Und schon ist die Zeit auf Koh Rong vorbei. Noch eine Fahrt quer über die Insel und zum Fähranleger. Dort winkt uns schon jemand zu: Sabine haben wir im zweiten Resort kennengelernt und ein paar Abende miteinander verbracht. Auch sie verlässt heute die Insel, weil sie besonders unter den Stichen der Sandfliegen zu leiden hatte. Die Fähre kommt pünktlich, zuerst muss ausgeladen werden. Pakete mit Eiern, Säcke mit Gemüse, einer mit gepelltem Knoblauch, Trinkwasser, Treibstoff und noch viele andere Dinge; alles muss auf die Insel gebracht werden.
Wir haben eine ruhige Überfahrt und verabschieden uns im Hafen von unserer Reisebekanntschaft. Sabine fährt weiter nach Phnom Penh, wir bleiben noch eine Nacht in Sihanoukville, bevor wir am nächsten Morgen den Bus nach Thailand nehmen. Unser Hotel ist unter chinesischer Leitung und hat sogar ein Casino. Das Personal überschlägt sich förmlich, ein Mann trägt die Koffer die Treppe hinauf, ein anderer besprüht am Eingang unsere Hände mit Desinfektionsmittel und die hübsche junge Dame an der Rezeption fragt, ob wir morgen ein Taxi oder ein Tuk Tuk brauchen. Ein schönes Zimmer mit moderner Einrichtung erwartet uns. Am Abend essen wir auf der Dachterrasse mit Blick auf die er- und beleuchteten Hochhäuser.
Wir wundern uns, die Rezeptionistin weiß noch, dass sie uns ein Tuk Tuk bestellen soll. Am Busbahnhof steigen wir in einen Bus mit 24 Plätzen, und ausnahmslos alle werden von Touristen besetzt. Hinter Sihanoukville fahren wir auf die neue Autobahn, die bis Phnom Penh führt. Nur wenige Fahrzeuge sind unterwegs und der Fahrer kommt zügig voran. Auch die moderne Mautstation ist schnell passiert. Plötzlich ein Gerumpel, der Bus wird langsamer und hält auf dem Standstreifen. Einer der hinteren Doppelreifen ist geplatzt. Nachdem die Fetzen des kaputten Reifens entfernt sind, fahren wir langsam weiter. Nach 15 Kilometern Zwischenstopp an einer Werkstatt. In einer Viertelstunde ist alles erledigt und wir können wieder einsteigen und weiterfahren. Doch ab hier ist es vorbei mit der angenehmen Fahrt. Die nächsten 100 Kilometer sind eine einzige Baustelle. Die Fahrbahn hat keinen Belag, rechts und links finden Erdarbeiten statt, alles ist staubig. Die armen Menschen, die hier in ärmlichen Hütten wohnen, können diesem Staub nicht entrinnen. Er ist überall, dringt in die Häuser und liegt auf allem, was rundherum wächst.
Kautschuk- und Palmöl-Plantagen wechseln sich über viele Kilometer ab. Wir überqueren einige Flüsse und sehen des Öfteren merkwürdige graue Häuser, groß, rechteckig, mehrere Stockwerke hoch, keine Fenster, lediglich Lüftungsschlitze.
Kurz hinter Koh Kong erreichen wir die Grenze. Unser Fahrer verabschiedet sich, auf der thailändischen Seite warten bereits die Busse derselben Gesellschaft, um uns an die verschiedenen Ziele zu bringen. Die Aus- und Einreiseformalitäten sind schnell erledigt, für Thailand ist kein Visum erforderlich. Ein Teil der Fahrgäste fährt weiter nach Bangkok, einige wollen auf die Insel Koh Chang, nur vier Personen wollen wie wir nach Trat. Auf der guten vierspurigen Straße geht es schnell voran, eineinhalb Stunden später sind wir am Ziel und kurz darauf per Songtheo in unserem schönen Hotel außerhalb der Stadt an einem See.
Trat ist kein typisches Ziel für Touristen, nur auf dem Weg zu einer der vorgelagerten Inseln des Mu- Koh-Chang-Nationalparks wird die Stadt angefahren. Durch die Nähe zu Kambodscha ist Trat jedoch eine wichtige Handelsstadt. Im fruchtbaren Umland werden verschiedene Obstsorten angebaut. Und wer das normale Leben der Einwohner kennenlernen möchte, ist hier gut aufgehoben. Die Kleinstadt (gut 10.000 Einwohner) hat alles, was die Menschen zum Leben brauchen, Geschäfte, Märkte, ein Krankenhaus und mehrere Tempel. Es gibt z. B. einen königlichen Tempel und einen chinesischen Stadtsäulenschrein, der der Verehrung der Stadtgeister gewidmet ist.
Wir leihen uns im Hotel Fahrräder aus und machen eine Rundfahrt um den See. Hier ist ein Weg angelegt worden, der zum großen Teil nur von Fußgängern und Radfahrern benutzt werden kann. An diesem Samstagmorgen begegnen uns weder die einen noch die anderen. Wir haben die zehn Kilometer lange Strecke ganz für uns. Was könnte das für ein Vergnügen sein, wenn die Fahrräder besser in Schluss wären. Öl haben die schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, die Pedalen sind verbogen, die Kugellager ausgeschlagen. Doch die Freude über die schöne Natur überwiegt.
Abends essen wir – wie schon zwei Tage vorher – auf dem kleinen Food Court in der Nähe. Englisch spricht hier niemand, aber inzwischen haben wir unsere SIM-Karten wieder aktiviert und können mit Hilfe des Übersetzungsprogramms auswählen. Staunend sehen wir zu, wie eine junge Frau an einem Kochstand Knoblauch mit einem Messer – groß genug, um ein Schwein zu zerteilen – hauchdünne Scheiben von einer Knoblauchzehe schneidet. Wir bestellen unsere Gerichte wie üblich: “No spicy,”, die Bedienung lächelt und wiederholt nickend. Als das Essen kommt, speien wir Feuer. Es dauert, bis Mund und Zunge nicht mehr schmerzen. Ich hoffe nicht, dass Absicht dahinter steckt, weil wir so anstrengende Gäste sind. Vor lauter Ehrfurcht wegen unseres Alters läuft die Bedienung – auch mit vollbeladenem Tablett – immer in gebückter Haltung an uns vorbei.
Die merkwürdigen großen grauen Häuser, die wir bei der Einreise gesehen habe, lassen uns einfach keine Ruhe. Mit Bildersuche und allen möglichen Suchanfragen gelingt es uns schließlich, das Geheimnis zu lüften. Es handelt sich um Häuser, in denen Schwalben ihre Nester bauen sollen. Nicht etwa, weil Thailand Vorreiter in Sachen Vogelschutz ist, das Ganze hat einen monetären Grund. Nach dem die Nester gebaut sind und die Brut hoffentlich ausgeschlüpft und bereits flügge ist, werden sie für die besonders in China beliebte Schwalbennestersuppe “geerntet“. Gemessen an der Anzahl derartiger Häuser scheint es ein gutes Geschäft zu sein.