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Die Zeit im Schlemmerparadies ist nun auch zu Ende. Von Liesel haben wir uns schon gestern verabschiedet, sie muss nach Guatemala City. Ihre hilfsbereiten Mitarbeiter kümmern sich darum, dass wir rechtzeitig mit dem Boot zum Backpacker Hotel gebracht werden, wo uns ein Shuttle abholen wird.
In den zwei Stunden bis zur Abfahrt geht Klaus noch zum Frisör, stocken wir unseren Bargeldvorrat auf und lassen uns im Sundog Cafe leckere Brote für die Busfahrt machen.
Im Kleinbus sitzen bereits drei Personen, und viel mehr scheinen es nicht zu werden, denn der Fahrer verstaut unsere Koffer auf dem Rücksitz und nicht auf dem Dach. Die ersten Kilometer fahren wir dieselbe Strecke wie zum warmen Wasserfall. Bis El Estor ist die Straße in gutem Zustand. Aber als wir das Ende des Lago Izabal erreichen, rumpeln wir wieder über eine Schotterpiste. Die linke Fahrbahn ist betoniert, und wenn es möglich ist, fährt unser Busfahrer auf der falschen Seite. Kurz darauf müssen wir die Komfortzone verlassen, es geht auf unbefestigter Straße durch die Berge. Schmale Straßen, viele Kurven, ärmliche Dörfer aber eine wunderschöne Landschaft.
Die vielen Berge präsentieren sich gewellt, gefältelt oder geknifft mit spitzen Zacken oder gerundet. Sie sind alle bis zu den Gipfeln bewachsen. In einem kleinen Dorf machen wir eine kurze Pause. Hunde räkeln sich im Staub der Straße. Sofort sind wir von ein paar Kindern umringt, die ein wenig verschämt um ein paar Münzen bitten. Die Mädchen tragen ab etwa 10 Jahren die knöchellangen weiten Röcke aus gewebten Maya – Stoffen. Die etwas älteren sind anscheinend dafür zuständig, Trinkwasser von der einzigen Wasserstelle im Ort zu holen. Sie balancieren die vollen amphorenartigen Plastikgefäße auf dem Kopf und bringen sie zu den entfernten Häusern.
Weiter geht es über die holperige Strecke. Männer mit Schaufeln stehen ab und zu auf der Straße. Sie schütten die tiefsten Löcher zu, dafür steckt ihnen unser Fahrer einen Schein zu. Schneller als 30 Stundenkilometer kann er trotzdem nicht fahren. Wir sind mitten im Dschungel, unvermittelt stoßen wir immer wieder auf Dörfer.
Unvorstellbar, wie die Menschen hier leben. An einer ärmlichen Kate hält unser Busfahrer an, um Kürbisse einzukaufen. Die hochschwangere Frau ist von vier Kindern umringt. Ob das alle sind?
Inzwischen ist es 17.30 Uhr und die Kinder kommen uns in den kleinen Ansiedlungen gruppenweise in ihren Schuluniformen entgegen. Unterricht wird hier vor- und nachmittags abgehalten. Die Nachmittagsgruppe hat nun auch Schulschluss. Noch mehrere Kilometer von der Schule entfernt sieht man sie nach Hause laufen. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Stadt Santa Maria Cahabon. Schmale asphaltierte Straßen führen in engen Kurven bergauf und bergab. Es sieht aus, als würde der Bus mitten durch den Markt fahren. Schade, dass wir hier nicht anhalten. Es ist bestimmt ein Erlebnis in dieser Stadt herumzulaufen und Touristen scheinen hier auch selten herzukommen.
Wir haben gedacht, schlimmer kann die Strecke nicht werden, aber da haben wir uns getäuscht. Die letzten 40 Kilometer fahren wir durch eine Großbaustelle. Hier wird vermutlich eine Straße gebaut, die Touristen schneller zur Attraktion Semuc Champey bringt. Der Bus quält sich über die aufgerissene Erde. Die Höchstgeschwindigkeit liegt jetzt bei 10 Stundenkilometern. Man kann den Busfahrer nur bewundern, er weiß stets, auf welcher Seite der zukünftigen Straße er am besten voran kommt. Hin und wieder tauchen im Scheinwerferlicht ein paar Gesichter auf. Vereinzelte Lichter zeigen, dass irgendwo noch Ansiedlungen sein müssen.
