Unterwegs in El Salvador

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Morgens um halb acht werden wir abgeholt. Wir haben den bequemen Weg gewählt und einen Shuttlebus gebucht. Das bedeutet, dass man direkt von Hotel zu Hotel gefahren wird. Kein Umsteigen, kein Gepäck schleppen, keine Wartezeiten.
Nachdem alle Passagiere in Antigua eingesammelt sind, verlassen wir zum zweiten Mal die Stadt die uns so gut gefällt. Der Weg führt in Küstennähe bis zur Grenze. Kaum steht das Fahrzeug, öffnet ein Mann die Seitentür und bietet Geldwechsel an. In der linken Hand hält er einen mehrere Zentimeter dicken Stapel Dollar-Noten. Wir haben noch einige Quetzales. Der Fahrer findet den Wechselkurs gut. Ein Mitreisender ist skeptisch und befragt erst sein Handy, danach tauscht auch er sein restliches Geld. Wie einfach so etwas gehen kann. Die Ausreise aus Guatemala gestaltet sich ebenfalls einfach: den Pass vorzeigen, stempeln lassen und das war es. Einer unserer Mitreisenden hat aber keinen Einreisestempel für Guatemala in seinem Pass, also muss er das irgendwie nachholen. Der Busfahrer organisiert ein Tuctuc, mit dem muss der Mann zu einer nahe gelegenen Einreisestelle, danach kann er offiziell ausreisen. Für uns bedeutet das eine Verzögerung von rund 15 Minuten. Nicht der Rede wert, und dem Busfahrer tut die Pause sicher auch gut. Wir sind gerade auf der Brücke, die den Grenzfluss El Salvador überspannt, als unserer Fahrer eine rasante Kehrtwendung macht. Eine Passagierin fehlt, im Laufschritt eilt sie dem Bus hinterher und ist zutiefst erleichtert, dass er nun doch nicht nur ihr Gepäck sondern auch sie selbst mitnimmt.
Nachdem wir die Grenze zu El Salvador überquert haben, ist die Straße in einem wesentlich besseren Zustand. Das Land von der Größe Hessens liegt eingerahmt von Guatemala und Honduras am Pazifik. Vulkane prägen die Landschaft. In den Bergregionen wird Kaffee angebaut, im fruchtbaren Flachland hauptsächlich Zuckerrohr. Das Straßenbild ist ein völlig anderes. Kaum hat man die Grenze überquert, sieht man die Frauen nur noch in westlicher Kleidung. Wir durchqueren ein paar Städte und fahren dann zeitweise auf der Küstenstraße. Offenbar habe wir Surfer im Bus, denn die Wellen werden voller Spannung begutachtet und fachmännisch kommentiert.
Wir sind als erste am Ziel. Der kleine Ort El Palmarcito liegt noch vor dem bekannteren El Zonte. Das Hostel macht auf den ersten Blick keinen besonders einladenden Eindruck. Der zweite lässt das jedoch schnell vergessen. Das holländisch/salvadorianische Ehepaar hat das Gebäude erst vor sechs Wochen übernommen und konnte natürlich die Umbaupläne noch nicht in die Tat umsetzen. Die vierköpfige Familie strahlt jedoch eine solche Harmonie und Zufriedenheit aus dass man sich sofort wohl fühlt.
Der Strand ist 100 Meter weit entfernt. Allerdings sind jetzt am Nachmittag die Wellen zu hoch zum schwimmen, aber ideal für die Surfer. Selbst die drei Meerwasser- Schwimmbecken, die in die Felsen gebaut sind, werden immer wieder von hohen Wellen überspült. „Morgen früh ist das besser,“ erklärt uns unsere Vermieterin Xena.

Wir laufen eine Weile am Meer entlang und dann nach oben auf die Klippe, hier steht ein nettes Restaurant. Neben dem Weg finden wir ein leicht betäubtes junges Eichhörnchen, das wahrscheinlich aus dem Nest gefallen ist. Vorsichtig nimmt Klaus es am Nackenfell und setzt es auf den Stamm der Palme. Als wir zurückkommen, ist es nicht mehr da.

Am nächsten Morgen probieren wir die Felsenpools aus. SIe gehören zu dem darüber liegenden Hotel. Jetzt während der Woche kostet es keinen Eintritt, trotzdem haben wir die Pools eine zeitlang ganz für uns. Es ist herrlich ruhig, nur die Wellen donnern unter uns gegen die Felsen. Der Rückweg ist um die Mittagszeit recht unangenehm. Der dunkle Sand nimmt in der Sonne eine Temperatur an, die die Fußsohlen glühen lässt.
Einen Tag später machen wir zusammen mit unserem Vermieter Marc und Amira, einer jungen Deutschen einen Ausflug. Marc will uns einen Wasserfall zeigen, den er besonders mag. Nach zwei Stunden Fahrt kann er das Auto abstellen und wir laufen ein kurzes Stück über eine sandige Fläche, bis wir zu einer großen Felsplatte kommen, die von mehreren Wasserläufen durchzogen ist. Zwei von ihnen müssen wir überspringen.

Für Marc mit seinen langen Beinen ist das normalerweise eine Kleinigkeit, aber er hat seit Tagen heftige Schmerzen im linken Fuß. Trotzdem schafft er es aus dem Stand auf einem Bein. Auch Klaus hat keine Probleme, nur Amira und ich stehen etwas bedröppelt da. Erst als uns die Männer die Hand reichen, schaffen wir den Sprung auf die andere Seite. Eine kleine Klettertour, dann stehen wir vor einem großen Becken. Wir wundern uns über den warmen Wind, der hier plötzlich weht. Einen Zugang zu diesem Wasser suchen wir vergeblich, man muss springen oder oben bleiben. Marc ist als erster unten, ich nehme allen Mut zusammen und springe die vier Meter hinunter. Mir bleibt förmlich die Luft weg, ich bin in einer Badewanne gelandet. Das Wasser hat bestimmt eine Temperatur von 38 Grad und wird aus kräftigen heißen Quellen ein paar Kilometer aufwärts gespeist. Marc grinst mich an, die Überraschung ist ihm geglückt. Klaus kommt dazu und gemeinsam kämpfen wir uns durch die Strömung auf die andere Seite. Das Wasser fließt so schnell, dass man kaum vom Fleck kommt. Wir schwimmen im weiten Bogen um den nach unten stürzenden Wasserfall zurück. Das ist bei der Wassertemperatur ganz schön anstrengend. Nach einer Verschnaufpause müssen wir die Felsen hochklettern, anders kommt man hier nicht wieder raus. Ich bin vielleicht froh über meine Badeschuhe. Noch ist der Salto De Malacatiupan wenig bekannt. Außer uns sind noch vier andere Touristen hier. Als wir zwei Stunden später zum Auto zurückkehren, kommen uns vier Paare entgegen. Die Frauen gut frisiert und geschminkt, in eleganten Kleidern und mit Pumps an den Füßen. Die werden hier bestimmt nicht ins Wasser springen.
Auf der Ruta de las Flores, die landschaftlich wunderschön liegt aber in dieser Zeit wenig Flores hat, fahren wir nach Ataco. Das ist eine hübsche kleine Stadt mit einem zentralen Park. Zu dritt gehen wir in das nächstgelegene Restaurant, Marc muss seinen Fuß ausruhen und bleibt im Auto. Der junge Kellner kann sein Glück kaum fassen, Touristen in seinem Lokal. Als er dann noch erfährt, dass wir aus Deutschland sind, will er unbedingt Selfies mit uns machen. Als Dankeschön stellt er ein großes dreigeteiltes Sandwich vor uns auf den Tisch.

Nach einem Rundgang durch die Innenstadt mit ihren bekannten Wandmalereien geht es weiter zu einer großen Kaffeeplantage, deren Sehenswürdigkeit ein Irrgarten ist. In einem so heimtückisch angelegten Labyrinth bin ich noch nie gewesen. Und dann ist es noch am Hang gelegen, das bedeutet ständiges bergauf und bergab laufen. Irgendwann erreichen wir die Mitte. Mit einer Glocke kann man anderen seinen Erfolg mitteilen. Aber jetzt müssen wir wieder rausfinden, wir haben wirklich keine Lust mehr und als ein junger Mann fragt, ob er uns führen soll, nehmen wir das dankbar an.
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Abends gehen wir noch einmal in eins der Strandrestaurants. Der Besitzer bedankt sich überschwänglich, das wir El Salvador besuchen. Er weiß, dass sein Land einen schlechten Ruf hat und bittet uns, zuhause zu erzählen, wie schön es hier ist.
Wir nehmen den Bus nach San Salvador. Die Fahrkarte kostet 1,50 US$ (El Salvador hat keine eigene Währung) für 50 Kilometer. Allerdings müssen wir auch für jeden Koffer eine Fahrkarte kaufen. Dafür dürfen die dann auf dem Sitz mitfahren. Auf der stark befahrenen Küstenstraße geht es nach La Libertad, dem beliebten Badeort der Hauptstädter, hier zweigt die Straße  nach San Salvador ab. Auf der neuen vierspurigen Straße geht es zügig voran, bald haben wir den Stadtrand erreicht. Über der großflächig angelegten Stadt erhebt sich ein Vulkan. Erdbeben haben ihr immer wieder zugesetzt. Das letzte schwere Beben liegt noch keine 20 Jahr zurück. San Salvador ist auf den ersten Blick nicht von einer nordamerikanischen Stadt zu unterscheiden. In mehreren großen Einkaufszentren sind alle bekannten Fastfood-Ketten und Modelabel aus den USA vertreten.
Doch im Bereich der Altstadt – wo unser Hotel liegt – ändert sich das Stadtbild. In diesem Teil der Hauptstadt sind scheinbar alle Fenster und Türen vergittert und die Häuser dicht an dicht mit Stacheldraht, Natodraht oder Elektrodraht gekrönt. Außerdem laufen viele bewaffnete Wachleute herum. Nach Einbruch der Dunkelheit soll man besser ein Taxi nehmen. Jetzt am frühen Nachmittag kann man sich nicht vorstellen, dass es hier gefährlich sein könnte. Wir bestellen aus Bequemlichkeit schon jetzt ein Uber-Taxi und lassen uns die vier Kilometer zur Kathedrale fahren. Das Taxi quält sich durch dichtes Gedränge auf der links und rechts dicht mit Marktständen bestückten Hauptstraße zur Plaza Civica an der Kathedrale Metropolitana.

Familien sitzen auf dem Platz auf Bänken oder auf dem Boden und essen, reden, lachen und beobachten ihre spielenden Kinder.

Die von außen prächtige Kirche ist innen recht schmucklos, sie wurde auch erst Ende des letzten Jahrhunderts fertiggestellt. Eine weitere Kirche (San Rosario) in der Nähe sieht von außen aus, wie eine unscheinbare Werkhalle aus grauem Beton, aber von innen fühlt man sich wie mitten im Regenbogen.

Unweit der beiden Kirchen spielt eine großartige Band lateinamerikanische Musik. Umringt von einem großen Zuschauerkreis tanzen Menschen von acht bis achtzig allein oder paarweise begeistert zur mitreißenden Musik.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus zum botanischen Garten „Plan de la Laguna“. Früher war hier ein See, der durch einen Vulkanausbruch im 18. Jahrhundert trockengefallen ist. Auf der fruchtbaren Erde wurde im letzten Jahrhundert ein botanischer Garten angelegt. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel für Familien.

Teiche mit Fischen und Schildkröten sind zwischen Bäumen, Sträuchern, Wüstenpflanzen und Blumen angelegt. Auf schattige Wegen mit vielen Sitzgelegenheiten und mehreren Spielplätzen finden Alt und Jung jeweils das Passende.

Hier sitzen wir eine Weile und beobachten ein paar Dohlengrackeln. Die kennen wir schon seit Mexiko und erfreuen uns an ihrer Fähigkeit, andere Vögel oder sonstige Geräusche nachzuahmen, wie Handyklingeln oder das akkustische Signal von Fußgängerampeln.
Der Weg zum knapp zwei Kilometer entfernten Einkaufszentrum bietet ein unerwartetes Hindernis. Wir müssen eine gut 20 Meter hohe Brücke überqueren, die anscheinend nur für Autos gebaut wurde. Kein Bürgersteig, und das Geländer reicht gerade mal bis zum Oberschenkel. Doch die Menschen, die wir fragen, deuten sehr bestimmt auf die Fahrbahn. Mit einem etwas mulmigen Gefühl laufen wir die letzten 300 Meter, bis wir unser Ziel erreichen. Groß und modern mit vielen Boutiquen und noch mehr Schuhgeschäften präsentiert sich das Einkaufszentrum. Hier kauft die Ober- und Mittelschicht ein. Die teuersten Schuhe kosten hier 35 US$. Für Miguel Normalverdiener kaum erschwinglich, 300 US$ verdient er im Monat.
Für den Rückweg bestellen wir uns ein Taxi, heute sind wir genug gelaufen.

León – (Nicaragua)

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Wir dachten, dass wir in der Hauptstadt die beste Möglichkeit zur Weiterreise haben. Falsch, vom kleinen Ort Palmarcito kostet die Fahrt nach Nicaragua nur knapp die Hälfte. Xena, unsere nette Vermieterin, hat uns Tickets gebucht und wir nehmen morgens noch mal den öffentlichen Bus an die Küste. Natürlich müssen wir wieder Tickets für unsere Koffer kaufen. Klaus händigt dem Schaffner 6 US$ aus und hat damit für uns vier (wir + 2 Koffer) bezahlt. Das Gepäck ist schon im Bus, bevor wir einsteigen dürfen. Man muss dem Fahrer die Tickets zeigen und darf sich dann durch das Drehkreuz quetschen. Und jetzt gibt es Ärger. Wir haben zwei Tickets, müssten aber vier haben. Der Fahrer ist unnachgiebig, trotz der Vermittlung eines englisch sprechenden Landsmannes, besteht er auf weiteren 3 US$. Klaus zahlt zähneknirschend. Die anderen Fahrgäste verfolgen das Ganze interessiert, aber die draußen Wartenden werden kein bisschen ungeduldig.

Als der Bus gerade anfährt, kommt der Schaffner zu uns, drückt uns drei Dollar-Münzen in die Hand und entschuldigt sich wortreich. Ein Aufseufzen geht durch den Bus. Man kann den Ausländern also doch trauen, sie wollten wirklich nicht betrügen.

Wieder sind wir in Palmarcito und gehen noch mal ins Strandrestaurant, um Ceviche (ein herrlich frisches Gericht aus Meeresfrüchten oder Fisch) zu essen. Währenddessen wird das Lokal mit Getränken beliefert. Vier Männer laden den ganzen LKW aus und schleppen tatsächlich jeder vier volle Bierkästen auf der Schulter und dabei können sie uns noch freundlich zuwinken.

Der Shuttlebus kommt eine halbe Stunde zu früh. Jetzt haben wir freie Platzwahl, denn die Mitfahrerinnen sind noch nicht vom Essen zurück. Den Bus kennen wir doch, das Spinnwebmuster auf der Windschutzscheibe ist unverwechselbar. Tatsächlich sind wir mit Bus und Fahrer bereits aus Antigua gekommen. Gesprungene Scheiben sind hier überhaupt kein Grund, gleich zur Werkstatt zu fahren, Hauptsache sie sind noch dicht. Löcher kann man auch einfach mit einer Glasscheibe überkleben.

Die restlichen Passagiere werden noch in El Zonte eingesammelt und dann beginnt die lange Fahrt. Auf guter Straße geht es durch das schöne Land. Kurz vor Sonnenuntergang halten wir noch an einer Tankstelle mit Supermarkt, wo wir etwas einkaufen oder am Geldautomaten die nötigen Dollar für die zwei Grenzübertritte ziehen können. Ein paar Kilometer weiter sind wir an der Grenze zu Honduras. Aus- und Einreise gehen zügig vonstatten. Und auf einer sehr gut markierten und teilweise beleuchteten Straße fahren wir durch Honduras. Zu sehen ist in der Dunkelheit leider kaum etwas, aber so eine gute Straße haben wir nicht erwartet.

Die Ausreise aus Honduras verläuft recht geordnet, nach Nicaragua kommen wir jedoch nicht so schnell hinein. Wir müssen unsere Pässe abgeben, das Geld hat der Fahrer schon vorher eingesammelt, und dann dauert es über eine Stunde, bis wir neun Personen einreisen dürfen, obwohl vor uns keine anderen Reisenden warten.

Aber auch diese Prozedur geht vorbei und wir können irgendwann weiterfahren. In der Dunkelheit tauchen am Straßenrand ab und zu Kühe oder Pferde auf. Plötzlich macht der Fahrer eine Vollbremsung, seelenruhig geht um Mitternacht ein Schwein auf der Straße spazieren. Jetzt sind alle wieder munter. Und eine knappe Stunde später erreichen wir auch unser Ziel Leon. Selbst um diese Zeit ist noch Betrieb in der Stadt. In einer Straße stehen Imbisswagen, deren Feuerstellen noch glühen, laute Musik ist zu hören. Nach und nach steigen die Mitreisenden vor ihren Hostels aus, der Fahrer drückt kurz auf die Hupe, die vergitterten Türen werden geöffnet und die späten Gäste willkommen geheißen. Und dann sind auch wir angekommen, hundemüde aber noch zu aufgekratzt zum schlafen. Wir trinken jeder ein Bier, das hilft.

