Wie bestellt steht morgens um 10.20 Uhr das Taxi vor dem Haus. Noch eine herzliche Verabschiedung von unseren beiden Gastgebern Herb und Susan, dann geht es wieder in Richtung Guadalajara. Unser Taxifahrer – ein ehemaliger Pilot – erzählt uns von seinem Leben in der ganzen Welt. Die Frage nach dem besten Land beantwortet er überzeugend mit: „Mexiko!“
Der neue Busbahnhof am Stadtrand ist riesig. Fahrkarten haben wir uns schon in einer Reiseagentur in Ajijic besorgt, so dass wir hier nicht anstehen müssen. Nach dem wir die Tickets vorgezeigt haben, dürfen wir in den mit Sesseln und großen Bildschirmen ausgestatteten Wartebereich. Eine Viertelstunde vor Abfahrt wird es vor dem Bussteig lebhaft. Tickets vorzeigen, dann drückt eine nette Dame jedem eine Flasche Wasser und eine kleine Schachtel mit einem Dognut in die Hand. Die Koffer bekommen einen Anhänger und werden im Gepäckfach verstaut. Vor dem Einstieg schaut ein Mann in Uniform oberflächlich ins Handgepäck, erst dann dürfen wir den Bus betreten. Hier gibt es pro Reihe nur drei weich gepolsterte Sitze, schön breit und mit viel Abstand zum Vordermann. Da kann man es sich richtig gemütlich machen. Wenn man die Lehnen nach hinten verstellt und die Fußstützen ausfährt, reist man wie in einem Liegestuhl. Dazu gibt es Bildschirme an jedem Platz mit Filmen und Musik zur Auswahl, Kopfhörer stecken in den Taschen der Vordersitze. Für Kinder sind auch ein paar Zeichentrick- bzw. Animationsfilme vorhanden.
Pünktlich auf die Minute fährt der Bus ab. Zuerst geht es durch die Randbezirke der Großstadt, dann nur noch durch grüne Landschaft. Maisfelder sind links und rechts der Autobahn zu sehen und so viele Rizinussträucher, dass man mit den Samen ganz Mexiko vergiften könnte.
Vulkankegel stehen dicht an dicht und mehrere große Seen breiten sich in der Landschaft aus. Der Bus fährt so sanft, als schwebe er über die Autobahn. Als wir diese verlassen, stehen mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten am Straßenrand. Für unseren Bus interessieren sie sich nicht, und wir erreichen unser Ziel Morelia nach angenehmer 3,5 stündiger Fahrt ohne Zwischenstopp. Auch hier verblüfft uns die Größe des Busbahnhofes. Praktisch, direkt in der Abfertigungshalle ist ein Taxischalter. Man nennt das Hotel, bezahlt den genannten fairen Preis und wird von einem der offiziellen Taxen ans Ziel gebracht.
Unser Hotel liegt in der historischen Altstadt, die 1991 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Die auf 1920 Meter Höhe gelegene Hauptstadt des Bundeslandes Michoacán hat 600.000 Einwohner und viele gut erhaltene Gebäude aus der Kolonialzeit. Das macht sie zur meistbesuchten Stadt Mexikos im Landesinneren. Gleich nach der Ankunft machen wir einen ersten Erkundungsgang und stehen begeistert vor der Kathedrale aus rosa Basalt im Barockstil. Ein Blick ins Innere zeigt, dass gerade Messe ist. Später erkennen wir das schon von außen. Stehen Bettler vor den Portalen, ist Messe. Wir verschieben die Besichtigung und laufen durch ein paar Straßen der imposanten Altstadt.
Die prächtigen Gebäude gegenüber der Kathedrale haben großzügige Arkaden, unter denen die vielen Restaurants Tische und Stühle dicht an dicht aufgestellt haben. Es ist wirklich ein schöner Platz zum essen. Es sind so viele Menschen unterwegs, da versuchen etliche Händler ihre Waren zu verkaufen: Schmuck, Rosen und auch viele traditionelle Handarbeiten. Ein „Nein danke“ genügt, und sie gehen weiter zum nächsten Tisch. Ein Mann verkauft Honig in großen Gläsern. Als wir abwinken bietet er uns stattdessen eine Gitarre an; auch eine interessante Geschäftsidee.
Ausgestattet mit einem Plan der Sehenswürdigkeiten machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum Mercado de Dulces (Süßwarenmarkt). Unterwegs frühstücken wir in einem der vielen netten Lokale. Nach so vielen Monaten mit Toastbrot freuen wir uns jeden Morgen über leckeres frisch gebackenes Brot oder Brötchen.
Der Markt ist in einem Teil des Clavijero Palastes untergebracht, dem ehemaligen Jesuitenkolleg. Hier werden die traditionellen handgefertigten Süßwaren angeboten: Kandierte Früchte, Waffeln, Karamellen, Kokosberge, Konfekt aus Fruchtmus, süß-scharfe Bonbons, Schokolade und vieles mehr. Aber nicht nur Süßwaren gibt es hier, auch Kunsthandwerk ist stark vertreten, darunter viele bestickte Blusen, Kleider und Schals, Stoffpuppen, Bilder, Holzarbeiten und normale Handelswaren. Über all dem liegt der süße Geruch der Naschereien.
Durch die Haupteinkaufsstraße schieben sich die Menschen. Auch hier sind viele Bettler unterwegs. Merkwürdigerweise sehen wir auch zwei Männer in sandfarbenen Uniformen, die ihre Schirmmütze den vorbeilaufenden Menschen entgegenstrecken. Auf der Suche nach Glückwunschkarten gehen wir in eine Papellerie (Papiergeschäft). Hier drängt sich eine dichte Menschentraube vor der Kasse. In drei Woche sind die Ferien zu Ende, und die Eltern nutzen das Wochenende um gemeinsam mit ihren Kindern die zwei DIN A 4 Seiten lange Liste abzuarbeiten. Es gibt alles – nur keine Glückwunschkarten.
Klaus muss ein paar Dinge wegen des neuen Handys klären. Ich schaue mich währenddessen in der Haushaltsabteilung des Kaufhauses um.
Die Waschmaschinen haben alle amerikanischen Standard: Große oben offene Trommeln, die die Wäsche nur hin und her drehen. In 20 bis 40 Minuten sind die rund 20 Kilogramm gewaschen und geschleudert. Auch die Kühlschränke entsprechen den in Amerika verwendeten, sie haben Eiswürfelbereiter und Wasserspender. Kochherde werden grundsätzlich mit Gas betrieben. Die meisten haben sechs Kochstellen und einen entsprechend großen Backofen. Schon ab 180 € wird man Besitzer eines solchen Herdes.
Wir laufen zum Aquädukt, einem Bauwerk im Barockstil mit 253 Bögen auf 1,8 Kilometer Länge. 1728 wurde auf Initiative des Bischofs Antonio de San Miguel mit dem Bau begonnen. Ziel war einerseits die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser und andererseits die Beschäftigung der indigenen Bevölkerung. Bis 1910 wurde es für die Wasserversorgung genutzt, heute erfreut es gut restauriert Besucher und Einheimische.
Im kleinen Park Villalongín suchen wir uns eine Bank im Schatten, um ein wenig auszuruhen und das Leben und Treiben zu beobachten. Wie bestellt fährt plötzlich eine Stretchlimousine vor und heraus arbeitet sich ein junges Mädchen im langen türkisfarbenen Kleid mit bauschigem Rock. Ihr folgen vier junge Männer in identischen Anzügen. Wir erleben hautnah eine Quinceañera, oder doch zumindest den Fototermin. In vielen Ländern Latein- und Südamerikas wird der 15. Geburtstag eines Mädchens als rauschendes Fest gefeiert. Ab jetzt wird es nicht mehr als Kind, sondern als Frau betrachtet. Gekleidet in ein festliches Ballkleid mit passendem Blumenstrauß, begleitet von Eltern und Geschwistern und den vier Ehrenherren geht es erst in die Kirche, dann zum Fototermin und später zum Feiern in ein Restaurant.
Die Eltern müssen tief in die Tasche greifen, um all den Pomp und Prunk zu bezahlen: Kleidung für alle, Frisör, Schönheitssalon, Fotograf, Leihwagen und dann die anschließende Feier für eine große Anzahl Gäste. Häufig ist die Summe höher als bei einer Hochzeit. Während wir interessiert zuschauen, treffen weitere geschmückte Limousinen mit herausgeputzten Familien ein. Die Kleider glitzern und funkeln im Sonnenlicht, petrol, tintenblau, weinrot, zartrosa und altrosa haben die jungen Damen gewählt. Die kleine Schwester einer Fünfzehnjährigen trägt ein Kleid in derselben Farbe. Die Hauptpersonen bewegen sich mit unterschiedlicher Anmut vor der Kamera, so dass einige Gruppen nach 15 Minuten weiterziehen können. Doch manchmal müssen die Fotografen richtig arbeiten. Da wird ein Arm graziös verbogen, dort der Hals überstreckt, alles um das perfekte Foto zu bekommen. Als wir nach über einer Stunde weitergehen, ist das türkisfarbene Team noch immer bei der Arbeit.
Die Schaufenster sind voll von Kleidern für diesen Anlass. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben außer weiß und schwarz. Eine Puppe im nahezu identischen Kleid in derselben Farbe gibt es dazu. Die sitzt dann wahrscheinlich lebenslang auf der Couch und erinnert an diesen einen Tag.
Am Abend ist die Straße vor der Kathedrale für den Autoverkehr gesperrt. Bei den vielen Menschen wäre ein Durchkommen sowieso unmöglich.
Das Bauwerk wird in allen Farben des Regenbogens angestrahlt und um 20.45 Uhr beginnt – wie an jedem Samstagabend – ein 15 minütiges Feuerwerk, begleitet von Musik, einer Erzählstimme und den begeisterten Ah’s und Oh’s der Zuschauer. Es dauert, bis sich danach die Menschenmasse verläuft. Nachdem wir uns zum Straßenrand durchgekämpft haben, schlüpfen in eine Nebenstraße und kommen doch recht schnell zu unserem Hotel.
Auch am Sonntag ist die Straße vor der Kathedrale gesperrt. Heute gehört sie Fußgängern, Skatern, Radfahrern und Hunden. Kinder wuseln herum und die Erwachsenen haben alle Zeit der Welt. Unter den Arkaden wird ausgiebig gefrühstückt, dabei kann man wunderbar die sportlichen Aktivitäten der Menschen auf der Straße beobachten.
Besonders beliebt ist ein Gespann aus 13 Fahrrädern, vorne eins, dahinter sechs Zweiergruppen jeweils mit bequemen Kindersitzen davor. Nach dem Gejohle zu urteilen, sind die Herrschaften nicht ganz nüchtern unterwegs. Eine Gruppe kostümierter junge Menschen zieht plötzlich die Blicke auf sich. Sie werben für eine Veranstaltung am Abend. Erzählt wird die Legende von Morelia.
Gegen Mittag können wir uns endlich die Kathedrale in aller Ruhe von innen anschauen. Sie ist sehr elegant im Stil der Neoklassik gestaltet. Besonders beachtenswert ist eine Christusstatue aus Maispaste.
Auf den Plätzen links und rechts der Kirche sind Clowns und mehrere Tänzer aktiv. Diese tragen Masken, gehen an Stöcken und fangen in ihren Schuhen mit klappernden Holzsohlen plötzlich gemächlich an zu tanzen.
Dann folgen solistische Einlagen in einem solchen Tempo, dass ihnen die Kleider um den Körper fliegen.
Dieser traditionelle Tanz der alten Männer (Danza de los Viejitos) gehört zu Michoacan wie die Gitarre zur Mariachi-Musik. Wir sehen uns diese großartige Vorstellung eine ganze Weile an. Heute ist hinter der Kathedrale auf einem kleinen eingezäunten Platz ein alternativer Markt aufgebaut. Es gibt selbst gemachte Konfitüren, Salsas, Kosmetik, den hier offenbar sehr beliebten Eierlikör, Schuhe, Schmuck und noch vieles mehr. Für 250 Pesos (11,25 €) gibt es hier schöne Schuhe aus geflochtenen Lederstreifen. Wenn wir doch bloß noch Platz in unseren Koffern hätten. Doch nicht nur auf diesem Markt kann man heute einkaufen, fast alle Geschäfte haben geöffnet und dadurch ist ein Leben in der Stadt, dass es eine Freude ist. Auf allen Plätzen sitzen Menschengruppen zusammen. Es ist so eine schöne Atmosphäre, wenn ich da an deutsche Innenstädte an Sonntagen denke … Offenbar sind Frömmigkeit und Sonntagsarbeit doch kein Widerspruch.
In einem der alten jetzt motorisierten Straßenbahnwagen – noch mit den Original-Holzbänken – machen wir eine Stadtrundfahrt. Der Tourleiter erzählt frei und anscheinend sehr humorvoll. Leider hat eine Mutter mit vier Kindern im Alter von eins bis fünf Jahren heute offenbar nichts Besseres vor, und so übertönen die Kleinen mit ihrem Gebrüll mühelos den sicherlich interessanten Vortrag. Von mehreren Seiten ertönt ein: „Pssst,“ das stört aber weder die kleinen Racker noch deren Mutter. Aber irgendwann geht auch diese Rundfahrt zu Ende und die Nerven und Ohren können sich erholen.
Guadalajara und der Chapalasee (Mexiko)
Um 15 Uhr Ortszeit landen wir in Los Angeles. Herrlich, es ist ungefähr 26 Grad warm. Zum Genießen sind wir jedoch zu müde und sinken im Hotel gleich aufs Bett, Schlaf nachholen. Da unser Flug nach Mexiko erst am nächsten Abend um 21.30 startet, deponieren wir am morgens unser Gepäck im Hotel und lassen uns an den nahe gelegenen Strand von Hermosa-Beach fahren.
Vor dem Pier sind Marktstände mit Kleidung, Schmuck und Lebensmitteln aufgebaut, im Wasser versuchen sich die Surfer und am Strand haben sich die Sonnenanbeter ihren Platz gesucht. Der richtige Tag um auf der Strandpromenade spazieren zu gehen und die vielen schönen Häuser zu bewundern. Ab und zu hört man aus Lokalen das Gejohle der Fußballfans, die beim Spiel um den dritten Platz bei der diesjährigen Weltmeisterschaft mitfiebern.
Unser Flug startet ohne Verzögerung, so dass wir nach drei Stunden Flugzeit (Zeitverschiebung + 2 Stunden) um 1.30 Uhr Ortszeit in Guadalajara landen. Die Zufahrt zum Hotel ist mit einer Schranke gesichert, zusätzlich steht ein Wachmann mit Maschinenpistole daneben. Der Taxifahrer muss seine Papiere vorweisen, für uns interessieren sich die grimmig dreinblickenden Herren nicht. Erst nachdem sie mit der erhaltenen Auskunft zufrieden sind, wird die Schranke geöffnet und das Auto schraubt sich in weiten Kurven eine gepflasterte Straße hoch bis zu einem ausgedehnten Hotelkomplex im Hacienda-Stil. Um drei Uhr sind wir endlich in unserem riesengroßen Zimmer mit Holzbalkendecke, schweren Möbeln und ausladendem Bett.
An Schlaf ist nicht zu denken, wir sind noch zu aufgekratzt, und schauen vom Balkon auf die unter uns liegende hell erleuchtete Stadt, die auf 1.500 Meter Meereshöhe liegt. Auch mitten in der Nacht herrscht in dieser Stadt keine Ruhe, die Straßen sind voller Autos, in irgendeiner Fabrik wird lautstark gearbeitet, kurzum es brummt wie in einem Bienenstock. Das Frühstück verschlafen wir und später zwingt uns ein heftiges Gewitter zurück ins Zimmer. Am nächsten Tag ziehen wir um in ein Hotel in der Innenstadt.