Nach sechs Stunden – es ist inzwischen 20 Uhr – haben wir die 150 Kilometer Fahrstrecke geschafft und den Ort Lanquin erreicht. Ein paar Jugendliche stürzen auf den Bus zu und wollen wissen, in welchem Hotel wir gebucht haben. Sie dirigieren uns zu wartenden Pick-ups mit fantasievollen Aufbauten. Nach und nach versammeln sich 10 Fahrzeuge auf dem Platz.
Wir müssen warten, ein weiterer Shuttlebus ist unterwegs. Die nächste halbe Stunde vertreibt uns eine lautstarke Abendandacht(?) in der Kirche gegenüber. Lied folgt auf Lied, begleitet von rhythmischem Klatschen, gesprochen wird nicht. Dann kommt der Bus und wir haben umsonst gewartet, kein weiterer Fahrgast außer uns Vieren will in unser Hotel. Für die letzten 10 Kilometer brauchen wir noch mal 40 Minuten. Das Auto hat getönte Scheiben, gut dass wir heute Vollmond haben, sonst könnte man gar nichts erkennen. Übervorsichtig lenkt der Fahrer das Auto auf eine Brücke, nachdem wir glücklich das andere Ende erreicht haben, sind wir endlich da. Wir freuen uns schon darauf, morgen alles bei Tageslicht zu sehen.
Unsere Erwartung hinsichtlich Lage und Aussicht wird noch übertroffen. Das Hotel liegt hoch über dem Fluss Cahabon und wir sehen vom Restaurant aus die Brücke, über die wir gestern gekommen sind. Die Schatten darauf sehen aus wie Löcher. Es sind Löcher, wie wir später feststellen. Die linke Fahrbahn ist unbefahrbar, die rechte nur unwesentlich besser. Eifrige Kinder machen uns auf die Lücken aufmerksam. Wahrscheinlich achten ihrer Meinung nach Touristen nie auf den Weg und stürzen hier reihenweise in den Fluss.
Wir laufen ein Stück am rechten Ufer entlang, als Manuel sich zu uns gesellt und als Begleiter anbietet. Wir nehmen ihn mit, zahlen am Kassenhäuschen 10 Quetzales (1,15 €) Eintritt pro Person und laufen den angelegten Weg weiter zum Wasserfall, der unterhalb der Sehenswürdigkeit Semuc Champey liegt.
Das Wasser ist unerwartet kühl, aber das hält uns nicht davon ab, hier schwimmen zu gehen. Rechts ist ein großes ruhiges Becken, das von oben rieselnde Wasser ist etwa 5 Grad wärmer. Links kommt der Fluss aus einer Felsspalte und erzeugt eine starke Strömung. Manuel bleibt besorgt an meiner Seite. Erst als er überzeugt ist, dass ich eine sichere Schwimmerin bin, geht er seinem Vergnügen nach. Er hangelt sich am Seil den Felsen hinauf und springt mitten in die Strömung.
Er begleitet uns zurück zum Hotel und zeigt uns unterwegs Kardamompflanzen. Die Ernte ist schon vorbei, aber eine grüne Beere findet er noch. Die Kerne schmecken würzig und ein bisschen scharf. Am nächsten Morgen will er um 9 Uhr im Hotel sein und uns nach Semuc Champey begleiten.
Wir erwarten abends unsere Reisebekanntschaft Vanessa. Am Rio Dulce haben wir uns das erste Mal getroffen und zufällig dasselbe Hotel in derselben Zeit gebucht. Wir sind schon unverbindlich für eine gemeinsame Wandertour verabredet.
Der nächste Morgen bringt trübes und regnerisches Wetter, und wir beschließen, die Tour zu verschieben und unseren Aufenthalt um einen Tag zu verlängern. Auf Manuel müssen wir dabei verzichten, er hat sich bereits mit einer Gruppe verabredet.
