Darwin und der Kakadu-Nationalpark (Australien)

Der Besitzer unseres süßen kleinen Hotels fährt uns abends um 22.30 Uhr zum Flughafen Denpasar. Vor dem riesigen modernen Gebäude lässt er uns aussteigen und verabschiedet sich mit der Aufforderung, möglichst bald wieder zu kommen und doch bitte die ganze Familie mitzubringen. Um diese Zeit ist unglaublich viel los. Wir reihen uns in die Schlange der Wartenden ein und durchlaufen alle erforderlichen Prozeduren: Erster Sicherheitscheck, dann Gepäckaufgabe am Check-In-Schalter. Der Mitarbeiter schaut von einem zum anderen, mustert uns streng und gibt dann seine Einschätzung preis: „Sie haben einen falschen Charakter.“ Über diese Erkenntnis sind wir mehr als verblüfft. Er hält mit seinem Vorgesetzten Rücksprache, dann teilt er uns mit, dass wir trotz des des falschen Charakters (dem Ü in unserem Nachnamen) mitfliegen dürfen. Es folgt die Passkontrolle, der zweite Sicherheitscheck, der Ausreise-Schalter und dann warten wir im Abflugbereich auf den Aufruf, um an Bord gehen zu können. Statt dessen werden wir informiert, dass die Maschine erhebliche Verspätung hat. Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück laufen, der Ausreisestempel wird ungültig gemacht, wir bekommen unsere Koffer zurück und vor dem Terminal wartet ein Bus, der uns in ein nahe gelegenes Hotel bringen soll. Als wir aus dem Flughafen kommen, ist er bereits voll besetzt.

Ein australisches Paar namens Stella und Martin ruft kurzerhand ein Taxi, winkt uns dazu und wir fahren dem Bus hinterher. Die Kosten solle er am Flughafen geltend machen sagen sie dem verblüfften Fahrer, drücken ihm aber ein Trinkgeld in die Hand. Die Beiden kennen sich ganz offensichtlich aus. An der Rezeption des Hotels hat sich bereits eine lange Schlange gebildet, aber die Menschen sind völlig gelassen; und das nachts um zwei Uhr. Niemand ist verstimmt oder mürrisch, einer nach dem anderen rückt vor, bekommt seine Schlüsselkarte und verschwindet im zugewiesenen Zimmer. Eine gute Gelegenheit für uns, die Menschen zu beobachten.Tatoos sind bei den Australiern offenbar sehr beliebt, was es da nicht alles zu sehen gibt: Auf dem linken Oberschenkel einer jungen Frau einen 20 Zentimeter hohen Löwenkopf, auf dem rechten einen Tiger. Eine andere junge Frau hat auf dem rechten Oberarm einen Engel, die Flügel reichen hinten bis zur Wirbelsäule und vorne bis zur Halsgrube. Ein stark behaarter Mann hat einen rasierten rechten Unterschenkel, der noch braun vom Jod ist und eine wilde Geschicht von Drachen und Schlangen erzählt. Eine Frau bewegt vorsichtig einen ungesund glänzenden Arm, auf dem ein Rosenbukett prangt. Manche nutzen jeden sichtbaren Körperteil, Finger und Zehen eingeschlossen, um ein Statment abzugeben oder nur die leichtsinnige Entscheidung unter Alkoholeinfluss im Urlaub zu präsentieren. Eine merkwürdige Schlussfolgerung drängt sich auf: Die am wenigsten attraktiven Menschen haben die größten Tatoos.

Eine halbe Stunde später sind wir an der Reihe. Unsere Pässe werden kopiert, daraufhin bekommen wir eine Schlüsselkarte mit einer dreistelligen Nummer. Die Zimmernummer beginnt mit 12, der dritte Kringel könnte eine 0, 6 oder 8 sein. Keines der Zimmer lässt sich öffnen. Der nette junge Mann von der Rezeption versucht es selbst und erreicht nur, dass aus Zimmer 126 eine etwas befremdet wirkende Dame kommt. Wir entschuldigen uns bei ihr, bekommen an der Rezeption eine neue Schlüsselkarte für einen anderen Gebäudetrakt und landen in einer großzügigen Suite mit einem über zwei Meter breiten Bett, einem Wohnraum und zwei Badezimmern. Wirklich auskosten können wir das nicht, wir wollen nur schlafen und kommen morgens erst kurz nach 10 Uhr zum Frühstück. Ein riesiges Buffet mit allem was das Herz begehrt erwartet uns.

