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Am Morgen hat der Regen aufgehört. Es ist noch neblig, aber helle Stellen lassen auf die Sonne hoffen. In der Nähe sind die Clay Cliffs, eine rund 2 Millionen Jahre alte Felsformation, da wollen wir hin. Das Gebiet ist in Privatbesitz und bevor man durch das Tor fährt, liest man ein Schild mit der Aufforderung 5 $ Eintritt pro Auto in die daneben angebrachte Box zu werfen, andernfalls könnte man Ärger mit der Polizei bekommen. Die Box ist bis obenhin voll mit Geldscheinen. Wie man da feststellen kann, wer bezahlt hat und wer nicht, ist mir ein Rätsel. Wir werfen den Betrag fürsorglich in Münzen in die Box, damit sie die bis oben reichenden Scheine herunterdrücken. Zu leicht wären etliche aus dem Schlitz herauszufingern.
Die Straße ist unbefestigt, aber unser Camper hat ganz offensichtlich gute Stoßdämpfer und so ist die Strecke gut zu befahren.
Nach einigen Kilometern sehen wir dann bizarre Felsen mit farbigen Streifen, die unterschiedlichen Schichtungen aus Geröll und Ton erkennen lassen. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter. Es muss in den vergangenen Tagen ordentlich geregnet haben, die Wassermassen haben tiefe Gräben in das Erdreich gezogen, Erosion wie aus dem Lehrbuch. Es geht ständig bergauf, und je näher wir den Felsen kommen, umso mehr Geröll liegt auf dem Weg. Durch schmale Durchgänge klettern wir höher und höher, bis es irgendwann so steil wird, dass bei jedem Schritt die Steine unter unseren Füßen wegrollen. Langsam hat sich die Sonne durch den Nebel gekämpft und wir haben zwischen den Felsspalten schöne Ausblicke in die Landschaft. Wir sind schon wieder auf dem Rückweg, als uns mehrere Besucher entgegen kommen. Schön, dass wir das alles für uns allein hatten.
Von hier aus fahren wir eine Landstraße entlang und kommen nach einiger Zeit zu den Elephant-Rocks, verwitterten grauen Kalksteinfelsen die man bei Nebel durchaus für Elefanten halten könnte. Doch für uns lacht die Sonne und wir können – wieder gegen eine kleine Eintrittsgebühr – auf einer großen Wiese herumlaufen, aus der die Felsen mehrere Meter hoch herausragen. Die ganze Gegend ist von diesen merkwürdigen Steinen durchzogen. Ein paar Kilometer weiter besichtigen wir eine Ausgrabungsstelle, an der das Skelett eines Walfisches freigelegt wurde. Gut geschützt liegt es noch hier unter einer Plexiglashaube.
In vielen Kurven fahren wir durch das hügelige Land, links und rechts sind riesige Schafherden auf den Weiden zu sehen. Einige sind richtig neugierig, sie heben die Köpfe wenn wir angefahren kommen und schauen uns hinterher. Hier sind keine Lämmer zu sehen, vielleicht kommen die ja im hiesigen Frühjahr zur Welt.
Auf der Bundesstraße 1 geht es weiter Richtung Moeraki. Auf einem vorgeschobenen Kap mit Leuchtturm ist eins von mehreren Brutgebieten der seltenen Gelbaugen-Pinguine. Auf einer engen unbefestigten Straße fahren wir bis zum Parkplatz. Vor dort führt ein schmaler Fußweg bis zum Meer.
Es ist nach 16 Uhr und die Pinguine kehren nach und nach aus dem Meer zurück. Sie sind größer und schwerer als die Zwergpinguine und kommen meist einzeln an. Zielstrebig beginnen sie den steilen Aufstieg und begeben sich in ihr Revier, das sie als Paar bewohnen. Ist der Partner noch nicht zurück, stoßen sie laute Rufe aus und warten ungeduldig auf die Rückkehr. Manche laufen sogar den Weg wieder hinunter, um zu schauen ob ein neu angelandeter Pinguin der schmerzlich vermisste Partner ist. Die Begrüßung ist so liebevoll und herzlich, manch ein Mensch könnte neidisch werden.Ein Stück weiter liegen auf einem grasbewachsenen Vorsprung ein paar Pelzrobben herum. Als wir zurücklaufen hören wir noch immer einige Pinguine rufen.Am nächsten Morgen fahren wir zu den Boulders, merkwürdigen runden Felsen, die am Strand liegen. Gerade ist Ebbe, so dass wir über den Strand laufen und diese überdimensionalen Kanonenkugeln aus der Nähe betrachten können. Bei den aufgebrochenen Kugeln ist die kristallisierte Innenseite gut zu sehen. Mit viel Fantasie könnte man glauben, Außerirdische hätten bei Nacht und Nebel einen Globus ihres Heimatplaneten hinterlassen.