Zum Frühstück gibt es im Hostel leckere Pfannkuchen mit Bananen und Kaffee, soviel man mag. Danach suchen wir den nächsten Geldautomaten und verheddern uns erstmal mit den Nullen. Die 1.500 Cordobas, die wir aus dem Automaten ziehen, sind gerade mal 41 €.

Auf dem Weg zur Kathedrale kommen wir an der Iglesia San Francisco vorbei. Hier herrscht ein Riesengedränge, rundherum Buden mit Waren aller Art, natürlich auch jede Menge essbares. In der proppenvollen Kirche findet gerade eine Messe statt. Fröhliche und mitreißende Kirchenlieder schallen bis auf die Straße. Wir geraten mit der sich vorwärts schiebenden Menschenmasse in die Kirche. Gleich rechts hinter dem Haupteingang ist ein Verkaufsstand aufgebaut. Schmuck, Kinderspielzeug und jede Menge Tinnef wird hier angeboten.

Irgendwie können wir uns herauswinden und kehren zurück auf die Straße. Die ist bis zur Kathedrale für den Verkehr gesperrt. Hier herrscht eine Stimmung wie auf dem Rummelplatz.

Dann stehen wir vor der 1860 eingeweihten Kathedrale „Real ey Insigne Basilica Catedral de la Asunción de la Bienaventurada Virgen Maria“ (echte und berühmte Basilika der Himmelfahrt der Jungfrau Maria). Der lange Name hat seine Berechtigung, es handelt es sich immerhin um die größte Kathedrale in Mittelamerika.

Auf dem Platz davor entstehen auf großen Plastikfolien gerade Teppiche aus Sägemehl. Das Naturmaterial wird direkt daneben mit Wasser und Farbe gemischt und feucht verarbeitet. Während in Antigua mit Schablonen gearbeitet wird, sind hier echte Handwerker zu bewundern. Unter ihren geschickten Fingern entstehen sogar dreidimensionale Bilder.

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Die Kirche – von grimmigen Löwenstandbildern bewacht – ist jetzt allerdings geschlossen, erst am späten Nachmittag wird wieder geöffnet.

Wunderbar goldenes Licht durchflutet die riesige, fünfschiffige Kirche. Für dieses unvergleichliche natürliche Licht ist sie berühmt. Gerade übt eine Musikkapelle für die Osterprozession. Der Schall vervielfacht sich und die Musik scheint aus allen Richtungen zu kommen. Wie muss sich hier erst ein Orgelkonzert anhören.

Erschien uns die Stadt heute Morgen wegen der vergitterten Fenster und Türen an den Häusern noch ziemlich abweisend, hat sie jetzt am späten Nachmittag eine ganz andere Wirkung. Fast alle Türen sind geöffnet und man kann durch die Gitter bis in die herrlichen Innenhöfe schauen. In den zur Straße gelegenen Zimmern sieht man Kinder spielen, Erwachsene fernsehen, und ältere Menschen in Schaukelstühlen hin und her wippen. Als wir spät abends zurück zu unserem Hostel laufen, müssen wir manches Mal auf die Straße ausweichen, denn inzwischen stehen nicht wenige Schaukelstühle auf dem Bürgersteig. Nach Tagestemperaturen von über 30 Grad genießen die Menschen ihr Schwätzchen mit den Nachbarn in der lauen Abendluft.

Wir haben erwartet, dass die Alfombras vor der Kirche heute alle fertig sind, aber da sind keine mehr. Gestern muss am Abend eine Prozession stattgefunden haben und von den herrlichen Teppichen ist nicht ein Krümelchen Sägemehl übrig. Wir suchen uns einen Schattenplatz im Parque Central, dessen Mittelpunkt der trockene Löwenbrunnen bildet. Sobald das runde Becken mit Wasser gefüllt ist, funktionieren die Kinder es zum Planschbecken um. Das ist den Stadtvätern wohl ein Dorn im Auge. Bei all den Verkaufsständen und Minikarussells würde das der Würde des Parks nun wirklich nicht schaden. An einer Holzbude wird die Fun-Sportart „Vulcano-Boarding“ angeboten.

Dabei hüllen sich die sportlichen Teilnehmer in einen Overall und klettern morgens – ein dickes Holzbrett unter dem Arm – den Cerro Negro hoch bis auf über 700 Meter. Dann heißt es: Schutzbrille auf, auf das Brett setzen und den steilen Abhang auf scharfkantigem Vulkanschotter herunter sausen. Dabei erreicht man bei 45 % Gefälle eine Geschwindigkeit von gut 60 Stundenkilometern. WICHTIG: Den Mund geschlossen halten und nicht umkippen.

Gegen Abend nehmen wir an einer „Free-Walking-Tour“ teil. Außer uns ist zu dieser Zeit niemand interessiert und Noell unser Guide kann sich ganz auf uns konzentrieren und uns viel über seine Stadt und die jüngere Geschichte des Landes, das dreimal so groß wie die Schweiz ist und gut 6 Millionen Einwohner hat, erzählen. Natürlich spricht er auch über die Demonstrationen, die im April vor einem Jahr begannen und über 200 Todesopfer forderten. Ich frage ihn, ob er die Stadt Diriamba kennt und erzähle von der früheren Verschwisterung mit unserer Heimatstadt. Das begeistert ihn, er hat nämlich Verwandte dort.

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Vor einer Brandruine erzählt uns Noell, wie gefährlich Fußball sein kann. Im vergangenen Jahr fand ein wichtiges Spiel zwischen FC Barcelona und Real Madrid statt. Die Fans beider Vereine hatten sich in zwei gegenüber liegenden Lokalen vor den Fernsehern eingefunden. Während die einen den Sieg Barcelonas bejubelten, wuchs der Groll bei den Anhängern der Madrilenen. Die Schmach musste getilgt werden, sofort und hier. Auf der Straße gab es eine Massenschlägerei. Auch das Küchenpersonal beteiligte sich. Währenddessen fing eine auf dem Herd vergessene Pfanne Feuer und bis die Hitzköpfe den Brand bemerkten, stand das Lokal in hellen Flammen. Sieg für Barcelona auf ganzer Linie.

Kaum sind wir am Park angekommen, sehen wir schon wieder eine Prozession. Heute fehlen allerdings die kunstvollen Alfombras.

Der Shuttlebus nach Granada kommt um 7.30. Wir haben noch ein wenig Zeit für ein Gespräch mit dem netten Besitzer des Hostels. Durch den Aufstand im vergangenen Jahr war er gezwungen, das Hostel für mehrere Monate zu schließen und sein Personal zu entlassen. Langsam läuft es wieder an, aber jetzt hat er mit neuen Problemen zu kämpfen: Einige unverschämte Backpacker, die dreist auftreten und versuchen durch Erpressung die wirklich angemessenen Preise zu drücken. Motto: Wenn Du mir das Zimmer nicht für XXX Cordobas gibst, schreibe ich eine schlechte Bewertung in Booking.com oder Hostelworld. Sie wollen die Welt bereisen, aber wenn das Geld nicht reicht sollen andere gefälligst dafür sorgen, dass es ihnen an nichts fehlt. Auf die Idee auf irgendeine Fun-Sportart zu verzichten, oder ihre Arbeitskraft anzubieten, kommen sie nicht.  Oder: Das im Übernachtungspreis enthaltene Frühstück wird bemäkelt, z.B.  nicht vegan (dabei steht Gallo pinto – das landestypische Frühstück aus Reis und Bohnen – auf der Karte). Die Herrschaften wünschen Müsli mit Obst und Sojamilch und bloß keine Bananen oder Wassermelonen, am liebsten Import-Äpfel. Die einheimischen Angestellten , denen sie ihr Leid wegen des schmalen Budgets klagen, verstehen das natürlich überhaupt nicht, denn keiner von denen hat schon jemals eine Urlaubsreise gemacht. Die sind schon froh, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten können und das geht wiederum nur, wenn die Übernachtungsgäste auch die kalkulierten Preise zahlen.

Vulkane – in Granada, am Apoyo-See und auf Ometepe (Nicaragua)

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Mit dem Shuttlebus fahren wir zum letzten Mal durch Leon. Löwenstandbilder, wohin man schaut, in Parks, an Brunnen und vor Gebäuden. Ob jemand weiß, wie viele es in der ganzen Stadt gibt?

Am frühen Morgen können wir endlich auch was vom Land sehen. Auffallend viele Pferdefuhrwerke sind auf den Straßen unterwegs. Dieser Teil des Landes ist hauptsächlich flach und wird meist landwirtschaftlich genutzt. Viehwirtschaft, Bananen, Zuckerrohr, Tabak und im Abnehmen begriffen auch Baumwolle. Auffallend sind dazwischen die blühenden Butterblumenbäume, deren strahlendes Gelb weit leuchtet.

Die Hauptstadt Managua durchfahren wir nur in den Randgebieten. Vor Einkaufszentren und bei großen Kreisverkehrsinseln steht ein Großaufgebot an Polizei. Der Jahrestag der Demonstrationen von 2018 steht kurz bevor, und die Regierung ist offenbar ziemlich nervös.

In den Mittagsstunden erreichen wir Granada – von den Einheimischen „fette Rosine“ genannt – übrigens verschwistert mit Frankfurt/Main. Unser Hotel gehört einem Inder der uns erzählt, dass viele Ho(s)tels und Restaurants nach den blutigen Aufständen vor einem Jahr schließen mussten. Sein Hotel hat überlebt, aber das dazu gehörende Restaurant rentiert sich nicht mehr. Wir kühlen uns erst einmal im Pool ab, in Granada ist es noch mal 5 Grad wärmer als in Leon. Die junge Frau, die kurz darauf ebenfalls in den Pool steigt, hat Schürfwunden am rechten Unterarm. „Vulkan-Boarding?“ frage ich, sie nickt.

Beim ersten Rundgang durch die Stadt sehen wir viele schöne Gebäude aus der spanischen Kolonialzeit. Obwohl die Stadt mindestens dreimal von Piraten zerstört wurde, gilt Granada (80.000 EW) nach mehrfachem Wiederaufbau als die schönste Stadt Nicaraguas; Leon dagegen ist die lebendigere und mit 200.000 Einwohnern auch die größere. Eine Zeit lang wechselten sich beide in ihrer Funktion als Hauptstadt ab, bis 1858 die Ernennung Managuas dem Dauerstreit ein Ende machte.

Vor der Kathedrale entsteht gerade die größte Alfombra (Sägemehlteppich) für die Osterprozession, die wir bisher gesehen haben. Hier bedient man sich einer anderen Technik als in Antigua oder Leon. Auf die gut 25 m² großen Fläche aus Naturmaterial wird das Motiv farbig aufgesprüht. Ein Zaun schützt es vor unabsichtlicher Zerstörung, denn dieses Werk muss bis Ostern erhalten bleiben.

Wir sitzen im Café gegenüber der Iglesia la Merced, wo gerade ein Trauergottesdienst stattfindet. Vor der Kirche stehen in der größten Hitze zwei Pferde, die die schwarze Kutsche nach der Trauerfeier zum Friedhof ziehen müssen. Die Menschen, die aus der Kirche strömen, sind elegant gekleidet, schwarz tragen die wenigsten.

Abends suchen wir uns aus der Vielzahl der Restaurants eins mit besonders schönem Innenhof aus. Im Freien sitzen, dabei ins beleuchtete Grün schauen und dabei das Brunnenwasser plätschern hören, ist ungemein entspannend. Das Lokal schließt um 21 Uhr, später als viele andere. Auf dem Rückweg reiben wir uns verwundert die Augen.

Die ruhige Fußgängerzone der Altstadt hat sich in eine Partymeile verwandelt. Mitten auf der Straße stehen jetzt Tische und Stühle, Bands spielen, Händler drängen sich zwischen den Tischen durch und bieten ihre Waren an, Menschen essen, trinken, tanzen und singen.

Am nächsten Morgen herrscht wieder verschlafene Ruhe. Am anderen Ende der Stadt kommt man an den Nicaragua-See. Durch den San Juan-Fluss ist der See mit dem Atlantik verbunden (den Weg nahmen die Piraten) und die schmalste Stelle zwischen See und Pazifik beträgt nur 10 Kilometer. Deshalb wird immer wieder über den Bau eines Äquivalents zum Panama-Kanal spekuliert. Hoffentlich kommt es nie so weit, denn damit würde sich hier alles verändern. Der größte Binnensee Mittelamerikas (17 mal so groß wie der Bodensee) ist Wasserspeicher, Nahrungslieferant, Verkehrsader für einen Teil der Bevölkerung des Landes und für die Einwohner Granadas der beliebteste Vergnügungsplatz.

Wir sind erstaunt, dass hier so wenige Menschen im Wasser sind. Die können doch nicht alle Angst vor den Bullenhaien haben, die in dem See leben und als einzige Hai-Art die Umstellung von Salz- auf Süßwasser schaffen. Während wir am Strand entlang laufen, kommt plötzlich ein Pferd angaloppiert, stoppt an einem grasbewachsenen Platz und beginnt zu fressen. Von einem Besitzer ist weit und breit nichts zu sehen.

Ein junger Mann bietet uns eine Bootstour zu den 360 kleinen Inseln an, die durch einen Ausbruch des Mombacho-Vulkans vor Jahrtausenden entstanden sind. Um zur Anlegestelle zu kommen, müssen wir ein ganzes Stück mit dem Auto am Seeufer entlang fahren. Und hier sind all die Menschen, die wir am vorderen Ufer vermisst haben.

Hier stehen Bäume mit weit ausladenden Kronen am Ufer und spenden den nötigen Schatten. Dazwischen liegen Spielplätze, verkaufen Händler aufblasbare Gummitiere und -reifen in allen Größen und Farben, stehen Händler mit Speisen und Getränken bereit, kurz – es fehlt an nichts. In der Osterwoche sind Ferien und dieser Teil des Seeufers ist nicht nur bei den Einwohnern Granadas, sondern auch bei denen aus der Hauptstadt beliebt. Der eigene (Managua-) See ist stark verschmutzt, baden geht dort niemand mehr.

Wir fahren mit dem Boot zwischen den vorderen Inseln hindurch und der junge Mann erzählt uns, wem sie jeweils gehören. Einheimische Brauereibesitzer und Zeitungsverleger gehören zu den Glücklichen. Die größte mit dem protzigsten Haus gehört einem amerikanischen Pornoproduzenten und die mit dem schönsten Haus und einem Hubschrauber-Landeplatz dem Schauspieler Morgan Freeman. Nur etwa 20 dieser Inseln sind von Einheimischen bewohnt, etliche noch zu verkaufen. Nach einem Lottogewinn kann man ja mal darüber nachdenken. Zurück an Land laufen wir am Seeufer zurück und schauen uns an, wie die Menschen ihre Freizeit am Seeufer genießen.

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Im rechteckigen Parque Central vor der Kathedrale stehen an den vier Ecken gemauerte Kioske. Hier wird eine örtliche Spezialität verkauft: Auf ein warmes Püree aus Yucca-Wurzeln kommen kleine Stückchen kross gebratener Schweineschwarte, gekrönt von einem Krautsalat. Es schmeckt mir erstaunlich gut, bis plötzlich eine warme Ladung von oben aus dem Baum meinen Kopf und die Schulter trifft und auch ins Essen tropft. Irgend ein Vogel – klein war er sicher nicht – hat sich gerade gewaltig erleichtert. Die Verkäuferin aus dem Kiosk kommt sofort mit einem Lappen angerannt, befeuchtet ihn mit meinem Trinkwasser und beseitigt den gröbsten Schaden. Jetzt will ich nur noch ins Hotel und unter die Dusche. Sollte ich allerdings feststellen, dass an der „behandelten“ Stelle die Haare jetzt doppelt so dicht sprießen, werde ich mir schon mal eine Insel aussuchen; mit einem Haarwuchsmittel das wirkt, kann man steinreich werden.

Vor der Casa de los tres Mundos (Haus der drei Welten) – dem Kulturzentrum der Stadt – hängt ein Plakat. „Schau mal das Bild“, sagt Klaus „der sieht doch aus wie dieser Schauspieler.“ „Dietmar Schönherr,“ ergänze ich, und als ich später nachschaue, bewahrheitet sich das. Der Schauspieler hat sich mit sozialen Projekten stark in Nicaragua engagiert.

Am Gründonnerstag und Karfreitag ist von Musik- und Tanzverbot keine Rede. Während morgens bei den Prozessionen in manchen Gegenden sogar ein Kreuz mit einem angebundenen lebenden Menschen durch die Straßen getragen wird und manche Gläubige vor Verzweiflung und Mitgefühl weinen, kennt die Feierfreude abends keine Grenzen.

Osterprozessionen haben wir jetzt zur Genüge genossen, deshalb verlassen wir die Stadt am Samstag und lassen uns mit dem Taxi zum nahe gelegenen Apoyo-See bringen. Am Ende der Straße haben wir in einem kleinen Ressort für die nächsten Tage einen Bungalow gemietet.

