Chetumal und die Maya-Metropole Calakmul (Mexiko)

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Unser Abschied von Campéche verläuft ein wenig holprig. Erstens nehme ich die dicke Erkältung, mit. Zweitens muss der Taxifahrer auf dem Weg zum Busbahnhof nach fünf Minuten umkehren, weil Klaus lebenswichtige Dinge im Hotel liegen gelassen hat: Handy und Kappe. Drittens bekommt der Busfahrer, der unsere Tickets auf dem Handy kontrolliert, immer eine Fehlermeldung. Nun ist es nicht so, dass ihm diese Technik fremd ist, schon zehn Passagiere haben sich auf diese Weise legitimiert. Da muss ein Fachmann ran. Der findet den Fehler im System auch sofort: Unsere Tickets sind für den 16. Februar gebucht, heute ist aber erst der 9. also eine Woche früher. Jetzt ist guter Rat teuer und ein neues Busticket auch. Immerhin hat die gebuchte Fahrt pro Person 576 Pesos (26€) gekostet und die Fahrscheine sind weder übertragbar, noch werden sie zurückgenommen. Aber mit den Touristen muss man Nachsicht haben. Der Chef des Busbahnhofs bietet uns eine Fahrt zwei Stunden später an. Der Busfahrer jedoch, der interessiert das Instrument an Klaus Rucksack mustert, zückt eine Liste und macht dem Chef klar, dass der Bus nicht ausgebucht ist. Dann imitiert er verschmitzt einen Geiger, macht ein paar Tanzschritte dazu und nimmt mich in den Arm. Zwei Minuten später haben wir einen Ausdruck neuer Fahrkarten (ohne noch mal zu bezahlen) und können einsteigen. Die gebuchten Plätze sind natürlich anderweitig vergeben, aber es sind noch etliche frei. Später müssen wir noch einmal umziehen, weil auch diese Plätze bereits reserviert waren, aber das ist ja kein Problem. Wir sind so froh und erleichtert und wieder mal frage ich mich: „Wie würde es in unserem Heimatland einem Ausländer in derselben Situation ergehen?“

Drei Filme und 6,5 Stunden (+1 wegen anderer Zeitzone) später sind wir in Chetumal (ca. 200.000 EW) , der Hauptstadt des Bundesstaates Quintana Roo. Gegen 22 Uhr kommen wir in unserem Hotel an und machen es uns in dem hübschen modernen Zimmer bequem. Wir haben keine Lust, noch einmal vor die Tür zu gehen, es sieht auch so aus, als ob alle Lokale bereits geschlossen wären.

Am Sonntag Morgen nieselt es leicht, aber als wir um zehn unser Hotel verlassen, haben sich die Wolken verzogen. Welch ein Unterschied auf der Straße zu gestern Abend. Alle Geschäfte sind geöffnet, und die Menschen flanieren auf der Straße. Wir gehen frühstücken und laufen dann zum Maya-Museum, das nur ein paar hundert Meter von unserem Hotel entfernt ist. Das von außen moderne Gebäude ist sehr schön eingerichtet. Dunkelgrüner Marmor (vermutlich aus Guatemala) bedeckt den Fußboden, künstliche Bäume und Pflanzen bieten zusammen mit gedämpfter Beleuchtung einen stimmungsvollen Hintergrund für die ausgestellten Gegenstände. Modelle der verschiedenen Maya-Pyramiden fesseln unsere Aufmerksamkeit ebenso wie Tongefäße, Skulpturen und ein Maya-Kalender (2012 angeblich abgelaufen, aber die Welt ist dennoch nicht untergegangen). Viele gefundene Skulpturen, Schmuckstücke und Reliefs sind jedoch nur in einer Dia-Show zu bewundern. Dieses Mal mussten wir – wie alle anderen Besucher auch – Eintritt bezahlen.