In der Nähe liegt eine empfohlene Rundtour. Bei Trotters Gorge halten wir an und laufen einen Wanderweg bis zu einer Höhle. Der Weg führt durch dichte Vegetation und geht leicht bergauf. Als wir auf einem Schild lesen, dass der Weg ab hier bei Nässe gefährlich ist, kehren wir um. Der Mann, der uns in Tarnanzug und Gummistiefeln entgegen kommt meint allerdings, dass sei übertrieben. Zu spät, jetzt gehen wir auch nicht mehr zurück. Ein neugieriger kleiner Vogel folgt uns ein Stück, setzt sich vor uns auf den Weg, dreht und wendet sich, fliegt hin und her und auf und ab. Er ist groß wie eine Meise und hat einen auffälligen Schwanz aus schwarzen und weißen Federn, den er wie einen Fächer aufstellen kann; Fantail = Fächerschwanz ist sein Name und wir werden ihm bei jeder Wanderung begegnen.
Die schmale Straße führt zwischen Felsen hindurch, dazwischen steht der Stechginster in voller Blüte und lässt eher an Frühsommer als Frühwinter denken. Am Nachmittag erreichen wir Dunedin, die schottisch geprägte Stadt an der Südostküste. Wir brauchen wieder einige Lebensmittel und gehen in den Supermarkt. Einkaufen ist in Neuseeland wie auch in Australien ein Erlebnis. Einerseits das Warenangebot, aber was uns immer wieder begeistert, ist der Service. Neben der Kasse ist ein Drehkreuz mit Plastiktüten befestigt. Sorgfältig werden die vom Scanner erfassten Lebensmittel in die Tüten gepackt. Dabei achtet man auf die richtige Sortierung wie kalt zu kalt, Fisch separat usw. Wehe man legt selbst Hand an, das wird von den Damen und Herren an der Kasse nicht gern gesehen. Erst wenn alles sinnvoll und umsichtig verpackt ist, darf man die Tüten in den Einkaufswagen legen.
Zum Übernachten fahren wir über eine Brücke auf die Otago Halbinsel. Die Straße führt gute 10 Kilometer direkt am Meer entlang. Auch hier verzichtet man auf irgendwelche Begrenzungen. Wir fahren begeistert die kurvenreiche Strecke. Auch eine Buslinie gibt es hier, im 30 Minuten Takt verkehrt der Bus nach und von Dunedin. Die Wartehäuschen sind fantasievoll bemalt, jedes mit einem anderen Motiv.
Nach unserer Übernachtung in Portobello fahren wir weiter ans Kap. Pinguine gibt es auch hier, aber am Vormittag sind sie im Meer unterwegs.
Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Königs-Albatros, für den es hier ein geschütztes Gebiet gibt. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann ein hiesiger Lehrer sich über Jahrzehnte intensiv mit diesen Vögeln zu beschäftigen. Er hat damit so wertvolle Forschungsarbeit geleistet, dass das Wissen über diese Vögel bis heute darauf aufbaut. Als wir erfahren, dass es nicht sicher ist, ob wir überhaupt Albatrosse zu Gesicht bekommen, sparen wir uns die 40 $ Eintrittspreis pro Person und kehren zurück nach Dunedin.
Hier wurde 1861 die erste Universität Neuseelands gegründet. Vom Oktagon – dem Zentrum der 120.000 Einwohner zählenden Stadt – laufen wir zur St. Pauls Kathedrale, in der mir besonders ein Glasfenster gefallen hat, das einen starken Bezug zur hiesigen Gegend hat, weder Albatros, noch Pinguin oder Pelzrobbe fehlen in der Darstellung. Eine Statue des schottischen Dichters Robert Burns, Schöpfer des Liedes „Auld Lang Syne“ steht ganz in der Nähe. Wir laufen zum Bahnhof, der den Titel „meistfotografiertes Gebäude Neuseelands“ trägt und aus Basalt und Oamaru-Kalkstein im flämischen Renaissance-Stil vor über 100 Jahren errichtet wurde. Durch seine Größe und und die Kombination aus dunklen und hellen Steinen zieht er alle Blicke auf sich.