Die Innenstadt von Guadalajara, der zweitgrößten Stadt in Mexiko und Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco, ist eine einzige Baustelle. Man ist dabei, die existierenden zwei U-Bahnlinien um eine dritte zu erweitern. Und die braucht diese Stadt dringend, der Autoverkehr kommt mit schöner Regelmäßigkeit zum Erliegen.
Die Altstadt im Kolonialstil ist erstaunlich groß und hat viele schöne Kirchen und Gebäude, dazwischen aber unzählige Lokale und Geschäfte jeglicher Art. Hier ist ein Leben und Treiben, dass man sich verwundert die Augen reibt. Niemand scheint es eilig zu haben.
Vor dem Cordoba Portal treibt ein Clown sein Unwesen und die Menschentraube um ihn herum ist ein dankbares Publikum, das seine derben Späße mit schallendem Gelächter belohnt.
Bis in den späten Abend sind Familien mit Kindern vom Neugeborenen (fast immer auf dem Arm, wir sehen kaum mal einen Kinderwagen) bis zum Teenager unterwegs.
Während einer Stadtrundfahrt fällt uns eins besonders auf, Stubenhocker sind die Mexikaner keinesfalls, überall in der Stadt sitzen sie auf Bänken, in Lokalen, auf Treppenstufen. Immer erklingt irgendwo Musik, und häufig ergreifen einzelne Paare die Gelegenheit zu einem Tänzchen auf der Straße. Es wirkt alles so fröhlich und unbeschwert, man kann das überhaupt nicht mit den Beschreibungen von der Gefährlichkeit in diesem Land in Verbindung bringen.
Auf der Plaza de Liberacion hinter der Kathedrale stehen Zelte. Die Menschen feiern ihr Bundesland Jalisco mit Volkstänzen, Mariachi-Musik, mexikanischer Küche und Produkten aus der Region. Gegessen wird hier gern und oft, deshalb sind die meisten Mexikaner auch wohlgenährt, überaus wohlgenährt. Geschätzte 70 % der Erwachsenen schleppen zu viel Gewicht mit sich herum und mit 163 Litern pro Einwohner ist Mexiko Spitzenreiter im Cola-Konsum.
Jalisco ist einer der reichsten Bundesstaaten Mexikos, hier gibt es sowohl Bodenschätze als auch eine florierende Wirtschaft. Dazu trägt auch der weltweit bekannte Tequila bei. Wir sind neugierig auf die wohlhabende Stadt und fahren mit dem öffentlichen Bus ins 50 Kilometer entfernte Städtchen Tequila.
Schon etliche Kilometer vorher sehen wir links und rechts die Felder mit den bläulich schimmernden Weber-Agaven. Mal sind sie ordentlich in Reih und Glied gepflanzt und kein Hälmchen Unkraut wagt sich hervor, dann wieder nimmt man es nicht so genau, zwischen den piksenden Stauden wächst Gras, davon wiederum ernähren sich die dort weidenden Kühe. Einige Felder sind auch bereits abgeerntet, nur die lanzenförmigen Blätter liegen noch auf dem Feld; denn für den Schnaps braucht man nur das Herz auch Piña genannt. Acht bis neun Jahre müssen die Agaven alt sein, bevor das Herz die richtige Größe hat. Danach entsteht in einem langwierigen Prozess aus Kochen, Pressen, Gären und Brennen der weltbekannte Agavenschnaps. In der Stadt liegt ein eigenartiger Geruch in der Luft, er kommt aus den Schornsteinen der vielen Brennereien.
Im historischen Teil des Ortes stehen entlang einer begrünten Straße die Prachtbauten. Die älteste Brennerei Cuervo (Rabe) hat den Vogel als Markenzeichen. In einem großen Bauer im Hof des prachtvollen Gebäudes sitzt ein lebendiges Exemplar. Ein übermannshohes Exemplar steht in der Nähe.
Tequila-Touren sind bei in- und ausländischen Touristen beliebt. Innerhalb der Stadt fahren Busse in Form von Tequila-Flaschen oder auch großen Peperonis (?) herum. Als wir zurück zur Busstation laufen dröhnt uns aus einem der Ausflugsbusse grölendes Gelalle entgegen. Der Busfahrer steht neben seinem Gefährt und sieht unbeteiligt zu, wie seine Passagiere versuchen in den Bus zu gelangen.
Es ist zehn Uhr und bereits dunkel, als uns der Busfahrer in der Nähe des alten Busbahnhofs in Guadalajara aussteigen lässt. Die anderen ausgestiegenen Passagiere zerstreuen sich sofort in alle Winde. Wir stehen noch dort, Klaus bestellt ein Taxi und verfolgt auf dem Display seines Handys dessen Route, als wie aus dem Nichts ein dunkler Schatten hinter uns auftaucht. Ein dunkel gekleideter Mann auf unbeleuchtetem Fahrrad rast auf uns zu, reißt Klaus das Handy aus der Hand und ist auch schon verschwunden. Wir sind im ersten Moment wie gelähmt. Nachdem uns unser Taxi ins Hotel gebracht hat, bestellen wir auf den Schreck unseren ersten Tequila. Die Kellner sind voller Mitgefühl und bitten uns, bloß nicht schlecht von den Mexikanern zu denken, die meisten wären nicht so. In dieser Nacht schmiede ich finstere Rachepläne gegen unbekannt.
Was jetzt alles zu tun ist, dauert Tage. Neues Handy kaufen und einrichten, für verschiedene Zugänge neue Passwörter anlegen. Mein mit dem geraubten Mobiltelefon synchronisiertes Handy ist plötzlich auf Werkseinstellung zurückgesetzt, der Kalender mit allen Informationen unserer Reise gelöscht. Zu allem Übel haben wir unter der Anspannung durch Falscheingabe den Zugang zum Konto gesperrt, jetzt hilft nur noch ein Telefongespräch mit der Bank in Deutschland. Wir sind froh, als wir am Nachmittag Guadalajara verlassen können. In Ajijic, einer kleinen Stadt am Chapalasee, dem größten Binnensee Mexikos, wollen wir ein paar Tage bleiben.
Ajijic ist ein kleines Juwel, das haben vor uns schon viele kanadische und amerikanische und auch ein paar europäische Rentner entdeckt. Deshalb sind hier auf die engen Straßen fast mehr ausländische als einheimische Menschen zu finden.
In den Straßen, die vom Kirchplatz abgehen, sind die Häuser bunt angestrichen und mit farbenfrohen Gemälden verziert. Auch auf Masten und Baumstämmen sind die bunten Bilder zu finden. Die Straßen sind bis auf die Durchgangsstraße mit unterschiedlich großen Steinen gepflastert. Manche Straßen haben Bürgersteige, aber wenn man auf der Straße läuft, muss man höllisch aufpassen, nicht umzuknicken. Beinahe jedes Haus auf der zum See führenden Straße hat entweder einen kleinen Lebensmittel- oder Getränkeladen; eine Mode- oder Schmuckboutique, eine Galerie oder ein Lokal. Vom Ufer aus ist eine gemauerte Plattform in den See hineingebaut.
Zum Baden lädt der Chapalasee nicht ein, Wasserhyazinthen treiben an der Oberfläche und das Wasser ist trübe. Guadalajara deckt einen großen Teil seines Bedarf an Trinkwasser aus dem Zulauf und das fehlt dem See. Außerdem hat er unter der Einleitung von Nährstoffen(Nitrate) zu leiden, was eine starke Veralgung mit sich bringt. Ein paar halbherzige Versuche, die Menschen für die Problematik zu interessieren, sind zwar unternommen worden, zeigen aber noch keine deutliche Besserung. Gefischt wird hier allerdings nach wie vor. Aber vor allem hat das Gebiet rund um den See ein hervorragendes Klima.
Es gefällt uns hier, und wir verlängern unseren Aufenthalt noch um eine Woche. Unser erstes Hotel ist übers Wochenende ausgebucht, wir finden im drei Kilometer entfernten San Antonio ein Bed and Breakfast bei einem österreichisch/mexikanischen Künstlerpaar.
Thomas und Luz sind beide sehr talentierte Maler. Zur Zeit kommen sie allerdings selten dazu, neue Bilder zu malen. Die beiden kleinen Söhne fordern ihre Aufmerksamkeit beinahe pausenlos. Und die Unterbringung und Bewirtung der Gäste läuft auch nicht von allein. Der vierjährige Max hat schon die Anlage zum künftigen Naturforscher. Er sammelt Raupen und und beobachtet täglich, wie sie fressen, sich verpuppen und zum Schmetterling werden. Der vier Monate alte Theo hat noch keine anderen Interessen, als so oft wie möglich auf Mamas oder Papas Arm zu sein. Als wir am Sonntag abreisen, können wir nicht widerstehen und kaufen zwei Bilder von Luz. Hoffentlich bringen wir die unbeschädigt mit nach Deutschland.
Die nächsten fünf Tage haben wir ein kleines Häuschen bei einem amerikanischen Ehepaar gemietet. Vor zwei Jahren haben sie ihre Zelte in Virginia abgebrochen und freuen sich jeden Tag aufs Neue über die Entscheidung nach Mexiko zu ziehen.
Das Haus zu finden ist allerdings nicht einfach. Wir haben eine Adresse mit der Hausnummer 219A. Die findet sich schließlich zwischen den Häusern 86 und 89A. Wann immer wir in den nächsten Tagen nach einer bestimmten Adresse suchen, dasselbe Phänomen. Es gibt einfach keine fortlaufenden Hausnummern. Wie das zustande kommt, konnte uns niemand erklären.
Während wir hier sind, lässt unser Vermieter den Bürgersteig machen. Hier sind die Hausbesitzer dafür verantwortlich. Deshalb gibt es auch keine durchgängig breiten, hohen oder gestalteten Bürgersteige. Wir sehen die unterschiedlichsten Varianten: Mit Platten belegt, in Zement gegossen mit oder ohne Verzierungen, mit Steinen gepflastert, dazwischen auch große und kleine Obsidian-Klumpen (Vulkanglas). Die Zufahrten in die Höfe sind manchmal wie eine Berg- und Talbahn.
In den schmalen Straßen und Gassen sind Autos unterwegs, die bestimmt schon 40 Jahre auf dem Buckel haben, darunter viele VW Käfer. Plötzlich ist Pferdegetrappel zu hören. Ganz selbstverständlich sind Männer hier noch mit oder ohne Sattel zu Pferd unterwegs. Gespannt beobachten wir einen kleinen LKW, der versucht auf der schmalen Straße weiter zu kommen. Links die geparkten PKW, rechts ein Betonmast. Praktischerweise hat dieser in 2 Metern Höhe schon eine Einkerbung und der LKW ist an dieser Stelle verschrammt und eingebeult. Dass beide in derselben Farbe lackiert, bzw. gestrichen sind, ist wahrscheinlich Zufall. Als die Engstelle unter lauten Schabegeräuschen passiert wird und der PKW unversehrt bleibt obwohl kein Blatt dazwischen passt, atmen die Zuschauer erleichtert auf.
In vielen Lokalen wird abends von 6 bis 8 Uhr Musik gemacht. Wir hören in verschiedenen Restaurants eine mexikanische Band mit moderner, eine andere mit traditioneller Musik.
Einen Abend tritt ein amerikanisches Paar mit Gesang und Gitarrenmusik auf. Mexikaner sucht man hier auch vergebens. In Mexiko geht man früh zum Essen, denn um neun Uhr ist in den Küchen Schluss. Um zehn Uhr werden Tische und Stühle reingeräumt, dann wird es leer auf den Straßen. In der Großstadt gibt es natürlich Ausnahmen, aber früh gegessen wird auch hier.
Am letzten Abend laden uns unsere Gastgeber Herb und Susan zum Essen in ihr Haus ein. Susan ist eine hervorragende Köchin und verwöhnt uns mit Meeresfrüchten. Wir haben einen so schönen Abend mit diesen beiden netten Menschen, jetzt fällt uns der Abschied von Ajijic noch schwerer.
Vulkane und heiße Quellen (Neuseeland)
Als wir Wellington erreichen ist es schon dunkel und wir fahren auf dem schnellsten Weg zu einem Caravan-Park. Am nächsten Tag haben wir mal wieder einen Werkstatt-Termin und hier – in der Hauptstadt – bekommen wir einen nagelneuen Kühlschrank. Während der eingebaut wird, gehen wir zum Einkaufen in einen Supermarkt in der Nähe. Danach wollen wir uns die Innenstadt anschauen. Doch wir finden keinen Parkplatz. Für die Parkhäuser ist das Auto zu hoch, für die Parkplätze zu lang. Nach etlichen Versuchen geben wir auf.
Noch eine Runde durch das Zentrum. Neuseeländer scheinen Frostschutzmittel im Blut zu haben, das Thermometer zeigt 8,5 Grad an, und wir sehen Menschen in Shorts und Trägertop. Sehr gerne werden auch Flip Flops an nackten Füßen, Shorts, Daunenjacke und Pudelmütze kombiniert. Die Schulkinder stemmen ihre nackten bläulichen Knie trotzig gegen den scharfen Wind.
Hier auf der Nordinsel herrscht viel mehr Verkehr, als auf der Südinsel. Vor allem der Bereich rund um die Hauptstadt ist dicht besiedelt. Erst nach rund 50 Kilometern lässt der Verkehr nach. Wir sind hungrig, aber nirgends ist ein Rastplatz zu finden. Kurz entschlossen biegen wir in ein Wohngebiet ab. Vor einem der schönen Häuser parken wir und verzehren unser Mittagessen. Das scheint niemanden zu stören, jedenfalls fordert uns niemand auf, unverzüglich weiter zu fahren. Heute geht es noch bis zur Stadt Wanganui zu einem Campingplatz am Whanganui-Fluss. Schön ist es hier am drittlängsten Fluss Neuseelands, aber länger als eine Nacht können wir nicht bleiben.
Am Morgen wollen wir zum Taranaki (Mount Egmont), dem im Westen gelegenen 2.518 Meter hohen Vulkan.
Malerisch erhebt sich der Spitzkegel schneebedeckt aus der Ebene. Wir fahren bis in den Nationalpark, je höher wir kommen umso mehr Schnee liegt links und rechts der Straße. Auf dem Parkplatz ist es stellenweise gefährlich glatt. Erstaunlich viele Autos sind hier und die Insassen haben offenbar die Absicht, den Berg ganz oder teilweise zu besteigen. Das ist nichts für uns, mit unseren Sportschuhen sind wir sowieso nicht richtig ausgestattet. Als ich auf einen Aushang im Fenster des geschlossenen Informationszentrum lese, dass es an diesem Berg schon 86 Tote gab, fühle ich mich ermuntert, schleunigst zum Auto zurückzukehren und dem Vulkan den Rücken zu kehren.
Wir nehmen in Strathford die 155 Kilometer lange Strecke über den „Vergessene Welt Highway“ durch herrliches Hügelland. Das Land ist sehr fruchtbar, es gibt genügend Niederschläge. Zaunpfähle und Strommasten haben ein Polster aus Moos und erwecken den Eindruck, als hätten sie wieder ausgeschlagen.
Die Berge sehen aus, als wären sie komplett mit grünem Velours überzogen. Wir müssen einfach immer wieder stehen bleiben und uns umschauen. An den weißen Tupfen auf dem leuchtenden Grün erkennt man Schafe, soweit das Auge reicht. Im Hintergrund der schneebedeckte Tarankai. In der Gegenrichtung drei weitere Vulkane im Tongariro Nationalpark, ebenfalls schon mit weißer Decke. Die Straße verläuft in einem Flusstal, manchmal sieht man links unten Eisenbahnschienen, die dann wieder im Tunnel verschwinden. Ein Teil der Strecke kann mit einer Draisine befahren werden. Mit ein paar hundert Dollar ist man dabei.
