben Stunde beschließen wir, trotz des Gewitters zurückzulaufen. Wir haben die Regenjacken über die Rucksäcke gezogen, aber Schuhe und Hosen sind patschnass. Noch schnell einen heißen mit Zimt und Kardamom gewürzten Kaffee Olla trinken und dann schlängeln wir uns hinter unserem Begleiter durch die Verkaufsstände, wo der Boden einigermaßen trocken geblieben ist, zurück zum Stall. Kaum sitzen wir wieder auf den Pferden, hört es auf zu regnen. Mit noch immer nassen Hosen und Schuhen kommen wir nach zweieinhalb Stunden im Hotel an. Die heiße Dusche ist eine Wohltat und verhindert hoffentlich eine Erkältung.

Zihuatanejo, Acapulco und Puerto Escondido – Pazifikküste (Mexiko)

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Wir wollen zu unserem letzten Frühstück in Uruapan in unser Lieblingscafé.

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Eine dichte Menschentraube versperrt uns auf dem Bürgersteig den Weg. Was mag da los sein? Die Menschen stehen Schlange vor der Bank, um an die Geldautomaten zu kommen. Monatsanfang bedeutet „frisches“ Geld. Die Stimmung ist fröhlich, man redet miteinander und niemand scheint es eilig zu haben. Diejenigen, die ihr Geld schon bekommen haben, wollen es auch gleich in den gegenüber liegenden Geschäften wieder loswerden. Mit großen „Rebajas“-Werbetafeln machen die Läden auf den Sommerschlussverkauf mit unglaublich niedrigen Preisen aufmerksam.

Für uns kommt ein Einkaufsbummel nicht infrage, wir müssen zum Bus, denn heute geht es an die Küste. Von 1600 Höhenmetern geht es in knapp fünf Stunden auf Meereshöhe. Und von angenehmen 24 – 26 Grad auf Temperaturen über 30 Grad. Immer wieder staunen wir, wie grün sich das Land präsentiert. Maisfelder, Obstplantagen, Gemüsebeete, alles wächst und gedeiht. Und immer wieder der Blick auf Vulkane. Mexiko hat 61 namentlich bekannte Vulkane, 10 davon sind Vulkanfelder, von denen schon ein einzelnes rund 900 Vulkankegel umfasst.

Nachdem wir schon 1000 Höhenmeter überwunden haben, fallen immer mehr große Kakteen in der grünen Landschaft auf. Wir überqueren einige Male einen Fluss, der mehrmals aufgestaut ist. Hier erkennt man an den nackten Uferböschungen, dass es an Wasser mangelt.

Im heftigen Gewitter erreichen wir Zihuatanejo und kurze Zeit später unsere Wohnung für die nächsten Tage. Anna, die Tochter der Hausbesitzerin begrüßt uns auf deutsch. Ihre beiden Kinder wohnen in Berlin und sie wechselt jedes Vierteljahr ihren Wohnort von Mexiko nach Deutschland und zurück.

In Zihuatanejo machen hauptsächlich Mexikaner Urlaub, seit in den 70er Jahren ein paar Kilometer nördlich der Stadtteil Ixtapa mit großen Hotels und hochpreisigen Ressorts für den internationalen Tourismus ausgebaut wurde.

Die rund 70.000 Einwohner zählende Stadt Zihuatanejo im Staat Guerrero liegt an einer großen geschützten Bucht. Vorgelagerte Felsen brechen die großen Wellen des Pazifik und lassen sie gemächlich an den Strand rollen. Auf dem Weg zum Meer begegnen uns viele Einheimische in triefend nassen Kleidern. Sie brauchen weder Badehose noch -anzug. In der Wärme friert man nicht und trocken werden die Sachen auch ganz schnell. Heute am Sonntag vergnügen sich Jung und Alt am Strand. Die meisten Erwachsenen sitzen in den unzähligen Lokalen am Strand, die Kinder spielen im Sand oder toben im Wasser. Auf einem schön angelegten Weg kann man fast um die ganze Bucht laufen. Leider sind Weg und die Begrenzung zum Wasser hin teilweise kaputt und ungepflegt. Große Steinplatten liegen im Wasser, Taue die als Geländer angebracht wurden sind zerrissen. Uns fallen viele unterschiedliche handgemalte Tafeln auf, mit denen Besucher gebeten werden, Müll und Zigarettenkippen nicht am Strand liegen zu lassen. Diese Projektarbeit einer fünften Klasse zeigt auf jeden Fall Wirkung, denn die darunter stehenden Kartons sind mit leeren Flaschen und Abfalltüten gefüllt.

Kleinsthändler laufen mit verschiedenen Warenangeboten herum. Nachdem wir schon dreimal die angebotenen Erdnüsse abgelehnt haben, erkläre ich dem vierten Händler, ich sei gegen die Nüsse allergisch. Sein Sohn bietet mir kleine Spielzeuge an und bemerkt sofort augenzwinkernd: „No allergia.“ Pfiffiges Kerlchen.