Dieser in einem Vulkankrater liegende fast runde See mit 4 km Durchmesser soll das sauberste Wasser in ganz Mittelamerika haben. Ganzjährig hat er eine Temperatur zwischen 25 und 27 Grad, einfach wunderbar. Auch der Schweizer Besitzer Daniel hat seit der Demonstrationen vor einem Jahr zu kämpfen. Acht von zehn Mitarbeitern musste er entlassen und hofft nun, dass die Touristen bald wiederkommen. Er liebt dieses Land und ganz besonders den See. Begeistert erzählt er uns von den Tieren, die in der Wildnis rundherum leben. Zwei Affenarten sind hier heimisch, Brüll- und Kapuzineraffen. Ein Ameisenbär hat ihn in den sechs Jahren, die er hier lebt, auch schon auf seinem Grundstück besucht, und die vielen Vögel die hier leben notiert er sich in einem Buch. Beim Frühstück sehen wir einen Motmot, dessen Schwanzfedern aussehen, als wären zwei Bommel am Ende befestigt. Er ist sowohl der Nationalvogel El Salvadors als auch Nicaraguas.

„Den Masaya-Vulkan müsst ihr dringend besuchen“, rät uns Daniel. Also fahren wir am nächsten Nachmittag 35 Kilometer mit dem Taxi zu diesem Berg. Die Zufahrt ist durch ein Tor gesperrt, auch Fußgänger werden erst ab 17 Uhr eingelassen. Über eine gute neue Straße geht es zwischen Schlackefeldern den Berg hinauf zu einem weitläufigen Parkplatz. Große Dampfwolken steigen jenseits der Begrenzungsmauer auf. Ein Blick hinüber zeigt ein Loch, aus dem es unentwegt qualmt. Wir laufen noch ein Stück weiter, den Berg zur Linken hinauf und schauen in den Krater eines erloschenen Vulkans. Als die Sonne untergeht, gehen wir langsam zurück. Im Dunklen wollen wir auf diesen Wegen voller Vulkan-Schotter nicht gerne unterwegs sein, wie leicht gerät man hier ins Rutschen. Ein Schwarm Papageien kommt lärmend angeflogen und sucht einen Schlafplatz für die Nacht.

Inzwischen haben sich zu den paar Autos, die vorhin auf dem Parkplatz standen noch ein paar hinzugesellt, darunter auch ein Wohnmobil. Mit dem Besitzer kommen wir kurz darauf ins Gespräch – ein Schweizer unterwegs auf der Panamerikana. Je dunkler es wird, umso heller leuchtet die glühende Lava in dem Loch, es kommt mir vor, als könne man der Erde tief in den Schlund schauen – faszinierend.

Das Vulkan-Thema lässt uns auch am nächsten Tag nicht los. Wir machen uns auf den Weg zur Insel Ometepe, die im Nicaragua-See liegt. Ursprünglich waren es zwei Vulkan-Inseln, die nach mehreren Eruptionen durch ausfließende Lava inzwischen miteinander verbunden sind.

Der Bus fährt bis zum Hafen San Jorge, dann brauchen wir noch eine gute Stunde mit der Fähre auf die Insel. Mal wieder eine gute Gelegenheit, um Menschen zu beobachten. Männer und Frauen schauen begeistert der Telenovela zu, die über den Bildschirm flimmert. Kinder werden mit Süßigkeiten zum Ausharren gebracht und den Kleinsten wird die Brust gegeben. Stillende Mütter sind in allen bisher bereisten Ländern Mittelamerikas zu sehen. Auf Bänken, in Bussen, selbst während des Laufens holen die Mütter die Brust raus und lassen ihre Kinder trinken.

Am Hafen von Moyogalpa wartet bereits ein Taxi auf uns, das der Hotelbesitzer für uns organisiert hat. Die Strecke an der dem Westufer des Sees zugewandten Seite sei etwas länger, aber viel besser, erklärt uns der Fahrer. Uns ist das egal, wir haben einen Festpreis für die Hin- und Rückfahrt vereinbart und genießen die schöne Strecke. Unser Hotelchen (zwei Zimmer) liegt auf dem Verbindungsstück zwischen den beiden Vulkanen. Zwischen unserer Terrasse und dem Strand liegt nur die kaum befahrene Straße. Es gibt ein paar Läden, drei Restaurants und ganz viel Natur.

Am nächsten Morgen gehen wir Schwimmen, hundert Meter weiter rechts tun es uns ein paar Pferde gleich. Sie marschieren ins Wasser, manche legen sich hin, andere wälzen sich auf den Rücken, und dann geht es zum Trocknen an den Strand. Conception, der größere der beiden Vulkane trägt morgens ein Wolkenmützchen, das ständig seine Form verändert.

Auf dem Teil der Insel, die vom Vulkan Maderas dominiert wird, gibt es Petroglyphen. Diese in Felsen eingearbeiteten Bilder sind ein guter Grund für eine Wanderung. Nach ein paar Kilometern über einen Feldweg mit zwei 50 Zentimeter breiten betonierten Fahrstreifen sind wir beim ersten Felsstein angelangt, der mit einem einfachen Dach vor Regen schützen soll. Die nächsten, die wir zu Gesicht bekommen, liegen einfach im Freien.

Der Weg zu einer 7 Kilometer entfernten Lagune führt durch ein Gatter. Ein Pärchen auf dem Moped schaut sich den Weg an und muss feststellen, fahren ist hier nicht möglich. Da hat es der Caballero, der kurz darauf auf seinem Pferd angetrabt kommt, schon einfacher. Das Tier ist diesen steinigen Weg offenbar gewöhnt, schon nach kurzer Zeit ist von den Beiden nichts mehr zu sehen. Wir allerdings geben nach einer halben Stunde auf und treten den Rückweg an. Warum einen solch schwierigen Weg gehen, wenn er sowieso nicht zum Aussichtsturm führt, den wir eigentlich besuchen wollen.

Der andere Weg führt zwischen herrlichen Bäumen hindurch. Merkwürdige Samenkapseln liegen auf der Erde. Diese schönen Gebilde könnte man bestimmt als Musikinstrument nutzen, die Samen rasseln so schön in den hölzernen Kapseln.

Wir sind ganz allein hier und können Vögel und zwei sich jagende Eichhörnchen beobachten. Nach einer Weile kommen wir zu einer Plantage und mittendrin liegt der Aussichtsturm und ein hübsches Restaurant, das zu einem Hostel gehört. Das kommt uns gerade recht für eine Pause. So schön das hier auch liegt, für uns ist es nicht das Richtige. Es liegt beinahe 100 Meter oberhalb der Straße und die Gäste müssen ihr Gepäck auf engen Wegen selbst nach oben befördern. Für uns geht es mit leichtem Gepäck hier nur bergab, eine Kleinigkeit nach dem leckeren Brot.

Am nächsten Morgen geht es mit der 11 Uhr-Fähre zurück aufs Festland. Ein Taxifahrer macht uns das Angebot, uns für einen guten Preis bis zur Grenze nach Costa Rica zu bringen. Da können wir nicht widerstehen und genießen die 40 Kilometer bis zur Grenze. Hier sind wir in der Region, in der hauptsächlich Viehzucht betrieben wird. Jetzt, am Ende der Trockenzeit, ist das Gras verdorrt und die Rinder sind so dürr, dass man die Rippen sehen kann. Mensch und Tier warten auf den Regen, der in ein paar Tagen das ganze Land in üppiges Grün verwandeln wird.

Dann sehen wir links und rechts eine Vielzahl von Windrädern. In Nicaragua ist man ungeheuer stolz auf diese fortschrittliche Energieerzeugung.

Fünf Kilometer vor der Grenze beginnt ein Stau. Wie eine riesige Eisenbahn stehen LKW dicht an dicht. Unsere Befürchtung, dass das jetzt eine langwierige Angelegenheit wird, bewahrheitet sich nicht. Der Fahrer fährt an der Blechschlange vorbei und setzt uns direkt vor der Grenze ab.

Schade, dass unsere Zeit in Nicaragua schon vorbei ist. Auch dieser Abschied schmerzt, aber gleichzeitig freuen wir uns auf Costa Rica.

Die Hauptstadt San José (Costa Rica)

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Der Bus in die Hauptstadt fährt erst am Nachmittag ab. Weil in der Regenzeit wenige Gäste im Hotel sind, können wir bis mittags in unserem Häuschen bleiben. Pünktlich um 14:45 startet dann der Bus. Es ist nicht sehr weit bis nach San José, aber es braucht doch 4,5 Stunden für knappe 150 Kilometer.

Die Landschaft ist bergig und entsprechend kurvig die Straße, es geht ziemlich hoch hinaus. Die Häuser links und rechts der Straße sind recht klein, wirken aber gut gepflegt. Das Land ist so fruchtbar, dass sogar Zaunpfähle ausschlagen. Umso merkwürdiger, dass Besitzer großer Grundstücke mit schönen Häusern eine Vorliebe für fast schmucklose Rasenflächen haben. Ein paar blühende Stauden auf 20 cm links und rechts am Grundstücksrand, ein Felsbrocken oder eine Statue im Vorgarten, das scheint moderne Gartengestaltung à la Costa Rica zu sein.

Als der Bus wieder bergab fährt, leuchtet die 25 Kilometer von San José gelegene Stadt Alajuela schon von weitem in der Dunkelheit. Ein riesiges modernes Einkaufszentrum lockt mit blinkenden Lichtern und einem beleuchteten Riesenrad. Als wir am Flughafen halten, drängt uns eine Mitreisende zum Aussteigen. Als wir ihr erklären, dass wir in die Hauptstadt wollen, ist sie erstaunt. San José ist bei Travellern nicht sehr beliebt. Der erste Eindruck ist im Dunklen auch nicht wirklich einladend. Das Stadtviertel, durch das der Bus gerade fährt, wirkt herunter gekommen. Menschen sitzen oder liegen auf den maroden Bürgersteigen. Alle Läden haben die eisernen Rollläden herunter gelassen. Beim Busterminal muss erst ein Tor geöffnet werden, damit wir auf den Parkplatz fahren können. Innen ist das Terminal modern, sauber und hell erleuchtet. Der Ausgang ist bereits geschlossen, wir müssen durch die Eingangshalle. Mindestens zwanzig Taxifahrer warten hier auf Fahrgäste. Wir haben bereits bei Uber ein Auto bestellt und erzählen, dass unser Hotel einen Fahrer schickt, danach werden wir in Ruhe gelassen. Unserem Fahrer fehlt allerdings ein wenig Fantasie. Er wartet am Ausgang – ist ja eigentlich logisch, aber er muss doch merken, dass kein Mensch herauskommt. Auf die Idee, uns eine Nachricht zu schicken, kommt er auch nicht. Frustriert storniert er nach 10 Minuten die Fahrt. Sein Kollege jedenfalls fragt sofort an: „Wo finde ich Euch?“ Und damit läuft alles wie geschmiert.

Im Hotel erwartet uns Roland, der Freund des abwesenden Besitzers, beide sind Schweizer. Wir bekommen ein schönes großes Zimmer mit eingebautem Wandschrank und einem Nebenraum mit Stockbetten, wo wir unsere Koffer ausbreiten können.

Direkt vor dem Hotel führt eine Eisenbahnstrecke entlang. Wir staunen, dass die Schienen ohne irgendwelche Schranken mitten auf der Straße entlang führen. Während der Woche beginnt der Schienenverkehr bereits morgens um vier Uhr, begleitet von lautstarken Signalen. Nicht weiter schlimm, wenn man darauf vorbereitet ist.

Für das Abendessen empfiehlt uns Roland das Café Literario zwei Ecken weiter. Bücher hängen von der Decke und die Gerichte auf der Speisekarte heißen Hermann Hesse, Virginia Woolf, Harry Mathews usw. Eine gute Empfehlung, lecker und nicht zu teuer, weil sich kaum Touristen hierher verirren. Es ist ganz schön frisch draußen, San José liegt 1170 Meter über dem Meeresspiegel.

Die Innenstadt ist am Samstagvormittag richtig voll. Vor dem beeindruckenden Nationalmuseum, das unserem Restaurant vom Vorabend gegenüber liegt, fallen große Skulpturen in schwarz und weiß auf. Bis Mitte Juli läuft eine Ausstellung des Bildhauers Jorge Jiménez Deredia, der in Costa Rica geboren wurde und viele Jahre in Florenz lebte und arbeitete. Dort entdeckte er seine Begeisterung für Carrara-Marmor. Alle weißen Skulpturen sind aus diesem Material, die schwarzen aus Bronze. Ein zentrales Thema zieht sich durch alle hier ausgestellten Werke: die Kugel. Mehr als 350 Steinkugeln in der Größe vom Tennisball bis zu 2 Metern Durchmesser, vermutlich aus der Zeit von 600 bis 1200 n. Chr., wurden in verschiedenen Teilen des Landes gefunden und in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen.

Vor dem Nationalmuseum steht eine aus Glas und Stahl konstruierte Kugel um eines dieser merkwürdigen Fundstücke angemessen zu präsentieren. In der ganzen Innenstadt sind 27 Skulpturen von Deredia aufgestellt. Überall stehen Menschen davor und lassen sich fotografieren.

Kunst scheint in San José überhaupt eine große Rolle zu spielen, immer wieder fallen uns in dieser Stadt moderne Skulpturen auf. Doch die Hauptstadt hat durchaus ihre Probleme, viele Menschen leben auf der Straße. Wir sehen, wie sie sich am Abend auf ein paar Kartons legen und sie am Morgen zusammenfalten, um sie für die nächste Nacht aufzubewahren. In der Fußgängerzone sind Geschäfte         mit aktueller Mode, rund um die 140 Jahre alte Markthalle kleine Buden. Die Markthalle selbst hat ihre beste Zeit hinter sich, trotzdem kann man sich ihrer Faszination nicht entziehen. Mehr als 200 Marktstände sind in diesem Gebäude untergebracht. Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Wurst und Käse erwartet man ja auf einem solchen Markt.

Aber hier gibt es noch viel mehr, Ledersättel, Schuhe, Kräuter, Blumen, Kleider, Andenken und über allem hängt der Duft nach Gekochtem und Gebratenem. Und die Marktbesucher scheinen alle hungrig zu sein, denn überall wird geschmaust.

Wir laufen durch Parks, sehen uns Kirchen an, von denen uns die Nuestra Senora de la Merced (liebe Frau der Barmherzigkeit) besonders gut gefällt: Die bemalten Säulen im Inneren und das Dach, das wie ein umgedrehtes Schiff aussieht, haben einen ganz besonderen Zauber. Dagegen wirkt die Kathedrale auf uns kalt und abweisend. Neben der Kathedrale eine große Marmorstatue von Deredia, die den polnischen Papst Johannes Paul II. darstellt.

Roland hat eine geschickte Art, die Gäste des kleinen Hotels zusammen zu bringen. Er macht uns mit Andreas aus Hameln bekannt, einem Weltreisenden, der schon jahrelang unterwegs ist und noch lange nicht an eine Rückkehr nach Deutschland denkt. Andreas hat viel erlebt und kann darüber so spannend erzählen, dass wir bis weit nach Mitternacht zusammen sitzen. Zwischendurch zeigt er uns ein paar seiner großartigen Tierfotos. Vögel und Schlangen sind seine Favoriten in Costa Rica. Um zu solchen Aufnahmen zu kommen, sitzt er stundenlang auf einem Fleck.

Am Sonntag sind die meisten Geschäfte geschlossen. Wir nehmen uns die Stadtviertel Otoya und Amón vor, die besonders hübsch sein sollen. Bemalte Wände und schöne Villen erwarten uns in den Vierteln und weil wir schon in der Nähe sind, besuchen wir auch gleich den Parque Zoológico y Jardin Botánico Nacional Simón Bolivar.

Vor 100 Jahren angelegt, hat sich die Vegetation zu einem kleinen Dschungel entwickelt. Die Vorstellung von Wildnis wäre fast perfekt, wenn sich der Fluss direkt daneben sauber und ohne Müll zeigte. Man würde sich nicht wundern, wenn einem jetzt irgendwelche Tiere vor die Füße laufen würden. Doch die sind in viel zu kleinen Anlagen und Käfigen untergebracht. Für die zeitgemäße Unterbringung ist kein Geld da. Der Zoo arbeitet eng mit der hiesigen Universität zusammen und hat in der Aufzucht verwaister oder gefährdeter heimischer Tiere einige Erfolge vorzuweisen. Jaguar und Ozelot sind hier ebenso zu sehen, wie viele Vögel. Verschiedene Tukane können wir heute ausgiebig betrachten, und Eulenarten gibt es hier, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Unsere Gefühle bewegen sich zwischen Faszination und Abscheu. Gerade Vögel in Käfigen und Volieren haben immer etwas trauriges. Wenn man sie wie wir in ihrem natürlichen Lebensraum gesehen hat, möchte man sie am liebsten alle freilassen. Bei den Giftschlangen hält sich mein Mitgefühl eher in Grenzen. Ein einsamer Tapir lebt auch hier, er teilt sich das Wasserbecken mit mehreren Krokodilen. Ein eisernes Gitter verhindert, dass beide Arten sich zu nahe kommen.

Bevor wir San José am Montag verlassen, gehen wir noch zur Hauptpost. Unsere Koffer sind zum platzen voll, und wir wollen unsere Einkäufe und ein paar überflüssige Dinge per Paket nach Deutschland schicken. Kartons gibt es hier nicht zu kaufen, aber der Mitarbeiter zaubert von irgendwo einen herbei, wir packen ein, er klebt zu. Das Porto ist für 4,5 kg recht teuer, aber wenn man für Übergepäck beim Fliegen zahlen muss, geht das auch ganz schön ins Geld. Jetzt hoffen wir, dass wir dieses Mal mehr Glück haben mit dem Versand. Roland hat uns versichert, dass seine Pakete in die Schweiz immer angekommen sind. Dann wollen wir mal hoffen, dass das bei uns auch klappt.

