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Um 11 Uhr geht unser Tuktuk zum Busbahnhof und wir sind bereits mit einem spanisch/französischen Pärchen und zwei Jugendlichen aus der Schweiz eingestiegen, als ein „alter Bekannter“ auftaucht. Der Amerikaner hat uns in den vergangenen Tagen in Atem gehalten. Schon am Tag unserer Ankunft kam er panisch und mit nacktem Oberkörper zum Empfang, wo wir gerade standen. Er war außer sich und stammelte was von Diebstahl. Irgendjemand sollte mit in sein Zimmer kommen. Klaus erbarmte sich und stellte fest, dass alles in Ordnung war, der stark kurzsichtige Mann hatte vergessen, wohin er Pass und Portemonnaie gelegt hatte und glaubte bestohlen worden zu sein. Weil er einen verletzten Fuß hatte, wollte er Klaus unbedingt seine Sandalen abkaufen. Wir haben uns nach Schuhgeschäften umgesehen, und wollen am nächsten Morgen mit dem hilflos wirkenden Mann zum Markt. Eine Stunde vor der verabredeten Zeit hämmert er bereits an unsere Tür, weil ihm einfiel, dass er um neun Uhr gar nicht kann. Wir vereinbaren einen neuen Termin und noch einen. Aber auch die nächsten vereinbarten Zeiten war er nicht da. Nachts um eins hämmert er plötzlich an unsere Tür. Wir reagieren nicht, es stellte sich allerdings das Gefühl ein das bei ihm eine Schraube locker ist.
Und nun fährt er auch zum Busbahnhof. Nachdem er zuerst nach Thailand und dann nach China wollte, ist nun Indien das Land seiner Wahl. Er will noch, dass Klaus ihm per Internet ein Ticket kauft. Wir sorgen dafür, dass er eine Busfahrkarte für den richtigen Bus zum nächste Flughafen bekommt, dass sein Gepäck im richtigen Fahrzeug landet und sind erleichtert, dass seine Richtung nicht die unsere ist.
Die Fahrt nach Oudomxay führt uns weiter in die Berge hinein, was viele Kurven bedeutet.
Die Orte werden kleiner, die Häuser schlichter, oft sind sie ganz aus Holz gebaut. Am Straßenrand stehen hohe, üppige Büsche mit flammend roten Blüten. Es sind Weihnachtssterne, die hier wild wachsen. Viele Baustellen fallen uns auf, hier entsteht entweder eine Schnellstraße oder eine Eisenbahntrasse, realisiert von chinesischen Firmen.
Offenbar haben viele Einheimische einen schwachen Magen, denn drei übergeben sich um die Wette. Bisher sind wir noch in keinem Bus gewesen, wo die Spucktüten nicht eifrig gebraucht wurden.
Wir erreichen Oudomxay um 5 Minuten vor drei und haben Glück: Der nächste Bus, der nach Muang Khoua fährt, nimmt uns noch mit. So sparen wir eine Zwischenübernachtung.
Die jetzt folgende Strecke ist die schönste seit Wochen. Sie schraubt sich in die Berge hinein, einem Nebenfluss des Nam Ou, der unser Ziel ist, folgend.
Langsam wird es dämmrig und wir können in die mittlerweile beleuchteten Häuser sehen. Überall werden Energiesparlampen verwendet. Die Holzhäuser haben so gut wie keine Möblierung. Die Menschen schlafen und kochen auf dem Boden. Trotzdem wirken die Dörfer anheimelnd.
Im Dunklen erreichen wir den Busbahnhof von Muang Khoua. Ein Tuktuk steht schon bereit, um die Fahrgäste in den Ort zu fahren. Es gibt etlich Gasthäuser und wir entscheiden uns für eins in der Nähe des Bootsanlegers mit sauberem Zimmer und duftender, weißer Bettwäsche. Eine dicke, schwere Decke liegt für die jetzt kälter werdenden Nächte im Schrank bereit.
Morgens um 8.30 öffnet der Ticketschalter für die Bootsfahrt. Wir sind schon kurz nach 8 da. Noch ist geschlossen, aber es sitzt schon jemand drinnen. Wir wollen bloß mal fragen, ob die Plätze nummeriert sind und wie sie vergeben werden. Ob wir Sitzplätze wollen, fragt der Mann. Natürlich wollen wir die, und geben auch unsere Zustimmung als er sagt, dass dafür ein Zuschlag fällig wird. Um neun öffnet er, erklärt er uns noch. Dann können wir ja erstmal in Ruhe frühstücken. Als wir zurückkommen stehen schon etliche Menschen am Schalter. Insgesamt 14 Touristen mit großen Rucksäcken (wir mit Koffern) kaufen Karten.
Auf einem schwankenden Pier aus Plastikkanistern warten wir, bis das Gepäck verstaut ist. Dann müssen wir beide zuerst einsteigen. Im Boot sind ganz hinten zwei Autositze festgeschraubt, die bekommen wir zugewiesen. Die anderen Passagiere müssen auf ca. 10 cm hohen Brettern an der Seite Platz nehmen. Wir fühlen uns wie das Königspaar auf seiner Luxusbarke; einige schauen uns fragend an und ich erkläre, dass wir extra für diesen Luxus bezahlt haben.