Elf Kilometer dieser Straße sind nicht asphaltiert. Es ist zwar die am wenigsten befahrene Straße Neuseelands, trotzdem sind heute erstaunlich viele Autos unterwegs. Selbst ein großer LKW mit Anhänger biegt hinter uns in die Straße ein. Als wir den engen Moki Tunnel durchfahren, der heute Hobbits Hole heißt, kann ich mir nicht vorstellen, dass solch ein großes Fahrzeug hier durchkommt. Irrtum, fünf Minuten später hat er uns eingeholt und wir lassen ihn an einer Haltebucht vorbeifahren. Eine Staubwolke verrät uns noch einige Zeit, wie weit er bereits gekommen ist. Gegen Abend erreichen wir am Ende der 155 Kilometer Taumarunui, hier bleiben wir heute Nacht.
In der Nähe liegt der Tongariro Nationalpark, sowohl Weltkultur- als auch Weltnaturerbe. Drei aktive Vulkane: Tongariro (1968 Meter), Ngauruhoe (2291 Meter) und Ruapehu (2797 Meter) sind Zentrum des Parks. Sie werden von den Maori als Heiligtum verehrt und es war ihr Bestreben, dieses Gebiet unter besonderen Schutz zu stellen. Am heutigen Tag geht der Schutz allerdings so weit, dass das ganze Gebiet in Wolken gehüllt ist. Wir fahren rund um den Park und sehen – nichts. Dabei wollten wir so gern den Schicksalsberg (Ngauruhoe) aus dem Film „Herr der Ringe“ in Natura sehen.
Und dann ist es der andere Vulkan, über den eine tragische Geschichte zu erzählen ist. Wir haben gerade das Städtchen Tangiwai hinter uns gelassen, als wir auf eine Gedenkstelle aufmerksam werden. Am Weihnachtsabend des Jahres 1953 brach der Ruapehu aus und sein Kratersee ergoss sich mit Schlamm- und Geröllmassen in den Whangaehu-Fluss. Die dort installierte Eisenbahnbrücke hielt den Massen nicht Stand und brach zusammen, kurz bevor der Nachtexpress Wellington – Auckland die Stelle erreichte. Ein Autofahrer versuchte zwar noch den Lokführer zu warnen, aber der konnte nicht mehr vor der Einsturzstelle anhalten. Mehrere Waggons stürzten in den Fluss und wurden mitgerissen. Dadurch verloren 151 Personen ihr Leben. Noch heute wird der Opfer gedacht. An jedem 24. Dezember verlangsamt der Zug auf der neu errichteten Brücke seine Fahrt und einer der Eisenbahner wirft einen Blumenstrauß in den Fluss.
Als wir am Ufer des größten Sees Neuseelands (Lake Taupo) auf die Stadt Taupo zufahren, sehen wir am Horizont Dampfwolken in den Himmel steigen. Am nächsten Tag haben wir Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Taupo-See ist vulkanischen Ursprungs, er ist durch einen gigantischen Vulkanausbruch vor 26.500 Jahren entstanden. In der ganzen Gegend gibt es heiße Quellen, die auch in großen Geothermie-Anlagen zur Energiegewinnung genutzt werden. Wir fahren zum Thermalpark. Hier gibt es noch öffentlich zugängliche heiße Quellen.
Eine Gruppe junger Menschen sitzt gemütlich im warmen Wasser, den gut gefüllten Bierkasten in Reichweite.
Am Ufer des Waikato Flusses verläuft ein Wanderweg bis zu den Huka Wasserfällen.
Am gegenüber liegenden Ufer werden gerade etliche Kajaks ausgeladen, eine Schulklasse hat heute einen Ausflug aufs Wasser. Immer wieder steigen kleine Dampfwolken aus dem breiten Fluss auf. Der Weg schlängelt sich durch einen herrlichen Wald. Nach vier Kilometern haben wir unser Ziel erreicht. Wir treffen auf viele Ausflügler, denn der Parkplatz ist nur 100 Meter entfernt. Mit 220.000 Litern pro Sekunde schießt das gletscherblaue Wasser des Waikato Fluss (der Abfluss des Lake Taupo) durch die Verengung von 100 auf 15 Meter Breite. Dahinter schäumt es und sieht aus wie ein Sahnesee. Ausflugsboote fahren bis in die Nähe des Wasserfalls, und machen im aufspritzenden Wasser unter dem Gekreische der Passagiere eine scharfe Kurve. Wir laufen unseren Wanderweg zurück, das Felsen-Bassin ist inzwischen von einer anderen Gruppe besetzt.
Durch den Geothermie-Park verläuft eine Straße, von der aus man links und rechts die dicken Edelstahlrohre sehen kann. Aus einigen zischt und qualmt es.
Von einem Aussichtspunkt können wir einen Teil der riesigen Anlage überblicken. Anschließend fahren wir weiter zu den Craters of the Moon (Mondkratern), einem abgetrennten Gebiet, dass man nach Zahlung von 8 $ pro Person durch den Kiosk betreten kann. Nachdem 1991 ein paar parkende Autos in dem Gelände eingebrochen sind, achtet man sehr auf Sicherheit. Zwischen Büschen und Sträuchern sind Holzstege verlegt, über die man gefahrlos zu den einzelnen Aussichtspunkten gelangt.
Die Sonne steht schon tief und der an vielen Stellen aus der Erde austretende Dampf lässt alles so geheimnisvoll wirken, als sei man in einer anderen Welt. Um 17, also zur Sonnenuntergangszeit schließt der Park seine Türen. Aber damit nicht genug, auch die einzige Zufahrtsstrecke wird mit einer Schranke geschlossen. Schilder weisen darauf hin, dass die Uhrzeit „scharf“ eingehalten wird. Damit auch wirklich niemand „versehentlich“ versäumt, den Park zu verlassen, ertönt eine halbe Stunde vorher eine Sirene.
Am nächsten Morgen haben wir den Orakei Korako Thermal Park auf dem Programm. Wir müssen durch dichten Nebel oder Dampf fahren – vielleicht ist es auch eine Kombination aus beidem – und befürchten schon, nicht viel zu sehen. Doch ein paar Kilometer vor unserer Ankunft hat die Sonne sich durchgesetzt. Mit einem Boot setzen wir über den Ohakuri See und folgen den Richtungspfeilen über die wieder perfekt angelegten Wege.
Die täglich aus Erdspalten strömenden 20 Millionen Liter heißes Wasser haben Seen, Schlammlöcher, Geysire und Sinterterrassen in fantastischen Farben und Formen geschaffen. In der Nähe wird es richtig warm. Holzstege führen bergauf und bergab und weiten sich zu Aussichtsplattformen. Der Rückweg führt durch einen herrlichen Wald.
Wir fahren weiter in Richtung Norden und abends stehen wir mit unserem Camper so dicht am Rotorua See, dass wir Enten und Schwäne streicheln könnten, ohne das Auto zu verlassen.
Ein Country Music Museum und der Tasman Nationalpark (Neuseeland)
Von Seddonville geht es am Morgen zurück auf die Bundesstraße 67, die sich hier durch die Berge windet, um dann in Little Wanganui wieder auf die Küste zu treffen. Am Strand liegen Unmengen von Treibholz, oft liegt das Holz direkt am linken Straßenrand. An manchen Stellen türmt es sich sogar auf der rechten Seite. Zeitweilig muss der Seegang so stark sein, dass die Straße komplett überschwemmt und unpassierbar ist.
Karamea ist mit ein paar hundert Einwohnern die letzte „größere“ Stadt an der Westküste. Die letzten Kilometer nach Kohaihai geht es über eine Staubstraße, und dann ist die Welt hier für Autofahrer zu Ende. Ein naturbelassener Campingplatz liegt zwischen Meer und Mündung des Kohaihai-Flusses. Von hier aus gibt es mehrere Wanderwege in die Berge u.a. den 80 km langen Heaphy Track zur Golden Bay im Norden. Der Bus einer Mädchenschule aus Nelson steht hier. Ich muss sofort an meine Nichte Lea denken, die 10 Monate im Schüleraustausch an dieser Schule verbracht hat. Wahrscheinlich haben die Kinder Wanderwoche; sie sind jedenfalls nirgends zu sehen. Nach einem kleinen Spaziergang kehren wir um.
Es geht dieselbe Strecke zurück. Schon auf dem Hinweg war uns in Hector der Hinweis auf ein Country Music Museum aufgefallen, das wollen wir uns heute anschauen.
Barry Skinner, der Gründer und Besitzer ist begeistert, denn Besucher aus Deutschland hat er nicht oft. Erstaunlich was er in mehr als drei Jahrzehnten an Bildern, Autogrammen, Platten und Instrumenten zusammengetragen hat. Zwölf Jahre hatte er eine Radio-Sendung und natürlich ist Barry auch Musiker. Seine Hände sind durch eine Krankheit geschwollen, die Finger krumm, aber Western (Steel) Gitarre kann er noch spielen. Drei Räume hat er in seinem Haus für alle Trophäen freigemacht. Er und seine Frau Jude brauchen nicht mehr viel Platz für sich. Nur ungern lässt er uns nach eineinhalb Stunden weiterfahren.
Von Westport aus fahren wir in das Tal des Buller-Flusses. Immer wieder überqueren wir einspurige Brücken oder passieren Engstellen. In der Dämmerung erreichen wir Murchison. Es ist mal wieder Zeit für große Wäsche. Wir haben uns einen schlechten Tag ausgesucht, am Abend fällt mehrmals der Strom aus, es wird kalt im Camper, die Gasheizung allein schafft es nicht bei 5 grad Außentemperatur, dass der Innenraum gemütlich warm wird. Aber der Ausfall war relativ kurz, uns wird es wieder warm und der Wäschetrockner läuft auch wieder.
Am nächsten Tag kommen wir mittags in Nelson an. Wieder ein Termin in einer Werkstatt. Unser Kühlschrank ist von der Übernahme an ein Gefrierschrank, alles was man hineinpackt kommt steinhart wieder raus. Der Techniker wundert sich: „Da haben Sie aber Glück, normalerweise funktionieren die Kühlschränke nie!“ Es ist alles relativ, ich stelle mir unter Glück jedenfalls was anderes vor, als bei der Kälte am Schinken zu lutschen. Helfen kann man uns hier auch nicht.
Unser letztes Wochenende auf der Südinsel wollen wir im Abel Tasman Nationalpark verbringen. Von Nelson aus führt die Straße an der Tasman-Bucht entlang durch Mapua und Motueka in die Berge. Das erste Stück dieser am Freitag Nachmittag stark befahrenen Straße ist nur einspurig. Im zwölf Minuten Rhythmus wechselt die Ampel von Rot auf Grün. LKWs mit Anhänger quälen sich die Steigungen hinauf, die Straße ist – vermutlich durch starke Regenfälle – erheblich beschädigt. Durch Unterspülung sind große Stücke der linken Spur weggebrochen. Nachdem die Engstelle passiert ist, wird es nicht wirklich besser, die Straße ist eng mit vielen Serpentinen und zumindest die ersten 300 Höhenmeter haben keine Begrenzung zu den Abhängen. Dann sind ab und zu ein paar Bretter in Kniehöhe an Pfosten genagelt, bevor es richtige Leitplanken gibt. Meine Lieblingsstelle ist eine 360 Grad Kurve, bei der nach Dreiviertel der Rundung die Leitplanke eingespart wurde. Wenn ein Auto hier geradeaus fährt oder bei Glätte rutscht, geht es 200 Meter tief. Allerdings gibt es eine wirklich gute Sache: Vor jeder Kurve steht ein Schild mit der empfohlenen Geschwindigkeit. Das geht von 85 kmh bis zu 15 kmh, je nachdem, wie eng die Biegung ist. Nachdem wir in 600 Meter Höhe den Pass erreicht haben, geht es auf der anderen Seite genauso kurvig bergab.
Im Tahara Tal liegen die Pupu Springs, eine Quelle die 14.000 Liter Wasser pro Sekunde ausstößt. Ein Wanderweg führt bergab durch ein uriges Waldgebiet auf eine Plattform. Von hier aus hat man einen ungestörten Blick auf den Quelltopf mit kristallklarem Wasser. Es ist ein heiliger Ort für die Maori und die Besucher werden aufgefordert, das Wasser nicht zu berühren.
Wir fahren zum Übernachten nach Pohara am Rande der Golden Bay. Der Besitzer unseres Caravan-Parks gibt uns gute Tipps für Ausflüge am nächsten Tag. Gleich nach dem Frühstück fahren wir zum Grove-Park.
Ein wunderbares Fleckchen Erde mit Baumfarnen und seltenen Palmen, so urwüchsig, dass man sich nicht wundern würde, käme plötzlich ein Dinosaurier um die Ecke.
Der nächste Halt ist bei den Labyrinth Rocks, einem natürlichen Irrgarten, den offenbar Kinder ganz besonders lieben. Überall in kleinen Felsennischen sind Spielzeuge versteckt, Pferde, Löwen, Puppen, alles in Miniaturgröße. Ob sie für Schnitzeljagden hingestellt wurden, oder den Kindern und Erwachsenen als Orientierungshilfe dienen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls werden die Besucher mit einem Hinweisschild am Eingang gebeten, nichts mitzunehmen.
Das nächste Mal fahren wir in Milnthorpe von der Straße ab. Der Küstenwanderweg soll besonders schön sein. Er ist es wirklich, nicht einfach nur gerade am Strand entlang. Die Bucht zwischen bewaldeten Hügeln ist groß und weit und zur Zeit ist Ebbe. Man kann kilometerweit laufen und hat ständig neue Ausblicke. Wir begegnen einigen Menschen, die diesen wunderschönen Tag hier genießen.
Nach einem kurzen Halt in Collingwood fahren wir über eine Straße mit 13 einspurigen Brücken nach Puponga. Auf dem Parkplatz stehen schon an die zwanzig Fahrzeuge. Hier bläst ein heftiger Wind; wir sind am nördlichsten Punkt der Südinsel angelangt. Der Weg geht über Viehweiden, mehrmals müssen wir die Zäune auf Treppen überqueren. Neben dem schmalen Pfad geht es steil bergab. Kühe und Schafe stehen hier so sicher, als hätten sie verschieden lange Beine, die der Neigung des Hanges perfekt angepasst sind.
Nachdem wir ein Wäldchen durchlaufen haben, beginnt der Strand. Breit und lang mit markanten Felsen hier am Cape Farewell, einfach wunderschön. Durch die beginnende Flut können wir nicht mehr zum Pillar Point laufen, wo das beliebteste Fotomotiv der Golden Bay zu finden ist. In einer großen Runde durchlaufen wir die Dünen und kehren zu unserem Auto zurück.
Wir fahren nochmal denselben Weg zurück, um in Pohara zu übernachten. Abends gehen wir ins nahe gelegene Lokal „Blauer Pinguin“. Die Gäste sitzen in Wintermänteln und Daunenjacken hier an den Tischen – das Lokal ist nicht geheizt. Nur ein großer Kamin in der Mitte spendet ein wenig Wärme. Der am nächsten gelegene Tisch ist belegt, eine Radlergruppe hat sich hier niedergelassen, sammelt aber nach 5 Minuten die Sachen zusammen, bereit zum Aufbruch. Schnell sichern wir uns den Tisch und kommen dabei noch mit zwei Mitgliedern der Gruppe ins Gespräch. Sie wollen jetzt, um 19 Uhr noch über die steile, kurvige Passstraße bis nach Nelson fahren. Alle vier haben Lampen an ihren Helmen und die Trinkflaschen sind aufgefüllt. Wir wünschen ihnen eine gute und sichere Fahrt, dann sind sie aus der Tür. Während wir essen und auch später im Camper muss ich immer wieder an die Frau und die drei Männer denken.
