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Es ist nach acht Uhr am Morgen und während wir auf das nette Ehepaar warten, das uns heute nach Cobán mitnehmen will, beobachten wir Montezumastirnvögel.
In den hohen Bäumen hängen viele ca. einen Meter lange gewebte Nester. Von unten sehen sie wie etwas schlampig gestrickte Beutel aus. Aber es kommt ja nicht auf Schönheit sondern in erster Linie auf Haltbarkeit an. Schließlich müssen sie nicht nur zwei Eier sondern auch noch das brütende Weibchen, das bis zu 40 cm groß und über 200 Gramm schwer ist, sicher halten. Hier scheinen die Jungen schon geschlüpft zu sein, denn ständig fliegen Vögel hin und her. Dabei stoßen sie glucksende, leicht blubbernde Töne aus. Ein Männchen ist meistens der Vater der ganzen Nachkommenschaft und kann sich natürlich nicht um die Aufzucht kümmern.
Ich habe bestimmt schon 50 Fotos gemacht, als Axel und Ema vor dem Hotel ankommen. Sie fahren einen Pick-up, auf dessen Ladefläche schon ein Backpacker-Pärchen sitzt. Unser Gepäck kommt dazu und wir nehmen zusammen mit Vanessa auf dem Rücksitz Platz. Vorsichtig lenkt Axel das Fahrzeug über die löchrige Brücke und tritt dann gehörig aufs Gaspedal. Unglaublich, in welcher Geschwindigkeit er diese holprige und kurvenreiche Strecke fährt. „Wie ein Ralley-Fahrer,“ meint Klaus und damit hat er Recht, Axel ist einer.
Nach 10 Kilometern klettern die Mitfahrer in Lanquin leicht grün im Gesicht von der Ladefläche. Für uns geht es weiter. Nach ungefähr 30 Kilometern treffen wir wieder auf eine befestigte Straße. Man weiß gar nicht, ob man nach links oder rechts schauen soll, wieder ist die Landschaft unglaublich schön.
Auf Emas Bitte hin hält Axel einige Male an. Wir werden auf Kaffeeplantagen aufmerksam gemacht. Ema zeigt uns eine Kardamomanpflanzung. Guatemala ist der größte Exporteur dieses dritt-teuersten Gewürzes weltweit. Nicht nur in der indischen und skandinavischen Küche wird es verwendet, auch im medizinischen Bereich sind die Wirkstoffe für eine Vielzahl von Erkrankungen hilfreich.
Der Cahabón-Fluss, an dem wir uns die letzten Tage aufgehalten haben, begleitet uns weiter in Richtung Cobán. Einige Staudämme wurden in den letzten Jahren gebaut, um den größer werdenden Bedarf an elektrischem Strom zu sichern.
In San Pedro Carchá ist gerade Markt. Als Axel merkt, dass Vanessa und ich fotografieren, dreht er noch mal eine Runde durch die Innenstadt. Die lebhafte Kleinstadt ist ein Handelszentrum für Kaffee, Kardamom und Gemüse, das von den Maya im weiten Umland angebaut wird. Einen besonderen Namen hat sich die Stadt in der Silberverarbeitung gemacht. Zehn Minuten später sind wir in Cobán und bei Axels Firma angekommen. Er begibt sich sofort an die Arbeit und Ema bringt uns zum Hotel. Aber vorher zeigt sie uns ihr Projekt.
Auf einem hügeligen Grundstück am Stadtrand entsteht eine kleine Lodge. Die zukünftigen Gäste werden in großen alten Weinfässern übernachten. Drei wurden schon aufgestellt davor eine hölzerne Plattform, zur Zeit noch ohne Geländer. Das sowie ein Badezimmer pro Fass wird in nächster Zeit angebaut werden. Das nötige Wasser muss von einer tiefer liegenden Quelle hochgepumpt werden. Drei weitere Fässer sollen folgen. Die Lage ist wunderschön, die Idee originell, wir drücken die Daumen, dass das Projekt ein Erfolg wird.
Bevor wir zu unserem Hotel kommen, zeigt Ema uns noch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Cobán. Ihre Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit haben wir bestimmt der Tatsache zu verdanken, dass sie einen deutschen Großvater hat, der in den 1920er Jahren mit der zweiten Einwanderungswelle aus Konstanz gekommen ist. Aus seiner Ehe mit einer Einheimischen gingen 15 Söhne hervor. Ob die ähnlich vermehrungsfreudig waren, wissen wir nicht, aber Ema hat viele Verwandte. Der Metzger, der Wurst nach deutschem Rezept herstellt, ist ein Cousin, die Besitzerin eines empfohlenen Restaurants eine Cousine. Während der Rundfahrt deutet sie nach links und rechts und erwähnt weitere Angehörige der Großfamilie.
Wir bedanken uns herzlich für die Mitnahme und tauschen Telefonnummern aus. Irgendwann will Ema nach Deutschland kommen und sich bei uns melden.
