Obwohl es uns hier so gut gefällt, brechen wir am Morgen auf. Uns ist das Brot verschimmelt und wir müssen in die nächste Stadt, um einzukaufen. Kununurra (sprich Kenenärra) liegt bereits in West-Australien und ob man es glaubt oder nicht, es gibt einen Grenzübergang von einem Bundesstaat in den nächsten.
Roadtrains dürfen ab hier nur noch 53,5 Meter lang sein. Die Geschwindigkeit auf den Straßen ist auf 110 kmh begrenzt. Es gibt aber noch weitere Einschränkungen: Alles frische Obst und Gemüse darf nicht mit über die Grenze. Die Besitzer unseres letzten Campingplatzes hatten uns bereits darauf hingewiesen und wir haben alle Lebensmittel dieser Kategorie dort gelassen. So wird es wenigstens nicht vernichtet, sondern noch gegessen.
Tatsächlich kontrolliert der Grenzbeamte unseren Kühlschrank auf verbotene Waren und wünscht uns dann eine gute Weiterfahrt. Er gibt uns noch den Tipp, den Lake Argyle zu besuchen, er sei wunderschön. Wir verstehen nur die Hälfte, von dem was er sagt, und so haben wir bereits die Abzweigung hinter uns, als wir uns zusammen reimen, was er uns empfohlen hat. Rein sprachlich haben wir noch viel zu lernen. Aber vermutlich klingen wir für die Australier auch absonderlich. In einem Supermarkt beraten wir uns in unserer Muttersprache, als eine Frau auf uns zukommt und fragt, wo wir herkämen. Die Antwort stellt sie zufrieden. Grinsend murmelt sie: „Dachte ich‘s mir doch, was ein Dialekt!“
In Kununurra frühstücken wir und gehen in den Supermarkt. Alkohol gibt es nur in speziellen Läden, den Liquorshops, aber der ist am Sonntag geschlossen. Macht nichts, trinken wir eben Wasser, das haben wir in ausreichender Menge dabei. Am Ende des Victoria Highway müssen wir uns entscheiden, ob wir nach rechts über die Gibb-River-Road fahren oder über den Northern Highway. Die Befragung unseres Navis nimmt uns die Entscheidung ab. Die erste Strecke braucht für 500 Kilometer einen Tag und 13 Stunden Fahrzeit. Hier befindet man sich zwar in der Nähe der meisten Naturschönheiten der Kimberley-Region, aber es bedeutet eben auch viele Kilometer auf unbefestigten Straßen – mit unserem Fahrzeug einfach nicht zu machen. Dasselbe gilt für die Bungle Bungles im Purnululu Nationalpark. Der Ausweg wäre ein Flug mit dem Hubschrauber über die großartige Felsformation, kostet aber für 30 Minuten 300 $ pro Person. Auch darauf müssen wir verzichten. Bei einem Stopp im Warmun Turkey Creek Roadhouse sehen wir uns ein Video mit Aufnahmen aus dem Hubschrauber an und stellen uns vor, wir wären dabei gewesen.
In Halls Creek übernachten wir. Auch der Ort hat Charme, ist großzügig und mit viel Grün angelegt. Die Häuser stehen nicht direkt an den bereits breiten Straßen, zwischen Bürgersteigen und Häusern liegen mindestens 50 Meter Rasenfläche. Hohe Bäume beschatten Straßen und Grünflächen.
Ab Halls Creek wird die Landschaft flacher, hin und wieder ist ein Tafelberg zu sehen. Dafür sieht man auf weiten Strecken wieder Termitenbauten. Die Architektur dieser Behausungen ist beeindruckend. Da gibt es Termiten, die offenbar Antonio Gaudis Sagrada Familia nachbauen (oder hat der große Katalane sich hier die Inspiration geholt?). Andere verwenden eine Schollen- oder Schuppentechnik. Es macht auf jeden Fall Spaß, in den Bauten Figuren zu erkennen. Da vorne rechts steht die Venus von Willendorf, Meister Yoda ein Stück weiter. Links sind schneebedeckte Tannenbäume auszumachen, Adenauers Kopf ist dort zu sehen, und überhaupt wimmelt es von Gnomen und Fabelwesen. In normal großen Termitenbauten leben 200.000 bis 300.000 Tiere, in den größeren über eine Million. Die Menge dieser Tiere muss so groß sein, dass es dafür (Mathematiker lesen jetzt bitte nicht weiter) keine Zahl mehr gibt.
Ebenso beeindrucken uns die vielen Formen der Boab-Bäume, verwandt mit den afrikanischen Baobabs (Affenbrotbäume). Da gibt es Stämme, die sich nach oben verjüngen, Mutter und Kind-Statuen, Sixpacks und einen dicken Stamm, den wir im Vorbeifahren entdecken. Hier ist wenigstens mal ein Parkplatz, wir biegen ein und laufen staunend um diesen Baum herum. Zuerst halten wir ihn für den berühmten Prison Tree, aber der ist erst bei Derby zu finden, wo unsere heutige Fahrtstrecke endet.
Wir suchen einen Platz zum Übernachten. In der Stadt Derby (5.000 Einwohner) gibt es mehrere, aber wer so vermessen ist wie wir, und erst nach fünf Uhr nachmittags ankommt, hat eben Pech. Erkundigungen bei mehreren Stellen empfehlen uns einen Caravan-Park, der zu dieser späten Stunde noch geöffnet haben soll. Er hat, und der Besitzer ist umwerfend nett. Wir beschließen sofort, dass wir hier zwei Nächte bleiben.
Am nächsten Tag fahren wir zum Meer. Derby hat den höchsten Tidenhub der Südhalbkugel. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut beträgt 12 Meter. Als wir ankommen ist wirklich weit und breit kein Meer zu sehen. Aber warten, bis das Wasser zurück kommt, ist in dieser Hitze unzumutbar.
Wir besuchen den Prison Tree und merken mal wieder, dass Ausflüge bei nahe 40 Grad im Schatten nichts für Menschen in unserem Alter und aus unseren Breitengraden sind. Wir schleichen in praller Sonne über die staubige rote Erde, und obwohl wir nur 100 Meter laufen müssen, nehmen wir eine Flasche Wasser mit. Der Baum hat einen Umfang von 14 Metern und ist innen hohl. Früher sollen hier Gefangene eingesperrt worden sein. Als sicher gilt jedoch, dass gefangene Aborigines hier versammelt wurden und aneinander gekettet die rund 7 Kilometer zum Meer laufen mussten. Sie wurden nach Broome, ins Perlmut-Zentrum gebracht. Dort sollten sie als Muscheltaucher oder Arbeiter bei der Herstellung von Knöpfen eingesetzt werden. Die Knopf-Industrie florierte, bis die billigere Herstellung von Knöpfen aus Kunststoff die harte Arbeit überflüssig machte.
Wir besuchen noch das Informationszentrum, wo die Bilder der Sehenswürdigkeiten in der Kimberley-Region uns den Mund wässrig machen. Aber auch hier gilt wieder, die Straßen sind nur mit einem 4WD zu befahren, allerdings ist über die Hälfte zur Zeit auch für diese Fahrzeuge gesperrt. Besondere Sehenswürdigkeiten sind manchmal nur per Flugzeug oder mit dem Boot zu besichtigen. Der „horizontale Wasserfall“ gehört dazu. Das Meer strömt bei einsetzender Ebbe oder Flut durch zwei schmale Felsenschluchten an Land oder vom Land weg. Die Touren kosten jeweils mehrere 100 $.
Am Abend kommt der Besitzer unseres Platzes und fragt: „Linda, hast du schon mit dem Essen angefangen?“ Als ich verneine, schwingt er sich auf sein Rad und kommt 5 Minuten später mit einer tropfenden Tüte zurück. Darin liegen auf Eis zwei frische Mud Crabs (Mangrovenkrebse). Er erklärt, wie ich sie kochen soll und verschwindet lächelnd. Geld will er nicht dafür. Ich befolge seine Anweisungen genauestens, und wir haben ein köstliches Abendessen.
Broome, die Perlenhauptstadt Australiens, ist unser nächstes Ziel, nur 220 Kilometer von Derby entfernt und ebenfalls am Meer gelegen. Hier ist der berühmte Cable-Beach, 1889 wurde das erste Telegrafenkabel zwischen Java und Broome verlegt. Heute ist der 22 Kilometer lange Strandabschnitt ein beliebter Ausflugsort für alle Arten von Freizeitbeschäftigung. Selbst Autos dürfen an den Strand, und abends kann man auf Kamelen in den Sonnenuntergang hinein reiten.
Auch am zweiten Abend laufen wir wieder zum Sonnenuntergang an den Strand. Es ist gerade Ebbe und der Strand ist nass und glänzt wie lackiert. Alles spiegelt sich, und der Sonnenuntergang findet doppelt statt. Wir laufen bis zum Meeressaum und langsam wieder zurück. Die Mondsichel am dunkelblauen Himmel, darunter die Venus, der orangerote Streifen über dem blaugrauen Meer, unbeschreiblich schön. Dieser Abend wird uns unvergesslich bleiben.
Wunderschöne Fotos!
Euro Fotos und Berichte – einfach nur grandios!