Währenddessen steigt die Spannung im Lokal, es wird ein Footballspiel zwischen Neuseeland und Frankreich übertragen. Zwei große Fernseher bieten von nahezu jedem Platz die Möglichkeit, dem Spiel zu folgen. Ich kenne weder die Regeln, noch interessiert es mich, aber Stöhnen, Seufzen oder Jubeln informieren stetig über den rauen Spielverlauf.
Wehmütig verlassen wir am nächsten Morgen diese Ecke und kehren am regnerischen Sonntag nach Nelson zurück, immer wieder begleitet von großartigen Regenbögen. In Nelson scheint die Sonne. Am Sonntag haben viele Geschäfte geöffnet und so flanieren die Menschen durch die Geschäftsstraßen, sitzen in Cafés oder kommen mit vollen Tüten aus Boutiquen und Supermärkten. Eine schöne Stadt mit perfekter Lage.
Wir wollen jedoch am nächsten Tag mit der Fähre auf die Nordinsel übersetzen und fahren lieber weiter. Statt über die Bundesstraße 6 nehmen wir ab Havelock den Weg durch die Berge nach Picton.
In Bezug auf Kurven übertrifft sie die Straße in die Golden Bay noch. Doch immer wieder bringt uns die Landschaft in Neuseeland zum Staunen.
In Picton fahren wir gleich zum Hafen, um unser Ticket für die Überfahrt am nächsten Tag zu lösen. Wir bekommen einen Spezialpreis für Rentner und noch einen Winterrabatt. Am Abend haben wir Besuch in unserem Camper. Eine schwarze Katze kommt ganz selbstverständlich herein und liegt schlafend neben mir auf der Bank, bis wir das Bett machen.
Um 13 Uhr müssen wir am Hafen sein, Zeit genug für einen Bummel durch Picton. Bestimmt ist im Sommer hier mehr los, doch in dieser Jahreszeit stehen viele Geschäfte leer und überhaupt wirkt die Stadt ziemlich verschlafen.
Wir fahren eine halbe Stunde zu früh an die Fähre, sind aber beileibe nicht die ersten. Hier ist alles perfekt organisiert. An einer Schranke geben wir unser Ticket ab und bekommen einen Boardingpass sowie ein grünes Schild, auf dem eine Gasflasche abgebildet ist. Wenn der Verschluss der Flasche geschlossen ist, sollen wir es an den Rückspiegel hängen. Wir bekommen eine Fahrspur genannt und stellen uns an. Nochmal fragt ein Mitarbeiter alle Fahrer eines Wohnmobils, ob die Gasflaschen auch wirklich zu sind, dann werden die Fahrzeuge in den Bauch der Fähre dirigiert. Es geht ohne Drängelei und sehr gelassen zu.
Während der dreieinhalb Stunden, die die Überfahrt nach Wellington dauert, stehen den Passagieren verschiedene Aufenthaltsräume zur Verfügung. Es gibt Räume für Eltern mit Kindern, Speiseräume, Aussichtsräume, sogar Kabinen und das offene Deck. Von dort aus verfolgen wir das Ablegen der Fähre von der herrlichen Südinsel.
Queenstown, Gletscher und die Great Ocean Road (Neuseeland)
Nach dem Frühstück schauen wir uns noch ein wenig in der kleinen Stadt Te Anau um. Im Sommer ist hier ein Paradies für Wassersportler, Angler und Wanderer. Um diese Jahreszeit haben die Bewohner die Stadt fast für sich.
Wir haben ein paar technische Probleme mit unserem Camper und einen Termin in einer Werkstatt in Queenstown vereinbart. Die Fahrt geht zurück nach Lumsden und dann nordwärts am Ufer des Lake Wakatipu entlang durch Franklin bis nach Queenstown. Zuerst fahren wir in die Werkstatt, wo uns zumindest in einer Sache geholfen wird. Dann suchen wir uns einen Platz zum Übernachten. Die Stadt liegt eingebettet zwischen Bergen am Ufer des Sees. Vor allem junge Leute lieben diese Stadt, die den Beinamen Abenteuerhauptstadt der Welt trägt. Hier wurde Bungee-Jumping entwickelt und ist bis heute eine Hauptattraktion der Stadt. Von einem der Berggipfel kann man mit dem Gleitschirm fliegen. Und natürlich ist in den Bergen in dieser Jahreszeit Wintersport möglich. In der Stadt reiht sich Geschäft an Geschäft. Andenken und Sportmode wechseln sich dabei ab. Natürlich gibt es auch Lokale jeglicher Art, in einigen sitzen die Gäste sogar noch draußen. Soviel Touristen haben wir bisher in keiner anderen Stadt gesehen. Auch der Caravan-Park ist in unseren Augen ungewöhnlich voll.
Als wir am Seeufer entlang laufen, wird ein merkwürdiges Gebilde aus dem Wasser gezogen; ein zwei bis drei Meter langer Haifisch aus Kunststoff mit einer Glaskuppel anstelle der Rückenflosse. Zwei junge Männer erzählen uns, dass es so etwas nur hier gibt. Ein Passagier setzt sich in den Fischbauch und saust dann über und unter der Wasseroberfläche durch den See. Irgendwann schießt der grinsende Hai dann 1,50 Meter hoch in die Luft und knallt wieder aufs Wasser.
Weiter am See entlang kommen wir zu einer Gedenktafel. Francis St. Ormer aus Marseilles hat es im 19. Jahrhundert zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Er hatte die Idee und als Ratsherr auch die Möglichkeit, das bis dahin unbegrünte Seeufer mit Bäumen zu verschönern und begann zu pflanzen. Nach seinem Tod führten andere seine Mission fort. Queenstown verdankt ihm einen herrlichen Park, der Einheimische und Besucher erfreut.
Queenstown liegt wunderschön, aber die meisten Highlights dieser Stadt sprechen uns nicht besonders an. Für uns reicht ein Tag hier und so fahren wir am Samstagmorgen nach Wanaka. Wir meiden die kurze Strecke durch die Berge, zu viele Menschen sind hier bereits mit Skiern oder Snowboards unterwegs. Wir fahren zuerst nach Cromwell. Geheimnisvoll wabert der Nebel durch das Tal. Verschwommen tauchen links und rechts der Straße Weingärten auf. Die Weingüter haben so prosaische Namen wie: Nasse Jacke oder Verrückter Hund. Als wir Wanaka am gleichnamigen See erreichen, ist die Sonne endgültig herausgekommen. Auch diese Stadt ist offenbar ein beliebter Ausflugsort für Wochenenden. Besonders Familien mit Kindern zieht es wegen eines Vergnügungsparks hier her.
Wir halten an einem Parkplatz, von wo aus man zu den Blue Pools laufen kann. Der Weg ist einfach fantastisch, wir kommen uns vor wie in der Filmkulisse vom „Herrn der Ringe“, alle Bäume mit dickem Moos bewachsen, große Baumfarne und ein angelegter Weg, bei dem die Holzplanken noch zusätzlich mit Kaninchendraht belegt sind, damit man bei Nässe nicht rutscht. Unser kleiner Freund, der Fantail ist auch wieder da und begleitet uns über die Hängebrücken bis zum klaren, heute blaugrünen Wasser.
Heute fahren wir noch weiter bis nach Haast, einer Stadt einige Kilometer von der Westküste entfernt. In dieser Nacht, gießt es wie aus Kübeln.
Am Morgen sieht der Himmel aus, als wüsste er nicht, wie Regen geht. Nach ein paar Kilometern sind wir an der Küste und halten am Ship Creek. Von hier aus kann man zwei Rundtouren laufen, die eine geht durch den Regenwald, die andere an der Küste entlang. Wir entschließen uns für den Regenwald und sind schnell gefangen genommen von dem herrlichen Weg. Auch hier wurden Stege angelegt, damit man durch das sumpfige Gebiet laufen kann, ohne die Pflanzen zu zerstören oder stecken zu bleiben. Der Weg schlängelt sich unter dichten Bäumen hindurch. Er gefällt uns so gut, dass wir anschließend auch noch den Küstenweg laufen.
Unser nächstes Ziel ist das Gletschergebiet und wir erreichen am Nachmittag den Ort Fox, wo wir direkt den Weg zum Gletscher nehmen. Die Zufahrtsstraße ist eng und immer wieder gibt es einspurige Stellen, die mit 10 kmh befahren werden müssen. Dabei hat der abfließende Verkehr immer Vorfahrt. Der große Parkplatz ist jetzt um 16 Uhr schon ziemlich leer. Für den steinigen Weg zum Gletscher und zurück braucht man heute eine Stunde und zwanzig Minuten verkündet die Informationstafel. Das müsste noch zu schaffen sein, die Sonne geht kurz nach 17 Uhr unter, dann ist es noch hell genug für den Rest des Rückweges. Es geht stetig bergauf, am Rand des Fox-River entlang. Ein paar Rinnsale müssen wir überqueren, mal über Brücken, mal über Steine. Und dann haben wir es geschafft, der Aussichtsbalkon ist zwar immer noch 450 Meter vom Gletscher entfernt, aber näher kommt man ihm nur in Begleitung von ausgebildeten Bergführern. Damit niemand auf die Idee kommt, doch über die Absperrung zu klettern, hängen zur Abschreckung Zeitungsartikel auf der Infotafel, die von tragischen Todesfällen berichten. Als wir bereits die Hälfte des Rückwegs geschafft haben, kommen uns noch etliche Wanderer entgegen, die auch um diese Zeit den Weg noch wagen wollen.
Nach der Übernachtung in Fox wollen wir am nächsten Morgen auch noch zum Franz Josef Gletscher. Der Weg zum dorthin ist 4 Kilometer lang und führt durch Regenwald. Näher als bis auf 750 Meter kommt man aber nicht heran. An diesem strahlenden Tag stört nur das Dröhnen der Hubschrauber, die Touristen über das Gletschergebiet fliegen. Wir sind uns einig, dass sich Gletscher doch unheimlich ähnlich sehen und verzichten auf den Weg. In einem knappen Kilometer Entfernung gibt es einen Aussichtspunkt, von dort schauen wir uns Franz Josef an. Eigentlich sieht er aus wie Fox. Noch ein Abstecher zum Peters Pool, einem kleinen spiegelglatten See, in dem sich das Panorama spiegelt. Als wir zum Parkplatz zurückkommen, tollen dort drei Keas herum.
Wir übernachten in Greymouth und stocken unsere Vorräte auf, bevor wir weiterfahren. Die Küstenstraße wird zu den zehn schönsten der Welt gerechnet. Viele Male fahren wir auf Parkplätze, um Zeit zum fotografieren und anschauen zu haben.
Ungefähr auf der Hälfte der Strecke nach Westport liegt Punakaiki mit seinen Pancake Rocks (Pfannkuchenfelsen) und den Blowholes (Blaslöchern). Ein Rundweg führt durch große Stauden von Neuseeland-Flachs zu verschiedenen Aussichtsstellen. Der Kalkstein ist so verwittert, dass es aussieht, als liegt Schicht für Schicht übereinander – wie Pfannkuchen eben. Wenn hohe Wellen in die ausgewaschenen Felsen strömen, bläst das Wasser Fontänen hoch wie ein Wal. Von unserem Aussichtsbalkon sehen wir, wie manche Welle Gischt in Regenbogenfarben hinter sich herzieht.
Der Caravan-Park in Westport wirkt etwas herunter gekommen. Gammelige Wohnwagen, die wahrscheinlich auseinanderfallen, wenn man sie von der Stelle bewegt und Wohnmobile, die seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut werden haben hier Wurzeln geschlagen. Als Neuankömmling fühlt man sich etwas fehl am Platze. Aber für eine Nacht ist das kein Problem.
Jetzt, wo die Nächte kälter sind, ist es interessant zu sehen, wie die campingerfahrenen Frauen morgens in die Waschräume kommen. Sie tragen 2 Zentimeter dicke flauschige Schlafanzüge und darüber ebensolche Bademäntel mit Kapuze. Von einem Bären sind sie nur durch Farbe und Muster zu unterscheiden, beliebt sind Leopardenmuster in rosa oder flieder. Es gibt auch die passenden Hausschuhe.
Die Straße, die von Westport beinahe 100 Kilometer nach Norden führt, endet bei Kohaihai am Heaphy Track. Von hier aus geht es nur zu Fuß weiter. Man muss also die ganze Strecke wieder zurückfahren, um weiter nach Norden oder Osten zu kommen. Trotzdem entschließen wir uns, diese Gegend zu besuchen. Wir haben ein bisschen darüber gelesen und wollen uns die Sehenswürdigkeiten nicht entgehen lassen.
Die Häuser links und rechts der Straße werden kleiner und wirken ärmlich. Bei Weimangaroa führt eine Straße sieben Kilometer weit in die Berge auf 600 Meter Höhe nach Denniston. Hier begann man 1880 sehr hochwertige Kohle abzubauen. Über eine Schrägseilbahn wurde die Kohle ins Tal transportiert, von wo aus sie per Eisenbahn weiterbefördert wurde. Der Bau dieser Seilbahn muss den Menschen alles abverlangt haben, dieses unwegsame Gelände, der Höhenunterschied, man kann nur staunen.
Beinahe 90 Jahre lang lebten hier auf dem Plateau bis zu 1400 Menschen. Es gab eine Schule und Häuser für die Arbeiter und ihre Familien. Das Haus des Direktors hatte viele Schlafzimmer und schon ein Badezimmer, um die von Zeit zu Zeit kommenden Besitzer der Mine zu beherbergen. Heute sieht man nur noch die Grundmauern. Nur die Verladestation ist noch gut erhalten.
Ein paar Kilometer weiter beginnt in Ngakawau der Charming Crek Walkway. Er soll zu den schönsten Wanderwegen der Südinsel gehören. Da er nicht als Rundweg angelegt ist, wollen wir nur ein paar Kilometer laufen.
Der Weg folgt einer alten Eisenbahnstrecke für den Kohle- und Holztransport am Rande eines Flusses. Wir laufen zunächst auf ebener Strecke, danach wird es kurvenreicher und der Weg beginnt zu steigen. Ein kleiner Tunnel ist zu durchlaufen, mal sind die Schienen unter Geröll verborgen, dann wieder sichtbar. Als wir am Wegesrand einen leeren Kinderwagen stehen sehen, wundern wir uns. Einen Kilometer weiter kennen wir die Zusammenhänge. Zwei junge Mütter kommen uns mit vier kleinen Kindern entgegen, die ältesten im Kindergartenalter, die jüngeren noch keine zwei Jahre alt. Wir sind schon etwas erstaunt, wie unbefangen die Frauen die Kleinen hier in diesem steilen Gelände laufen lassen. Ein paar Meter tiefer tost der Fluss, wie schnell kann ein Kind stolpern und den Abhang herunterrollen. Sie versichern uns, ihre Kinder lieben diesen Weg, besonders die Hängebrücke, die wir als nächstes überqueren. Wir wünschen ihnen noch eine sichere Rückkehr und laufen über die Brücke und durch einen weiteren Tunnel und bestaunen den Wasserfall, der nun vor uns liegt. Wir laufen noch bis zu einer Mühle und kehren dann um. Das schönste Stück des Weges haben wir jetzt sowieso geschafft. Als wir zum Parkplatz zurückkehren ist das Auto der Frauen nicht mehr dort.