Am nächsten Tag lockt uns der Duft von frisch gebackenem Brot in ein Cafe. Ein Angebot wie in Frankreich, doch die Besitzerin ist Italienerin. Seit drei Jahren führt sie dieses Cafe. Ihr verdanke ich das leckerste Frühstück seit langem – ein mit Brie, Birnen und Nüssen belegtes Baguette. Dann haben wir etwas besonderes vor. Wir mieten uns für eine Woche einen Leihwagen. Nicht, dass wir es leid wären, mit dem Bus zu fahren, aber was wir jetzt planen, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu machen. Ein leuchtend blauer Nissan Micra – der hier March heißt – wird uns eine Woche lang durch die Gegend befördern. Wir fahren die Strecke von Samstag ca. 180 Kilometer wieder zurück bis in das Örtchen Conhuas, das irgendwo im Dschungel liegt. In diesem Dschungel verborgen liegen viele ehemalige Maya-Monumente. Drei Tage kommen wir in einer mit Palmwedeln gedeckten Cabaña unter. Vier Wände, eine Fensteröffnung mit Insektenschutzgitter und eine Tür. Innen gibt es noch ein Badezimmer mit fließendem kalten Wasser. Vier von diesen kleinen Häuschen sind fertig, zwei weitere im Bau.

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Das Verwalter-Ehepaar freut sich: „Endlich mal Leute, die länger als eine Nacht bleiben.“ Die junge Frau versorgt mich gleich mit einer selbstgemachten Medizin gegen meine Bronchitis. Energisch reibt sie mir Hals, Dekolleté und Rücken ein. „Nicht duschen,“ schärft sie mir ein. Und abends zur selbst gekochten Suppe bekomme ich noch einen extra für mich gebrühten Tee.

Für die weite Tour fühle ich mich am nächsten Morgen noch nicht stark genug, so fahren wir drei Kilometer weiter nach Balamku, einer kleinen Maya-Ruinenstadt. Der Eintritt kostet 45 Pesos und wenn man Glück hat, schließt jemand die Tür zu dem schönen Wandfries auf.

Aber am Mittwoch ist es so weit. Wir wollen 60 Kilometer durch den Dschungel nach Calakmul fahren, einer von den größten bisher entdeckten Maya-Städten. Am Abzweig zahlen wir das erste Mal Gebühr, und nach gut 5 Kilometern haben wir bereits ein Hindernis: Die Straße wird ausgebessert.

Faustgroßer Schotter wird von einem Baustellenfahrzeug verteilt. Es ist ein ganz schönes Geholper, über diese Steine zu fahren. Bloß nicht anhalten, sonst bleiben wir stecken. Nach 20 Kilometern zahlen wir das zweite Mal, und kurz danach wird die Straße einspurig und mächtige Schlaglöcher fordern die ganze Aufmerksam- keit.

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Als der erste Pfauentruthahn  über den Weg läuft, sind wir elektrisiert. So ein schönes Gefieder, und die Tiere haben keine Scheu vor den Autos. Vermutlich werden sie hin und wieder von Touristen gefüttert. Insgesamt sehen wir an die zwanzig dieser prächtigen Vögel.

Plakate machen noch auf andere Tiere aufmerksam: Harpyie und Jaguar sind neben anderen auch in diesem Urwald zuhause.

Zwei Stunden später haben wir den Parkplatz erreicht. Insgesamt stehen hier 18 Autos und ein Minibus. Für dieses riesige Areal ist das gar nichts. Nachdem wir das dritte Mal Eintrittsgeld bezahlt haben, sind wir zusammen 374 Pesos (ca. 17 €) losgeworden.

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Da kann man sich wirklich nicht beschweren.

Auszug aus https://de.wikivoyage.org/wiki/Calakmul

Hintergrund

Hieroglyphe der Stadt Calakmul

Calakmul war eine Megametropole. Außer dem eigentlichen Innenstadtbereich hat man bisher über 20 weitere Zentren gefunden. Doch die Stadt bestand nicht nur aus Zentren. Eine Region von 70 km² konnte als Stadtgebiet identifiziert werden, auf den sich große Wohnsiedlungen, Agrabereiche und Zeremonialzentren befanden. In der Hochphase in der späten Klassik geht man von einer Bevölkerung von 50.000 bis 70.000 Einwohner nur im Stadtzentrum aus. Im gesamten Stadtgebiet gehen Schätzungen von bis zu 1,2 Millionen Einwohner aus. Es finden sich hier über 6000 Strukturen und die Zahl der Stelen wird immer noch nach oben korrigiert und bewegt sich auf 200 zu. Mittlerweile kennt man den historischen Namen der Stadt. Dieser lautete „Chan“ (tschan) und bedeutete Schlange. Passend dazu war in der Hieroglyphe der Stadt ein Schlangenkopf zu finden. Und wen wundert es: Keine Hieroglyphe in der gesamten Mayawelt (auch nicht die von Tikal) ist häufiger zu finden als die von Calakmul (Chan). Der Name Calakmul bedeutet übrigens in etwa „die Stadt der zwei benachbarten Pyramiden“ und wurde von den ersten Entdeckern aufgrund der Strukturen I und II vergeben.