Manuel Antonio und die Halbinsel Osa (Costa Rica)

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Der Nationalpark Manuel Antonio – an der Pazifikküste bei Quepos gelegen – ist unser nächstes Ziel. Die Straße führt durch üppig grüne Landschaft. Zum Glück hat man sich nach der Abholzung von 80 % des Regenwaldes in den 70er und 80er Jahren besonnen und heute sind nach Aufforstung wieder 50 % des Landes, das etwas größer ist als die Slowakei, von Wald bedeckt. Plantagen für das weltweit begehrte Palmöl sind dazwischen auch immer wieder zu entdecken. Die Regierung hat 27 % der 51.000 km² des Landes unter Naturschutz gestellt. Aber eine weitere Entscheidung macht mir dieses Land so überaus sympathisch: Seit 1948 gibt es kein Militär, die gesparten Kosten werden für Bildung und Gesundheit ausgegeben. Ein Resultat ist sicherlich, dass der 5 Millionen Einwohner Staat die höchste Alphabeti- sierungsrate Mittelamerikas und mit ca. 750 US$das zweithöchste Durchschnittseinkommen pro Kopf in Mittelamerika hat.

Der Bus fährt die 111 Kilometer bis zum Eingang des Nationalparks in 3,5 Stunden. Ein paar Minuten davon entfernt liegt unser Hostel mit schönen Zimmern und einem kleinen Pool. Und in fünf Minuten sind wir Strand, wo die Wellen in schöner Regelmäßigkeit die Badenden umwerfen. Zum Glück sind kaum Steine im Wasser und der Sand ist fein und weich. Was für eine Kraft die Wellen schon bei ein bis zwei Metern Höhe entwickeln, kaum ein Bikinioberteil bleibt an seinem Platz. Da fühle ich mich in meinem Badeanzug etwas sicherer. Später unter der Dusche fällt jede Menge Sand heraus, wie der wohl darein gekommen ist.

Um den Parkeingang herum sind in den letzten Jahren Hotels, Hostels, Läden und Restaurants entstanden. Tagsüber kommen noch die mobilen Händler dazu. Wir staunen nicht schlecht, als wir am Morgen ein Lokal zum frühstücken suchen, hier war doch gestern Abend absolut nichts los. Jetzt kann man sich hier alles mögliche kaufen und zwischendrin laufen etliche Männer mit einem Spektiv  auf einem Stativ herum und bieten Führungen durch den Park an.

Die meisten Lokale haben nur halbhohe Wände und ein Dach. Kalt wird es hier nie, und vor dem häufigen Regen ist man ausreichend geschützt. Wir können beim frühstücken wunderbar Vögel beobachten. Zwei schwarze Vögel mit leuchtend rotem Rücken fliegen in den nahe stehenden Baum. Ein Stück weiter bauen zwei Maskentyranne am Stamm einer Palme unter den verwelkten Blättern eines Epiphyten (Aufsitzerpflanze) ein Nest. Die Vögel schleppen lange Halme heran und stopfen und polstern eifrig.

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Plötzlich kommt ein Swainson-Tukan mit dem gelb/kastanienbraunen Schnabel angeflogen, ein zweiter bleibt ein Stück weiter im hohen Baum hinter der Palme. Aufmerksam beobachten die Vögel die fleißigen Nestbauer, dann nähert sich einer. Tapfer versuchen die viel kleineren Vögel den Tukan zu vertreiben, aber wehrt sie mit mehreren Flügelschlägen ab.

Mal mit dem rechten dann mit dem linken Auge schaut er in das Nest und beginnt dann, es mit seinem Schnabel zu zerstören. Glück für die Maskentyranne, sie waren noch in der Bauphase und haben keine Jungen im Nest. Auf die hat es der Tukan nämlich abgesehen. Meist ernährt er sich von Früchten, aber gerade diese Art ist ein berüchtigter Nesträuber. Ich habe die Kamera dabei und drücke im richtigen Moment auch auf Videoaufnahme. Dass ich später aus Versehen den Film lösche, ihn aber mit einem Spezialprogramm rekonstruieren kann, ist eine andere Geschichte.

Um sieben Uhr gehen wir in den Nationalpark. Am Eingang werden die Taschen kontrolliert. Wasser, Sandwich und Früchte sind erlaubt, Nüsse, Kekse und andere Süßigkeiten verboten. Die Mitarbeiter, die jeden Rucksack und jede Tasche kontrollieren, müssen sich manches Mal ganz schön was anhören. Die jungen Männer und Frauen bleiben freundlich aber bestimmt. Es gab wohl immer wieder unvernünftige Besucher, die Tiere mit Gebäck usw. anlockten, daraus hat die Parkleitung Konsequenzen gezogen.

Obwohl um diese Zeit die großen Busse noch nicht eingetroffen sind, ist es ganz schön voll. Wie mag das wohl erst in der Hauptsaison aussehen? Es gibt betonierte und naturbelassene Wege. Der Park ist gut beschildert und mit Informationstafeln ausgestattet. Eigentlich erwartet man ja, das Menschen sich bei der Tierbeobachtung ruhig verhalten, aber hier schallen laute amerikanische Rufe durch den Urwald: „Oh nein – das kann ich nicht glauben – wie wunderschön – oh mein Gott!“ Bestimmt haben sie ein Faultier entdeckt, vielleicht so gar mit einem Jungen oder gar Zwillingen. Wir nähern uns der begeisterten Gruppe und sehen – einen Frosch.

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Heute ist uns das Glück hold und wir können Faultiere, Waschbären, Agutis, Rehe, drei verschiedene Affenarten, Schmetterlinge und jede Menge Blattschneiderameisen beobachten. Die machen sie es sich leicht und nutzen die angelegten Wege, Stufen und Geländer, um die geernteten Blätter auf schnellstem Wege zu ihrem Bau zu befördern.

Nach ungefähr zwei Kilometern hat man die meisten Besucher hinter sich gelassen. Die geführten Touren dauern zwei Stunden und so weit laufen die Führer mit ihren Gruppen nicht. Nur zwei Frauen in Rollstühlen sind auf den gut angelegten Wegen noch unterwegs. Zu der verlockend aussehenden kleinen Bucht wollen sie dann aber doch nicht, zu steil der Weg, den sie ja auch wieder zurück müssen.

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Wir ziehen gerade hinter einem Felsen Badesachen an, als ich das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Ein über einen Meter langer Leguan liegt direkt neben uns auf dem Felsen und sonnt sich. Nach und nach entdecken wir noch andere. Im Schatten der Bäume machen wir eine lange Pause. Der Wind in den Bäumen und das Rauschen der Wellen haben eine einschläfernde Wirkung.

Sieht harmlos aus ist aber giftig
o.: Wer hat den Rest des Leguans?
u.: Eisiedlerkrebse mögen Bananen

Auf dem Weg zum Aussichtspunkt La Cathedral geht es über Stufen ständig bergauf. Wir beschließen, nur die kurze Runde zu gehen. Die richtige Wahl, denn kurz darauf beginnt es heftig zu regnen. Wir stellen uns eine Weile unter, beschließen dann aber trotz des Regens weiter zu laufen. Das war die richtige Entscheidung, denn es regnet bis weit in den Abend hinein und der Park wird um 16 Uhr geschlossen. Nass bis auf die Haut kommen wir im Hostel an. Hier gibt es die Regelung, dass auf der überdachten Terrasse keine Kleidungsstücke liegen dürfen. Die Wäscheleinen hinter dem Pool im Freien sind jetzt auch keine Lösung. Wir legen alle Sachen auf den Fußboden, stellen Klimaanlage und Ventilator an und am nächsten Morgen sind sogar die Sportschuhe fast trocken.

Der Bus nach Puerto Jiménez auf der Halbinsel Osa fährt nicht am Busterminal in Quepos ab, sondern von dem weit außerhalb liegenden Hospital. Außer einer halb zusammengebrochenen Haltestelle gibt es dort nichts, weder einen Kiosk in dem man Fahrkarten kaufen kann, noch irgendeine Information. Eine junge Französin will auch in unsere Richtung. Sie hat am Vortag in Quepos Tickets gekauft und meint, dass wir eine falsche Information haben. Als nach 20 Minuten ein Bus hält, der die Stadt David in Panama anfährt, fragen wir nach unserem Zielort. Der Busfahrer bietet an, uns nach Golfito mitzunehmen, von dort kann man mit einem Boot übersetzen. Besser als die Ungewissheit ist das alle Mal. Man merkt immer wieder, Costa Rica ist kein Backpacker-Land. Hierher kommen meist organisierte Reisegruppen oder Individualreisende mit PKW. Richtige Auskünfte oder etwa Fahrpläne im Internet – Fehlanzeige.

Unterwegs fällt dem Busfahrer ein, dass es für uns viel zu gefährlich sei, mit dem Boot zu fahren. Er lässt uns in Piedras Blancas aussteigen. „Der Buss nach Puerto Jiménez kommt bald,“ verspricht er. Piedras Blancas hat eine Tankstelle, zwei Lokale und fünf Häuser. Erstaunlicherweise gibt es sogar ein Wartehäuschen aus vier Stämmen, drei Brettern und Palmwedeln. Malerisch ist es, aber nicht dicht. Als es anfängt zu schütten, drängen wir uns mit den anderen Passagieren in der Mitte zusammen. Eine Stunde später kommt tatsächlich ein Bus, sogar ein ganz moderner. Die Strecke um die Bucht herum ist wunderschön. Auf Osa liegt der Nationalpark Corcovado, der der tierreichste des ganzen Landes ist. Wir erreichen unser Ziel kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Vom Busbahnhof sind es nur ein paar hundert Meter bis zu unserem Hotel. Wir bekommen ein großes sauberes Zimmer mit zwei Betten und zwei Ventilatoren. Gleich um die Ecke ist eine Pizzeria. Die Pizza schmeckt wirklich gut, aber die Limetten-Basilikum-Limonade toppt alles, was wir bisher getrunken haben.

Der Besuch des Nationalparks ist mit Schwierigkeiten verbunden. Morgens um sechs Uhr fährt der Bus. Von der Haltestelle führt ein Fußweg 3,5 Kilometer bis zum Parkeingang. Die Tour durch den Park ist angeblich nur mit Führer möglich und dauert 5 Stunden. Zu anstrengend und zu teuer, wir verzichten. Wir fragen unseren Hotelbesitzer, ob er schon mal einen Jaguar im Park gesehen hätte. Dort nicht, aber hier in der Stadt. Als er abends seine Eltern nach Hause begleitete, stand einer keine 50 Meter vom Haus entfernt auf der Straße.

Abendstimmung in Puerto Jiménez

Immer wieder regnet es in den nächsten Tagen, aber in den trockenen Stunden laufen wir bei Ebbe am Strand entlang, entdecken einen Park und die „Werkstatt“ von Blattschneiderameisen. Sie haben einen großen Busch besetzt und zerlegen kunstvoll die Blätter in fingernagelgroße Stücke. Die liegen als kleiner Hügel auf dem Boden und werden nach und nach von großen Kolonnen abtransportiert. Wir folgen dem Weg über fast 100 Meter. Diese Organisation und Effizienz ist bewundernswert.

Wir sind in einem Wohnpark gelandet, geschmackvolle Häuser stehen weit von einander entfernt im dichten Grün, die Anlage wirkt richtig einladend. Reinkommen war leicht, aber der Ausgang ist nicht zu entdecken. Ein junger Mann begleitet uns zu einem Pförtnerhäuschen, wo man uns ohne Probleme neben der Rollbahn des kleinen Flughafens wieder heraus lässt.

Am frühen Morgen und am frühen Abend erfüllt ein Gekreische die Luft. Große Schwärme grüner Papageien fliegen nach einem Tag am Meer abends zurück in den Urwald. Die Nachzügler sind immer paarweise unterwegs. Zweimal sehen wir sogar die auffälligen rotbunten Aras, die größten in der Papageienfamilie.

Es regnet mal wieder und wir liegen bei geöffneter Tür auf dem Bett, als das plötzlich zu schwanken beginnt. Wahrscheinlich nur ein paar Sekunden – mir kommt es wie eine Minute vor – dann ist es vorbei. Ein Erdbeben! Die Hotelbesitzer kommen angelaufen und fragen: „Habt ihr das gespürt?“ Sie erzählen uns, dass gestern die Brüllaffen schon so unruhig gewesen seien, ein Vorzeichen. Wir waren beim Beben so verblüfft, dass wir gar nicht reagieren konnten. Genau das hat uns auch Roland in San José erzählt. Während er sich noch in seinem Sessel aufrichtet und fragt: „Was war jetzt das?“ steht seine aus Costa Rica stammende Frau schon auf der Straße. Costa Rica liegt in einer sehr aktiven Zone, deshalb baut man schon seit langer Zeit „erdbebensicher.“

Kurz darauf melden die Nachrichten ein Erdbeben mit einer Stärke von 6,1. Das Epizentrum lag an der Grenze zwischen Costa Rica und Panama, rund 30 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Ein paar Stunden später kommt schon eine Mail von einer besorgten Freundin, woraufhin wir unsere Familie per Whats-App beruhigen, die gar nicht beruhigt werden muss, weil sie überhaupt nichts mitbekommen hat.

o.r.: man beachte die Gangway (wahrscheinlich Maya Kultur)

Zu guter Letzt kommen wir doch noch zu unserer Bootsfahrt über den Golfo Dulce, die große Meeresbucht zwischen der Halbinsel Osa und dem Festland. Hierher kommen Buckelwale, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Bisher noch unbemerkt von den Orcas, die besonders gerne Jagd auf Walkälber machen. Auch Delfine lieben diese Bucht, doch wir bekommen während der Überfahrt keinen dieser Meeresbewohner zu Gesicht. Die Fahrt durch die Bucht lohnt sich trotzdem.

In Golfito teilen wir uns mit zwei anderen Personen ein Taxi bis zur 40 Kilometer entfernten Grenze nach Panama. Die Bequemlichkeit ist mit 6 US$ pro Person nicht zu teuer bezahlt.

Panama Stadt und Land

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Der Taxifahrer bringt bis zur Grenze in Costa Rica. Kaum sind wir ausgestiegen, kommt ein Mann auf uns zu und bietet seine Hilfe an. Es sei seine Aufgabe, Touristen beim Grenzübergang behilflich zu sein, behauptet er. Auf sein Angebot, unsere Koffer zu ziehen, gehen wir gar nicht erst ein. Vor dem Ausreiseschalter stehen drei Personen, er führt uns zu einem Nebenschalter, wo wir direkt an die Reihe kommen. Danach zeigt er uns den Einreiseschalter in Panama und danach den Bus nach David. Dort fordert er plötzlich 20 US$ für seine Hilfe. So haben wir nicht gewettet, all das hätten wir auch ohne seine Hilfe geschafft. Er bekommt ein kleines Trinkgeld und zieht schimpfend davon.

David ist nicht schön aber groß, die drittgrößte Stadt in Panama. Vor der Fahrt nach Panama City wollen wir noch einmal übernachten. Unser Zimmer hat schon bessere Zeiten gesehen, dafür schmeckt das Essen im nahe gelegenen Restaurant so richtig gut.

Wir erwischen den 10 Uhr Bus nach Panama Stadt so gerade noch. Die Zeit ist zu knapp, eine Fahrkarte zu kaufen, wir bekommen aber zwei Platzkarten ausgehändigt und bezahlen einfach später während der Fahrt. Unsere Mitreisenden haben große Taschen dabei, obwohl die Staufächer unter dem Fahrgastraum liegen. Reiseprofis, wie sich herausstellt. Sie haben Mützen, Schals, Steppjacken und Wolldecken dabei. Draußen haben wir 30 Grad, aber die Temperatur im Bus bewegt sich zwischen 14 und 16 Grad. Die Klimaanlage pustet unerbittlich kalte Luft auf uns. Wir Optimisten sind in Shorts und kurzärmligen T-Shirts unterwegs. Wenigstens haben wir jeder noch ein Handtuch im Rucksack, das wir uns über die Knie legen können.

Ungefähr auf der Hälfte der 450 Kilometer langen Strecke auf der Panamerikana gibt es eine Pause zum Essen und sich draußen wieder aufzuwärmen. Die Straße führt teils durch Wald – 45 % des Landes sind davon bedeckt – und teils durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Bananen, Ananas, Mais und Reis werden großflächig angebaut. Auch in Panama gibt es Nationalparks 15 insgesamt, die zusammen 34 % der Fläche des Landes einnehmen. Während unserer Fahrt in die Hauptstadt kommen wir an keinem der Nationalparks vorbei.

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Dafür fahren wir auf der Amerika-Brücke über den Panamakanal und sehen die riesigen Krananlagen.

Der Busbahnhof liegt direkt am größten Einkaufszentrum der Stadt, vielleicht ist es auch umgekehrt. Während wir darauf warten, dass unsere Koffer ausgeladen werden, sehen wir staunend zu, wie sich vor einer der Mitreisenden ein immer größer werdender Berg Gepäck auftürmt. Koffer, Taschen, Säcke und Kartons. Es sieht aus, als hätte sie sich den Umzugswagen gespart.

Das Hotel erweist sich als Glücksgriff. Es liegt im modernen Zentrum nahe der Universität, hat acht Zimmer und wir genießen in den nächsten Tagen den schönen, ungewöhnlich großen Raum und die Dusche mit heißem Wasser.