Wir fahren nach Seddonville, hier endet der Wanderweg. Wir suchen uns einen Caravan-Park, um hier die Nacht zu verbringen. Das Haus mit Empfangsbüro, Aufenthalts- und Waschräumen war früher die Schule. Wir schlafen trotzdem gut.
Clay Cliffs, Pinguine, Dunedin und der Milford Sound (Neuseeland)
Am Morgen hat der Regen aufgehört. Es ist noch neblig, aber helle Stellen lassen auf die Sonne hoffen. In der Nähe sind die Clay Cliffs, eine rund 2 Millionen Jahre alte Felsformation, da wollen wir hin. Das Gebiet ist in Privatbesitz und bevor man durch das Tor fährt, liest man ein Schild mit der Aufforderung 5 $ Eintritt pro Auto in die daneben angebrachte Box zu werfen, andernfalls könnte man Ärger mit der Polizei bekommen. Die Box ist bis obenhin voll mit Geldscheinen. Wie man da feststellen kann, wer bezahlt hat und wer nicht, ist mir ein Rätsel. Wir werfen den Betrag fürsorglich in Münzen in die Box, damit sie die bis oben reichenden Scheine herunterdrücken. Zu leicht wären etliche aus dem Schlitz herauszufingern.
Die Straße ist unbefestigt, aber unser Camper hat ganz offensichtlich gute Stoßdämpfer und so ist die Strecke gut zu befahren.
Nach einigen Kilometern sehen wir dann bizarre Felsen mit farbigen Streifen, die unterschiedlichen Schichtungen aus Geröll und Ton erkennen lassen. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter. Es muss in den vergangenen Tagen ordentlich geregnet haben, die Wassermassen haben tiefe Gräben in das Erdreich gezogen, Erosion wie aus dem Lehrbuch. Es geht ständig bergauf, und je näher wir den Felsen kommen, umso mehr Geröll liegt auf dem Weg. Durch schmale Durchgänge klettern wir höher und höher, bis es irgendwann so steil wird, dass bei jedem Schritt die Steine unter unseren Füßen wegrollen. Langsam hat sich die Sonne durch den Nebel gekämpft und wir haben zwischen den Felsspalten schöne Ausblicke in die Landschaft. Wir sind schon wieder auf dem Rückweg, als uns mehrere Besucher entgegen kommen. Schön, dass wir das alles für uns allein hatten.
Von hier aus fahren wir eine Landstraße entlang und kommen nach einiger Zeit zu den Elephant-Rocks, verwitterten grauen Kalksteinfelsen die man bei Nebel durchaus für Elefanten halten könnte. Doch für uns lacht die Sonne und wir können – wieder gegen eine kleine Eintrittsgebühr – auf einer großen Wiese herumlaufen, aus der die Felsen mehrere Meter hoch herausragen. Die ganze Gegend ist von diesen merkwürdigen Steinen durchzogen. Ein paar Kilometer weiter besichtigen wir eine Ausgrabungsstelle, an der das Skelett eines Walfisches freigelegt wurde. Gut geschützt liegt es noch hier unter einer Plexiglashaube.
In vielen Kurven fahren wir durch das hügelige Land, links und rechts sind riesige Schafherden auf den Weiden zu sehen. Einige sind richtig neugierig, sie heben die Köpfe wenn wir angefahren kommen und schauen uns hinterher. Hier sind keine Lämmer zu sehen, vielleicht kommen die ja im hiesigen Frühjahr zur Welt.
Auf der Bundesstraße 1 geht es weiter Richtung Moeraki. Auf einem vorgeschobenen Kap mit Leuchtturm ist eins von mehreren Brutgebieten der seltenen Gelbaugen-Pinguine. Auf einer engen unbefestigten Straße fahren wir bis zum Parkplatz. Vor dort führt ein schmaler Fußweg bis zum Meer.
Es ist nach 16 Uhr und die Pinguine kehren nach und nach aus dem Meer zurück. Sie sind größer und schwerer als die Zwergpinguine und kommen meist einzeln an. Zielstrebig beginnen sie den steilen Aufstieg und begeben sich in ihr Revier, das sie als Paar bewohnen. Ist der Partner noch nicht zurück, stoßen sie laute Rufe aus und warten ungeduldig auf die Rückkehr. Manche laufen sogar den Weg wieder hinunter, um zu schauen ob ein neu angelandeter Pinguin der schmerzlich vermisste Partner ist. Die Begrüßung ist so liebevoll und herzlich, manch ein Mensch könnte neidisch werden.Ein Stück weiter liegen auf einem grasbewachsenen Vorsprung ein paar Pelzrobben herum. Als wir zurücklaufen hören wir noch immer einige Pinguine rufen.
Am nächsten Morgen fahren wir zu den Boulders, merkwürdigen runden Felsen, die am Strand liegen. Gerade ist Ebbe, so dass wir über den Strand laufen und diese überdimensionalen Kanonenkugeln aus der Nähe betrachten können. Bei den aufgebrochenen Kugeln ist die kristallisierte Innenseite gut zu sehen. Mit viel Fantasie könnte man glauben, Außerirdische hätten bei Nacht und Nebel einen Globus ihres Heimatplaneten hinterlassen.
In der Nähe liegt eine empfohlene Rundtour. Bei Trotters Gorge halten wir an und laufen einen Wanderweg bis zu einer Höhle. Der Weg führt durch dichte Vegetation und geht leicht bergauf. Als wir auf einem Schild lesen, dass der Weg ab hier bei Nässe gefährlich ist, kehren wir um. Der Mann, der uns in Tarnanzug und Gummistiefeln entgegen kommt meint allerdings, dass sei übertrieben. Zu spät, jetzt gehen wir auch nicht mehr zurück. Ein neugieriger kleiner Vogel folgt uns ein Stück, setzt sich vor uns auf den Weg, dreht und wendet sich, fliegt hin und her und auf und ab. Er ist groß wie eine Meise und hat einen auffälligen Schwanz aus schwarzen und weißen Federn, den er wie einen Fächer aufstellen kann; Fantail = Fächerschwanz ist sein Name und wir werden ihm bei jeder Wanderung begegnen.
Die schmale Straße führt zwischen Felsen hindurch, dazwischen steht der Stechginster in voller Blüte und lässt eher an Frühsommer als Frühwinter denken. Am Nachmittag erreichen wir Dunedin, die schottisch geprägte Stadt an der Südostküste. Wir brauchen wieder einige Lebensmittel und gehen in den Supermarkt. Einkaufen ist in Neuseeland wie auch in Australien ein Erlebnis. Einerseits das Warenangebot, aber was uns immer wieder begeistert, ist der Service. Neben der Kasse ist ein Drehkreuz mit Plastiktüten befestigt. Sorgfältig werden die vom Scanner erfassten Lebensmittel in die Tüten gepackt. Dabei achtet man auf die richtige Sortierung wie kalt zu kalt, Fisch separat usw. Wehe man legt selbst Hand an, das wird von den Damen und Herren an der Kasse nicht gern gesehen. Erst wenn alles sinnvoll und umsichtig verpackt ist, darf man die Tüten in den Einkaufswagen legen.
Zum Übernachten fahren wir über eine Brücke auf die Otago Halbinsel. Die Straße führt gute 10 Kilometer direkt am Meer entlang. Auch hier verzichtet man auf irgendwelche Begrenzungen. Wir fahren begeistert die kurvenreiche Strecke. Auch eine Buslinie gibt es hier, im 30 Minuten Takt verkehrt der Bus nach und von Dunedin. Die Wartehäuschen sind fantasievoll bemalt, jedes mit einem anderen Motiv.
Nach unserer Übernachtung in Portobello fahren wir weiter ans Kap. Pinguine gibt es auch hier, aber am Vormittag sind sie im Meer unterwegs.
Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Königs-Albatros, für den es hier ein geschütztes Gebiet gibt. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann ein hiesiger Lehrer sich über Jahrzehnte intensiv mit diesen Vögeln zu beschäftigen. Er hat damit so wertvolle Forschungsarbeit geleistet, dass das Wissen über diese Vögel bis heute darauf aufbaut. Als wir erfahren, dass es nicht sicher ist, ob wir überhaupt Albatrosse zu Gesicht bekommen, sparen wir uns die 40 $ Eintrittspreis pro Person und kehren zurück nach Dunedin.
Hier wurde 1861 die erste Universität Neuseelands gegründet. Vom Oktagon – dem Zentrum der 120.000 Einwohner zählenden Stadt – laufen wir zur St. Pauls Kathedrale, in der mir besonders ein Glasfenster gefallen hat, das einen starken Bezug zur hiesigen Gegend hat, weder Albatros, noch Pinguin oder Pelzrobbe fehlen in der Darstellung. Eine Statue des schottischen Dichters Robert Burns, Schöpfer des Liedes „Auld Lang Syne“ steht ganz in der Nähe. Wir laufen zum Bahnhof, der den Titel „meistfotografiertes Gebäude Neuseelands“ trägt und aus Basalt und Oamaru-Kalkstein im flämischen Renaissance-Stil vor über 100 Jahren errichtet wurde. Durch seine Größe und und die Kombination aus dunklen und hellen Steinen zieht er alle Blicke auf sich.
Wir wollen heute noch möglichst weit nach Westen und fahren über Milton, Clinton und Gore nach Lumsden. Der dortige Caravan-Park hat bereits für den Winter seinen Betrieb eingestellt, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als nach Sonnenuntergang noch weitere 70 Kilometer weiter zu fahren. Unser Camper ist „self contained“ (er verfügt über ein geschlossenes Abwassersystem) und hat damit die Zulassung für „Freedom-Camping“ – also Übernachten auf freien Park- oder Stellplätzen – aber uns ist das zu kalt, wir brauchen Strom. Der Himmel zeigt zuerst ein spektakuläres Rot, um sich dann in Nebel zu hüllen. Dadurch brauchen wir eineinhalb Stunden bis Te Anau am gleichnamigen See und sind froh, dass der Heizlüfter wohlige Wärme im Camper verbreitet. Als wir dann noch feststellen, dass hier sogar die Waschräume geheizt sind, haben wir die anstrengend Fahrt schnell vergessen.
Am Morgen fahren wir zum Milford Sound. Die Strecke führt am Ufer des Anau Lake entlang und dann ins Gebirge. Dass die Berge hier so steil sind und die Straße sich in engen Kurven bis auf 1000 Meter Höhe windet, kommt unerwartet.
Ebenso der Tunnel in dieser Höhe, der nur eine Fahrspur hat, die durch Ampelsteuerung mal in die eine, dann in die andere Richtung freigegeben wird. Wir haben Rot und müssen warten. Sofort sind ein paar Keas – die frechsten Vögel Neuseelands – da und hoffen auf Futter. Zwar stehen überall Hinweisschilder, dass Füttern verboten ist, aber danach richten sich längst nicht alle Menschen. Deshalb fordern die Papageienvögel recht aufdringlich das, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Wenn sie sich langweilen, vergreifen sie sich gern am Dichtungsgummi der Fensterscheiben von geparkten Autos oder öffnen geschickt unbewachte Rucksäcke. Wir schauen ihnen zu, bis die Ampel auf Grün springt und fahren dann durch einen Tunnel, der dem ADAC-Tunnel- Prüfteam die Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben würde, so eng, so dunkel ist die schmale Röhre.
Auf der anderen Seite geht es ebenso steil wieder bergab. Schneereste links und rechts der Straße zeigen, dass hier schon der Winter Einzug gehalten hat. Die Region gehört zu den regenreichsten der Welt, entsprechend ist die Vegetation.
Den Milford Sound – einen 14 Kilometer langen Fjord kann man nur vom Boot aus richtig sehen, die Berge links und rechts sind steil und dicht bewachsen, laufen ist hier unmöglich und so kaufen wir uns für die Nachmittagstour Tickets. Dick eingepackt in zwei Vlies- und eine Regenjacke und ausgestattet mit Mütze und Handschuhen gehen wir mit vielleicht 20 Passagieren an Bord. Der Kapitän erklärt Landschaft, Sehenwürdigkeiten – wie Wasserfälle und macht auf Tiere aufmerksam. Delfine tauchen am Ende des Fjords auf, Seebären spielen im Wasser und als Zugabe sehen wir noch zwei Königs-Albatrosse. Als wir ganz nah an einen starken Wasserfall fahren, werden uns dicke rote Regenjacken angeboten. Danach tut ein heißer Tee gut, den man sich selbst zubereiten kann. Um halb fünf legt das Boot wieder an und völlig durchfroren entschließen wir uns, die gut 75 Kilometer lange Strecke nach Te Anau zurückzufahren. Hier gibt es nur Stellplätze ohne Stromanschluss, aber ein warmer Camper ist zu verlockend. Wir durchfahren den Tunnel 30 Minuten bevor er für diesen Tag um 18 Uhr geschlossen wird. Kaum ein anderes Auto ist zu dieser Zeit in der Dunkelheit noch unterwegs. Ein Opossum überquert vor uns die Straße. Nur weil ich einen Schlenker fahre, entgeht es dem sicheren Tod. Glück gehabt, kleines Pelztier.
Von Christchurch nach Omarama (Neuseeland)
Nach dreieinhalb Stunden Flug, durch die Zeitverschiebung jedoch fünfeinhalb Stunden später, erreichen wir Christchurch. Schon im Flugzeug haben wir Formulare bekommen, in denen speziell nach mitgebrachten Pflanzenteilen oder Lebensmitteln gefragt wird. Ich habe schon überall „NEIN“ angekreuzt, dann fällt mir ein, dass ich noch Gewürze im Gepäck habe, und korrigiere das. Vielleicht hat auch die Durchsage, dass falsche Angaben mit Geldstrafen zwischen 400 und 10.000 $ geahndet werden, meinem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen.
Bei der Einreise wird dieser Zettel genauestens angeschaut. Der Zollbeamte, ein Mann mittleren Alters, will ganz genau wissen was wir dabei haben. Rosmarin, Thymian und Pfefferkörner lässt er durchgehen. Trotz der Versicherung, dass ich unsere Trekkingsandalen in der Maschine gewaschen habe muss Klaus den Koffer öffnen; er will die Schuhe sehen. Zufrieden mit dem Ergebnis ist er dann beim Einpacken und Verschließen des Koffers behilflich und wünscht uns einen schönen Aufenthalt in Neuseeland. Alles geht bestimmt aber sehr freundlich vonstatten. Um 2 Uhr nachts verlassen wir mit den letzten Passagieren die Einreisekontrolle.
Am Ausgang ist eine Tafel angebracht, auf der die Hotels in Christchurch aufgeführt sind. Hinter jedem Namen steht eine Nummer, bei unserem die 27. Die rufen wir mit dem daneben stehenden Telefon an und sind mit der Rezeption unseres gebuchten Hotels verbunden. „Wir schicken Ihnen sofort einen Wagen,“ lautet die Antwort und kurze Zeit später sind wir dann im Hotel. Weil wir so spät kommen, dürfen wir das Zimmer morgens eine Stunde länger bewohnen.
Um 12 Uhr werden wir mit dem Auto von der Vermietstation im Hotel abgeholt. Dann dauert es noch eine ganze Weile, bis wir unser neues rollendes Heim bekommen; die Computer sind ausgefallen und die Mitarbeiter müssen alle schon gespeicherten Angaben nochmal per Hand aufnehmen. Schließlich ist auch das geschafft und wir können vom Hof fahren. Dieses Mal haben wir uns für ein größeres Fahrzeug (mit Toilette) entschieden, 7 Meter lang, 2 Meter breit und 3 Meter hoch ist das Vehikel. Heute geht es nur ein paar Kilometer weit, bis zu einem in der Stadt liegenden Campingplatz. Drei Tage bleiben wir in Christchurch, um uns einzurichten, Lebensmittel einzukaufen und die Stadt zu erkunden. Im nahe gelegenen Einkaufszentrum sind am Nachmittag viele Schüler unterwegs. An unterschiedlichen Uniformen kann man erkennen, zu welcher Schule sie gehören. Schottenkaros in klassischen Farben und Mustern gehören zu jeder Kombination.