1931 entdeckte man schon die Anlage und seitdem wird hier gegraben und restauriert. Heute ist die Stadt eingebettet im Calakmul Biosphärenreservat und UNESCO Welterbe und kann bei einem täglichen Besucherdurchschnitt weit unter 100 Besuchern wahrlich als Geheimtipp bezeichnet werden.

Die archäologische Stätte

Calakmul Biosphere Reservat Übersicht

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Bevor wir die ersten Ruine erreichen, haben wir schon ein paar hundert Meter zurückgelegt. Zum Glück ist es heute nicht so heiß, und die Schatten spendenden Bäume machen das Laufen angenehm. Die Wege sind gut angelegt, nicht immer ist die Richtung leicht zu erkennen, aber verlaufen kann man sich hier auch nicht.

Unglaublich, das war hier eine richtige Stadt mit Wohnhäusern, einem Sportplatz mit Tribünen für das Pelota- Ballspiel und vielen Pyramiden. Die meisten darf man sogar noch besteigen.

Merkwürdige Geräusche sind zu hören, und je näher wir kommen, umso größer unsere Verwunderung. Motorsägen, hier im Biosphärenreservat? Nein, Brüllaffen sind für den Lärm verantwortlich. Zwei Männchen streiten sich um Weibchen, Futter oder ihr Revier. So genau können wir den Grund der Schreierei nicht erkennen. Später sehen wir noch eine Gruppe, die durch die Bäume tollt. Und ober drüber kreist tatsächlich eine Harpyie.

Von den mehr als 5.000 Gebäuden ist die Pyramide Estructura II mit 45 Metern das höchste. Weil in vielen Beschreibungen der Ausblick von oben gelobt wird, klettern wir auch hoch. Ein angenehmes Stufenmaß hatten die Mayas noch nicht. Doch wirklich, der Aufstieg ist aller Mühe wert. Selbst ein Mann mit zwei Krücken quält sich nach oben. Urwald soweit man rundherum schauen kann. Nach dem Amazonasgebiet ist das hier der größte zusammenhängende Urwald der Welt.

In der Nähe kann man die Spitzen anderer Pyramiden sehen. Eigentlich wollte ich mich eine Viertelstunde nicht vom Fleck rühren, aber ein Wolkenbruch vertreibt uns von der Spitze. Wir finden an der Seite nur hinlänglich Schutz, und als es nur noch tröpfelt, klettern wir – ebenfalls tröpfelnd – wieder herunter. Auf dem Weg zum Ausgang freuen wir uns noch über die Kapriolen von ein paar Spinnenaffen.

Beim Frühstück zeigt uns der Truthahn unseres Verwalters, was er für ein toller Kerl ist. Aufgeblasen und mit geschwollenem roten Hals führt er einen Stepptanz auf und schwenkt seinen Bürzel mit dem aufgestellten Fächer nach links und rechts. Eine junge Frau – ein neuer Gast- flüchtet panisch in ihr Auto, das Tier ist ihr nicht geheuer. Als Großstädterin kennt sie die Gattung nur gebraten.

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Abschied vom Verwalterpaar

Wir fahren nach Becán, einer weiteren Ruinenstadt in der Nähe. Während wir in der Anlage herumlaufen, sehen wir keine anderen Menschen. Die Stufen an den beiden wichtigsten Pyramiden sind etwas bröckelig, deshalb wurde an einer Stehle ein dickes Tau befestigt, an dem man sich festhalten kann. Macht Spaß, da hinauf zu kraxeln.

