Mexico City

(wegen fehlender Bilder wurde der Beitrag mit einer älteren Version verlinkt)

Es ist noch dunkel, als wir morgens um sechs Uhr unser Hotel verlassen. Die Taxen rollen zu dieser frühen Stunde langsam über die Hauptstraße von Zicatela und ihre Fahrer spähen aufmerksam in die Nebenstraßen auf der Suche nach Kundschaft. Wer um diese Zeit auf der Straße ist, will meistens zum Flughafen, um den ersten Flug nach Mexiko City zu nehmen. Das haben wir auch vor. Die Abfertigung kommt uns hier ein wenig unprofessionell vor. Links vor dem Abfertigungsschalter ein Tisch, an dem die Koffer mit einem Schnelltest auf Sprengstoff kontrolliert werden. Wir werden durchgewunken, um dann am Check-In wieder zurückgeschickt zu werden. Die Koffer können nur von diesem Tisch aus zur Gepäckaufgabe gelangen(?) Aber gut, es ist ja schließlich auch für das Personal noch früh am Morgen. In der Wartehalle sitzen viele Familien mit kleinen Kindern, die mehr oder weniger gelassen mit der Wartezeit umgehen. Ein gut einjähriger Junge brüllt wie am Spieß und beruhigt sich erst, als seine Mutter das Handy rausrückt. Versonnen wischt er nun über den Bildschirm und seine Welt ist wieder in Ordnung.

Der Flug ist verspätet und wir haben Zeit, uns umzusehen. Nachdenklich stehen wir vor einer Stellwand mit aufgehängten Vermisstenmeldungen. Zwölf junge Menschen werden gesucht, die in dieser Gegend um 2014 spurlos verschwunden sind. Wie schrecklich für die Angehörigen nicht zu wissen, was mit ihnen passiert ist.

Während des knapp 1,5-stündigen Fluges kommen wir am Popocatepetl (rauchender Berg) vorbei. Der schneebedeckte 5.426 Meter hohe Zwillingsvulkan stößt kleine Rauchwolken in den blauen Himmel.

DSC09430

Kurz danach fliegen wir über Mexiko Stadt und fliegen und fliegen. Die auf 2.200 Höhenmetern liegende neun Millionen Metropole erstreckt sich über rund 1.500 Quadratkilometer. Frisch ist es heute Morgen, 15 Grad kühler als in Puerto Escondido.

Für unseren Weiterflug in drei Tagen wollen wir gleich am Flughafen die im Ticketpreis enthaltenen 15 Kilo Freigepäck auf 20 Kilo aufstocken. Klaus ist fassungslos, die beiden Damen am Schalter der Airline im internationalen Flughafen der Hauptstadt sprechen kein englisch. Mit Gesten und Zeichnungen gelingt es uns, ihnen begreiflich zu machen, was wir wollen. Und dann klappt es auch. Für 27 € dürfen wir insgesamt 10 Kilo „Übergepäck“ mitnehmen.

Im Flughafen kaufen wir am „offiziellen“ Taxischalter ein ziemlich teures Ticket und stehen dann vor einem Großraumtaxi, das uns über die beeindruckende Paseo de la Reforma in die Innenstadt bringt. Links und rechts der mehrspurigen Allee, die auch noch einen breiten Grünstreifen in der Mitte hat, Hochhäuser mit Banken, Verwaltungen, Versicherungen und dazwischen mehrere elegante Einkaufszentren und immer wieder der Blick auf Grünanlagen.

DSC09336

Das Hotel liegt einen Steinwurf weit entfernt von der Säule mit dem goldenen Engel – El Ángel de la Independencia – der 1910 zum Gedenken an die hundertjährige Unabhängigkeit Mexikos von Spanien errichtet wurde. Dieser Engel sieht aus wie eine Schwester der Berliner „Goldelse“. Unser Zimmer ist noch nicht fertig, aber wir können unser Gepäck an der Rezeption deponieren. Jetzt brauchen wir erst mal ein spätes Frühstück.

Rund um den Kreisverkehr mit der Engelssäule in der Mitte ist heute Pfadfindertreffen.

DSC09337

Voller Stolz tragen die Pimpfe ihre Uniform und die Fahnenträger strahlen vor Wichtigkeit.

Am Sonntag ist – wie in Morelia – auch in Mexiko Stadt die Hauptstraße bis nachmittags für den motorisierten Verkehr gesperrt, Radfahrer und Rollschuhläufer haben die Prachtstraße erobert. Für den Autoverkehr aus den Seitenstraßen werden die Radfahrer immer wieder mit einem großen Bannern zum Halten gezwungen.

Beim Gang in die Innenstadt kommen wir an etlichen Häuserblocks mit zugenagelten Türen vorbei. Nach den letzten Erdbeben sind die Häuser einsturzgefährdet. Die Risse auf dem Bürgersteig haben vermutlich dieselbe Ursache. Bei vielen neuen Häusern sind große Stahlträger bereits in die Fassade integriert. Die aufgemalten grünen Vierecke auf der Straße sind Sammelpunkte, an denen keine Gefahr von oben droht, wenn die Erde mal wieder bebt.