Im Kaufhaus entdecke ich später eine ganze Abteilung mit Kleidung für Kindergarten- und Schulkinder, getrennt nach den einzelnen Schulen. Die passenden Schuhe stehen gleich im nächsten Regal. Ich glaube, dass diese Regelung für Eltern und Kinder viele Vorteile bringt. Niemand wird gehänselt, weil er die „falsche“ Jeans oder Schuhe einer Marke trägt, die nicht „in“ ist.
Nach den verheerenden Erdbeben 2010 und 2011, bei denen 185 Menschen ihr Leben verloren und 70% der Gebäude zerstört wurden ist der Wiederaufbau in Christchurch schon weit fortgeschritten. Viele supermoderne Gebäude sind entstanden.
Einige alte Fassaden stehen noch, von der Rückseite durch Container gestützt. Überhaupt ist aus dem seinerzeit schnell geschaffenen Provisorium aus Containern durch die begeisterte Zustimmung der Menschen eine dauerhafte Einrichtung geworden.
Cafés, Bars und Shops haben ihr dauerhaftes Zuhause in bunten Containern gefunden.
Der am Ufer des Avon stehende Bogen der Erinnerung – zum Gedenken an die Gefallenen der verschiedenen Kriege – war beim Erdbeben ebenfalls eingestürzt. 2016 wiedereröffnet hat er nun eine weitere Bedeutung bekommen. Wer Christchurch früher gesehen hat, wird es kaum wiedererkennen.
Eine restaurierte Straßenbahn fährt Touristen auf einer 2,5 Kilometer langen Schleife durch die Innenstadt. Den Weg kann man auch ganz bequem laufen.
Auf dem Platz vor der „Christchurch Cathedral“, die noch immer ohne ihren Turm dasteht, ist eine Schulklasse damit beschäftigt, Informationen zu sammeln. Die Kinder lesen aufmerksam die Texte auf den Informationstafeln, fotografieren oder machen sich Notizen. Ob die Kathedrale an dieser Stelle wieder aufgebaut wird, ist bis heute noch unklar, die noch stehenden Reste sollen jedenfalls abgerissen werden.
Busfahren ist in Christchurch eine beinahe neue Erfahrung. Der Busbahnhof ist eins der neuen großartigen Bauwerke. Rund zwanzig Halteboxen können an dem in Bumerang-Form gestalteten Gebäude angefahren werden. Glastüren öffnen sich automatisch beim Ein- und Aussteigen und die Passagiere stehen nicht im Freien, sondern haben eine geschlossene große helle Wartehalle mit Sitzbereichen, wo sie ihre Handys laden können. In kleinen Läden kann man Essen und Getränke kaufen oder gleich dort verzehren. Und wenn der Bus kommt, stellen sich alle in einer Reihe hintereinander an, niemand drängelt. Wunderbar, man kann aussteigen, ohne sich den Weg freikämpfen zu müssen.
In der Nacht trommelt der Regen auf das Dach unseres Campers und wir befürchten, dass wir auf unsere Fahrt auf die Banks-Halbinsel verzichten müssen. Doch als wir um 10 Uhr den Caravan-Park verlassen, kämpft sich die Sonne langsam durch die Wolken und je weiter wir nach Osten fahren, umso schöner wird es.
Wir staunen über die vielen mehrere Meter hohen und bis zu zwei Meter breiten Hecken, die Weiden und Gebäuden als Windschutz dienen. Bei einer kann man sehen wie hoch die Leiter ist, die der Farmer beim beschneiden eingesetzt hat. Bis vier Meter Höhe ist die Hecke akkurat gestutzt, darüber sprießen die Koniferen in alle Richtungen.
Wir kommen am Forsyth-See vorbei, der die Heimat einer Kolonie Trauerschwäne ist. Langsam wird die Straße schmaler, die Kurven enger und wir stellen fest: „Freie Fahrt für freie Bürger“ wird hier anders interpretiert. Die Geschwindigkeit ist begrenzt, dafür der Straßenrand nicht. Obwohl es links steil bergab geht, hat man auf Leitplanken oder andere Schutzmaßnahmen verzichtet. Nur die üblichen Begrenzungspfähle stehen im Abstand von 25 Metern neben der Straße.
Die Aussicht ist auf jeden Fall spektakulär, eingebettet zwischen alten Bergen vulkanischen Ursprungs liegt eine große Bucht. Die Stadt Akaroa am östlichen Ufer ist unser Ziel. 1838 ließ sich der französische Kapitän eines Walfangschiffes hier ein Stück Land reservieren. 1840 trafen die ersten Siedler aus Frankreich ein und gründeten die Stadt Akaroa.
Noch heute sind viele französische Namen zu finden, aber die Sprache der Einwohner ist inzwischen durchweg englisch.
Von unserem über der Bucht gelegenen Campingplatz mit toller Aussicht führt ein steiler Fußweg in den Ort. Wir kommen am Bowling-Platz vorbei. Ein paar Männer spielen und wir schauen ihnen eine Weile zu. Es erinnert eher an Boule, als an das uns bekannte Spiel mit Kegeln und Kugel. Es gibt eine kleine weiße Holzkugel, die auf dem Kunstrasen ans andere Ende geworfen wird. Die beiden aus drei Personen bestehenden Mannschaften versuchen, ihre eigenen verzierten sechs Holzkugeln die etwa die Größe von Pampelmusen haben so nahe wie möglich an die Zielkugel zu bringen. Sie darf allerdings nicht getroffen werden.Eine der Sehenswürdigkeiten, die St. Patrick Pfarrkirche ist zur Zeit in weiße Folie eingewickelt, wahrscheinlich hat auch sie bei dem Erdbeben Schäden davon getragen, schließlich lag das Epizentrum seinerzeit unter der Halbinsel. Viele hübsche Lokale mit kleinen Gärten liegen link und rechts der Hauptstraße. Die Hänge hinauf stehen Häuser mit unverbaubarem Blick auf die Bucht. In der Saison verzehnfacht sich die Einwohnerzahl auf 7.000. Gute 70 Kilometer von Christchurch entfernt haben sich vermögende Stadtbewohner hier Wochenendhäuser gebaut. Der Blick in den Sternenhimmel in der Nacht ist unglaublich schön.
Noch eine Rundfahrt am nächsten Morgen, dann fahren wir den größten Teil der Strecke zurück und halten uns Richtung Süden. Die Entfernungen sind – im Gegensatz zu Australien – wieder überschaubar. Auf der Bundesstraße herrscht moderater Verkehr und so erreichen wir am Nachmittag die Stadt Oamaru. Wir haben gelesen, dass hier eine Kolonie Zwergpinguine leben soll und die möchten wir gern sehen. Von unserem Caravanplatz direkt am Meer machen uns gleich auf den Weg zum Pinguin-Center.
Auf halber Strecke sehen wir auf einem alten Pier eine große Anzahl Vögel sitzen. Es müssen einige hundert sein, die meisten sind Shags aus der Familie der Kormorane, die bereits ihr Nachtquartier aufgesucht haben.
Im Pinguin Center werden wir zu einer Terrasse geleitet und hören einen Vortrag zur Lebensweise der Tiere und zur Arbeit der Mitarbeiter in der Aufzuchtstation. Die Tiere werden hier nicht gefüttert, ihnen wird nur ein geschützter Bereich zum Schlafen und Brüten geboten. Unbeeindruckt liegt währenddessen eine Pelzrobbe dicht hinter dem Geländer und riecht wie ein Fass verdorbener Fisch.
Die Zwergpinguine oder blauen Pinguine leben an vielen Küstenabschnitten in Neuseeland. Aber nur in Oamaru kehren sie abends in Gruppen von ihrem täglichen Fischfang zurück. Wenn es bereits dunkel ist, sammeln sie sich im Uferbereich. Es kommt uns vor wie ein Zauberkunststück, gerade war der Strand noch leer, und nach der nächsten Welle stehen dort 15 bis 20 dieser niedlichen Tiere. Gemeinsam klettern sie die Felsen hoch, verharren kurz und watscheln dann zu einem Eingang. Mehrmals wiederholt sich das Schauspiel mit einer unterschiedlichen Anzahl von Tieren. Einer nimmt einen anderen Weg, er klettert an der Seite hoch, läuft an der Robbe vorbei und hüpft durch den Zaun. Zwei Meter vor der Terrasse mit den Besuchern bleibt er stehen, seine 20 bis 25 cm zur vollen Größe aufgerichtet und schaut sich an, was da für komische Wesen auf den Stufen hocken. Danach läuft er weiter zu seinem Schlafplatz. Nach eineinhalb Stunden sind 80 Tiere zurückgekommen. Während ihrer Jagd nach Beute legen sie bis zu 100 Kilometer zurück und können 60 Meter tief tauchen. Sie sind total erschöpft und brauchen die Nacht zur Erholung. Die finden sie in einem abgetrennten Bereich, den die Besucher nicht betreten können. Etliche Bruthöhlen – sie erinnern stark an die Häuser der Hobbits – sind ins Erdreich eingegraben und werden von vielen Tieren gern angenommen, einige legen ihre Eier jedoch an anderer Stelle und brüten dann auch dort. Kurz bevor die Sonne aufgeht laufen sie den Weg zurück ins Meer. Fotografieren ist hier leider strengstens verboten.
Während wir frühstücken fällt mir gegenüber unter einem Baum eine Bewegung auf. Beim Näherkommen sehe ich, dass eine Pelzrobbe sich hier häuslich niedergelassen hat. Unbemerkt von den vielen Spaziergängern liegt sie hier. Nur die Hunde, die morgens ausgeführt werden, bellen sie an, aber auch das verstehen ihre Herrchen und Frauchen nicht und ziehen sie an der Leine weiter, ohne den merkwürdigen Besucher zu bemerken.
Die Stadt Oamara wurde 1859 gegründet und hat einige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Der dort vorkommende Kalkstein ist gut zu bearbeiten und wurde bei vielen älteren Gebäuden verbaut. Seit der Hafen geschlossen ist, hat die Stadt ihre einstige wirtschaftliche Bedeutung verloren. Doch setzt man geschickt auf Tourismus, indem eine alte Bahnstrecke wieder in Betrieb genommen und ein markierter Rundweg durch die Stadt angelegt wurde.
Er führt durch das Hafengebiet, wo in ehemaligen Lagerhallen viele nette Cafés, Geschäfte und Restaurants entstanden sind. Das hervorragend ausgestattete Besucherzentrum hat auch am Sonntag geöffnet und die Dame gibt uns wertvolle Tipps und eine Menge an Material mit. Der Rundgang führt weiter an den alten Häusern aus Limestone (Kalkstein) vorbei durch einen wunderbaren Park.
Nach dem Überqueren der Eisenbahnschienen kommen wir zum alten Friedhof, der sich wellenförmig über zwei Hügel den Hang hochzieht. Mindestens vier Generationen sind hier bestattet worden, und wir verbringen einige Zeit damit, die Inschriften der Grabsteine zu lesen.
Ganze Romane erzählen sie; einer Familie sind zum Beispiel innerhalb eines Jahres zwei Kinder gestorben, die Mutter überlebte sie auch nur um ein Jahr.
Durch ein schönes Wohngebiet, in dem kein Haus dem anderen gleicht, geht es weiter den Hügel hoch.
Doch auch was in den Vorgärten der Häuser wächst, ist faszinierend. Hier ist Spätherbst und Narzissen, Rhododendron und Azaleen beginnen zu blühen. Hortensien und Rosen sind bereits verblüht. Wie eigenartig, dass es Pflanzen gibt, die noch immer die Wachstumsperioden der nördlichen Halbkugel haben. Oben angekommen haben wir einen großartigen Überblick über die Bucht.
Während wir auf einer Bank die Aussicht genießen, kommt ein Paar mit Hund den Weg vom Hafen hoch gelaufen. Wir unterhalten uns eine Weile. Die Frau erzählt begeistert von der historischen Kirche, die bereits 120 Jahre alt ist und muss dann lachen weil ihr einfällt, dass 120 Jahre für eine Kirche in Europa nichts ungewöhnliches ist.
Der Weg bergab durch den dicht begrünten Hügel zeigt uns immer wieder neue Ausblicke. Wir werfen einen letzten Blick auf die Robbe und fahren dann weiter. Die Dame in der Touristeninformation hatte uns einen Rundweg empfohlen, der den Waitaki River entlang ins Landesinnere führt. Leider beginnt es zu regnen und bis wir unseren Campingplatz in Omarama erreichen, hört es auch nicht mehr auf.
In Sydney (Australien)
Mit zwei Koffern und zwei Rucksäcken haben wir den Camper bezogen. Jetzt stehen dort plötzlich vier Rucksäcke, zwei Koffer, eine Stofftasche und eine Kiste mit Lebensmitteln. Merkwürdig, unser Gepäck hat sich vermehrt, obwohl wir viele der extra für den Camper gekauften Dinge in der Vermietstation lassen.
In den vergangenen 52 Tagen sind wir 12.500 Kilometer gefahren und haben dafür 1.520 Liter Benzin getankt, von 1,32 $ bis 2,00 $ beliefen sich die Preise für einen Liter. Von allem was wir gesehen haben, möchten wir keinen einzigen Kilometer missen, selbst die Strecke in Broome als wir im Sand stecken blieben, war rückblickend ein Erlebnis.
Und nun beziehen wir für einen günstigen Preis ein erstaunlich luxuriöses Appartement in der Nähe des Flughafens. In den 65 m² verlaufen wir uns fast nach der Zeit auf engstem Raum.
Wir sind in ein paar Minuten an der Metro Station und können im 12 Minuten-Takt in die Innenstadt fahren. Mit der aufladbaren Magnetkarte ist das alles sehr unkompliziert.
Der Samstag ist grau in grau, uns zieht es trotzdem ins Zentrum. Die elektronische Schranke an der Metro bucht 2,42 $ von unserem Guthaben ab. Von der Station Central läuft man an der Bucht entlang, immer die Harbor Bridge im Blick.
Auch an diesem ungemütlichen Tag sind viele Menschen unterwegs. Restaurants und Geschäfte reihen sich an der Uferpromenade aneinander. Als wir um die Ecke biegen und plötzlich die Oper vor uns sehen, schießen mir die Tränen in die Augen.
Irgendwas bringt dieses ungewöhnliche Bauwerk, das auf den Entwurf eines dänischen Architekten zurück geht, in mir zum Beben. So groß haben wir sie uns nicht vorgestellt. Wir laufen die Treppen rauf und drum herum, von jeder Seite sieht sie anders aus. Die Geschichte der Entstehung ist außerordentlich spannend; denn die vorher noch nie gebaute Form erforderte Berechnungen, die kein Mensch ausführen konnte. Auch hier – ich denke an die Elbphilharmonie – überstiegen die tatsächlichen Kosten die veranschlagten um ein vielfaches. Es gab großen Unmut und Schuldzuweisungen, und heute ist Sydney ohne seine Oper undenkbar. Der Architekt allerdings verließ Sydney nach einem Streit mit seinen Auftraggebern und kehrte nie wieder zurück.
Wir haben richtig Glück, seit Ende Mai läuft die Vivid, ein jährliches Ereignis mit Licht, Musik und Kunst. Um 17 Uhr geht es mit Musik los.