Als die Sonne am höchsten steht, setzen wir unsere Fahrt fort.

Ein kleiner See, die Laguna Milagros bei Chetumal ist unser Ziel. Für vier Nächte bleiben wir hier in einem kleinen Holzhaus am türkisfarbenen Wasser.

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Ein Ausflug ins 20 Kilometer entfernte Bacalar muss noch sein. Die Stadt am Ufer der Lagune der sieben Farben (eigentlich ein See, der aus verschiedenen Cenoten = Wasserlöchern besteht) trägt den Beinamen „Magischer Ort“. Die Magie geht aber mehr vom See, als von der Stadt aus. Vom Fort aus fotografiere ich das blaue Wasser.

Als es uns dann doch noch gelingt, ans Ufer zu kommen, sehen wir alle Arten von Booten. Ausflüge auf der Lagune sind hier die Einnahmequelle. Von 650 Pesos (30 €) bis 250 Pesos (12 €) pro Person sind die Fahrpreise. Auf dem 42 Kilometer langen See wird man zu verschiedenen Stellen gefahren, an denen das Wasser durch die unterschiedliche Tiefe der Cenoten jeweils eine andere Farbe haben soll. Kajaks sind unterwegs, und gerade beginnt ein Kurs für Stehpaddler. Was für ein Glück, dass wir an dem unbekannten kleinen See gelandet sind, wo kein derartiger Rummel ist.

Wir laufen jeden Abend zu einem kleinen Lokal am Ufer, sitzen auf der Terrasse und essen Fisch, während die Sonne malerisch untergeht. Dabei kann man wunderbar das Familienleben der Einheimischen beobachten. Am Wochenende unternehmen Großfamilien von den Großeltern bis zum Baby offenbar gerne gemeinsam etwas. Groß und Klein tummeln sich im Wasser. Und dann sitzt man nass am Tisch und lässt sich das Essen schmecken. Es sieht so richtig nach heiler Welt aus.

Ambergris Caye / La Isla Bonita (Belize) „Oh, Madonna“

Hauptstadt Belmopan – Hauptstadt? (Belize)

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Die Woche in San Pedro ist vorbei und wir stehen am Bootsanleger an der Ostküste der Insel.

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Blick zurück auf San Pedro

Ein Wassertaxi bringt uns mit Zwischenstopp in Caye Caulker (auch eine beliebte Urlaubsinsel) in 1 ¼ Stunden nach Belize City.
Die mit über 60.000 Einwohnern größte Stadt in Belize war bis 1970 Hauptstadt. Ein Hurrikan hat sie in den 1960er Jahren dem Erdboden gleich gemacht, daraufhin entschloss man sich, eine neue Hauptstadt 80 Kilometer weiter im Landesinneren zu errichten: Belmopan. Ein Kunstname aus Belize und Mopan (dem Namen eines lokalen Flusses), da wollen wir hin.
Bei der Ankunft ist am Bootsanleger in Belize City richtig Betrieb: Verkäufer, Tourenanbieter, Taxifahrer und Kellner, alle rufen durcheinander und hoffen, dass die Neuankömmlinge einen Teil ihrer Dollars hier lassen. Am Ende finden sich alle Passagiere an einem U-förmig umzäunten Bereich ein, wo sie gegen Vorlage der Gepäckabschnitte ihr Gepäck erhalten.
P1010110Auf dem Weg zum ein Kilometer entfernten Busbahnhof kehren wir noch in einem netten Lokal am Haulover-Creek (Mündung des Belize-River) ein. Hier sitzen viele Landsleute beim Mittagessen. Da sie nur leichtes Gepäck dabei haben und sich offenbar alle kennen liegt die Vermutung nahe, dass es Ausflügler vom Kreuzfahrtschiff sind, das vor der Küste ankert. Nach einem kleinen Imbiss geht es für uns weiter.
Ein dunkelhäutiger Mann mit Dreadlocks sieht uns wohl an, dass wir uns nicht auskennen und ist sofort bereit, uns zum Busterminal zu führen. Fahrkarten gibt es nicht am Schalter, man steigt einfach in den schon dort wartenden Chickenbus. So werden in Mittelamerika die Busse genannt, die Menschen und Waren (manchmal eben auch lebende Hühner) transportieren. Oft handelt es sich um ehemalige Schulbusse aus den USA.
 