Wir wollen heute noch möglichst weit nach Westen und fahren über Milton, Clinton und Gore nach Lumsden. Der dortige Caravan-Park hat bereits für den Winter seinen Betrieb eingestellt, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als nach Sonnenuntergang noch weitere 70 Kilometer weiter zu fahren. Unser Camper ist „self contained“ (er verfügt über ein geschlossenes Abwassersystem) und hat damit die Zulassung für „Freedom-Camping“ – also Übernachten auf freien Park- oder Stellplätzen – aber uns ist das zu kalt, wir brauchen Strom. Der Himmel zeigt zuerst ein spektakuläres Rot, um sich dann in Nebel zu hüllen. Dadurch brauchen wir eineinhalb Stunden bis Te Anau am gleichnamigen See und sind froh, dass der Heizlüfter wohlige Wärme im Camper verbreitet. Als wir dann noch feststellen, dass hier sogar die Waschräume geheizt sind, haben wir die anstrengend Fahrt schnell vergessen.
Am Morgen fahren wir zum Milford Sound. Die Strecke führt am Ufer des Anau Lake entlang und dann ins Gebirge. Dass die Berge hier so steil sind und die Straße sich in engen Kurven bis auf 1000 Meter Höhe windet, kommt unerwartet.
Ebenso der Tunnel in dieser Höhe, der nur eine Fahrspur hat, die durch Ampelsteuerung mal in die eine, dann in die andere Richtung freigegeben wird. Wir haben Rot und müssen warten. Sofort sind ein paar Keas – die frechsten Vögel Neuseelands – da und hoffen auf Futter. Zwar stehen überall Hinweisschilder, dass Füttern verboten ist, aber danach richten sich längst nicht alle Menschen. Deshalb fordern die Papageienvögel recht aufdringlich das, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Wenn sie sich langweilen, vergreifen sie sich gern am Dichtungsgummi der Fensterscheiben von geparkten Autos oder öffnen geschickt unbewachte Rucksäcke. Wir schauen ihnen zu, bis die Ampel auf Grün springt und fahren dann durch einen Tunnel, der dem ADAC-Tunnel- Prüfteam die Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben würde, so eng, so dunkel ist die schmale Röhre.
Auf der anderen Seite geht es ebenso steil wieder bergab. Schneereste links und rechts der Straße zeigen, dass hier schon der Winter Einzug gehalten hat. Die Region gehört zu den regenreichsten der Welt, entsprechend ist die Vegetation.
Den Milford Sound – einen 14 Kilometer langen Fjord kann man nur vom Boot aus richtig sehen, die Berge links und rechts sind steil und dicht bewachsen, laufen ist hier unmöglich und so kaufen wir uns für die Nachmittagstour Tickets. Dick eingepackt in zwei Vlies- und eine Regenjacke und ausgestattet mit Mütze und Handschuhen gehen wir mit vielleicht 20 Passagieren an Bord. Der Kapitän erklärt Landschaft, Sehenwürdigkeiten – wie Wasserfälle und macht auf Tiere aufmerksam. Delfine tauchen am Ende des Fjords auf, Seebären spielen im Wasser und als Zugabe sehen wir noch zwei Königs-Albatrosse. Als wir ganz nah an einen starken Wasserfall fahren, werden uns dicke rote Regenjacken angeboten. Danach tut ein heißer Tee gut, den man sich selbst zubereiten kann. Um halb fünf legt das Boot wieder an und völlig durchfroren entschließen wir uns, die gut 75 Kilometer lange Strecke nach Te Anau zurückzufahren. Hier gibt es nur Stellplätze ohne Stromanschluss, aber ein warmer Camper ist zu verlockend. Wir durchfahren den Tunnel 30 Minuten bevor er für diesen Tag um 18 Uhr geschlossen wird. Kaum ein anderes Auto ist zu dieser Zeit in der Dunkelheit noch unterwegs. Ein Opossum überquert vor uns die Straße. Nur weil ich einen Schlenker fahre, entgeht es dem sicheren Tod. Glück gehabt, kleines Pelztier.