Neben dem Pier, von dem die Boote mit Anglern und Ausflüglern ablegen, ist eine Art „Galgen“ angebracht, an der man seinen Fang befestigen kann, um sich damit fotografieren zu lassen. Bei den Hochsee – Angeltouren können immerhin Schwertfisch und Blauer Merlin gefangen werden. In der Nähe warten Pelikane und Reiher darauf, dass die Angler ihnen etwas von ihrem Fang überlassen. Im Wasser sehen wir verschiedenfarbige Kugelfische und Adlerrochen, die vermutlich auf auf leichte Beute aus sind. Und jeden Nachmittag kommt ein Schwarm Fregattvögel mit demselben Ziel in die Bucht.

Das Lokal, in dem wir abends essen, gehört einer Italienerin und ihrem mexikanischen Ehemann. Sie ist begeistert, Gäste aus Deutschland zu haben. Mit einer herzlichen Umarmung werden wir verabschiedet.

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In einem anderen Restaurant wundern wir uns über die vielen Garderobenständer. Hier trägt doch niemand eine Jacke. Als wir am Tisch sitzen, wird solch ein vermeintlicher Garderobenständer neben mich gestellt:  Er ist für die Handtasche bestimmt.

Morgens ist ein leichtes Erdbeben zu spüren, abends hören wir zwei Schüsse. „Ja, gestern Abend ist ein junger Mann zwei Straßen weiter erschossen worden,“ lässt uns die Hausbesitzerin wissen. „Er war halt ein böser Junge und hat sich mit den falschen Leuten eingelassen,“ erklärt sie uns achselzuckend. Dieser Einstellung begegnen wir noch öfter. Ja, es gibt Gewalt und Kriminalität in Mexiko; und nein, mit den „normalen“ Menschen hat das rein gar nichts zu tun.

Acapulco ist unser nächstes Ziel. Das Urlaubsparadies der Reichen und Schönen in den 50er und 60er Jahren hat längst seine Anziehungskraft verloren. Es liegt günstig auf unserer Route nach Süden, und ein wenig neugierig sind wir auch, deshalb haben wir uns entschlossen, ein paar Tage zu bleiben. Während der Busfahrt lese ich, dass Acapulco in einer Auflistung der gefährlichsten Städte der Welt aus dem vergangenen Jahr den dritten Platz inne hat. Ob es diese Information ist oder die Hitze kann ich nicht recht sagen, auf jeden Fall sind wir nicht so unternehmungslustig wie sonst. Wir haben ein schönes Hotel mit Swimmingpool und machen uns erst Nachmittags auf den Weg in die Stadt.

Die Lage ist wunderschön, Acapulco schmiegt sich um eine weite Bucht. Vorne das Meer, hinter der Stadt grüne Berge. Nur die vielen Hochhäuser – fast nur Hotels – stören die Harmonie. Seit hier Bandenkriege stattfinden, bleiben die ausländischen Touristen weg und Acapulco gehört wieder den Mexikanern.

Überdurchschnittlich viele Taxen sind auf den Straßen unterwegs, darunter viele VW Käfer in mehr oder weniger gutem Zustand. Je nachdem, zu welcher Organisation die Fahrer gehören, sind sie entweder weiß-blau oder weiß-gelb lackiert.

Unser nächstes Ziel, Puerto Escondido liegt zwar nur gute 400 Kilometer entfernt, aber die Busfahrt soll 10 Stunden dauern.

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die Großstadt Acapulco braucht auch große Handymasten

Es gibt hier keine Autobahn, eine Landstraße führt durch die Berge in der Nähe der Küste. Jedesmal wenn wir eine Ortschaft – und sei sie noch so klein – erreichen, muss der Bus über die „Reductores  de Velocidad“ fahren. Diese bei uns Bremsschwellen genannten Hindernisse auf der Fahrbahn sind unterschiedlich breit, aber immer ganz schön hoch, so dass man im Bus jedes mal durchgeschüttelt wird.  Man ieht viel den Anbauovon Tropenfrüchten. Links und rechts der Straße sind Papaya-Plantagen angelegt.

Als wir in einem Ort plötzlich Tuktuks an der Haltestelle sehen, fühlen wir uns sofort wieder nach Südostasien zurückversetzt. Anscheinend sitzt hier ein Importeur, da wir TukTuks sonst nie in Mexiko sehen konnten.