An diesem sonnigen Tag drängen sich die Menschen in der Stadt. Wir kommen zu einem Markt auf der Plaza de la Solidaridad, auf dem sowohl Früchte und kleine Gerichte als auch Textilien, Spielzeug und Lederwaren angeboten werden. Außer den Schuhputzern mit festem Stand, bei dem die Herren erhöht wie auf einem Thron sitzen, laufen auch die mobilen Kollegen herum. Sie tragen eine Art Werkzeugkasten aus Holz, in dem ein paar Flaschen, Dosen, Lappen und eine Bürste zu sehen sind. Bis jetzt sind wir noch nie ins Visier dieser Zunft geraten, tragen wir doch entweder Wandersandalen oder unsere Laufschuhe aus textilem Material. Aber heute meint einer, er müsse die Schuhe von Klaus einer gründlichen Reinigung unterziehen. Wir winken ab, er gibt nicht auf. Wir haben kaum noch Bargeld, er meint das sei doch kein Problem. Letztendlich reibt er ein wenig mit einem feuchten Lappen an den Schuhen herum, findet seine Leistung großartig und auf jeden Fall 200 Pesos (9 €) wert. Als er nur die Hälfte bekommt, weil wir wirklich nur noch zwei 100 Pesos Scheine einstecken haben und der Preis sowieso völlig überzogen ist, schimpft er wie ein Rohrspatz. Nach einigem Hin und Her gibt er sich aber dann doch mit einem Händedruck und den üppigen 100 Pesos zufrieden. Immerhin: Für 400 Pesos kriegt man schon neue Laufschuhe!

Rund um die „Plaza de la Republica“ mit dem „Monumento a la Revolucion“ treffen sich Verliebte in den Grünanlagen.

Die Möglichkeit, mit dem Aufzug auf den Turm zu fahren nutzen hauptsächlich Touristen. Der Eintrittspreis beinhaltet auch eine Führung durch die Ausstellung, leider nur auf spanisch. Als wir die Schlange vor der Kasse sehen haben wir noch einen weiteren Grund zu verzichten. Weiter geht es durch die historische Altstadt. Die Blues-Rockband vor dem Tor zur Chinatown spielt auf professionellem Niveau und scharrt deshalb auch eine große Menschengruppe um sich.

Ein Stück weiter links steht das Haus der schönen Künste. Rund um den prächtigen Bau und im angrenzenden Park sind viele Menschen unterwegs. In der Avenida Francisco Madero müssen wir uns vorwärts kämpfen. Es ist so voll, wie in Frankfurt auf dem Weihnachtsmarkt. Mit ein Grund ist sicherlich, dass alle Geschäfte sonntags geöffnet sind. Endlich erreichen wir die „Plaza de la Constitucion“, auf dem die „Metropolitana Kathedrale“ – die größte und älteste Kirche des gesamten amerikanischen Kontinents – steht. 1573 wurde mit dem Bau begonnen und bis zur endgültigen Fertigstellung vergingen 240 Jahre. Verschiedene Stilepochen haben dem Gebäude ihren Stempel aufgedrückt. Da gerade Messe ist, können wir nur einen kurzen Blick in das verschwenderisch mit Gold verzierte Innere werfen.

Am Montag laufen wir zum „Mercado de Artesanias la Ciudadela“. Hier wird Kunsthandwerk aus allen Landesteilen Mexikos angeboten. Bestickte Blusen, Kissenhüllen und Tischläufer liegen neben gewebten Teppichen, Lederarbeiten, Silberschmuck und Hängematten. Verschiedene Musikinstrumente, darunter Gitarren hängen an den Wänden. Wir wissen inzwischen, dass unser sorgfältig verpacktes Instrument trotz aller „Zerbrechlich“-Aufkleber, nicht heil in Deutschland angekommen ist. Sehr schade, aber einen Ersatz werden wir hier nicht finden. Stattdessen kaufen wir ein paar Mitbringsel für zuhause, denn heute ist unser letzter Tag in Mexiko. Mexiko, dieses wunderschöne Land mit seinen freundlichen, lebensfrohen Menschen hat uns im Sturm erobert. Und wir versprechen uns am letzten Abend gegenseitig: Wir kommen zurück.

Vor fünf Tagen haben wir uns entschlossen, die uns gesetzte Frist von einem Jahr doch einzuhalten. Verschiedene Gründe führten zu diesem Entschluss, z.B. die Schwierigkeit, die Auslandskrankenversicherung zu verlängern. Der Beitrag bei unserer bisherigen Versicherung ist für das zweite Jahr beinahe doppelt so hoch. Bei anderen Gesellschaften muss man zum Abschluss in Deutschland sein, wieder andere versichern Menschen in unserem Alter gar nicht mehr. Zum anderen hat sich vorübergehend eine gewisse Reizüberflutung eingestellt, und last but not least heiratet Klaus Sohn an diesem Wochenende und wir wollen ihn und unsere zukünftige Schwiegertochter überraschen. Überrascht ist aber zunächst mal unsere Tochter, die nun mit ihrem Mann in unserem Haus zusammenrücken muss.

DSC09457

Unser Flug führt über die Wüste von Nevada mit Zwischenlandung in Las Vegas. Als wir am nächsten Vormittag über Deutschland fliegen, sieht unser Heimatland von oben an vielen Stellen genauso trocken aus, wie die Wüste. Schade, dass die Tränen der Rührung bei unserer Rückkehr nur auf den Boden der Ankunftshalle fallen, als wir von unserer Tochter und Freunden völlig unerwartet abgeholt werden.

Hinter uns liegt ein wunderbares, überraschendes, verrücktes und unvergessliches Jahr. Würden wir das nochmal machen?

Auf jeden Fall.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert