Dieses Mal fahren wir die Staubstraße in einem geschlossenen Fahrzeug. Der Fahrer muss neue Gäste für das Resort am Flughafen Pakse abholen und nimmt uns bis Ban Nongsim mit. An der Rezeption unseres Resorts haben wir ein Blatt mit dem Namen unseres Fahrziels in laotischer Schrift mitbekommen. Jetzt warten wir an der Straßenkreuzung mit ein paar Einheimischen, bis ein Songthaeo kommt, der nach Süden fährt. Immer wieder halte ich das Blatt hoch und nach einer dreiviertel Stunde hält das ersehnte Fahrzeug.
Es scheint auf den ersten Blick voll besetzt zu sein, doch so etwas gibt es in Südostasien nicht. Wo sich 20 Personen im Laderaum drängen, finden auch noch vier weitere Platz. Die Koffer werden aufs Dach gehoben, beim Einsteigen müssen wir über ein auf der hinteren Plattform festgebundenes Moped klettern, hier ein wenig schieben, dort etwas auf den Schoß nehmen, schon haben wir Platz. Und auf dem Moped kann auch noch jemand sitzen. Wenigstens haben wir dieses Mal keine stinkende Fracht dabei. Bei jedem Halt stürmen Frauen auf das Fahrzeug zu, in der Hand Spieße mit Hühnerfleisch oder sogar ganzen Hühnern. Die Reisenden können zu so einem Angebot offenbar nicht nein sagen, und so wandern die erst jetzt in Tüten verpackten Brathühner in den Fahrgastraum. Manch einer kann es gar nicht abwarten, in der einen Hand den Hühnerspieß, in der anderen ein Päckchen Klebereis wird während der schwankenden Fahrt gegessen. Klebereis ist als Proviant prima, der hält bombenfest, nicht ein Körnchen fällt herunter. Obwohl die Strecke doppelt so lang ist, wie die von Pakse nach Ban Nongsim, brauchen wir weniger Zeit bis zur Endstation in Nakasang am Ufer des Mekong.
Kurze Zeit später kommt schon das lange flache Boot, das die Reisenden entweder nach Don Det oder Don Khone bringt, zwei von den berühmten 4000 Inseln im Fluss. Diese beiden durch eine Brücke verbundenen Inseln werden am häufigsten besucht. Die jungen, feierfreudigen Touristen bevorzugen Don Det, Don Khone ist mehr für die ruheliebenden. Der Mekong strömt breit und mächtig um Inseln und Sandbänke herum. Eine Herausforderung für die Bootsfahrer, denn unter der Oberfläche liegen viele Felsen. Nach 45 Minuten legen wir an und sind bereits am Ziel. Unser Hotel liegt direkt neben dem Bootsanleger, bequemer geht es nicht.
Am Freitag, dem Tag nach unserer Ankunft frage ich nach einem Arzt, mein rechtes Auge und mein linkes Ohr sind entzündet, und oh Wunder, es gibt ein Hospital auf der Insel, keine 5 Minuten von unserer Unterkunft entfernt. Das Hospital hat keine Glasfenster, die Öffnungen werden mit Fensterläden geschlossen. Die Tür steht offen, wir sind gleich im Wartezimmer, in dem eine Holzbank und zwei Bettgestelle stehen. Daneben ein zusammengenagelter Infusionsständer. Auf dem einen Bett wartet eine schwangere Frau, sie wird doch wohl nicht hier niederkommen. Kurze Zeit später knattert draußen ein Moped, eine zierliche junge Frau kommt herein, in jeder Hand einen Stoffbeutel, gefüllt mit Schnellheftern. Sie mustert uns erstaunt, schlüpft in ein weißes Jäckchen und nimmt die Schwangere mit in den Untersuchungsraum nebenan; die Tür bleibt offen. Kurze Zeit später kommen auch Ehemann, Mutter und Schwester der Patientin und gehen ohne Zögern in den Untersuchungsraum, entweder um sich zu informieren oder gute Ratschläge zu geben. Ich drücke der jungen Frau die Daumen, dass die Geburt ohne Komplikationen verläuft, denn das nächste Krankenhaus ist 100 Kilometer weit entfernt in der Stadt Pakse. Dann bin ich dran, mit Fotos, Gesten und dem Übersetzungsprogramm trage ich meine Beschwerden vor. Aus einem anderen Zimmer holt die junge Ärztin drei Streifen Tabletten, zeigt wie und wann ich sie nehmen soll, misst meinen Blutdruck, wiegt mich und stellt ihre Rechnung. Für Untersuchung und Medikamente berechnet sie 1,91 € (35.000 KIP) und nach einem Selfie mit mir und Klaus schickt sie uns noch in die Apotheke, weil sie die Augensalbe leider nicht vorrätig hat. Das bedeutet eine Bootsfahrt nach Nakasang, denn eine Apotheke gibt es auf Don Khone nicht. Irgendein Verwandter unseres Gastgebers bringt uns mit dem Boot hin und zurück. Hoffentlich helfen die Medikamente.
Am nächsten Tag mieten wir Fahrräder (1,08 €/Tag für 2) und beginnen die kleine Insel zu erkunden. Erst seit kurzer Zeit machen zwei betonierte Straßen das Radfahren zum Vergnügen. Uns zieht es zu den Wasserfällen auf der Westseite der Insel. Das Naturschutzgebiet kann gegen einen geringfügigen Betrag besucht werden. Wir stellen die Räder ab, abschließen ist unnötig, alle Mieträder haben eine Markierung und niemand würde sich trauen, eines davon zu stehlen. Auch zerstören oder im Fluss versenken ist undenkbar, Vandalismus gibt es anscheinend bei großer Armut nicht. Die Wege sind sauber, Papierkörbe sind aufgehängt, der Bambus ist gestutzt. Ein schöner Weg führt zum Ufer, an dem eine Herde Wasserbüffel weidet.
Von verschiedenen Aussichtspunkten aus bekommt man eine Ahnung von den gewaltigen Dimensionen. Die Mekong-Wasserfälle sind die breitesten auf dem ganzen Erdball. Im Bereich der vielen Inseln dehnt sich der Mekong über eine Länge von 50 Kilometer auf bis zu 14 Kilometer Breite aus und strömt an diesem Punkt gewaltig zwischen den Felsen hindurch. In der Trockenzeit entstehen Strände mit Badestellen. Einige Bäume sind mit Treppen und Plattformen umbaut. Vor der Corona-Pandemie konnten mutige Menschen per Zipline über die Wasserfälle zur nächsten Insel sausen. Mit angehaltenem Atem beobachten wir Fischer, die auf den gegenüberliegenden Felsen herumklettern, um Netze oder Angeln ins Wasser zu halten. Und genau jetzt gibt meine Kamera den Geist auf und geht weder vor- noch rückwärts.
Wieder auf den Rädern biegen wir ein Stück weiter südlich an einem Hinweisschild ab. Die seltenen Irrawaddy-Delfine sollen sich ab und zu an diesem Ufer zeigen. Hier ist der Weg natürlich nicht betoniert, und wir rumpeln über Steine und durch Schlaglöcher bergab bis zu einem Restaurant, besser einer Hütte ohne Strom aber mit Kochmöglichkeit, am Ufer. Ein paar Baumstämme tragen ein Wellblechdach, auf dem betonierten Sockel einige Tisch mit unvollständigen Tischdecken und jeweils 4 Stühle. Hier wird gewohnt und auf Gäste gehofft. Wir können gerade eine Stärkung gebrauchen und bestellen gebratene Nudeln mit Gemüse und etwas zu trinken. Während wir warten, stapft plötzlich ein großer schwarzer Mann mit Koffer und Rucksack durch die Dünen auf das Lokal zu. Er stammt aus Nigeria erfahren wir und will irgendwie von hier aufs Festland. Für 4 US$ bringt ihn einer der Männer auf seinem Moped zum Bootsanleger. Zwischen Kambodscha und Laos sollen über den zurzeit leicht zu überquerenden Wasserlauf illegale Einreise und Schmuggel Hochkonjunktur haben. Wer wollte auch die lange Grenze kontrollieren. Plötzlich beginnt es zu regnen und wir beenden den Ausflug.