Der Bus macht komische Geräusche und die Videoanlage schaltet sich aus. Der Fahrer hält an und werkelt am Motor herum, ein Stück geht es weiter. Es sind noch ca. 20 Kilometer bis Puerto Escondido, als der Bus dann wirklich stehen bleibt. Ein Keilriemen ist gerissen. Bei diesem Klima kann der Busfahrer auch nicht darauf hoffen, dass eine der Mitfahrerinnen ihm mit einer Strumpfhose aushilft. Klaus kann einen Kleinbus anhalten, und so setzen wir nach einer halben Stunde den Rest der Fahrt fort. Es ist schon dunkel, als wir an unserem hübschen kleinen Hotel ankommen.

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Kaktusblüte

„Das finde ich großartig, dass ihr in Acapulco wart,“ begrüßt uns Manuela, die Besitzerin unseres Hotels. „Die meisten Touristen trauen sich dort gar nicht mehr hin.“ Auch für sie und ihren Mann, beide Schweizer, die seit neun Jahren in Mexiko leben, ist Gewalt und Kriminalität nur mit schlechten Menschen (Opfer und Täter natürlich auch) in Verbindung zu bringen. Wenn ein Vergewaltiger ermordet, ein Pädophiler verprügelt wird, haben sie es eben verdient.

Puerto Escondido ist das Surferparadies von Mexiko. Der Ortsteil Zicatela hat einen vier Kilometer langen Strand, an den unablässig die Wellen donnern. Die „Mexican Pipe“, eine Riesenwelle von 10 Metern Höhe und der Länge eines australischen Roadtrain, kann nur von absoluten Könnern bezwungen werden. Aber auch die müssen ihren Wagemut manchmal mit Knochenbrüchen oder sogar mit dem Leben bezahlen. Am Haus der Rettungsstation sind drei Fotos der letzten Opfer angebracht. Trotzdem trauen sich Menschen jeden Tag mit ihren Brettern ins Wasser.

Etliche Versuche hinter die Welle zu kommen, sind zum scheitern verurteilt. Immer wieder werden die Surfer ans Ufer gespült. Überdies gibt es hier eine Unterströmung, die Menschen aufs offene Meer hinauszieht. Wer trotz der roten Fahnen ins Wasser geht, bekommt richtig Ärger mit den Lebensrettern. Wir erliegen der Faszination dieser Wellen jeden Morgen beim Frühstück im Strandcafé, aber ins Wasser trauen wir uns hier nicht.

Beim Strandspaziergang kommen uns die Wellen durch die auflaufende Flut ziemlich nahe, plötzlich stehen wir bis zu den Knien im Wasser. Und das zurückfließende Meer nimmt den Sand mit und zieht uns förmlich den Boden unter den Füßen weg. Ein Paar, das gerade noch grinsend zuschaut, wird von der nächsten Welle erwischt und muss mit nassen Hosen seinen Weg fortsetzen.

Am Strand bietet uns ein Mann einen Ausflug zur Manialtepec-Lagune in der Nähe an. Biolumineszenz heißt das Zauberwort, dass uns gleich elektrisiert. Um 19 Uhr holt uns ein Kleinbus ab. Nach uns werden noch neun weitere Passagiere abgeholt und danach haben wir noch eine halbstündige Fahrt vor uns, bevor wir in einem kleinen Ort in ein Boot umsteigen.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Das Boot hat einen schön leisen Motor, die Luft ist angenehm mild und ringsherum ist kein Licht mehr zu sehen. Mit einer Taschenlampe leuchtet unser Führer in die Uferzonen, wo Mangroven wachsen. Er erklärt – leider auf spanisch – die Besonderheiten dieser Lagune. Ein Salzwasseranteil von knapp 30 % schafft besondere Lebensbedingungen für Mikroorganismen, die durch Wasserbewegung zu leuchten beginnen. Das Boot ankert, Klaus und ich springen ins Wasser und sehen beglückt, wie es während unseres Planschens im Wasser silbrig aufleuchtet. Die Temparatur liegt bei ca. 30 °C und hat Schichtungen von Süßwasser (kühler) und Salzwasser. Wir können gar nicht genug bekommen, schwimmen hin und her, schlagen aufs Wasser, tauchen und bespritzen uns gegenseitig. Die anderen Passagiere sind noch zurückhaltend. Nach und nach ziehen vier von ihnen Schwimmwesten an, klettern über die Leiter ins Wasser und hängen dann – mit dem Gesicht zur Wand – am Boot. Offenbar können sie nicht schwimmen und trauen sich auch nicht, eine Hand loszulassen, um besser aufs Wasser schauen zu können. Sehr schade. Dann verziehen sich die Wolken und wir haben auch noch den Blick in den Sternenhimmel. Nach einer Stunde klettern wir zurück ins Boot. Bei der Rückfahrt sieht das Wasser aus, als wären die Sterne ins Wasser gefallen. Es blitzt und glitzert wie ein Unterwasser-Feuerwerk. Unzählige Fische bringen dieses Wunder durch ihre Bewegungen zustande. Was für ein wunderschönes Erlebnis an unserem letzten Abend in Puerto Escondido.