Vier Tage bleiben uns, die reichste Stadt Mittelamerikas kennenzulernen. Die Hochhäuser unterschiedlichen Alters zeigen deutlich den wachsenden Wohlstand. Die älteren sind schlicht und grau, die neuen – teils noch im Bau befindlichen – überstrahlen mit ihren verspiegelten, teils goldenen Fassaden alles. Doch so ganz stimmig ist das Stadtbild nicht. In den Nebenstraßen kaputte Bürgersteige, geschlossene Läden, heruntergekommene Häuser und demgegenüber die glitzernde Pracht der Wolkenkratzer.

Panama Stadt hat seit 2014 eine Metro. Man kauft am Automaten für 2 $ eine Magnetkarte, lädt sie mit einem beliebigen Betrag auf und kann für 0,25 $Cent beliebig viele von insgesamt 14 Stationen fahren. Ein- und Ausgänge sind mit Schranken gesichert und öffnen sich nur nach Auflegen der Magnetkarte. So eine Karte kann auch von mehreren Personen genutzt werden und sie gilt auch für die Busse. Wir fahren bis zum Busterminal/Einkaufszentrum und steigen dann in einen Bus zur Miraflores-Schleuse am Panamakanal. Vorn beim Fahrer befindet sich ein Drehkreuz, erst wenn die Magnetkarte vor das Erfassungsgerät gehalten wird, löst sich die Sperre. Wir haben bereits die halbe Strecke zurück gelegt als ich feststelle, dass der Fotoapparat noch zum Aufladen am Kabel im Hotelzimmer liegt. Ärgerlich, jetzt müssen die Handys einspringen.

Der Panamakanal ist ein technisches Meisterwerk, die Idee dahinter schon ein paar hundert Jahre alt. Erst 1880 begannen französische Fachleute, die Idee in die Tat umzusetzen, es gab gute Erfahrungen mit dem Suezkanal. Eine Wasserstraße quer durch Panama – das noch zu Kolumbien gehörte – würde die Umrundung des gefährlichen Kap Horn überflüssig machen, eine Ersparnis von 15.000 Kilometern. Allerdings hatte man wohl den Unterschied zwischen Wüste und Regenwald nicht hinreichend bedacht. Ungeahnte Probleme durch die geologischen Gegebenheiten und der Tod von über 20.000 Arbeitern durch Malaria und Gelbfieber ließen die Franzosen aufgeben. Das war die Stunde der Amerikaner. Panama erklärte 1903 die Unabhängigkeit von Kolumbien und schloss einen Vertrag mit der USA zu unfassbar günstigen Bedingungen. Die Amerikaner bekämpften zuerst das Gelbfieber, bevor sie die Bauarbeiten weiterführten. 1914 konnte das erste Schiff den Kanal mit seinen drei ausgeklügelten Schleusensystemen passieren. Bis 1999 war der Kanal mit einer 5 Meilen Schutzzone und einem Militärstützpunkt Eigentum der USA.

Danach ging es mit der Wirtschaft des Landes aufwärts. Für die Durchfahrt werden sechsstellige Beträge fällig. Die Erweiterung des Kanals war durch die immer größer werdenden Containerschiffe nötig und ist seit 2016 fertiggestellt. Dadurch konnten die Einnahmen noch einmal erhöht werden. Weitere Gelder fließen durch die Zulassung von Schiffen in die Staatskasse, weltweit fährt jedes 5. Schiff unter panamaischer Flagge.

Die Miraflores-Schleuse am alten Kanal hat ein Besucherzentrum mit Museum. Während der Mittagspause haben wir ausreichend Zeit, den Informationsfilm und die Ausstellung zu besuchen. Vormittags fahren die Schiffe zum Atlantik, nachmittags zum Pazifik. Von der Besucherterrasse kann man genau beobachten, wie die Schiffe in die Schleuse gezogen werden. Sobald sie die Kammer erreichen übernehmen Treidellokomotiven links und rechts die Aufgabe. Wir sind so nah dran, dass man den Menschen auf dem Schiff in die Augen blicken kann. Sehr eindrucksvoll.

Während wir auf den Bus zurück in die Innenstadt warten, beginnt es leicht zu regnen, so dass wir mit feuchter Kleidung am Busterminal ankommen. Ausgehungert laufen wir ins große Einkaufszentrum, wo auch alle möglichen Lokale zu finden sind. Die Temperatur ist auf lauschige 15 Grad eingestellt. Wir müssen wählen zwischen verhungern und erfrieren. Wir entscheiden uns für verhungern, nehmen die Metro bis zu unserem Hotel und genießen eine heiße Dusche, bevor wir uns ein Restaurant in der Nähe suchen.

Panama Stadt hat zwei Altstadtviertel, Panama la Vieja eine Ruinenstadt, die 1671 von englischen Piraten zerstört und Casco Viejo, das danach 18 Kilometer weiter südwestlich auf einer Landzunge neu errichtet wurde. Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts ist Casco Viejo Weltkulturerbe und der Spaziergang durch Gassen und Straßen beschert immer wieder neue schöne Eindrücke. Zum Glück ist es nicht nur touristisch, es leben auch noch „normale Menschen“ hier. Die meisten Gebäude sind wunderschön restauriert, in bunten Farben gestaltet und geben Restaurants und Geschäften den passenden Rahmen. Wir essen in einer Brauereigaststätte und trinken ein herrlich fruchtiges Mango-Weizenbier.

Die Rückfahrt führt uns dann durch ein heruntergekommenes Viertel. Selbst im Taxi fühlt man sich hier nicht wohl, ich mag mir das Elend bei Tageslicht kaum vorstellen.

Am letzten Tag in der Hauptstadt fahren wir mit der Metro bis zur Station 5 de Mayo. Ganz in der Nähe ist der Fischmarkt. Als wir aussteigen ist die Sonne verschwunden und es regnet heftig. Das Gedränge in der U-Bahn-Station ist so groß, dass wir 100 Meter weiterlaufen bis zu einem überdachten Platz unterhalb der auf Stelzen gebauten Hochstraße. Jedes Mal, wenn oben ein Bus oder ein LKW durch die Pfützen fahren, ergießt sich ein Wasservorhang auf die Straße darunter. Meistens auf die Autos, ab und zu auf ein paar eilige Fußgänger, die es danach noch eiliger haben. Obwohl in Panama und auch Costa Rica eine große Anzahl von Luxuskarossen unterwegs sind, haben wir nicht ein einziges Cabrio gesehen.

Wir fragen mehrere Menschen nach dem Weg zum Fischmarkt und bekommen genauso viele unterschiedliche Auskünfte. Google Maps zeigt uns einen Weg, der eine 2 Kilometer-Schleife macht, um dann das 300 Meter Luftlinie entfernte Ziel anzuzeigen. Endlich erbarmt sich eine Frau, sie will auch zum Fischmarkt, wir sollen ihr nur folgen. Unter der Hochstraße laufen wir entlang, überqueren eine Straße und sind da. Das Angebot ist nicht so überwältigend, wie wir es schon in anderen Städten gesehen haben. Erstaunlich, dass Fisch der ohne Pflege im Meer lebt und sich selbst ernährt, teurer ist als das beste Fleisch. Rund um den Fischmarkt haben sich ca. 30 Lokale angesiedelt, die den Tagesfang in verschiedenen Zubereitungsarten anbieten. Ceviche steht bei allen auf der Karte. Gar nicht so einfach, sich hier durchzuarbeiten, ausnahmslos alle wollen uns in ihrem Lokal haben.

Am Ende stoßen wir auf eine Meeresbucht, in der die Fischerboote angelegt haben. Die Eingänge zur Großmarkthalle direkt daneben sind von Wachleuten blockiert. Nachdem wir dort mit einem Mann ins Gespräch gekommen sind, folgen wir ihm zu seinem Lokal. Das Essen ist gut, der Fisch definitiv super frisch, aber doch recht teuer.

Den Rückweg laufen wir über die 4 Kilometer lange Promenade in die Innenstadt. Natürlich öffnet der Himmel wieder seine Schleusen und wir flüchten tropfend in ein Einkaufszentrum, das wir genauso schnell auf der anderen Seite wieder verlassen. Wir beginnen jämmerlich zu frieren und sind froh, draußen ein überdachtes Café zu finden, wo wir bei einer Tasse Kaffee aufhören zu zittern.

Am nächsten Tag lassen wir uns zum Flughafen fahren, um Panama auf dem Luftweg zu verlassen. Kolumbien ist auf dem Landweg nicht zu erreichen, undurchdringlicher Dschungel liegt auf beiden Seite der Grenze zwischen beiden Ländern.

Panama ist schön, aber eins muss ich feststellen: „Janosch hat gelogen, das Land riecht nicht nach Banane, nirgends.“

Cartagena, Karibikstrand und Minca (Kolumbien)

Am internationalen Flughafen Panama müssen Passagiere selbst tätig werden, Bord-Karte und Kofferband druckt man sich selber aus und geht damit zum Schalter. Nur eine gute Stunde dauert der Flug von Panama in die Hafenstadt Cartagena in Kolumbien. Das erste Mal seit Jahren erleben wir wieder, wie sich die Anspannung der Passagiere nach der Landung in lautem Klatschen löst. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, ein Hoch auf den Piloten.

Dieser Flughafen ist noch nicht voll automatisiert, Gangway und Bus statt Rüssel. Bei der Einreisekontrolle wird zwischen Kolumbianern und Ausländern unterschieden. „Kolumbianer?“ „Nein.“ „Dann bitte dort entlang.“ Doch hier kassieren wir einen Rüffel. Streng werden wir gemustert und angeherrscht,dass wir uns falsch angestellt hätten. Widerspruch zwecklos. Wir bekommen trotzdem unseren Einreisestempel von dem mürrischen Grenzbeamten.

Das Gepäck kreiselt schon auf dem Laufband und ruck-zuck sind wir draußen und sitzen im Taxi.

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Wir fahren am Meer entlang, wo sich heute am Sonntag viele Menschen am karibischen Strand aufhalten. Hier gibt es kleine U-förmige Stoffhütten statt Sonnenschirmen.

Das Taxi kann uns nicht direkt zum Hotel bringen, weil sonntags das Viertel Getsemani, das direkt an das historische Viertel grenzt, für Autos gesperrt ist. Der Fahrer deutet wage in eine Richtung und wir ziehen los und biegen um die nächste Ecke.

Hier wäre er auch garantiert nicht durchgekommen. Mitten auf der Straße haben die Anwohner ein quadratisches Planschbecken aufgestellt. Frauen liegen bequem im Wasser, während die Kinder um sie herumwuseln und sich gegenseitig nass spritzen, die Mütter bleiben dabei völlig gelassen.

Die Häuser zeigen nach außen ihre abweisende Seite. Sie grenzen direkt an den Bürgersteig und sind in verschieden Farben gestrichen, viele sind auch mit bunten Bildern geschmückt oder blühenden Bougainvilleen berankt. Die Fenster sind zur Straße mit Holzgittern gesichert. Als wir die hohe massive Holztür zu unserem Hotel öffnen, sehen wir sofort den schönen begrünten Innenhof.

Die interessantesten Ecken der Millionenstadt können wir zu Fuß erreichen. Im Land des Kaffees müssen wir natürlich sofort ein Café aufsuchen und bekommen wirklich einen sehr aromatischen starken Kaffee vorgesetzt.

Der nächste Geldautomat ist in der Nähe des Castillo San Felipe zu finden. Die mächtige Festung thront auf einem Hügel und wurde kurz nach der Stadtgründung 1533 errichtet. In Cartagena lagerten große Mengen Gold und Silber, die alle möglichen Menschen in ihren Besitz zu bringen versuchten. Die Festung hat ein ausgeklügeltes Tunnelsystem, das den Bewohnern Rückzugsmöglichkeiten und Verstecke bot und für Eindringlinge ein gefährliches Labyrinth war, in dem sich nicht wenige verirrten. Die Festung schützte die mit einer imposanten Mauer umgebene Stadt Jahrhunderte lang vor Eindringlingen.

Die Statue in der Nähe des Eingangs zeigt Admiral Blas de Leo, dem es 1741 gelang, mit 3.000 Mann und 6 Schiffen einen Angriff der Engländer mit 23.000 Mann und 186 Schiffen abzuwehren. Das allein ist schon beeindruckend, denn Blas de Leo war quasi ein halber Mann: einäugig, einbeinig und einhändig!

Die Altstadt innerhalb der 13 Kilometer langen und über 400 Jahre alten Mauer gehört zu den schönsten Kolonialstädten Südamerikas und ist UNESCO Weltkulturerbe. Die an manchen Stellen 30 Meter breite Mauer besitzt fenstergroße Nischen an der Außenseite, in denen tagsüber die Liebespärchen turteln und nachts die Obdachlosen schlafen. Auch Spaziergänge auf der Mauerkrone sind beliebt.

Das Haus von Gabriel Garcia Marques, dem größten Schriftsteller des Landes, ist auch innerhalb der Mauer zu finden. Natürlich erkunden auch wir die Altstadt und ja, sie ist schön und nein, richtig wohlgefühlt haben wir uns hier nicht. Was schön ist, zieht Touristenmassen an und damit beginnt auch schon der Teufelskreis. Pferdekutschen, Taxis und Lieferfahrzeuge quetschen sich durch die engen Straßen. Wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt, fluten tausende zusätzliche Touristen die engen Gassen.

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Am Hafen erscheinen wie aus dem Hut gezaubert als Sklaven verkleidete Menschen mit Ketten an den Beinen und Frauen in karibischer Tracht, um sich gegen Geld fotografieren zu lassen. Dazwischen laufen immer wieder Männer herum, die ein gelbes Plakat mit einer riesigen Ameise (?) herumtragen. Unzählige Verkäufer bieten Sonnenbrillen, Sonnenhüte, Kleidung, Uhren, Schmuck etc. an. Wir finden es nervig, kaum ist der erste Hutverkäufer erfolglos abgezogen, steht schon der nächste vor uns. Das zieht sich durch die gesamte Altstadt. Wir sind so mit abwimmeln beschäftigt, dass es unsere Besichtigungsfreude trübt. Man kann nicht vor einem Schaufenster stehenbleiben und sich die elegante Kleidung, Kunstgewerbe oder Smaragdschmuck anschauen, ohne dass man fast am Arm in den Laden gezogen wird. Unmöglich an einem Lokal vorbei zu kommen, ohne dass man eine Speisekarte vor die Nase gehalten bekommt.

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Und es dauert lange, bis es gelingt, die Statue der ruhenden Dame von Botero zu fotografieren, ohne das jemand mit der Hand auf ihrem Busen – wie originell – darauf wartet, abgelichtet zu werden.

Eine Stadtrundfahrt bringt uns auch in weiter entfernte Viertel, Boccagrande zum Beispiel, die Halbinsel mit den modernen Hotels. In einem von ihnen hat sogar mal US-Präsident Clinton genächtigt, darauf ist man hier sehr stolz. Der Stadtteil Manga ist der bevorzugte Wohnort der Reichen und Wichtigen von Cartagena und in San Francisco leben die Armen, die mit allen möglichen Verkäufen oder mit Betteleien ihren Lebensunterhalt verdienen.

Wir sind auf der Suche nach einer Landkarte von Kolumbien. Im Einkaufszentrum nahe der Festung gibt es eine Buchhandlung, aber Landkarten werden dort nicht verkauft. Die Verkäuferin und alle, die wir sonst noch fragen, haben auch keine Ahnung, wo es so etwas geben kann. In Boccagrande steht das größte und modernste Einkaufzentrum der Stadt. Hier gibt es nicht mal eine Buchhandlung. Wir werden auf den Centenario Park verwiesen, in dem Antiquariate dicht an dicht stehen, prall gefüllt mit alten Büchern.

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Aber auch hier bekommen wir das Gewünschte nicht. Offenbar wird in Kolumbien nicht viel gelesen, und wer braucht schon Landkarten.

Getsemani gefällt uns unglaublich gut. Das quirlige Viertel wirkt authentisch, denn hier leben noch viele Einheimische. Überall gibt es Street-Art zu bewundern und jeden Abend versammeln sich Bewohner des Viertels und Touristen auf dem halbrunden Platz vor der Holy-Trinity-Kirche und genießen kostenlose Musik- und Tanzdarbietungen.

viele kleine Gassen

überall Wandmalereien

Regelmäßig finden sich auch Händler ein und bieten Obst, Schmuck, Textilien und die unvermeidlichen Hüte an.

Wir wollen eine Woche am karibischen Meer östlich von Cartagena ausspannen und nehmen einem Shuttlebus der über Barranquila und Sant Marta dorthin fährt. Hinter der großen Hafenstadt Barranquilla (Geburtsstadt der Sängerin Shakira) führt die Straße über eine Nehrung. Zur Seeseite hin gedeihen unzählige imposante Kakteen, doch der Blick zur Lagune hin zeigt inmitten von Müllbergen die erbärmlichsten Elendsquartiere, die wir bisher auf dieser Reise gesehen haben.

Kilometerlange Bananenplantagen sind links und rechts der Straße zu sehen. Unser Ressort, das zu Beginn der Regenzeit mit dem unschlagbaren von Argument 79 % Rabatt überzeugt,  liegt östlich vom Tayrona Nationalpark am Strand, 1,5 Kilometer von der Hauptstraße entfernt. Verstreut auf einem riesigen Grundstück stehen einige Bungalows, etliche Kokospalmen, Bäume und blühende Sträucher. Eine Woche lang nur faulenzen, schwimmen, spazieren gehen und lesen.

Aus dem Schaukelstuhl und der Hängematte auf der Terrasse können wir Tiere beobachten. Kolibris holen Nektar aus den Blüten, Geier rasten in den Palmen, Eichhörnchen jagen sich, Schildkröten spazieren gemächlich über den Sand und abends hüpfen große Kröten über die Wege. Hunde und Katzen leben auch auf dem Grundstück und sitzen bei den Mahlzeiten neben uns, in der Hoffnung auf milde Gaben.

Während dieser Woche treffen wir andere Langzeitreisende. Das ist immer eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen, z.B. zum Thema Ansichtskarten. Nicht nur wir haben vergeblich danach gesucht. Emma aus Frankreich weiß auch die Erklärung, das Porto ist so hoch, dass kein Mensch welche verschickt. Ihre Freundin aus Paris wollte dem zurückgebliebenen Freund dann wenigstens einen Brief senden. Das Porto in Höhe von 80 US$ brachte ihren ganzen Monatsetat durcheinander.   

Außer Text zu schreiben, kann ich nicht am Blog arbeiten, das Internet ist grottenschlecht, von den Stromausfällen ganz zu schweigen.

Ein kratzendes Geräusch bei unseren Koffern alarmiert uns eines Abends. Klaus vermutet ein großes Insekt, ich etwas viel Größeres. Respektvoll nähern wir uns der Stelle, ziehen vorsichtig einen Koffer an die Seite und sehen uns einer großen blauen Landkrabbe mit wehrhaft erhobener Schere gegenüber.

Mit Hilfe des Regenschirms, der zu jedem Bungalow gehört, scheucht Klaus sie durch den aus Koffern und Rucksäcken gebildeten Gang nach draußen.

Diese Krabben leben zu Hunderten in der dunklen Erde um das Grundstück, aber auch auf dem Sandboden läuft hin und wieder eine vorbei.

Ein Krokodil wohnt in dem Bach vor dem Grundstück. Hotelgäste zeigen uns ein Foto davon. Leider haben wir kein Glück, trotz mehrfacher Besuche zeigt es sich uns nicht.

Vom Meer aus fahren wir in die Berge. Den Tayrona Nationalpark, der wunderschöne Strände hat, und den wir eigentlich besuchen wollten, haben wir nicht betreten. Warum viereinhalb Kilometer durch den Urwald laufen, wenn wir hier den Strand vor der Haustür haben.

Der Ort Minca liegt auf 600 Metern Höhe, 15 Kilometer südlich der Küstenstadt Santa Marta. Andreas, den wir in San José trafen, hat uns von der Natur vorgeschwärmt. Minca liegt auch wirklich wunderschön, ist aber längst kein Geheimtipp mehr.

Der Fluss, der über dicke Felsen plätschert, lockt uns nicht zum baden. Wir haben verschiedene Gräben gesehen, die hineinfließen, und die nicht gerade gut riechen. Auf einem Spaziergang in die Berge treffen wir Borris und Anna aus Hamburg, denen es hier so gut gefällt, dass sie ein Haus gemietet haben und zum Hostel ausbauen. Viele Reisende haben vor ihnen auch nach Möglichkeiten gesucht, sich hier etwas aufzubauen. Deshalb gibt es inzwischen Yogaschulen, Handarbeitskurse und kleine vegane oder vegetarische Lokale.

Nachdem es gestern den ganzen Tag geregnet hat, wollen wir heute eine Wanderung zu den Kaskaden machen. Der Weg ist noch richtig schlammig, hier ist nur die Hauptstraße betoniert. Merkwürdigerweise kommen nach 1000 Metern Matschweg 50 Meter perfekt gepflasterte Strecke. Danach geht es mit Pfützen weiter.

Wir bestaunen den ca. 30 Meter hohen Bambus. Ich habe Bambus immer nur mit Asien in Verbindung gebracht. Dass er auch in Mittel- und Südamerika so häufig anzutreffen ist, überrascht mich. Leider müssen wir nach gut zwei Kilometern abbrechen, die Steigung bringt mich bei über 30 Grad völlig außer Puste. Aber auf der Terrasse unseres Hostels ist es auch schön. Rundherum ist alles üppig grün. Direkt gegenüber stehen einige der unzähligen riesigen Mangobäume. Sie hängen so voller Früchte, dass man komplette Markthallen mit Mangos beliefern könnte, wenn sich nur alle ernten ließen.

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der ist noch jung (der Baum)

Die Bäume können 35 Meter hoch werden und 300 Jahre lang Früchte tragen. Auf unserer Reise haben wir tausende Mangobäume gesehen. Wenn sie voller Früchte sind, die an ca. 30 cm langen Stilen hängen, denkt man an mit Ostereiern geschmückte Bäume. Unreif sind sie grün, später gelb, orange oder rot. Neben dem Weg liegen die herunter gefallenen Früchte bergeweise herum und gammeln vor sich hin.

Und nun steht die Weiterreise nach Medellin an. Eigentlich wollen wir unterwegs nur per Bus, Bahn oder Schiff reisen, aber uns wurde erzählt, dass die Fahrt statt der genannten 15 Stunden um einiges länger ist. Ganze 25 Stunden waren Reisende unterwegs. Das würden wir niemals ohne Zwischenübernachtung machen. Die Kosten für Bus und Übernachtung sind genauso hoch, wie die für den Flug. Im Stundentakt heben die Maschinen nach Bogota oder Medellin in Santa Marta ab. Das ist wesentlich angenehmer, als zwei Tage lang im Bus zu sitzen und weitere zwei Tage mit schmerzenden Knien herumzulaufen, weil die Sitzabstände im Bus enger als in jedem Flieger sind.

Medellin und Guatapé (Kolumbien)

(Wegen fehlender Bilder ist diese Seite mit einer älteren Version verlinkt)

Der Flughafen in Santa Marta hat die schönste Lage, die man sich vorstellen kann. Das Meer ist gerade mal 10 Meter entfernt. Während wir vor den bodentiefen Glasfenstern im Restaurantbereich sitzen, fliegen zwei Pelikangeschwader ganz dicht vorbei.

Der Direktflug ist teurer, als der mit Zwischenlandung in Bogota, also landen wir zwischen. Wir wundern uns, in beiden Maschinen sitzen wir in der letzten Reihe – ohne Fenster. Als wir um 18.30 Uhr in Medellin landen ist es bereits dunkel. Busse stehen bereit, um die Reisenden in die 30 Kilometer entfernte und 600 Meter tiefer liegende Stadt zu bringen. Eine Stunde dauert die Fahrt über die kurvenreiche Strecke. Der Tunnel mit anschließender Schnellstraße, der die Fahrzeit auf 20 Minuten verkürzen soll, wird erst im Juli eröffnet. Da haben wir ja richtig Glück, die immer neuen Ausblicke auf die hell erleuchtete Stadt unter uns sind unglaublich schön.
Während unserer Reise haben wir viele der gelben rautenförmigen Warnschilder mit Tiersilhouetten gesehen. In Kolumbien waren das bisher Ameisenbären, Eidechsen und Schildkröten hier kommt ein Jaguar hinzu. Aber leider zeigt sich keiner.
Medellin, zweitgrößte Stadt Kolumbiens, liegt in einem Tal der Anden auf gut 1500 Metern Höhe. Die mittlerweile 2,5 Millionen Einwohner brauchen Platz, und so wächst die Stadt in die Breite, zu beiden Längsseiten die Berghänge hinauf. Unser Hotel liegt im beliebten Viertel Poblado am Rande der Zona Rosa. Nein, das ist nichts unanständiges, die Zona Rosa ist das Ausgehviertel mit unzähligen Bars, Restaurants und Musikkneipen. Zu meinem Leidwesen geht es hier aber ständig bergauf und bergab, ganz schön anstrengend.
Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Taxi zu einem Einkaufszentrum und können die Stadt nun auch bei Tageslicht sehen. Medellin ist besonders in den Randbezirken unglaublich grün, es sieht aus, als würde jeweils nur soviel von dem dichten Wald gerodet, wie für die Grundfläche des neuen Hauses nötig ist. Terrassen werden einfach um Bäume herum gebaut. Die Häuser sind eher hoch als breit, und fast jedes ist außen ganz oder teilweise aus roten Ziegelsteinen. Für uns ein ungewohnter Anblick in so einer großen Stadt.
Es gibt Probleme mit der SIM-Karte fürs Handy. Man muss sich in einem offiziellen Büro der Telefongesellschaft registrieren lassen, um die Karte online aufladen zu können. Das Service-Center des Anbieters Claro ist perfekt organisiert. Am Eingang erklärt man der netten Empfangsdame um was es geht, wird in eine Liste eingetragen und bekommt eine Nummer. Auf großen Bildschirmen kann man verfolgen, wann man an der Reihe ist und zu welchem der 35 Schalter man gehen soll. Nach einer halben Stunde ist das erledigt und wir können uns schöneren Dingen zuwenden. Kultur steht auf unserem Programm.

Auf der Plazoleta de las Esculturas stehen 23 Bronzeskulpturen des kolumbianischen Künstlers Fernando Botero. 1932 wurde er in dieser Stadt geboren, und Medellin bietet seinen Werken einen würdigen Rahmen. Seine Figuren haben eines gemeinsam: sie sind füllig, sehr füllig. Auf mich macht es den Eindruck, als ob er bei der Erschaffung ständig geschmunzelt hat. Aber damit nicht genug, im Museo de Antioquia – einem großen Gebäude im Art Deco Stil – sind seine Gemälde und die vieler weiterer Künstler ausgestellt.

Botero malt Stilleben, Tiere und besonders häufig Menschen. Familien, Prostituierte, bekannte Figuren der älteren und neueren Geschichte. Pablo Escobar – den Drogenbaron – zeigt er, wie er auf den Dächern der Stadt erschossen wird. Seine Abneigung gegen den Stierkampf ist in seinen Werken unschwer zu erkennen. Wir laufen Stunden lang durch die großzügigen Ausstellungsräume und setzen unseren Besichtigungsdrang nach einer Pause im Museumscafé im Palacio de la Cultura gegenüber fort.

Dieses auffällige Gebäude im flämisch gotischen Stil wurde 1925 nach dem Entwurf eines belgischen Architekten begonnen und ist Nationaldenkmal. Im Inneren gibt es wechselnde Ausstellungen, der Eintritt ist frei. Wir betrachten Bilder des jungen Künstlers Luis Pala, der gerade im Raum gegenüber ein Fernsehinterview gibt.

Da wir noch ein paar Kleinigkeiten brauchen, laufen wir weiter bis zur von Läden gesäumten Fußgängerzone. Links und rechts stehen in zweiter Reihe Verkaufsbuden mit allen möglichen Waren. Das auffällige Gebäude, auf das wir zulaufen, heißt Nationalpalast und ist ein Kaufhaus, und zwar ein besonders schönes. Der Architekt ist derselbe, der auch den Kulturpalast entworfen hat. Im Gegensatz zu seiner Schönheit findet man hier keine Luxusboutiquen, in den meisten der über 400 Läden stehen Schuhe zum Verkauf, genauso wie in der Fußgängerzone. Der Bestand dürfte reichen, um alle Bewohner Medellins mit Schuhen zu versorgen.

Rund um die Kirche Ermita de la Veracruz ist jede Menge los. Die Damen des ältesten Gewerbes der Welt warten gelangweilt auf Kundschaft. Bis jemand kommt, können sie dem Verkäufer mit seinem Wundermittel lauschen. Vor ihm liegt ein Haufen bräunlicher Knollen und er erzählt von der unglaublichen Heilkraft, die sich in den unscheinbaren Gebilden verbirgt. Er schneidet eines dieser Gewächse auf. Aus der bernsteinfarbigen gallertartigen Masse in den Knollen wird eine Tinktur hergestellt, die gegen wirklich alles hilft, von Appetitlosigkeit über Fettleibigkeit, Haarausfall, Erektionsstörungen, Fußpilz, Unfruchtbarkeit wird einfach alles, was in einem medizinischen Lexikon zu finden ist, geheilt. Zusätzlich wirkt das Mittel auch noch verjüngend. Die Flaschen finden reißenden Absatz. Nur gegen Dummheit wirkt das Mittel nicht, aber dagegen ist sowieso kein Kraut gewachsen.

Wir kommen zum Parque de la Luz mit seinen über 300 Lichtsäulen. Abends soll er besonders eindrucksvoll aber auch gefährlich sein. Hierher kommen bei Dunkelheit die gestrandeten Existenzen, die vermutlich einst voller Hoffnung in die große Stadt kamen und nun weder Arbeit noch Wohnung haben. Schon am Tage sieht man sie mitten auf den Bürgersteigen oder Grünstreifen der Fahrbahnen liegen, schlafend oder vor sich hin starrend. Selbst zum betteln fehlt ihnen die Energie. Einige durchstöbern jeden Mülleimer und tragen das, was sie verwenden können, davon. Die Kolumbianer sind offensichtlich an den Anblick gewöhnt und schauen gar nicht mehr hin.
Zurück fahren wir mit der Metro, Medellin hat die einzige in Kolumbien. Auch das ist ein Erlebnis. Obwohl alle 4 Minuten ein Zug kommt, sind die Wagen unglaublich voll. Wer aussteigen will, muss Gewalt anwenden, die Masse der Wartenden drängt ohne Rücksicht ins Innere, sobald sich die Türen öffnen. Im Inneren kleben die Menschen aneinander wie Froschlaich. Verlassen einige todesmutig die Bahn, schließt sich die Lücke sofort wieder und bildet einen neuen Klumpen. Die Strecke folgt streckenweise dem Lauf des Rio Medellin, In mehreren Abwasserrohren, die in den Fluss münden, hocken Menschen und waschen dort sich und ihre Kleidung.
Als wir abends im Restaurant sitzen, kommt ein Mann mit dem schon in Cartagena gesehenen Ameisenschild an unseren Tisch. Er dreht das Schild um. Die englische Beschriftung auf der Rückseite lüftet das Geheimnis. Die „fette Hintern Ameisen“ sind geröstet und in kleine Tüten verpackt. Sie werden als Nascherei verkauft. Dass der Genuß die Potenz steigern soll, steigert vermutlich auch den Umsatz. Als ich mich vor Ekel schüttele, zieht er grinsend weiter.

In Medellin gibt es drei Seilbahnlinien, die die Armenviertel an den Berghängen mit der Innenstadt verbinden. Von der Metro Endstation San Javier steigen wir direkt in eine der ständig ankommenden Gondeln. Jede bietet sechs bis acht Personen Platz und dann schweben wir bergauf bis zu einer Kuppe, wieder bergab und erneut bis zur Endstation bergauf, insgesamt 2,7 Kilometer. Dabei können wir die unter uns liegenden Favelas (Armensiedlungen) betrachten. Einige der Wellblechdächer sind bemalt. Auf anderen wird gerade Wäsche getrocknet. Hier wird gekocht, dort gebaut. Die Seilbahn, deren Benutzung im Ticketpreis von 5.100 COP (1,35 €) enthalten ist, bietet der armen Bevölkerung ganz neue Möglichkeiten, eine Beschäftigung zu finden. Vorher hatten sie eine stundenlange Anfahrt in die Innenstadt, heute ist das dank der guten Verbindung in 30 Minuten möglich.

Der Ausblick vom Endpunkt der Seilbahn in La Aurora auf die Stadt ist unglaublich. An den Zwischenhaltestellen soll man besser nicht aussteigen, der Weg zwischen den teilweise elenden Hütten hinunter gilt als gefährlich.
Nachdem wir wieder unten am Bahnhof der Metro angekommen sind, laufen wir in die entgegengesetzte Richtung. Die Comuna 13, einst das gefährlichste Stadtviertel Kolumbiens, ist heute ein Besuchermagnet. Hier rekrutierte Pablo Escobar seine Helfer und Auftragskiller. Für jeden getöteten Polizisten gab es ein Kopfgeld von 1.000 US$. Obwohl die Liste seiner getöteten Feinde und Gegner ellenlang ist, genießt der 1993 auf dem Dach seines Hauses getötete Drogenkönig noch heute eine gewisse Verehrung. Seine guten Taten – Bau von Schulen und Krankenhäusern, finanzielle Unterstützung für die Hinterbliebenen seiner getötete Mitarbeiter – sind bis heute unvergessen.

Die Comuna 13 ist heute ein buntes Viertel mit vielen Wandgemälden. Besonders, seitdem die an den Berg geklebten Hütten und Häuschen über sechs Rolltreppen – die eine Höhe von 28 Stockwerken überwinden – bequem erreicht werden können, lassen sich Touristen gerne durch die verwinkelten Gassen führen. Aber auch hier sollte man abends besser in sein „sicheres“ Gebiet zurückkehren.