Die meisten Plätze sind bereits besetzt, kurz vor Abfahrt steigen noch ein paar Händler ein um Nüsse, Kekse, Tamales (in Maisblättern gekochter fester Maisbrei) und Getränke zu verkaufen und dann geht es auch schon los. Alle Fenster sind offen, eine bessere Klimaanlage gibt es nicht. Auf Handzeichen hält der Bus und nimmt Passagiere – manchmal nur wenige 100 Meter weiter – mit oder lässt sie aussteigen. Die Straße zur Hauptstadt ist in gutem Zustand und spornt den Fahrer zu Höchstleistungen an. Er nimmt die Strecke mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h, erlaubt sind höchstens 90 km/h. Die Landschaft ist sattgrün und wird langsam hügelig. Ab und zu sind Orte mit hübschen Häusern zu sehen. Als wir an einer Plantage vorbei kommen, riecht es im ganzen Bus nach Orangenblüten. Nach 90 Minuten Fahrzeit sind wir am Ziel.
Unsere Unterkunft liegt im Vorort Salvapan, die vier Kilometer sind mit dem Taxi schnell zurückgelegt.
 

Sogenannte Tiny-Houses stehen in einem schön angelegten Garten, eins davon bewohnen wir in den nächsten Tagen. Findelwelpe Duddy und zwei Katzen leisten uns dabei Gesellschaft. Am Abend essen wir in einem Lokal in der Nähe für ein Viertel der bisherigen Preise.
 

Am nächsten Tag fahren wir zum Guanacaste Nationalpark, der gleich am Stadtrand gelegen ist. Der Ranger ist noch nicht da, wir sollen einfach schon mal reingehen, bezahlen können wir später. Wege durch den Park sind in zwei unterschiedlich langen Rundwegen angelegt. Der Park hat seinen Namen von einem Guanacaste-Baum, der laut Legende hierher geflohen ist, weil er dreistämmig und weniger wertvoll war. Mit einer Höhe von bis zu 40 Metern ist er der größte Baum in Mittelamerika. Die weit ausladende Krone auf dem kräftigen Stamm macht ihn zu einem beliebten Schattenspender, der gerne in Parks gepflanzt wird. Sein Holz wird für Möbel oder als Bauholz verwendet.
Auf den Parkwegen herrscht schon reger Betrieb, hier wird geharkt und gefegt, als würde hoher Besuch erwartet. Wir kommen mit Devin ins Gespräch, der uns von einer wunderbaren Schwimmstelle unten am Fluss erzählt und von all den Tieren, die in diesem Park leben. Wir sehen allerdings nichts von Jaguar, Tapir, Nasenbären und was sonst noch so alles hier zuhause ist.
 

 
Bestimmt wagen sie sich nur heraus, wenn der Park geschlossen ist. Das ist bestimmt auch besser so. Bis zu 10 cm breite Spuren – auf denen nicht ein Grashälmchen wächst und kein Steinchen liegt – machen uns neugierig, was mag da entlang gelaufen sein?
 

Blattschneiderameisen sind des Rätsels Lösung. Sie schleppen die Blattschnipsel in ihre riesigen unterirdischen Bauten, wo sie die Blätter zerkauen und damit einen Pilz mästen, der die ganze Kolonie ernährt.
Die Namen der hier wachsenden Bäume sind uns alle fremd und größere Palmwedel als hier haben wir noch nie gesehen.
P1010153Die Badestelle sieht wirklich verlockend aus, aber Badesachen haben wir nicht dabei. Wir sitzen nur eine Weile auf der Holzplattform und schauen auf den Fluss. Als wir zurück zum Besucherzentrum kommen, können wir die 5 BZ $ Eintrittsgeld pro Person bezahlen und uns die interessante Ausstellung ansehen.
 