Neuer Anlauf am nächsten Tag, die betonierte Strecke führt am Ostufer entlang bis zur Südspitze. Wir sehen kleine Siedlungen, trockene Reisfelder und ein Waldstück. Im Bereich der Häuser müssen wir immer wieder Kühen oder Hunden ausweichen. Die Kinder spielen auf der Straße und überall wuseln Hühner mit ihren Küken herum. Ab und zu begegnen uns Mopedfahrer und bis auf ein paar schreckhafte Hähne sind alle total entspannt. An der Südspitze halten wir auf der Aussichtsplattform und lassen den Blick über den Fluss schweifen. Eine verrostete Lokomotive steht hier mit einigen Informationstafeln, das Gegenstück im Norden der Insel. Nachdem alle Versuche, den 21 Meter hohen Wasserfall zu überwinden, gescheitert waren, entschloss sich die französische Kolonialmacht 1893, Güter auf dem Landweg zu transportieren und ließ Schienen verlegen. Das Jahr 1949 bedeutete das Ende der Eisenbahnromantik und seit kurzem ist die ehemalige fünf Kilometer lange Bahntrasse durch eine schmalen Betonstraße ersetzt worden, sehr zur Freude der Einheimischen Mopedfahrer und der Touristen, die sich in beinahe jedem Gästehaus Fahrräder mieten können.
Bei einer Tour auf der Nachbarinsel stellen wir fest, Don Det muss noch nachziehen, hier ist nur ein kleiner Teil der Straßen betoniert, der Rest ist Staub- bzw. Matschstraße. In diesem Jahr gibt es in der Trockenzeit ab und zu heftige Regenschauer. Giovanni und Paola, ein reizendes italienisches Paar, das wir beim Abendessen kennenlernen, war um diese Jahreszeit schon öfter hier und hat immer nur strahlend blauen Himmel erlebt.
Am Sonntagmorgen erzählt unser Gastwirt aufgeregt von einem Festival auf einer weiter nördlich gelegenen Insel. Zusammen mit seiner Frau und den beiden mittleren seiner vier Kinder fahren wir mit dem Boot nach Koh Som. Hier herrscht Festtagsstimmung, Trampoline und eine Hüpfburg sind auf der einzig betonierten Fläche um den Tempel aufgebaut, Imbissstände reihen sich aneinander, ein Luftballonverkäufer lockt die Kinder an und aus großen Lautsprechern neben dem Zelt der Wettkampf-Jury dröhnt Musik, bis der Sprecher mit sich überschlagender Stimme den Höhepunkt ankündigt, das Bootsrennen.
Bis zu 30 junge Männer sitzen in zwei Langbooten und paddeln um die Wette. Da nur vier Mannschaften antreten, ist der Wettkampf schnell beendet und die Menschen wenden sich wieder dem Essen und Trinken zu.
Abends laufen wir am Hospital vorbei, obwohl niemand da ist, steht die Eingangstür wie immer weit offen. Kurz darauf begegnen wir wieder dem netten italienischen Paar und verabreden uns für den nächsten Abend zum Essen. Wir haben uns so viel zu erzählen, dass wir jeden Abend gemeinsam in verschiedenen Restaurants verbringen. Am letzten Abend kocht Paola sogar in der Küche eines Restaurants leckere Pasta für uns, ein schöner Abschluss nach dieser Woche.