Um 9.30 geht es los, der Nebel liegt noch über dem Fluss, und während der Fahrt wird es richtig kühl. Wir haben Vlies- und Regenjacken an – eine gute Entscheidung. Nach einer Stunde kämpft sich die Sonne durch und wir legen das erste Mal an.
Es ist nur eine Ansammlung von Hütten mit Gärten, und ein paar Kühe laufen herum. Eine Frau mit auf den Rücken gebundenem Kind und zwei schweren Taschen steigt zu. Die Fahrt geht weiter, der Bootsführer kennt den Fluss offenbar wie seine Westentasche. Wie er das schmale Boot durch Stromschnellen, um Felsen oder kleine Inseln lenkt, ist großartig. Manches Mal spritzt es gewaltig, und die vorne sitzenden Passagiere bekommen die ein oder andere Dusche ab. Bis zu uns reicht es nicht, dafür haben wir das Dröhnen des Motors in unmittelbarer Nähe.
Am Flussufer sehen wir immer wieder kleine Ansiedlungen, die Gärten sind auf dem fruchtbaren Schwemmland angelegt und mit dekorativen Bambuszäunen vor dem frei laufenden Vieh geschützt. Rinder, Schweine und Hühner haben hier noch ein gutes, artgerechtes Leben.
Nach ungefähr der Hälfte der Strecke legt unser Boot an. Wir müssen mit dem Gepäck einen steinigen Abhang heraufklettern. Ein Tuktuk wartet und fährt die Gruppe in zwei Touren 500 m weiter. Eine riesige Baustelle macht die Weiterfahrt unmöglich. Chinesische Firmen bauen hier einen von sechs Staudämmen, die der Energiegewinnung dienen. Wir müssen die Fahrt jenseits des Damms mit einem anderen Boot fortsetzen. Zwar wird hier keine Landschaft unter Wasser gesetzt, aber der Lauf des Flusses verändert sich und damit das Leben der Menschen dort. Eine besonders schöne Strecke mit Stromschnellen, die von vielen Touristen für Kajaktouren genutzt wurde, existiert schon nicht mehr.
Der nächste Stopp ist Muan Ngoy ein reizender kleiner Ort mit hübschen Stelzenhäusern am steilen Ufer. Hier steigen die meisten aus, weil sie von hier aus Trekkingtouren unternehmen wollen.
Für uns geht es noch 1,5 Stunden durch die grandiose Bergwelt weiter bis nach Nong Khiaw. Der Ort liegt malerisch eingebettet zwischen bizarren Karstbergen rechts und links des Nam Ou. Wir werden zu unserer Bambushütte gefahren, die auch auf Stelzen am Ufer der Mündung eines Nebenflusses des Nam Ou steht. Der Boden ist aus Holz, ca. 3 x 3 Meter groß, Wände und Decke aus Bambus, von oben noch durch Wellblech abgedeckt. Auf der kleinen Veranda ist eine Hängematte gespannnt, ein Bild wie aus der Karibik. Nur die Temperatur ist nicht karibikmäßig. Wir liegen auf ca. 500 Höhenmetern, tagsüber erreichen wir noch 27 Grad aber nachts wird es um diese Jahreszeit empfindlich kühl.
Im alten Ortsteil schauen wir uns zwischen Geschäften und Wohnhäusern um. Am Ende der Hauptstraße ist ein Zelt aufgebaut. Hier wird mit Musik und viel Essen und Trinken eine dreitägige Beerdigung gefeiert. Auf unserer Flussseite reihen sich Restaurants und Tourveranstalter aneinander. Viele junge Rucksacktouristen wollen Wander- oder Kajaktouren unternehmen und finden ein reichhaltiges Angebot.
Wir wandern ein paar Kilometer entlang der Straße, die den Nebenfluss begleitet.
Die Landschaft ist wirklich sehenswert, links und rechts der Straße immer wieder Häuser mit glücklichen Hühnern.
Auf dem Rückweg begegnen uns mehrere junge Leute, die auf dem Weg zum 500 Meter höheren Aussichtspunkt sind, um von dort den Sonnenuntergang zu bewundern. Auf Schildern wird davor gewarnt, den Weg zu verlassen. Viel zu viele Hinterlassenschaften aus dem zweiten Indochinakrieg 1963 bis 1973 liegen dort noch unentdeckt herum. Während des Vietnamkrieges wurde der Süden von Laos wegen des Ho-Chi-Minh-Pfades (Weg durch unwegsames Gelände, über den der Nachschub für nordvietnamesische Kämpfer organisiert wurde) von den Amerikanern bombardiert. Im Norden wurde die kommunistische Pathet Lao angegriffen. Mehr als eine viertel Million Streubomben wurden über Laos abgeworfen. 30 % davon waren Blindgänger, die noch heute eine große Gefahr für die hier lebenden Menschen bergen. Die Amerikaner warfen hier mehr Bomben ab, als im zweiten Weltkrieg über Deutschland und Japan.
Wie anders empfindet man doch diese Tatsachen, wenn man sie nicht zuhause in der Zeitung liest, sondern das Land und die Menschen unmittelbar erlebt. Den Abend über kehrten unsere Gedanken immer wieder zu den Geschehnissen vor einem halben Jahrhundert zurück. Eine Welt ohne Kriege, das muss doch möglich sein.