Devin hat uns erzählt, dass die zweite Runde nicht begehbar ist, weil eine Brücke erst repariert werden muss. Der Mann an der Kasse weiß allerdings nichts davon und zeigt uns den Weg. Dreihundert Meter weiter wissen wir: Devin hat Recht, aber unser Forscherdrang ist durch solche Kleinigkeiten nicht zu bremsen, und so balancieren wir auf den Betonstützen über den Bach. Hier sieht es ganz anders aus. Schön wild ist es hier, nichts gefegt und geharkt und wir sind ganz allein unterwegs.
 

 
Am Ausgang hängt ein sehr großes Plakat auf dem Papageien abgebildet sind. „Lasst sie frei fliegen,“ steht darunter. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Zurück in der Innenstadt laufen wir über den Markt und decken uns mit Obst ein: Soursop, Guave, Orangen, Ananas, Papaya, Wassermelone und Sapote. Einige kaufen wir bereits geschält und in mundgerechten Stücken. Für das viele Obst zahlen wir keine 3 €. Auf dem Rückweg spricht uns ein junges Paar an, das auf der Suche nach dem Markt ist. Die beiden kommen aus Hamburg und schnell sind wir mitten in einer Unterhaltung. Finja und Kevin sind fast ausschließlich per Anhalter unterwegs bund schlafen im Zelt. Ihr Tagesbudget ist extrem niedrig, kaum zu glauben wie sie das schaffen. Sie erzählen so spannend, dass wir sie gleich zu einem Getränk einladen, wir möchten einfach noch mehr hören. Südamerika haben sie hinter sich und sind gerade durch Mittelamerika gereist auf der Strecke, die wir vor uns haben. Bis zum Jahresende wollen sie weiterreisen und dabei die USA und Kanada kennenlernen. Ich bewundere das sympathische Paar über alle Maßen für den Mut, die Energie und die Bereitschaft auf so vieles Materielle zu verzichten, aber ich möchte nicht mit den Müttern der Beiden tauschen.
 

Und weiter durch das „Zentrum“ der 20.000 Einwohner zählenden Hauptstadt. Es gibt ringsherum ein paar Regierungsgebäude und großzügige Villen, die besonders großzügig mit Stacheldraht und allem möglichen gesichert sind. Doch wo sind die netten kleinen Läden, die Cafes und Restaurants und wo der Supermarkt, der ein größeres Warenangebot hat, von einer Mall ganz zu schweigen? Alles, was man von einer Hauptstadt erwartet, fehlt hier. Wir gehen extra zu Fuß zurück, um nichts zu übersehen – haben wir auch nicht.
Heute ist ein richtiger Glückstag. Am späten Nachmittag kommen neue Gäste an. Sabine und Kalli aus Holland sind auf einem schweren Motorrad schon 13 Monate unterwegs. Sie sind gut zwei Jahrzehnte jünger als wir und haben ihr Haus und fast allen Besitz verkauft, um Geld für ihren Reisetraum zu haben. Bis nach Mitternacht sitzen wir mit Beiden im Garten; erzählen und schwelgen in Erinnerungen. Hin und wieder holt uns Duddy mit einem Biss in Wade, Ferse oder Zeh in die Gegenwart zurück. Er ist so ein wonniger Hund, aber er braucht dringend Erziehung.
 

Am nächsten Tag können wir in unserem Garten einen spannenden Kampf beobachten: Die kleinere der Katzen hat eine Schlange aufgespürt.
P1000304Immer wieder attackiert sie das zusammen gerollte Reptil (30 bis 40 cm lang), aber das schnellt jedes Mal wie eine gespannte Feder nach vorn, um seinerseits die Katze zu erwischen. Als wir der Verwalterin die Fotos zeigen ist sie entsetzt, es handelt sich um eine sehr giftige Lanzenotter. Wenn ich sehe, dass der Gärtner barfuß seiner Arbeit nachgeht, wird mir ganz anders. Aber das sei nicht gefährlich versichern mir beide. Wenn die Schlange die Schwingungen durch menschliche Schritte spürt, sucht sie sowieso das Weite, na hoffentlich.
Am Abend sehen wir im Schein der Taschenlampe viele kleine leuchtende Pünktchen im Gras. Komisch, es hat doch gar nicht geregnet. Beim genauen Hinschauen entdecken wir die Verursacher, es sind ca. 1 Euro große Spinnen, deren Augen das Licht reflektieren. Für meine Gartendekoration möchte ich doch lieber etwas anderes.