Um 14 Uhr fährt der Bus zum Flughafen, die Maschine soll um 17.15 starten. Gute 2,5 Stunden Flugzeit, dazu noch 1,5 Stunden Zeitverschiebung nach vorne, das wird spät. Ich buche noch schnell ein Hotelzimmer in Darwin, denn unseren Camper können wir heute nicht mehr übernehmen. Heute klappt alles wie am Schnürchen. Wir starten und landen pünktlich.

Im Flugzeug bekommen wir ein Formular, das wir ausfüllen und für die Einreise bereit halten sollen.Wir hatten uns vorab per E-Visa bereits registriert und sind gespannt, was wir jetzt bei der Einreise noch brauchen. Eine einzelne Dame fertigt die Insassen des ganzen Flugzeuges ab und das dauert, aber auch hier wieder keinerlei Unmut. Wir bekommen ohne Probleme einen Stempel in den Pass und sind in Australien. Abends um diese Zeit scheint sich bis auf die Passagiere unserer Maschine und ein paar Mitarbeiter niemand mehr im Flughafen aufzuhalten. Welch ein Unterschied zu Südostasien mit dem ständigen Gewusel. Wir werden gefragt, ob wir Alkohol, Zigaretten, Pflanzen, Nüsse oder Holzerzeugnisse bei uns haben. Die neu erworbene kleine Gitarre von Klaus wird von allen Seiten betrachtet, der Beamte erkennt, die schlägt garantiert nicht mehr aus und gefährdet keinesfalls die einheimische Natur. Wir dürfen ohne weitere Untersuchung durch die Zollkontrolle.

Das Taxi bringt uns über leere Straßen in kürzester Zeit ins Hotel. Ich hatte vorab mitgeteilt, dass wir spät ankommen und wurde gebeten, vom Flughafen aus anzurufen. Der Taxifahrer erledigt das für uns, weil wir noch keine SIM-Karte haben, und die Dame ist wirklich extra aufgeblieben, um uns um halb elf noch herein zu lassen. Für 41 € ist das Zimmer gegenüber allem, was es in Südostasien für diesen Preis gibt, eine bessere Bruchbude. Egal, das Bett ist frisch bezogen und wir haben ein kleines Bad. Das Frühstück am nächsten Morgen für 10 € ist ordentlich, frisch zubereitete Spiegeleier, leckerer Bacon, knuspriger Toast, nur der Pulverkaffee überzeugt nicht ganz.

Und dann haben wir nur noch einen 100 Meter langen Weg zur Camper-Mietstation vor uns. Eine Stunde und zehn Formulare später bekommen wir den Schlüssel in die Hand gedrückt und dann können wir unser Heim auf vier Rädern betreten.