Am Sonntag bummeln wir durch Poblado. Ein langgestreckter Park führt durch das Viertel, viele kleine Lokale stehen inmitten des Grüns. Auf den Bürgersteigen der Straßen die wir überqueren bieten Händler selbstgebastelte Schmuck- und Dekorationsgegenstände an. Sonntag ist in Kolumbien Familientag. Großeltern, Eltern und Kinder sind gemeinsam unterwegs, bummeln durch die Einkaufszentren, schlecken Eis, sitzen im Park und essen zusammen im Restaurant.
Am nächsten Tag geht es weiter. Wir fahren mit einem Kleinbus nach Guatapé, 85 Kilometer entfernt. Am Busbahnhof geht es professionell zu. Bevor man zu den Bussteigen kommt, wird Gepäck und Passagier kontrolliert und durchleuchtet. Die Tickets sind nummeriert – wir haben unsere im Internet bestellt und bekommen sie am Schalter ausgedruckt. Unsere Plätze sind allerdings bereits besetzt. Der Fahrer bietet uns den Doppelsitz neben sich an. Auch gut, die Rucksäcke dürfen vorne auf das Armaturenbrett und dann fahren wir los. Als wir die Schranke des Terminals durchfahren, bekreuzigt sich der Fahrer und küsst den am Rückspiegel hängenden Rosenkranz. „Er bittet um eine sichere Fahrt“, denke ich noch, als der Bus 100 Meter weiter auch schon stoppt. Hier stehen ein paar Menschen mit Gepäck – undurchleuchtet natürlich – die zum Schnäppchenpreis mitfahren wollen, einer davon zwischen dem Fahrer und uns. Können sie auch, das Fahrgeld landet in der Hemdentasche unseres Fahrers. Die eigentlich zweistündige Fahrt dehnt sich auf 4,5 Stunden aus. Schuld daran sind die Fahrgäste, die einen Weg von 50 Metern scheuen, um gemeinsam mit den schon dort Wartenden einzusteigen, und natürlich auch der Busfahrer, der die 50 Meter bis zum nächsten Fahrgast fährt, und auch diesem die Tür öffnet. Zum Ende der Fahrt hin stehen mindestens 15 Personen dichtgedrängt im schmalen Gang und die Nähte der Hemdentasche des Fahrers werden durch den Inhalt fast gesprengt. Ich bin mir fast sicher, er hat nicht um Sicherheit sondern um viele zusätzliche Fahrgäste gebeten, die sein mageres Monatsgehalt aufbessern.
In allen Ländern, die wir bisher bereist haben, wird das Gehalt halbmonatlich ausgezahlt, damit die Menschen mit ihrem Verdienst besser über die Runden kommen. Dabei fällt mir der Fensterputzer ein, den eine Freundin während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Rio de Janeiro beschäftigte. Alle sechs Wochen sollte er kommen, um die Fenster zu reinigen. Er kam immer dann, wenn er Geld brauchte, mal nach vier Monaten, mal am übernächsten Tag.
P1040608 - KopieIn der Stadt zeigen Jongleure von sechs bis achtzig Jahren mit Bällen, Keulen, Reifen oder allen drei Gegenständen ihr Können vor roten Ampeln. Irgendjemand reicht immer ein Trinkgeld durch die heruntergelassene Scheibe.
Die Fahrt führt durch ein wunderschönes Gebiet, hügelig, grün und mit Blumen, sowohl im Freien wie auch in Gewächshäusern gedeihend. An den Hängen überwuchert die schwarzäugige Susanne alles, was darunter wächst. Kolumbien ist der zweitgrößte Blumenexporteur der Welt, und seine Lage in unterschiedlichen Höhen in der Nähe des Äquators bietet die besten Bedingungen. Am Straßenrand bieten Schreiner eigenwillige Möbel an. Sie sehen aus, wie aus dem kompletten Stamm gearbeitet und Betten, Tische und Kommoden tragen noch einen Teil der Baumrinde. Vielleicht leben Hobbits in der Nähe, in deren Häuser würden die Stücke perfekt passen.

Riesenhibiskus

Guatapè ist ein zauberhaftes Städtchen mit bunt gestrichenen Häusern. Eine Besonderheit sind die Sockel der Häuser, die mit plastischen Motiven – Zocales genannt – geschmückt sind. Eigentlich sind wir wegen des 200 Meter hohen Monolithen Piedra del Peñol hergekommen, den man über 659 Stufen erklimmen kann, um von dort einen Ausblick auf den 1970 entstandenen Stausee mit seinen vielen kleinen Inseln und Schluchten zu haben. Ein Virus vermiest mir die Tour. Einen Tag lang kann ich das Zimmer nicht verlassen, danach fühle ich mich zu schwach für den Aufstieg. Doch in unserer Nähe gibt es einen Mirador (Aussichtspunkt), der wenigstens einen schönen Blick auf den Felsen bietet. Als wir dann noch ein Motmot-Pärchen vor die Kamera bekommen, bin ich versöhnt.

Blauscheitel Motmot

Die Tatacoa-Wüste und San Agustin (Kolumbien)

Vom Busbahnhof, der größer als mancher Flughafen ist, fahren wir Richtung Süden. Erst nach 1,5 Stunden haben wir die Stadtgrenze von Bogota erreicht. Danach kommen wir an unzähligen Gärtnereien vorbei, bevor die Straße in eine Art grünen Tunnel mündet. Die Bäume links und rechts der Straße haben so weit ausladende Kronen, dass sie sich in der Mitte berühren und den Blick auf den Himmel versperren. Langsam kommen wir in die Berge, und die Straße windet sich durch die zerklüftete Landschaft. Nach acht Stunden haben wir die quirlige Stadt Neiva erreicht, wo wir übernachten, um nicht in der Dunkelheit weiterfahren zu müssen.

Am nächsten Morgen geht es gleich wieder zum Busbahnhof. Neiva hat nichts, was uns noch zum Bleiben animieren könnte.

Für die Weiterfahrt landen wir in einem Pickup, auf dessen Ladefläche Sitzbänke montiert sind. Wir dürfen auf die Rückbank, bleiben da aber nicht lang allein. Eine Frau mit Sack, Karton und Handtasche quetscht sich neben uns, den Beifahrersitz erobert sich ein 150 kg-Mann. Nach und nach füllen sich die hinteren Bänke, und immer noch hält der Fahrer an mehreren Stellen an, um Waren mitzunehmen oder für den Beifahrer Proviant zu kaufen. Der kann die 40 km lange Strecke ohne Nahrung offenbar nicht überstehen. Auf den durchgesessenen Sitzen schlafen uns nach und nach verschiedene Körperteile ein, so dass sich das Aussteigen in Villavieja nicht ganz einfach gestaltet. Die 11 km lange Weiterfahrt im Tuctuc könnte man fast als Erholung bezeichnen.

Nach so vielen Ur- und Regenwäldern hat Klaus sich schon mehrmals nach einer Wüste gesehnt, und jetzt sind wir mitten drin in der merkwürdigen Tatacoa-Wüste, die ringsum von üppigem Grün umgeben ist. Das 330 km² große Gebiet ist durch eine geografische Besonderheit entstanden. Zwei Gebirgszüge lassen die in Äquatornähe nicht gerade seltenen Regenwolken ringsherum abregnen. Soviel Wasser kommt hier herunter, dass sogar Reis angebaut werden kann. In dem Gebiet innerhalb der Berge verdunstet bei Temperaturen von bis zu 50 Grad mehr Wasser, als dem Gelände zugeführt wird. Trotzdem wächst noch einiges in der Wüste, vor allem Kakteen. Es gibt einen roten und einen grauen Teil, unsere Unterkunft befindet sich zwischen den beiden. Wir wohnen in einem Haus aus Plastikflaschen, das ist konsequent durchgeführtes Recycling.

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Die innen weiß gefärbten Flaschen sind reihenweise aufgefädelt und bilden die Wände. Von innen hängt ein licht- und luftdurchlässiges Gewebe davor, das einerseits vor unerwünschten Einblicken schützt und andererseits dem Wind gestattet, für ein angenehmes Klima zu sorgen. Im ebenfalls durch eine Flaschenwand abgeteilten Badezimmer ruht das Waschbecken auf drei gelb lackierten Autoreifen. Die überaus herzlichen Besitzer haben vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für abgenutzte Reifen gefunden.

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In ihrem sandigen Garten befindet sich ein kleiner Zoo aus bunt angemalten Reifentieren. Zebra, Giraffe, Käfer, Schlangen, Fische und Vögel erfreuen die kleinen Besucher und bringen die großen zum schmunzeln.

Am späten Nachmittag machen wir einen ersten Erkundungsgang durch die graue Wüste. Manolito, der Hund der Hotelbesitzer, begleitet uns, obwohl er hinkt. Damit zeigt er wohl seine Dankbarkeit, weil ich mein Mittagessen mit ihm geteilt habe.

Kurz bevor die Sonne untergeht, laufen wir zum 10 Minuten entfernten Observatorium. In dieser Wüste gibt es sogar zwei, weil die Luft hier dünn ist und es kaum „Lichtverschmutzung“ gibt. Schon eine halbe Stunde vor Beginn sind wir auf dem Parkplatz und unterhalten uns eine Weile mit dem Assistenten von Javier Fernando Rua Restrepo, der dieses privat finanzierte Observatorium leitet. Nach und nach fahren Autos auf den Parkplatz und insgesamt warten schließlich an die 30 Personen in der Dunkelheit darauf, dass sie um 19 Uhr eingelassen werden. Leider sind Wolken am Himmel, aber am unbedeckten Teil ist deutlich das Kreuz des Südens zu sehen. Señor Rua Restrepo hält seinen Vortrag auf spanisch. Ich verstehe nur die Namen der meisten genannten Planeten und Sternbilder, aber hier in der milden Luft auf dem Kunstrasen zu sitzen – manche liegen auch auf dem Rücken – und in den Himmel zu schauen, ist ein großartiges Erlebnis. Die fünf Teleskope sind auf verschiedene Himmelskörper ausgerichtet und wir können nacheinander den Jupiter mit seinen Ringen und Monden, Omega, Alpha Centauri, den Sternenhaufen im Sternbild Carina und später den gerade aufgehenden Vollmond sehen. Nach 1,5 Stunden ist die Veranstaltung zu Ende. Der helle Mond hilft uns, den Rückweg auf der unbeleuchteten Straße zu bewältigen ohne zu stolpern.

Am nächsten Tag machen wir eine Wanderung durch die rote Wüste. Es gibt einen markierten Rundweg, der uns nach 4 Kilometern wieder zurück zur Straße bringt. Zum Glück ist der Himmel heute total bewölkt, so dass die Temperatur 30 Grad nicht überschreitet. Die Formationen aus einer Art gebackenem Sand sind fantastisch. Bei manchen Anblicken stellen wir uns vor, dass hier jemand Teile aus amerikanischen Nationalparks geschrumpft hat. Die Wegmarkierungen sind nicht immer vorhanden, aber wirklich verirren kann man sich hier nicht. In der karg bewachsenen Wüste sind Fuchs, Gürteltier und viele Vogelarten zuhause. Ein paar Familien halten sich Ziegen, die hier offensichtlich bestens zurechtkommen. Aus der Ziegenmilch wird Yoghurt und Käse hergestellt und zusammen mit Rohrzucker spezielle Süßigkeiten auf Karamellbasis.

Einen Tag später haben wir wieder 34 Grad, so dass wir erst am späten Nachmittag in die Wüste gehen. Den Tag verbringen wir auf der schattigen Terrasse des Hauses, beobachten die Papageien, die beinahe täglich kommen, um sich Sonnenblumenkerne zu holen und genießen herrlich kühle selbstgemachte Orangenlimonade.

Auf dem Weg zu unserer nächsten Stadt müssen wir mehrmals umsteigen. Vom Tuctuc aus der Wüste kommend in Villavieja in den Minibus, in Neiva in einen Kleinbus, in Pitalito auf einen Pick-up (dieses Mal mit sechs weiteren Personen auf der engen Ladefläche) und in San Agustin, unserem Zielort nehmen wir in der Dunkelheit schließlich noch ein Taxi zu unserem Hotel. Für die 270 Kilometer lange Strecke haben wir 11 Stunden gebraucht. Und jetzt müssen wir uns noch daran gewöhnen, dass die Temperatur nur noch halb so hoch ist.

Wie in allen Städten, die wir bisher besucht haben, gibt es auch in San Agustin vor der Kirche einen großen begrünten Platz, auf dem immer einige Menschen auf Bänken sitzen. Heute ist er jedoch gerammelt voll.

In der Stadt findet an jedem Samstag im Juni ein Sportereignis statt. Das Karree vor dem Platz wird für den Autoverkehr gesperrt, die Polizei sichert die vier Straßenecken und dann geht es los. Eine Gruppe von ungefähr 50 Reiterinnen und Reitern trippeltrabt (ich weiß nicht, wie man diese Gangart nennt, gesehen habe ich die noch nie) 3 Stunden lang über die abgesperrte Strecke. Wirklich ernsthaft wird hier nicht geritten, immer wieder halten die Reiter(innen) an, um mit jemandem am Straßenrand ein Schwätzchen zu halten. Die männlichen Reiter lassen dabei auch gern eine Flasche mit hochprozentigem Inhalt kreisen. Die armen Pferde müssen ganz schön was aushalten, gerade vor dem Zelt mit der Band halten die Reiter gern an und hören der flotten Musik zu. Das laute Schlagzeug und die daneben abgebrannte Feuerwerksraketen erschrecken die Tiere in schöner Regelmäßigkeit. Was es mit dieser Reiterei auf sich hat, kann uns niemand erklären und diejenigen, die es wissen müssten, können wir wegen Verständigungsschwierigkeiten nicht fragen. Aber vielleicht gewinnt derjenige, der sich zum Schluss noch auf seinem Pferd halten kann. Nach dem alles vorbei ist, könnte man direkt Rosen pflanzen, so viele Pferdeäpfel liegen auf der Straße. Doch oh Wunder, am nächsten Morgen ist davon nichts mehr zu sehen.

San Agustin hat in der Umgebung etliche Sehenswürdigkeiten, darunter einen 400 Meter hohen Wasserfall, und eine Felsenpassage am beeindruckenden Rio Magdalena, bei der die Wassermassen durch eine 1,70 Meter breite Engstelle strömen.

Aber die größte und wichtigste ist der Parque Arqueológico, der Archäologiepark. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden bei Ausgrabungen im Umkreis von mysteriöse Steinfiguren vor Dolmengräbern gefunden. Wer genau auf diese Weise bestattet wurde, weiß man nicht. Vermutlich waren es Stammesfürsten eines inzwischen ausgestorbenen Volksstammes, der in vorspanischer Zeit hier lebte. Über 500 der aus Vulkangestein gefertigten Statuen in einer Größe von 20 Zentimeter bis 7 Meter wurden bisher ausgegraben.

In diesem riesigen Gelände sind 130 von ihnen ausgestellt. Der Eintritt von 50.000 COP (13,50 €) ist für hiesige Verhältnisse nicht gerade günstig, aber der Park ist schön angelegt, die Wege gepflegt und das kleine Museum am Eingang informativ. Außerdem kann man am nächsten Tag noch zwei weitere Parks mit Steinfiguren besuchen.

In der überwiegenden Mehrheit sind Kolumbianer hier unterwegs und viele von ihnen tragen gelbe Fußballtrikots. Erst später dämmert uns, dass gerade der Südamerika-Cup stattfindet. Außer zehn südamerikanischen Ländern nehmen noch Japan und Katar an dieser Meisterschaft teil. Die kolumbianische Mannschaft hat es gerade ins Viertelfinale geschafft.

Am Abend gehen wir in ein vegetarisches israelisches Restaurant. So begeistert wir von Kolumbien sind, die Küche hat uns nicht überzeugt. Vom Frühstück bis zum Abendessen gibt es Arepas, aus weißem Mais hergestellte Fladen, die nicht mehr Geschmack haben, als ein Bierdeckel. Fleisch wird zur Sicherheit noch einmal totgebraten, wahrscheinlich damit es wegen der lieblosen Zubereitung nicht noch flüchten kann. Das Ergebnis ist bei Hühnchen zäh, bei Rind und Schwein sehr zäh. Es gibt vermutlich auch keine Regel, wie ein Tier zerlegt wird. Positiv ist, dass man dem Geflügel nicht mit einem Hackbeil zu Leibe rückt, wie in einigen asiatischen Ländern, wo man immer Knochenteile im Essen findet. Apropos Knochen, bei unserem Abendessen in einem Steakhaus hatte mein zähes Ribeye-Steak nicht weniger als drei fingerdicke Knochen. Beilagen sind Arepas plus Reis oder Pommes frites, wenig Gemüse oder etwas Salat ohne Dressing. Zum Glück lungern immer hungrige Hunde und Katzen herum, denen man mit diesen lederartigen Fleischstücken noch einen Gefallen tut. Der einzige Ausweg: Restaurants mit ausländischer Küche, oder die schon beschriebene Kette Crepes & Waffles aufsuchen.

Zuverlässig gut sind die Cafés mit meist quietschbunten Torten, aber auch Croissants usw. Klaus hat sich als Tester für tiefdunkle Schokoladentorten betätigt und konnte mehrmals die Höchstnote vergeben.

Aber dieses Lokal enttäuscht uns nicht, leckere knusprig gebratene Falaffel und ein Auberginen-Eintopf zum niederknien werden uns serviert.

Popayán und Salento (Kolumbien)

Die Tickets für die Weiterfahrt nach Popayán kaufen wir in einer Agentur auf der Hauptstraße. Für die 136 Kilometer Entfernung werden 4 Stunden veranschlagt, kaum vorstellbar. Bis zur Abfahrt haben wir noch eine halbe Stunde Zeit und gehen frühstücken. Als wir zurückkommen, lädt der Inhaber der Agentur unser Gepäck in seinen PKW und fährt uns ein paar Kilometer aus der Stadt heraus bis zu einer Straßengabelung. An dem steilen Berghang gegenüber wächst Kaffee. Der Hang ist so steil und so hoch, dass die Weinberge an der Mosel dagegen was für Anfänger sind.