Cobán, die Stadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern, hat gemäß einem bekannten Reiseführer so gar nichts zu bieten. Das ist uns nur recht. Wir sind ja nicht nur unterwegs, um die Sehenswürdigkeiten abzuhaken, uns interessiert vielmehr das normale Leben der Menschen. In Cobán gibt es eine deutsche Gemeinde. Schon im frühen 19. Jahrhundert sind viele Deutsche nach Guatemala ausgewandert. Da die Gegend um die Stadt ideale Bedingungen für den Kaffeeanbau bietet, ließ die Gründung der ersten Plantagen nicht lange auf sich warten. Die dort lebenden Maya wurden kurzerhand vertrieben oder durften auf dem in Besitz genommenen Land als Arbeitskräfte bleiben. Der evangelische Pfarrer Otto Langmann war so begeistert vom Nationalsozialismus in seinem Heimatland, dass auf seine Initiative hin die NSDAP-AO gegründet wurde. Nicht alle Mitglieder der deutschen Kolonie ließen sich davon anstecken, eine Spaltung schien unabwendbar. In den USA verfolgte man diese Entwicklung mit zunehmender Nervosität und setzte letztendlich ab 1942 die Regierung des Landes unter Druck, die Deutschen auszuweisen. Das kleine Guatemala – abhängig von der finanzstarken Großmacht – hatte nicht die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Viele der Ausgewiesenen landeten in den USA und wurden zu einem wertvollen Pfand im Gefangenenaustausch. Nach Ende des zweiten Weltkrieges kehrten die meisten zurück. Noch heute ist ein großer Teil des Kaffeeanbaus fest in den Händen der Nachkommen jener Deutschen und deren Namen finden sich an Geschäften und auf Produkten. Immerhin hat der Pioniergeist unserer Landsleute Guatemala zu einem Kaffeeexporteur gemacht, der für seine hohe Qualität bekannt ist. Trotzdem gerät man beim Trinken des in den Lokalen angebotenen Kaffees nicht gerade in Verzückung. Für unseren Geschmack ist er einfach zu dünn.
Nach der Ankunft schauen wir uns die Innenstadt mit einem modernen Einkaufszentrum an. Ich freue mich darüber, dass hier kaum international bekannte Marken vertreten sind. Trotzdem gibt es alles, tolle Schuhe, Mode, Elektroartikel usw. Der Frisör hier kommt mir sehr gelegen, es gibt kaum Damenfrisöre. Die Mayafrauen tragen die Haare alle lang. So fragt die junge Frau auch zweimal nach, ob sie wirklich eine Handbreit von meiner Haarlänge abschneiden soll.
Die geplanten zwei Tage hier müssen wir verlängern, Klaus hat vermutlich durch Streetfood eine Salmonellenvergiftung und kann sich nicht weiter als 5 Meter von der Toilette entfernen. Auch Vanessa geht es nicht so gut, sie fühlt sich grippig und so verschieben wir den Weg auf den Kalvarienberg auf den nächsten Tag.
Und wirklich, beiden Patienten geht es besser. Klaus und ich laufen zum Parque Central, an dem sich auch das Büro der Landesregierung befindet. Links davon steht die Kathedrale Santo Domingo, eine relativ schmucklose große Kirche. Dass die Bänke hochkant stehen, verblüfft uns auf den ersten Blick, aber vermutlich ist Großreinemachen angesagt. Schließlich ist in wenigen Wochen Ostern und dieses Fest ist in vielen Ländern Lateinamerikas wichtiger als Weihnachten.
Gleich um die Ecke beginnt der Obst und Gemüsemarkt. Immer wieder faszinieren uns die Bauernmärkte, wo Mayafrauen in ihrer Tracht Erzeugnisse aus dem Garten verkaufen. Manche sitzen mit zwei Körben Tomaten hier, andere haben verschiedene Ernteerträge im Angebot.
Nach dem Frühstück laufen wir die steile Straße hinab und landen in dem Teil des Marktes, wo Kleidung und Haushaltsgegenstände verkauft werden. Niemand versucht uns etwas zu verkaufen, daran merken wir, dass Touristen sich selten hier aufhalten.
irgendwie müssen die Einkäufe transportiert werden
Später treffen wir uns mit Vanessa am Fuß des Kalvarienberges und laufen gemeinsam die Treppe hoch. Hier wird an der Verschönerung gearbeitet, die Mauern werden frisch geweißt, und in der Kirche stehen die Figuren bereit, die während der Osterprozession herumgetragen werden.
Abends gehen wir noch einmal zusammen zum Essen, dann trennen sich unsere Wege. Aber heute Abend muss die Spezialität Cobáns auf den Tisch: Caq-ik – eine Suppe aus Geflügelbrühe, Tomaten, Chili und vielen Gewürzen, die mit einem sehr großen Stück Putenfleisch, Reis und Tamales (in Maisblättern gegarter Maisbrei) auf den Tisch kommt. Morgen fahren wir nach Antigua, während Vanessa nach Nebay fährt.