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Wir packen die Koffer aus, verstauen unser Gepäck und dann kommt das, worauf ich mich schon seit Tagen freue: Einkaufen. Nicht weit von der Vermietstation gibt es ein großes Einkaufszentrum mit einem schönen Supermarkt. Woolworth war ja bei uns fast ein Synonym für billige Waren. Dieser Supermarkt ist alles andere als billig; ausgesprochen gut sortiert, Obst und Gemüse aus biologischem Anbau, Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, eine große Weinabteilung und viele andere Artikel. Unser Einkaufswagen wird voll und voller, wir brauchen einen zweiten. Das alles unterzubringen wird nicht einfach. Der Kühlschrank ist klein, hat aber wenigstens ein Gefrierfach. Der Schrank daneben hat zwei Fächer, doch wenn die eingeräumt sind, muss man jedes Mal alles wieder rausholen, wenn das Gesuchte ganz hinten steht. Wir brauchen ein paar Gegenstände die uns helfen, Ordnung zu halten. Ausgerüstet mit einem Maßband und einer Liste mit den wichtigsten Abmessungen betreten wir ein Kaufhaus und finden zwei Plastikboxen auf Rollen, die in die Fächer passen. Wir nehmen ein paar Körbchen für Kleinkram mit, die mit Stecknadeln am Filz der Seitenbespannung befestigt werden können. Ein sicherer Platz für Taschenlampe, Ladekabel und Autoschlüssel. Kleine runde Behälter und Klebehaken landen ebenfalls im Einkaufswagen. Darin können nachts die Brillen sicher und griffbereit untergebracht werden. Eine rutschfeste Unterlage für den 10 Liter-Karton mit Wasser neben der Kochstelle muss mit, ebenso eine Kühltasche, die genau in die Lücke zwischen Spüle und Vorratsschrank passt und damit unseren Kühlschrank erweitert und – ganz wichtig – ein kleiner Ventilator; denn unser Camper hat zwar eine Klimaanlage, aber die funktioniert nur während der Fahrt und im Fahrerraum. Zu guter Letzt nehmen wir noch einen Autoatlas mit.

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Während der Fahrt zu einem Campingplatz in der Nähe wird der Himmel plötzlich schwarz, und es fängt heftig an zu regnen. Der ausgesuchte Campingplatz ist geschlossen, der nächste auf unserer Liste 40 Kilometer entfernt. Nach 5 Minuten auf der Straße sehen wir einen Hinweis auf einen Campingplatz auf der anderen Straßenseite. Kurz entschlossen biegen wir ab und können uns einen Platz aussuchen. Es ist keine Saison, nur ein paar wild entschlossene Angler sind ebenfalls hier. Natürlich haben alle viel größere Wohnmobile oder Wohnwagen, zum Teil mit ausfahrbaren Seitenteilen, großen Fernsehern und bequemen Sitzgarnituren. Keck stellen wir uns dazwischen, ohne auf die gerunzelten Stirnen und die grübelnden Minen zu achten. Der Platzwart kommt, und als er mit uns scherzt und lacht, ist für die anderen auch alles in Ordnung.

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Der Weg zu den Waschräumen ist nicht weit, und in der Nacht haben wir nette Begegnungen mit Fröschen in allen Größen, die hektisch die Wände hoch klettern, von Waschbecken zu Waschbecken springen und aus der Dusche flüchten.

Am nächsten Tag fahren wir über den Arnhem Highway Richtung Kakadu-Nationalpark. Schon auf dem Weg dorthin sehen wir die ersten Namensgeber des Parks. Hier auf diesen menschenleeren Straßen handhaben wir den Linksverkehr tatsächlich mit links. Obwohl das Klima sich nicht groß von dem in Südostasien unterscheidet, ist die Vegetation völlig anders. Keine Palmen, kein Urwald, stattdessen Eukalyptus in allen Variationen, und Bäume, deren Namen wir (noch) nicht kennen. Wir fahren an Mango-Plantagen vorbei und sehen am Straßenrand immer wieder Warnschilder, die auf Überschwemmungen nach starken Regenfällen hinweisen. Um die Bedeutung dieser Hinweise zu erhöhen, stehen daneben Messlatten, die 2 Meter in der Höhe anzeigen. Das kann ja heiter werden.

Inzwischen haben wir die Wetlands erreicht und fahren zu dem ausgewiesenen Aussichtspunkt. Ein Gewitter stoppt unseren Eifer, den Aussichtsturm zu besteigen, stattdessen machen wir ein Mittagsschläfchen. Campervans sind doch was herrliches, man hat immer sein Bett, den Kühlschrank und den Kleiderschrank dabei. Auf der Weiterfahrt entdecken wir die ersten Termitenbauten. Wir finden einen Platz, wo man gefahrlos anhalten kann, und ich springe aus dem Auto. „Der ist bestimmt zwei Meter hoch“, rufe ich begeistert. Als ich später das Foto betrachte sehe ich, wie sehr ich mich verschätzt habe.