Ein paar Bands spielen zur Unterhaltung der Wartenden. Punkt 18 Uhr beginnt die eigentliche Show. Die Dächer der Oper werden zur Projektionsfläche für fantastische bewegte farbige Muster.
Die Harbor Bridge erstrahlt in immer anderen Farbkombinationen. Die ringsum liegenden Hochhäuser werden in unterschiedlichen Farbtönen angeleuchtet. Der botanische Garten – der an das Gelände der Oper anschließt – ist bei freiem Eintritt in diese Zauberwelt eingebunden.
Immer neue überraschende Objekte tauchen vor uns auf. Die Rasenflächen sind mit Schaumgummiplatten belegt, damit die vielen Besucher keine bleibenden Schäden hinterlassen. Auf großen Rasenflächen sind Stände aufgebaut. Verkauft werden alle möglichen kleinen Gerichte und Getränke, sogar Glühwein ist im Angebot. Mehrere Toilettenwagen stehen zur kostenlosen Benutzung bereit. Auf einem Gebäude, das an Dornröschens Schloss erinnert, werden Videos projiziert, die von Studenten der Kunstakademie geschaffen wurden. In einem Teich stehen dicht an dicht Leuchtkugeln in Tennisballgröße auf langen schwankenden Stäben. In unterschiedlichen Intervallen wechseln sie die Farbe, dazu läuft eine Erzählung vom Band, untermalt von Effekten aus der Nebelmaschine.
Nach einer großen Runde kommt man zu einer Hauptstraße. Viele Menschen in Leuchtwesten weisen die Besucher in die richtige Richtung und regeln den Autoverkehr entsprechend. Auf dem Rückweg zur Metro kommen wir am ehemaligen Zollhaus vorbei. Eine Schar Menschen, Erwachsene und Kinder hat sich hier versammelt.
Auf der Hauswand läuft ein Zeichentrickfilm, es ist die Geschichte von Snugglepot und Cuddlepie. Mit dieser genau 100 Jahre alten Erzählung von May Gibbs über zwei aus einem Gummibaum geschlüpften Babies und ihre aufregenden Abenteuer sind alle australischen Kinder aufgewachsen und deshalb stehen Groß und Klein hier und schauen sich diesen Film im überdimensionalen Format begeistert an. Eine tolle Idee.
Der Sonntag bringt dann wieder Sonnenschein und natürlich nehmen wir auch heute wieder die Metro. An der Station St. James (Hydepark) steigen wir aus.
Alle Geschäfte sind geöffnet, Straßenmusiker beleben die Szene und es herrscht reger Betrieb in der Innenstadt.
Wir laufen zum Darling Harbor Viertel, das natürlich am Wasser liegt und kommen
vorbei am Aquarium, Tierpark und Wachsfigurenkabinett bis zu einer Haltestelle der Fähre. Mit der geht es zurück zur Central-Station. Und vom Wasser aus hat man dann auch den Blick, der auf Millionen Ansichtskarten zu sehen ist: Die Oper hinter der Habor Bridge. An diesem sonnigen Tag sind doppelt so viele Menschen unterwegs wie gestern. Kreuz und quer laufen wir durch das Zentrum, sehen Museen, Theater und Kinos, laufen durch Chinatown und die Market-Hall.
Am Montag lassen wir unser Gepäck im Hotel, um ein letztes Mal in die Innenstadt zu fahren. Gestern waren alle Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kostenlos. Erstaunlich, Australien hat nur gut ein Drittel unserer Bevölkerung, die Steuern sind niedriger, trotzdem ist der öffentliche Nahverkehr viel günstiger und strecken- oder tageweise sogar kostenlos. Wie machen die das? Heute ist die Metro brechend voll und es kostet auch wieder Geld.
Einmal möchte ich ins QVB (Queen Victoria Building), ein prächtiges Einkaufszentrum im neoromanischen Stil vom Ende des 19. Jahrhunderts. Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt, bis man in die Schaufenster der luxuriösen Boutiquen schaut, aber mich interessiert die Architektur am meisten. Dann laufen wir zum Marinemuseum, wo gerade außerhalb eine öffentliche Ausstellung zum Thema „Container“ stattfindet, natürlich in Containern.
Über den Erfinder, die Auswirkungen auf Schiffbau und Schifffahrt und die anderen Nutzungsmöglichkeiten für diese „Normbehälter“, z.B. im Baubereich.
Weiter zum Fischmarkt, der auch zu den Sehenswürdigkeiten dieser Stadt gehört.
Rundherum gibt es Lokale und einige Menschen sitzen draußen – umlagert von Möwen und Ibissen, die auf milde Gaben hoffen – und verzehren ihr Mittagessen. Eine der Möwen ist besonders dreist und klaut mir den Rest meines Sandwiches direkt aus der Hand.
In der Halle finden wir ein Schlemmerparadies für Fisch- und Meeresfrüchte-Liebhaber. Austern aus verschiedenen Gegenden liegen geöffnet auf blauen Tabletts. Shrimps in allen Größen, Krabben, Muscheln, Krebse und Fische, alles ist auf Eis arrangiert und sieht überaus appetitlich aus. Verkäufer und die Mehrzahl der Kunden sind asiatischer Herkunft. Auch in der Halle kann man essen, es gibt eine Sushi- und eine Lobster-Bar. Jakobsmuscheln werden mit einem Brenner gratiniert und einzeln verkauft und Austern sind ebenfalls stückweise erhältlich.
Ein letzter Blick auf all diese Köstlichkeiten, dann müssen wir aber zurück, unser Gepäck abholen und mit der Metro zum internationalen Flughafen fahren.
Der Schalter unserer günstigen Fluglinie (wir hatten noch zwei Gutscheine vom letzten verspäteten Flug) liegt gefühlte 10 Kilometer vom Eingang entfernt. „Sie haben ein Flugticket für die Ausreise aus Neuseeland?“ fragt der Mitarbeiter am Schalter. Wir schütteln den Kopf. Klar, irgendwann hatte ich das gelesen, aber vollständig vergessen. Ohne ein gültiges Rückflugticket werden wir nicht mitgenommen, was viele Ärgernisse nach sich zieht:
- Unser Flug verfällt ersatzlos
- Unser gebuchtes Hotel verfällt ersatzlos
- Unser gemieteter Camper wartet nur bis zum Ende der gemieteten Zeit auf uns.
Jetzt ist guter Rat teuer. Im Flughafen gibt es ein Reisebüro, dahin bewegen wir uns im Laufschritt.
Eine sehr kompetente junge Dame beratschlagt mit uns, wie es weitergehen kann.
Weiterreise nach Mexiko (nächstes Ziel auf unserer Wunschliste) klappt nicht, weil alle Flüge eine Zwischenlandung in USA haben und wir noch kein ESTA (Electronic System for Travel Authorization = Genehmigung, ein Flugzeug mit Ziel USA zu betreten) haben. Direktflug nach Chile oder Argentinien scheidet aus Kostengründen aus. Rückflug nach Sydney ist die einzige Möglichkeit, die sich auf die Schnelle ergibt. Leider fallen bei einer Stornierung Gebühren an. Wenn wir allerdings selbst buchen, könnten wir kostenlos stornieren.
Dieser Versuch schlägt fehl, die Verbindung bricht immer wieder zusammen, so dass wir doch zurück zu der netten Dame gehen und den Flug nach Sydney buchen. Während sie alle Daten in den Computer eingibt, hastet Klaus noch mal zurück zum Abfertigungsschalter, um Bescheid zu sagen, dass wir noch kommen.
Geschafft, wir haben die Tickets, die Koffer sind aufgegeben, nur noch durch die Passkontrolle, die hier ohne menschliche Mitarbeit stattfindet: Pass auf den Scanner legen, mit unbewegtem Gesicht in die Kamera schauen, und nach einem kurzen Moment öffnet sich die Schranke. Jetzt noch die Sicherheitskontrolle durchlaufen, dann heißt es: „Goodbye Australia!“
Durch die Nullarbor-Wüste nach Adelaide (Australien)
Die Stadt Esperance empfiehlt, vor Durchquerung der Nullarbor-Ebene nochmal Kraft und Energie zu tanken, also die Landschaft zu genießen, Lebensmittel einzukaufen, sich mit Wasser einzudecken und natürlich den Benzintank aufzufüllen. Das haben wir in den letzten beiden Tagen gemacht, denn was uns bevorsteht, gilt als besondere Herausforderung.
Nach dem Frühstück geht es los. Weit kommen wir nicht, ein paar hundert Meter von unserem Übernachtungsplatz entfernt werden wir von der Polizei angehalten: Alkoholkontrolle, morgens um 10 Uhr. Klaus muss ins Röhrchen pusten, natürlich zeigt das Messgerät nach zwei Tassen Kaffee nichts an. Der nette Beamte wünscht uns noch einen schönen Tag und winkt den nächsten Autofahrer heraus. Wenn das Messgerät 0,5 Promille oder mehr anzeigt, ist der Führerschein weg.
Wir fahren rund 200 Kilometer Richtung Norden an großen Salzseen vorbei nach Norseman. Dort kaufen wir noch frisches Obst. Eine andere Kundin wünscht mir einen schönen Muttertag (?) und dann geht es nach Osten durch die Wüste. Der Eyre Highway führt durch das 1.200 Kilometer lange Nullarbor vom lateinischen Nulla arbor = kein Baum und durchquert die trockenste Region Australiens. Schilder weisen jetzt nicht mehr auf streunende Rinder und Schafe hin, sondern auf Wildkamele, Wombats und natürlich Kängurus.
Die Strecke bietet einige Besonderheiten:
Die längste schnurgerade Straße Australiens ist Teil des Eyre Highway. Sie ist 90 Meilen lang, entspricht 146,6 Kilometer. Und hier kann man wunderbar beobachten, was für vorsichtige Autofahrer die Australier in der überwiegenden Mehrheit sind. Meistens fahren wir mit einem Tempo zwischen 80 und 90 Stundenkilometern. Das hat sich als angenehmste Geschwindigkeit mit dem Camper herausgestellt. Manchmal kommt es vor, dass ein Autofahrer an uns vorbei will. Auf dieser geraden Straße kann man kilometerweit schauen. Sobald am Horizont nur ein Pünktchen zu sehen ist, traut sich niemand zu überholen. Wenn dann alles frei ist, wird nicht etwa aufs Gas getreten und stark beschleunigt, nein man wird mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 110 kmh überholt. Hier ist man sehr gelassen unterwegs. Ob man 10 Minuten früher oder später ankommt, spielt bei den großen Entfernungen keine Rolle.
Der längste 18 Loch Golfplatz der Welt zieht sich an der Strecke entlang. Da die Löcher 100 Kilometer weit auseinander liegen, muss man die Distanz mit dem Auto zurücklegen. Um alle Löcher zu bespielen, müssen die Spieler mit bis zu 7 Tagen rechnen. Golf ist in Australien kein exklusiver Sport, es gibt viele öffentliche Plätze, wo jeder spielen kann.
Die Straße verläuft mit mehr oder weniger großem Abstand zur Südküste auf einem 200.000 Quadratkilometer großen Kalkplateau. Verschiedene Aussichtspunkte gewähren immer andere interessante Blickwinkel in Ost- und Westrichtung. Nach Süden ist nur Meer zu sehen. Wenn man in der richtigen Jahreszeit hier ist, hat man gute Chancen, Wale zu sehen.
Am späten Nachmittag erreichen wir Cocklebiddy. Müßig, diesen Ort zu beschreiben, das Schild sagt alles , was man wissen muss. Zwei Bewohner wurden allerdings nicht erwähnt. Es sind Keilschwanzadler, die in einer großen (für diese Vögel natürlich nicht ausreichenden) Voliere leben. Weil man erzählte, dass sie Lämmer schlagen (gibt es eine bessere Legitimation zum abknallen) stand diese Spezies kurz vor der Ausrottung. Durch intensive Aufklärungsarbeit konnte das zum Glück verhindert werden.
Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg. Wir wollen die Nullarbor-Wüste zügig durchfahren. Bereits auf den ersten 20 Kilometern sehen wir mehr als 20 tote Kängurus. Ich habe gelesen, dass sie ein bisschen dumm seien und noch kurz vor einem herandonnernden Roadtrain über die Straße hüpfen wollen. Die Fahrer dieser wuchtigen Transportmaschinen können natürlich nicht bremsen. Einige haben 24 Achsen, jede mit 4 Reifen bestückt. Da hat auch das bis zu zwei Meter große Riesenkänguru nicht den Hauch einer Chance. Auf einem dieser Kadaver sitzen zwei Keilschwanzadler. Sie lassen sich bei ihrer Mahlzeit durch die vorbei fahrenden Autos nicht stören. Später sehen wir, dass auch Krähen frisches Kängurufleisch nicht verschmähen.
Nach beinahe 300 Kilometern überqueren wir die Grenze nach Süd-Australien.In dieses Bundesland können wir einfach einreisen; nur LKWs werden kontrolliert.
Das nächste Roadhouse auf unserer Strecke gefällt uns nicht besonders. Wir tanken hier nur, mit 2 $ pro Liter (1,20 €) den teuersten Sprit unserer bisherigen Reise. Am wenigsten haben wir in Perth mit 1,33 $ bezahlt. Es ist noch eine gute Stunde Zeit, bis die Sonne untergeht. Das nächste Roadhouse ist 70 Kilometer entfernt, das ist noch gut zu schaffen. Aber hier stimmt was nicht, es stehen zwar ein paar Autos auf dem sogenannten Campground, aber das eigentliche Roadhouse ist rundherum mit Maschendraht umspannt, die Türen sind mit Brettern vernagelt. Uns beschleicht ein mulmiges Gefühl, und wir fahren weiter. Sieben Kilometer vom Highway entfernt erreichen wir kurz nach Sonnenuntergang über eine Staubstraße ein Farmstay. Vor der Scheune steht ein Flugzeug, eine Sandpiste ist Start- und Landebahn. Die 2.500 Schafe sind irgendwo auf einer der Weiden. Ein reizendes Ehepaar (Freunde der Besitzer, die gerade Urlaub machen) begrüßt uns und geleitet uns sogar zu unserem Platz. In der Campingküche sitzen schon zwei Paare ums offene Feuer, genießen ihren Sun downer und erzählen von ihren Reiseabenteuern.
„Schauen Sie sich Fowlers Bay an,“ empfiehlt uns die nette Vertretungswirtin noch am nächsten Morgen, bevor wir aufbrechen. Das bedeutet weitere Kilometer auf der Staubstraße zur Küste. Aber die Straße ist in einem guten Zustand, so dass wir keine Mühe haben, den kleinen Ort hinter den weißen Dünen zu erreichen. Nach einem Spaziergang fahren wir zurück zum Highway und weiter nach Ceduna zum Endpunkt der Nullarbor-Wüste. Kurz vor der Stadt plötzlich eine Schranke. Alle Fahrzeuge werden kontrolliert, Obst und Gemüse beschlagnahmt. Die Angst vor Fruchtfliegen ist groß. Während unserer Mittagspause vor einer Stunde haben wir die letzten Bananen und Äpfel vertilgt, wir dürfen passieren.
In Ceduna – der für ihre Austern berühmten Kleinstadt mit großem Hafen – bleiben wir über Nacht. Zum Einkaufen ist es schon zu spät, die Fischgeschäfte schließen um 17 Uhr. Aber am nächsten Morgen kaufen wir bei Baldy – einem langhaarigen tätowierten Fischer – Austern und Shrimps für unser Abendessen im 470 Kilometer entfernten Port Augusta. Dazu brauchen wir noch einen Weißwein, und so stellen wir unseren Camper nach Ankunft dort nur auf dem zugewiesenen Platz ab und laufen in einem weiten Bogen in die Innenstadt.