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Unser Fahrer wartet gemeinsam mit uns auf den Bus, der aus Pitalito kommend nach Popayán fährt. Erst als er sicher ist, dass wir im richtigen Bus sitzen, fährt er zurück. Die Straße ist sehr kurvenreich und ich bin wieder unglaublich dankbar, dass Klaus und ich keine Reiseübelkeit kennen. Leider trifft das nicht auf alle Mitreisenden in unserem kleinen Bus zu. Die Spucktüten werden ausgiebig genutzt. Wenn man bei dem ständigen hin- und herschaukeln glaubt, es könne nicht schlimmer kommen, ist das ein Irrtum. Nach zwanzig Kilometern ist den Straßenbauern der Asphalt ausgegangen, und jetzt sucht der Fahrer im strömenden Regen seinen Weg zwischen Schlaglöchern, in denen sich ein Elefant bequem schlafen legen könnte. Dabei ist das hier die Hauptverbindung.

Der Bus durchquert den Puracé Nationalpark, der nach dem sehr aktiven 4.750 Meter hohen Schichtvulkan benannt ist. Die Vegetation ist äußerst abwechslungsreich und streckenweise so dicht, dass sie für Menschen undurchdringlich ist. Irgendwann muss der Bus anhalten. Mehrere Dutzend Motorräder stehen schon kreuz und quer auf der Straße, hier findet eine Polizeikontrolle statt. Alle Männer müssen mit ihrem Gepäck den Bus verlassen und werden draußen kontrolliert. Im Bus lassen sich Polizisten das restliche Handgepäck zeigen und öffnen bei den Einheimischen jede Tasche, jeden Rucksack. Meiner wird halbherzig von außen abgetastet. Drogen sind auch nach dem Tode Escobars ein allgegenwärtiges Thema, zu groß die Gewinne, als das man auf dieses einträgliche Geschäft verzichtet.

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die Werkstatt seines Vertrauens

Plötzlich ein Knall, der Fahrer stoppt und schaut nach: Ein Reifen ist geplatzt. Da der Bus über Doppelbereifung verfügt, können wir die Fahrt bis zur nächsten Werkstatt fortsetzen. Einige Kilometer vor Popayán erreichen wir dann wieder eine befestigte Straße und 5,5 Stunden nach Fahrtantritt auch das Ziel.

Die Außenbezirke und die Neustadt der 250.000 Einwohner-Stadt sind ziemlich uninteressant. Die große Altstadt – auch die weiße Stadt genannt – mit ihrer kolonialen Architektur ist unser Ziel.

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Als wir am Abend auf der Suche nach einem Restaurant durch die Straßen laufen, macht die Altstadt den Eindruck, sich auf eine Belagerung vorzubereiten. Zwar beleuchten die eckigen Laternen an den Häusern die Straßen einigermaßen, aber wo wir auch hinkommen, die massiven dunklen Holztüren sind verschlossen und die eisernen Gitter davor ebenfalls. Kein Lichtschein dringt aus den Häusern. Eine junge Frau, die gerade ihre Mutter abholt, fährt uns zu dem vermutlich einzigen offenen Lokal und rettet uns vor dem Hungertod. Nochmals herzlichen Dank Maria.

In der Kathedrale
Theater unten ‚Demonstratiönchen‘
Baum mit Louisiana Moos
Juristische Fakultät

Heute – am Montag, dem 24. Juni – ist Fronleichnam und somit Nationalfeiertag, erklärt uns der Hotelbesitzer später, deshalb ist alles geschlossen. Und wirklich ist die Stadt am nächsten Morgen nicht wiederzuerkennen. Die jetzt geöffneten Türen führen in Geschäfte und Lokale aller Art. Verkaufsstände stehen rund um den Platz vor der Kirche und in den nahe gelegenen Straßen. Dazu duftet es überall nach Ananas. Die bereits geschälten goldgelben Früchte schmecken köstlich, und wo kommen auf einmal die vielen Menschen her? Auch am Abend sind noch etliche Türen geöffnet und wir bekommen in einem Restaurant, aus dem es verlockend duftet, das bisher beste Stück Fleisch während unserer Kolumbienreise.

Die Weiterreise geht zunächst nach Cali, der drittgrößten Stadt in Kolumbien. Die Einfallstraße hat einen 15 bis 20 Meter breiten Grünstreifen in der Mitte, der demnächst wohl einer Buslinie nach dem Vorbild Bogotas zum Opfer fallen wird.

Der zweistöckige Busbahnhof bietet Geschäfte, Restaurants, Frisör, Schönheitssalon und eine Bankfiliale. Wir kaufen die Fahrscheine für die Weiterfahrt und sehen, dass wir bis zur Abfahrt noch gut zwei Stunden Aufenthalt haben. Zeit genug, etwas zu essen und gemütlich zum Wartebereich zu schlendern. Ein Blick auf seinen Rucksack lässt Klaus wie von der Tarantel gestochen hochfahren. Die kleine Reisegitarre fehlt, sie ist im Gepäckfach des letzten Busses liegengeblieben. Und plötzlich verfliegt die Zeit nur so, die Abfahrtszeit des Anschlussbusses rückt näher, gerade noch rechtzeitig kommt mein Mann strahlend mit seiner Gitarre zurück. Der Bus war noch da, Fahrer brauchen schließlich auch eine Mittagspause.

Eine halbe Stunde, nachdem der Bus Cali verlassen hat, werden wir erneut von einer Polizeikontrolle gestoppt. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter: „Amigo,“ sagt er „das passt mir jetzt überhaupt nicht, ich bin sowieso schon spät dran.“ Und der Polizist winkt ihn weiter. Gute drei Stunden braucht der Bus bis Armenia, dort steigen wir um und fahren mit dem öffentlichen Bus im Feierabendverkehr noch knapp 30 Kilometer bergauf nach Salento. Die kleine Ortschaft liegt in der Kaffeeanbauregion auf 1900 Meter Höhe. Gleich nach der Ankunft folgen wir der Empfehlung einer Hostelmitarbeiterin und kehren im 50 Meter entfernten Lokal ein. Spezialität ist in den hiesigen Restaurants Forelle aus den nahen Gebirgsbächen. Wir entscheiden uns für die gegrillte Version, die auf Patacones (frittierte und plattierte Kochbananen) serviert wird, und zu der es eine fruchtige Ananas-Salsa gibt. Und dazu einen der hier immer köstlichen Fruchtsäfte. Wie werden wir in Deutschland Lulo, Guruba oder Guanabana vermissen. Wir sind so begeistert, dass wir auch in den nächsten Tagen zum essen in das Lokal gehen. Auch hier hat der Wirt alte Autoreifen verwendet, und zwar als Sitzmöbel. Drei farbig lackierte liegen übereinander, der obere hat ein geknüpftes Netz als Sitzfläche. Die Luxusversion ist mit Rückenlehne, ebenfalls ein Reifen, der mit zwei Latten an den unteren befestigt ist.

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Am nächsten Morgen sehen wir erst, in welch wunderschöner Gegend wir gelandet sind. Die Andengipfel ragen bis zu 4.750 Meter in die Höhe, mal sind sie von Wolken verhüllt, dann wieder sieht man sie vor blauem Himmel. Der Ort selbst ist ein beliebtes Ausflugsziel und hat im Zentrum noch die schönen bunten Häuser der Kaffeebauern. Heute sind sie fast alle zu Andenkenläden und Restaurants umgebaut worden, doch ihren Charme hat der Ort dadurch nicht verloren. Von hier aus gelangt man auch in den Parque Nacional Natural los Nevados (Nationalpark Los Nevados), zu dem die drei großen Vulkane Nevado de Santa Isabel (4.950 m), Nevado del Tolima (5.215 m) und Nevado del Ruiz (5.311 m) gehören. Gerade der letzte ist uns durch seinen spektakulären Ausbruch 1985 noch im Gedächtnis, als in der 47 Kilometer entfernten Stadt Armero über 22.000 Menschen durch eine Schlammlavine ums Leben kamen. Noch immer habe ich das Bild des 12-jährigen Mädchens vor Augen, das im Schlamm feststeckte und dem die Welt beim Ersticken zusah. Obwohl die Vulkane in der Nähe des Äquators liegen, sind ihre Gipfel ganzjährig schneebedeckt.

Klaus ist stark erkältet und so müssen wir die geplanten Ausflüge verschieben. Zu unserer Freude ist Amira, unsere liebenswerte Reisebekanntschaft aus El Salvador, gerade in Salento. Natürlich treffen wir uns und erzählen uns beim Mittagessen unter viel Gelächter unsere bisherigen Reiseerlebnisse.

Am Wochenende wird es voll. Die Besucher bummeln durch die Hauptstraße und stöbern in den vielen Geschäften. Rund um die Plaza de  Bolivar vor der Kirche drängen sich die fliegenden Händler. Besonders gut gefällt uns die „Kinderbelustigung“, mehrere kleine Autos stehen in Reihe vor der Kirche. Die Kinder wollen unbedingt damit fahren und 2.000 COP (0,50 €) scheint ein angemessener Preis zu sein. Sobald das Kind hinter dem Lenkrad sitzt, schieben die Eltern es wie einen Kinderwagen mehrmals um den Platz.

Umweltfreundlich ist das auf jeden Fall, nur Muskelkraft und Ausdauer sind erforderlich.

Der Aufstieg zum Aussichtspunkt ist ganz schön anstrengend, 6 Treppen mit jeweils 34 Stufen führen nach oben, wo man auf der einen Seite einen schönen Blick auf die Stadt und auf der anderen in die Berge mit Kaffeeplantagen hat. Am Abend spielt Kolumbien im Viertelfinale gegen Peru und verliert im Elfmeter-Schießen. Das Tragen der Fußballtrikots hat nicht geholfen.

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Am Sonntag fühlt sich Klaus dann soweit gut, dass wir ins Cocoratal fahren können. Wir wissen, dass es nicht die beste Wahl ist, aber dass es so voll ist haben wir nicht erwartet. Alte Jeeps fahren die Besucher zum 11 Kilometer entfernten Parkeingang. Normalerweise werden jeweils acht Personen mit einem Fahrzeug befördert, bei dem heutigen Andrang müssen sich zwölf den knappen Platz teilen, wobei zwei hinten auf der Plattform stehen. Mit uns fahren Maria und Freddy aus Medellin, mit denen wir in der Warteschlange ins Gespräch gekommen sind. Beide sprechen gut englisch, eine Seltenheit hier. Die Jeeps fahren im Abstand von wenigen Minuten los. Schnell lassen wir den Ort hinter uns und fahren auf schmaler Straße durch die Berge. Außer Kaffee werden auch Avocados hier angebaut.

Der Eintritt ins Valle de Cocora ist frei, wer allerdings den Weg zum Mirador wählt, muss 4.000 COP
(1,08 €) bezahlen. Wir laufen einen anderen Weg – nicht wegen des Eintrittspreises – der Aufstieg ist uns zu steil. Maria erzählt mir, dass diese Region für ihren Kinderreichtum bekannt ist. Pro Familie sind 15 bis 20 Kinder normal, 24 soll es auch schon gegeben haben. Die Männer haben nicht etwa mehrere Frauen, die eine, die einzige Ehefrau hat sie alle zu Welt gebracht. Auf meine Frage nach der Kindersterblichkeit lächelt Maria: „Nein, die überleben alle.“

Das Cocoratal ist wegen seiner landschaftlichen Schönheit und seiner Wachspalmen bekannt. In einer Gegend, die der Schweiz nicht unähnlich ist, wo Rinderherden auf grünen Hängen weiden, ragen schlanke Palmen 50 bis 60 Meter in die Höhe, ein surreales Bild. Auf dem staubigen Weg werden wir immer wieder von Pferden überholt, die hier zu hunderten vermietet werden. An einem Bach ist für die Fußgänger erstmal Schluss, die Reiter haben es da besser, bei ihnen bleiben die Füße trocken. Ein schmaler Weg führt rechts in den Wald und bald erreichen wir eine Brücke über den Bach. Danach wird der Weg matschig und rutschig. Noch einmal geht es auf einem Baumstamm über den Bach und danach auf Felsen steil bergauf. Für die Pferde ist hier der Endpunkt erreicht, ab hier geht es nur auf den eigenen Füßen weiter. Die meisten Ausflügler sind längst zurückgeblieben. Wir suchen uns einen Platz für unser Picknick und gehen denselben Weg zurück. An der ersten Brücke kommt uns eine Gruppe in eleganter Kleidung entgegen. Eine der Frauen trägt ein Kleid aus aprikotfarbener Spitze und zierliche goldfarbene Pumps. Ohne unsere helfenden Hände kommt sie nicht von der schrägen Brücke herunter. Wie das wohl weitergeht?

Am Morgen waren schon viele Menschen unterwegs, jetzt hat sich die Anzahl nochmals vervielfacht, nichts wie weg ist unser Motto und wir steigen in den nächsten Jeep.

Um halb acht fahren wir am Montag Morgen zur Busstation und weiter nach Armenia. Busse nach Bogota sollen von hier im Stundentakt abfahren. Das ist eindeutig falsch. Die Buslinie, auf die wir gesetzt haben, fährt erst abends um 19.30 ab. Die zweite Gesellschaft um 14 Uhr, die dritte überhaupt nicht bis Bogota. Bei der vierten landen wir einen Treffer. Der Bus soll um 9.30 Uhr abfahren, den schaffen wir gerade noch. Die Dauer der Fahrzeit ist nur kurz rätselhaft. Der Bus schraubt sich hinter der Stadt zielstrebig die Berge hoch, bald sind wir in den Wolken und erreichen nach einigen Stunden eine Höhe von über 3.500 Metern.

Die unvollendete….

Vor Jahren hat man damit begonnen, diese Region durch Brücken und Tunnel leichter erreichbar zu machen, vollendet wurde dieses ehrgeizige Projekt jedoch bis heute nicht. Auf den halbfertigen Brücken wachsen inzwischen wieder Büsche und Sträucher. Nach wie vor müssen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus dieser Region auf der kurvenreichen Straße in die Hauptstadt befördert werden.

Der Taxifahrer – ein Mann von Mitte vierzig – der uns zum Hotel fährt, trägt eine Zahnspange. Keine Seltenheit in diesem Land, hier scheint man mit der Zahnkorrektur erst im Erwachsenenalter anzufangen.

Am letzten Abend in Bogota finden wir ein kleines verstecktes Lokal. Der Besitzer ist außer sich vor Freude über die deutschen Touristen. Wir bestellen nach seiner Empfehlung. Immer wieder kommt er an unseren Tisch und sucht das Gespräch, bringt ein Getränk auf Kosten des Hauses, aber in der gut einsehbaren Küche tut sich nichts. Nach einer Stunde plötzlich lautes Gepolter, ein Mann wuchtet eine Gasflasche herein und im Handumdrehen zischt es in der Pfanne, brodelt es in den Töpfen und eineinhalb Stunden nach der Bestellung bekommen wir auch unser Essen.

Am Morgen fliegen wir nach Leticia. Diese Stadt im Südosten Kolumbiens ist nur auf dem Luft- oder Wasserweg erreichbar, ringsherum nichts als Urwald. Am Flughafen nochmal eine Irritation, dieses Mal nimmt die Dame an der Gepäckaufgabe Anstoß an den großen Rädern an unseren Koffern. Da hilft kein Protest, wir müssen zu einem Extra Schalter für übergroßes Gepäck. Sie deutet mit der Hand in etwa die Richtung an und wendet sich dem nächsten Fluggast zu. Wir irren durch die Abflughalle, nirgends ein Hinweis, wo dieser Schalter zu finden ist. Erst nach mehrmaligem Fragen finden wir ihn. Dort versteht man nicht, warum wir hier sind, aber schließlich nimmt man uns die Koffer doch ab.

Schwüle Hitze in Leticia. Kleidung, die in Bogota für 17 Grad richtig ist, klebt hier unangenehm am Körper. Wir holen uns im Imigrationsbüro gleich die Ausreisestempel aus Kolumbien, denn lange wollen wir uns hier nicht mehr aufhalten. Im Hostel unter die Dusche und luftige Kleidung anziehen, dann lassen wir uns zum Hafen in Tabatinga fahren. Tabatinga liegt bereits in Brasilien, beide Städte gehen ohne deutlich sichtbare Grenze ineinander über, kein Schlagbaum, keine Kontrollen.

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Leticia hat allerdings die schöneren Geschäfte und wirkt gepflegter. Von hier aus wollen wir mit einem Schiff auf dem Amazonas bis zur Atlantikküste fahren. Ein Schiff geht bereits am nächsten Tag. Die Fahrkarten kann man allerdings nur bar bezahlen, eine Bankfiliale sei ganz in der Nähe. In der Banco do Brasil stehen 10 Geldautomaten. Beim ersten wird eine Höchstgrenze von 600 Real (150 €) angezeigt, der nächste bietet 300 und der dritte 150 an. Ausgezahlt wird allerdings gar nichts. Geld bekommen wir erst bei der dritten Bank, die anderen sind nicht auf ausländische Kreditkarten eingerichtet. Jetzt brauchen wir noch den Einreisestempel für Brasilien, den gibt es in der Polizeistation auf der Hauptstraße. Danach holen wir erleichtert unsere Fahrkarten ab, morgen sind wir in Brasilien.