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In unserem Atlas war ein Platz markiert, den wir ansteuern. Als wir dort gerade versuchen, uns zu orientieren, kommt ein doppelt so großes Wohnmobil herangerauscht, und lachend steigen Stella und Martin aus. Sie umarmen uns, als seien wir langjährige Freunde und erklären, dass sie den nächsten Stellplatz im Kakadu-Nationalpark ansteuern werden, weil der auf dem wir gerade stehen weder sanitäre Anlagen noch Wasser und Elektrizität hat.

Wir schließen uns an und treffen die beiden gleich an der Rezeption, wo wir sowohl die Eintrittskarten für den Park zum Rentnertarif kaufen, als auch die Gebühr für den Stellplatz entrichten können. Eine junge Polin aus Brelau, die in Australien mit dem Work and Travel-Programm unterwegs ist, händigt uns eine Landkarte vom Park aus. Etliche Straßen sind jetzt, zum Ende der Regenzeit noch gesperrt. Wenigstens auf dem Campingplatz haben wir freie Platzwahl und stellen uns wieder in die Nähe der Waschräume. Die Stellplätze sind nicht extra markiert, sondern nur durch einen Wasserhahn und eine Steckose als solche zu erkennen. Wie man sich dann dort hinstellt, ist jedem selbst überlassen. Es gibt einen schönen Pool, der uns magisch anzieht. Ein großes Sonnensegel ist hier aufgespannt. Die Australier haben einen Riesenrespekt vor der Sonneneinstrahlung – zu Recht, denn die Anzahl der Todesfälle durch Hautkrebs ist die höchste weltweit. Um diese Uhrzeit besteht jedoch keine Gefahr, die Sonne geht gleich unter. Zeit für die Flughunde, den Himmel unsicher zu machen. Wir freuen uns über die uns aus Sri Lanka vertauten Silhouetten am Himmel. Der Pool hat aus Sicherheitsgründen rundherum einen hohen Zaun. Auch ein noch so großes Krokodil hätte keine Chancen, sich hier häuslich einzurichten. Nach dem ersten Schreck wegen der Temperatur genießen wir das Suhlen im badewannenwarmen Wasser.

Nach sieben Monaten in fast immer klimatisierten Räumen müssen wir uns erst mal an das Schlafen ohne Kühlung gewöhnen. Am nächsten Morgen sehen wir unser erstes Känguru, ein Wallaby. Keine 10 Meter entfernt hockt es im Gras und frühstückt.

Wir packen zusammen und weiter geht die Fahrt in Richtung Jabiru und Katherine. Außer den bereits eingezeichneten Straßen sind etliche andere gesperrt.

Bedingt durch die vorangegangene Regenzeit und die damit einher gehenden Überschwemmungen verlassen die Krokodile häufig ihre angestammten Gewässer und suchen neue Gebiete auf. Dann wird zur Sicherheit der Besucher lieber zu viel als zu wenig gesperrt. Außerdem sind die nicht asphaltierten Straßen noch aufgeweicht. Wir sind froh, dass eines der wichtigsten Zeugnisse der Aboriginee-Kultur erreichbar ist, der Burrungkuy Park mit den 20.000 Jahre alten Zeichnungen.

Die Wege sind gut angelegt und die Sehenswürdigkeiten gut beschrieben. Mit uns ist nur noch ein Ehepaar mit zwei Kindern unterwegs. Die 12 Kilometer lange Wanderung durch das Gebiet ist bestimmt unglaublich interessant, doch die Temperaturen von nahe 40 Grad lassen jegliches Interesse daran in uns verdorren.

Zwei von uns favorisierte Campingplätze sind geschlossen, auf dem dritten, der auch wieder einen schönen Pool hat, treffen wir auch Stella und Martin wieder.

Es ist ein Dilemma, drinnen im Camper ist es zu warm, draußen lauern die Raubtiere, die nur eins wollen: BLUT. Der Wunsch nach einen Luftzug und einem Blick in den faszinierenden Sternenhimmel lässt alle Vorsicht vergessen. Wir sitzen noch ein wenig draußen, aber das muss ich büßen. Über 200 Mückenstiche fange ich mir ein, Klaus bleibt für heute verschont.

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