Lautes Vogelgekreische macht uns auf ein paar Bäume aufmerksam. Das wollen wir von nahem sehen. Eine Vielzahl weißer Kakadus ist für den unbeschreiblichen Lärm verantwortlich.
In Port Augusta endet der von Westen kommende Eyre Highway und beginnt der nach Darwin führende Stuart Highway. Außerdem halten im Bahnhof die Fernzüge „The Ghan“ (Süd-Nord-Verbindung) und „Indian Pacific“ (West-Ost-Verbindung). Es gibt noch ein paar alte Gebäude in der über 160 Jahre alten Stadt und natürlich die zeitgemäßen Ladenketten. Gut so, denn wir brauchen dringend Socken, die über die Knöchel reichen, es wird Winter.
Unser heutiges Ziel ist die Hauptstadt Südaustraliens: Adelaide, genannt nach der deutschen Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen, die durch Eheschließung mit Wilhelm Heinrich Königin von England wurde. Wir haben uns für einen außerhalb am Meer liegenden Campingplatz entschieden, von dort können wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt fahren.
Ab dem Vorort Glenelg fährt eine Straßenbahn 11 Kilometer bis in die Innenstadt. Für 10 $ = 6 € bekommt man eine Tageskarte. Im Innenstadtbereich, der von bis zu 600 Meter breiten Parkanlagen (bestehend aus 27 Einzelparks) umschlossen ist, kann man kostenlos fahren. Das Angebot wird viel und gern genutzt. Hier im Zentrum leben nur ca. 20.000 Einwohner. Die in den rund herum liegenden 250 Ortschaften lebenden Menschen rechnet man einfach zu den Einwohnern dazu. So kommt man auf eine für eine Hauptstadt angemessene Zahl von über 1 Million. Adelaide ist eine sehr angenehme Stadt mit breiten Straßen, vielen Geschäften, Museen, Galerien und schönen Restaurants, von den Parks ganz zu schweigen. Die Menschen scheinen aus allen Teilen der Welt zu kommen. Wir laufen durch die belebte Innenstadt und suchen nach einiger Zeit vor einem heftigen Regenschauer Schutz in die Markthalle, einem riesigen Schlemmerparadies.
Am nächsten Morgen frühstücken wir in der Campingküche, als wir Besuch von einem schwarz weißen Vogel bekommen. Er läuft durch die ganze Küche, pickt hier und dort etwas auf, stellt sich vor den Herd und tut das, was er seinem Namen nach (Flötenvogel) tun muss, er flötet uns etwas vor, dreht sich um und läuft wieder hinaus.
Wir wollen nicht bis zum Highway, denn dann müssten wir wieder durch Adelaide fahren. Im Atlas suchen wir uns eine Querverbindung aus.
Die schmale Straße führt uns in ein bergiges Gebiet mit hübschen gemauerten Häusern, umgeben von großzügigen Gärten mit Bäumen die sich mit Herbstlaub schmücken. Rinderherden der unterschiedlichsten Rassen grasen an den Hängen, die Pferde tragen schon Wintermäntel. Wir haben das Gefühl, durch ein Bilderbuch zu fahren. So etwas gibt es doch in Wirklichkeit gar nicht.
In Strathalbyn halten wir an. Die dortige Kirche sieht aus, als ob sie komplett aus England hierher verschickt worden ist. Während wir über den Bach und durch die Grünanlagen laufen, sprechen uns zwei Männer an, die natürlich sofort gemerkt haben, dass sie es mit Ausländern zu tun haben. Wir erzählen ein bisschen von uns, bekommen von den beiden noch ein paar Ratschläge und setzen unseren Weg fort in Richtung Murray Bridge. Wir haben im Handy ein Ziel angegeben, aber es will uns dauernd zum Umkehren animieren. Eine viertel Stunde später wissen wir auch weshalb, wir stehen vor einem Fluss ohne Brücke. Erst nach ein paar Minuten sehen wir, dass hier eine Fähre die Fahrzeuge von einem Ufer zum anderen bringt.
Während wir noch eine Information über die vermutlich astronomischen Preise, suchen legt die Fähre an. Als erstes Fahrzeug können wir gar nichts anderes tun, als loszufahren. Die Fähre wird mit zwei Stahlseilen über den Fluss gezogen und kostet NICHTS.
Wir fahren den Prinzess-Highway an der Küste entlang in Richtung Süden. In Kingston S.E. stehen wir plötzlich vor einem Riesenhummer.
Leider ist keine Saison, so dass wir wir die Spezialität des Ortes nicht probieren können. Nach Robe müssen wir laut Tipp unserer Bekanntschaft aus Strathalbyn unbedingt fahren. Am Straßenrand läuft ein junger Schnabeligel, eines der eierlegenden Säugetiere Australiens. Allein dafür hat sich der Abstecher gelohnt. Nachdem wir ihn fotografiert haben, fahren wir weiter zu unserem heutigen Campingplatz nach Millicent.
Von Bunbury nach Esperance (Australien)
Nach dem Frühstück fahren wir zum Hafen der rund 30.000 Einwohner zählenden Stadt Bunbury. Vom Naturhafen aus werden Holzspäne, Aluminium und Mineralsand verschifft. Die oft in der Bucht auftauchenden Delfine bekommen wir leider nicht zu Gesicht.
Der nächste Halt ist in Busselton, wo der längste Jetty der südlichen Hemisphäre 1.841 m weit ins Meer gebaut wurde. 1865 wurde mit dem Bau begonnen, um das Verladen des Bauholzes – unter anderem für London – in der flachen Bucht zu erleichtern. Nach und nach musste der Pier verlängert werden, später verlegte man noch Eisenbahnschienen, um den Transport zu vereinfachen. Noch heute fährt eine Bahn, allerdings transportiert sie Touristen. Vom Steg aus wird gern geangelt, an einigen Stellen führen Treppenstufen nach unten zu kleinen Plattformen, auf denen es sich die Angler auf Hockern bequem machen. Ungefähr in der Mitte fallen uns am Geländer viele kleine Gedenktafeln auf. Hier wurde die Asche von verstorbenen Anglern oder Meeresliebhabern direkt dem Ozean überantwortet. Einige haben offenbar direkt auf dem Steg den Tod gefunden. Ein wenig makaber mutet das schon an. Das vom Meer abgeteilte und von einem großen Netz umgebene Schwimmbad liegt nur ein paar hundert Meter entfernt am Ufer.
Am Ende des Jetty kann man zum natürlichen Aquarium hinabsteigen. Hier befinden sich eigentlich die Menschen hinter oder besser im Glas und können das natürliche Leben im Meer an einem Korallenriff beobachten. Wenn man Glück hat, schauen auch die Seelöwen mal rein.
Wir fahren weiter über Dunsborough zum Cape Naturaliste. An der Straße steht ein großes Leuchtschild. Besucher erfahren, dass Haie gesichtet worden sind. Für uns ist die Warnung zwar interessant, aber bei den Wassertemperaturen ist die Badesaison für uns ohnehin vorbei. Den vielen Surfern, die in Neopren-Anzügen ihrem Hobby nachgehen, verdirbt die Warnung allerdings den Tag.
Wir laufen zum alten Leuchtturm an der Spitze. Er ist noch in Betrieb, deshalb kann man nur nach Voranmeldung nach oben laufen, doch auch von der Holzterrasse aus hat man eine gute Sicht nach drei Seiten. Auf dem Rückweg gehen wir ins Café im ehemaligen Leuchtturmwärterhaus. Die einzelnen Räume sind mit alten Möbeln wie Wohnstuben aus vergangener Zeit eingerichtet. Es liegen sogar Bücher aus dieser Zeit herum. Hier kann man es eine Weile aushalten. Die Torten sollen laut Hinweis so gut sein, dass man dafür sterben könnte. Deshalb machen wir einen großen Bogen um die Kuchentheke und trinken nur Kaffee, bevor wir wieder ins Auto steigen.
Bald darauf verlassen wir die Küste und biegen ins Landesinnere ab. Unser heutiges Ziel ist Margaret River, die bekannteste Weinregion in Australien. Je näher wir der Stadt kommen, umso mehr Hinweisschilder auf Weingüter sind zu entdecken. Und dann sehen wir sie auch links und rechts der Straße. Geschmackvolle Zufahrten, riesige Grundstücke mit Zierteichen oder Parkanlagen, und daneben oder mittendrin die schönen Häuser.
Wer hier ein Weingut hat, gehört mit Sicherheit zu den wohlhabenden und angesehenen Bürgern des Landes. Auch die Stadt selbst macht einen einladenden Eindruck, aber anders als bei uns, sind die Weinlokale abends geschlossen, um 17 Uhr ist Schluss mit lustig. Das erhoffte Dinner in einem netten Lokal fällt aus, denn natürlich kommen wir zu spät hier an. Und so essen wir wieder in der „Sterne-Campingküche“.
In unserem Camper haben wir einen zweiflammigen Gaskocher und eine Mikrowelle (ausgiebig als Vorratsschrank genutzt). Meinen Anspruch, immer alles frisch zu kochen, habe ich bald aufgegeben. Der 50 Liter Kühlschrank hat kein Gemüsefach und in der Kühltasche vergammeln im feucht-heißen Klima sogar die Zwiebeln. Wir haben uns einen Vorrat an Gemüsekonserven angeschafft. Fleisch und Fisch kaufen wir möglichst vakuumverpackt. Wenn ein Supermarkt auf unserer Strecke liegt oder wir rechtzeitig in einer Stadt sind, kaufen wir für unser Abendessen auch frische Lebensmittel ein.
Am nächsten Morgen zieht es uns in einen Weinladen. Wir können diese Stadt doch nicht verlassen, ohne etwas von den hochgelobten Erzeugnissen zu kaufen. Eine sehr kompetente Dame berät uns bei der Auswahl, und so verlassen wir Margaret River mit zwei Flaschen Rotwein. Übrigens ist der Fluss, der der Stadt ihren Namen gegeben hat eigentlich nur ein Bach.
Wir fahren Richtung Nannup, Manjimup und Quinninup und dann durch den Shannon Nationalpark. Große Weinfelder wechseln sich mit Weiden voller Rinderherden ab. Wieder nehmen wir unterwegs die Gelegenheit war, eine Scenic-Route zu fahren.
Ein Schwarm grüner Papageien lässt uns mitten auf der Straße anhalten. Zum Glück völlig ungefährlich, denn außer unserem ist kein Fahrzeug weit und breit zu sehen. Nach einigen Kilometern laufen Emus über die Straße, drei von ihnen wollen offenbar einen Wettlauf mit uns machen und rennen vor und neben dem Auto her. Auf dem weiteren Weg entdecken wir 50 Meter neben der Straße eine Gruppe Kängurus. Leider können wir nicht näher an sie herankommen. Ich hoffe auf unseren Campingplatz in Walpole, in der Beschreibung stand, dass diese Tiere hier häufig zu sehen sind. Der Platz liegt wunderschön an einem Inlet, einer großen Bucht mit einer schmalen Verbindung zum Meer.
Diese Bucht könnte genauso gut in Schweden oder Kanada liegen. Aber auch hier lassen sich keine Kängurus blicken. Vielleicht sind sie beleidigt, weil überall Schilder stehen, dass man sie auf keinen Fall füttern darf. Außerdem muss immer die Tür zu den Waschräumen geschlossen werden, der leichte Zugang zu Süßwasser ist für die Tiere zu verlockend, und wenn dann die Türen zufallen, geraten sie in Panik und können für Menschen gefährlich werden.
Uns gefällt es hier, und wir bleiben einen weiteren Tag. Nachmittags laufen wir über einen Wanderweg in den Ort zum Einkaufen und wieder zurück.
Später im Camper schaue ich vom Computer auf und da sitzen zwei Kängurus – keine drei Meter vom Fenster entfernt. Aufgeregt fotografieren wir zuerst von drinnen, dann versuchen wir leise die Schiebetür zu öffnen und laufen auf Socken nach draußen. Die Australier wundern sich über uns, so viel Aufregung wegen zweier Kängurus. Aber sie verhalten sich still und warten ab, bis wir die Tiere genug Fotos gemacht haben. Wir sind richtig glücklich!
Am nächsten Morgen fahren wir um den Inlet herum, um dann durch den Nationalpark mit den Riesenbäumen über Denmark nach Albany, einer historischen Stadt zu fahren. Aborigines lebten bereits seit 50.000 Jahren in dieser Region, bevor 1826 europäische Siedler kamen, um sich hier nieder zu lassen. Ein paar Häuser sind an die 100 Jahre alt, das gilt in Australien schon als alte Stadt. Die Amerikaner hatten hier eine Zeit lang einen Militärstützpunkt.
Wir übernachten in Bremer Bay und laufen abends im frischen Wind noch ein Stück an der Bucht entlang, in der sich ein Schwarm Wasservögel bereits einen Schlafplatz gesucht hat. Der Boden ist salzverkrustet und wie mit Teppichboden belegt. Das sind Algenteppiche die nur bei Hochflut vom Meerwasser überspült werden. Die niedrigen Bäume sind vom ständigen Wind gebeugt und von der Sonne gebleicht. Am nächsten Morgen – im strahlenden Sonnenschein – sieht alles viel lieblicher aus. Wir sind ganz allein an einem schneeweißen Strand mit ein paar Granitfelsen.
Um nicht dieselbe Strecke wie gestern 60 Kilometer weit zurückzufahren, biegen wir von der Hauptstraße ab. Der Mann an der Tankstelle erklärt uns im Brustton der Überzeugung, dass alle Straßen hervorragend zu befahren seien. Wir glauben ihm und die erste viertel Stunde sieht alles prima aus, dann beginnt eine Schotterpiste. Behutsam lenke ich unseren Camper über das „Waschbrett.“ Das kostet Zeit, macht aber auch Spaß, durch diese einsame Landschaft zu fahren.
Am späten Nachmittag erreichen wir Esperance und fahren zu einem am Meer gelegenen Caravan-Park. Von hier aus wollen wir am nächsten Morgen den „Great Ocean Drive“ fahren, einen rund 40 Kilometer langen Rundweg mit atemberaubenden Ausblicken auf die weißesten und feinsandigsten Strände, die man sich nur vorstellen kann.
Das Meer bietet ein Farbspiel von helltürkis bis zum tiefen tintenblau. In Ufernähe treiben Surfer auf ihren Brettern im Wasser und warten auf die perfekte Welle. Immer wieder lassen wir das Auto stehen und laufen zu besonderen Aussichtspunkten. Einmal machen wir auch eine kleine Wanderung über einen Granitrücken und über den Strand zurück. Der am Rundweg gelegene „Pink Lake“ ist schon lange nicht mehr rosa. Durch den Straßenbau bekommt der See nicht mehr genügend Meerwasser und die für die intensive Farbe verantwortlichen Bakterien vermehren sich nicht in ausreichender Menge.
Für den Abend haben wir in einem Fischlokal einen Tisch reserviert. Während des Telefongespräches bittet uns der nette Mann, Wein oder Bier mitzubringen, das Lokal habe keine Lizenz für den Alkoholausschank. Als wir dann mit unserem Weißwein kommen, bringt er sofort einen Weinkühler mit Eis und die richtigen Gläser. Eine Flasche Wasser wird unaufgefordert und kostenlos auf den Tisch gestellt. Wir essen je eine Platte Meersefrüchte, eine gegrillt die andere „crumpled“. Das Lokal schließt um 20.30 Uhr. Nicht ungewöhnlich für Australien. Der Rückweg über schön angelegte Wege am Meer unter dem funkelnden Sternenhimmel ist das Sahnehäubchen auf diesem Abend.