Und so sitzen wir im strömenden Regen auf unserer überdachten Terrasse und schauen auf große Kakaobäume, die voller Früchte hängen. Als der Regen gegen Abend nachlässt, laufen wir einen knappen Kilometer weiter zu einem anderen Hotel. Vanessa hat erfahren, dass das Essen dort besser sein soll, als in unserem Hotel, außerdem wohnt eine andere Reisebekanntschaft von uns Dreien dort.
Das mit dem Essen stimmt wirklich. Und als Golan, der charismatische Besitzer, uns später noch zu unserem Hotel fahren lässt und Vanessa einen Gutschein für einen besonderen Nachtisch für den nächsten Tag zusteckt, ist es beschlossene Sache: „Wir kommen wieder.“
Nach dem Frühstück geht es pünktlich um 8 Uhr morgens los. Der Eingang zum Park Semuc Champey liegt nur 100 Meter von unserem Hotel entfernt. Schon um diese Zeit haben die Mayas Stände aufgebaut. Da wird Obst und Gemüse geschnitten, Fleisch und Fisch gebraten und landen Tortillas auf den heißen Platten.
Wir kaufen Wasser und Obst und laufen den gekennzeichneten Weg zum Mirador, dem 350 Meter höher gelegenen Aussichtspunkt. Es geht ständig bergauf, mal sind es Felsenstufen, mal Holztreppen. Schweißtreibend und anstrengend ist das für uns. Vanessa, die nicht mal halb so alt ist wie wir, bewältigt das alles spielerisch. Am Rand des Weges sitzen schon Mayafrauen und bieten Kokosnüsse zum trinken an. Sie müssen mit ihrer Last auch hier hoch gelaufen sein. Als wir die Aussichtsplattform erreichen, sind wir wirklich die ersten Touristen und haben den Blick ganz für uns allein. Wunderschön liegen die wassergefüllten Sinterterrassen unter uns im Sonnenlicht.
Das Ganze ist eine geologische Besonderheit. Vor den Terrassen verschwindet der Fluss in den Felsen unterhalb der Sinterterrassen und kommt erst ein paar hundert Meter weiter am vorgestern besuchten Wasserfall wieder heraus. Die Becken werden von kleinen Nebenflüssen, die aus den Bergen kommen gefüllt. Der Name Semuc Champey bedeutet in der Mayasprache „der Fluss der verschwindet.“
Nachdem wir uns satt gesehen haben und die erste Gruppe kommt, gehen wir auf einem anderen Weg bergab zu den Wasserbecken. Es ist äußerst rutschig auf den Steinen und ich bin wieder mal glücklich über die in Mexiko gekauften Badeschuhe. Wir packen unsere Sachen in die hölzernen Schließfächer, bringen das mitgebrachte Vorhängeschloss an und stürzen uns ins Wasser. Ein Becken nach dem anderen wird durchschwommen.
Wir sitzen auf Steinen und es dauert nur ein paar Minuten, bis ein paar kleine Fische kommen und anfangen, an unseren Füßen und Beinen zu knabbern. Als es nach zwei Stunden immer voller wird und der Geräuschpegel steigt, ist für uns die Zeit zum Aufbrechen gekommen. Der Rückweg ist längst nicht mehr so anstrengend, wie der Hinweg. Trotzdem sind wir ziemlich kaputt, als wir den Ausgang erreichen. Wir nehmen uns von den Ständen noch etwas zu Essen mit, und dann wollen wir nur noch die Beine hochlegen.
Am Abend wollen wir nochmal ins Hotel Greengos. Wir werden gleich wiedererkannt und freundlich begrüßt. Der spendierte Nachtisch namens „Hummustella“ ist eine Kalorienbombe aus einer Schicht Nutella, gekrönt von Erdnussbutter und übergossen mit einer zartbitteren Schokosoße. Dazu gibt es heißes Pittabrot. Es schmeckt unglaublich gut. Einer der Mitarbeiter gibt uns Tipps zur Stadt Coban, die wir am nächsten Tag besuchen wollen. Zwei Gäste des Hotels bekommen das mit und bieten uns an, uns in ihrem Auto am nächsten Morgen mitzunehmen. Golan lässt uns wieder zurückfahren und wir nehmen eine wunderbare Erinnerung an diesen Ort und seine besondere Atmosphäre mit.