Ambergris Caye / La Isla Bonita (Belize) „Oh, Madonna“

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Wir geben unseren Leihwagen pünktlich in Chetumal ab. Alles läuft ohne Probleme, höflich und freundlich ist in 5 Minuten alles erledigt. Der Taxifahrer, mit dem wir zur Busstation fahren möchten, erklärt uns wortreich, dass heute kein Bus nach Corozal/Belizeführe. Für 200 Pesos (9 €) würde er uns bis zur mexikanischen Grenze fahren. Wir können die Richtigkeit an Ort und Stelle nicht überprüfen und stimmen zu.

Bei der Ausreise aus Mexiko sind 568 Pesos pro Person fällig. Eigentlich ist das nicht richtig, denn man muss nur eine Einreisegebühr zahlen, die bereits im Preis des Flugtickets enthalten ist. Aber die Grenzbeamten bei Chetumal haben diese Einnahmequelle aufgetan und wollen keinesfalls darauf verzichten. Brav blättern wir die Scheine hin, bekommen eine briefmarkengroße Quittung und einen netten Gruß mit auf den Weg.

Hier wartet schon der belizische Kollege unseres Fahrers. Man ist sich einig: Heute fährt kein Bus. Mitgegangen, mitgefangen; wir laden unser Gepäck ins Auto und werden zur Einreisestelle gefahren. Mit unserem Gepäck müssen wir durch die Grenzkontrolle. Ein Beamter händigt uns ein Formular mit den üblichen Fragen aus: Name, Heimatadresse, Wohnort, Passnummer, Staatsangehörigkeit und der nächsten Adresse in Belize. „Name des Hotels reicht,“ erklärt er lächelnd. Seine Kollegin am Schalter sieht das aber ganz anders. Mit mürrischer Mine pocht sie auf das Formular: „Da fehlt die Adresse des Hotels!“ Was sie alles wissen will, wie lange wir bleiben wollen, warum wir überhaupt hier sind und einiges anderes. Akribisch schaut sie sich jede Seite im Reisepass an und herrscht uns an, wie wir aus Mexiko ausreisen konnten, wo wir doch gar nicht eingereist seien. Hier irrt die Dame, irgendwann erkennt sie dann das alles seine Richtigkeit hat und haut einen Stempel in die Pässe. Die Kollegin an der Gepäckkontrolle ist dann wieder die Freundlichkeit in Person.

Zurück zu unserem Taxi und nun sind wir in Belize, dass zwischen Mexiko und Guatemala liegt und bis 1981 Britisch Honduras hieß. Bereits 2.000 Jahre v. Chr. war das Gebiet von den Maya besiedelt. Zu einer wechselhaften Geschichte mit Kriegen, Eroberungen, Piraterie und Ausbeutung gesellte sich im 18. Jahrhundert auch noch der Handel mit afrikanischen Sklaven. Am Ende des damaligen Jahrhunderts betrug deren Anteil drei Viertel an der Gesamtbevölkerung. Die Maya wurden dabei nicht mitgezählt. Heute liegt der Anteil der Menschen mit afrikanischen Wurzeln bei rund einem Drittel der knapp 400.000 Einwohner. Belize ist in etwa so groß wie Hessen, nur dass in dem deutschen Bundesland 12,5 mal so viele Menschen leben.

Für die ersten drei Tage bleiben wir in Corozal, einer grenznahen Stadt am Meer. Die Hotelbesitzerin – eine ca. 60 jährige Maya – erzählt uns die Geschichte, besser Legende der Entstehung ihres Volkes. Beim Spaziergang durch die Stadt kommen wir zum Kulturzentrum, das in der ehemaligen Markthalle untergebracht is

Ausgestattet mit Stadtplan und Landkarte laufen wir zurück zum Hotel und gleich darauf ans gegenüber liegende Meer, es ist einfach zu verlockend. Strand gibt es hier nicht, aber an einer Stelle hat das Wasser die Ufermauer durchbrochen und hier vergnügen sich schon etliche Kinder. Sie sind erstaunt, dass Menschen in unserem Alter ins Wasser gehen. Noch größer ist die Verwunderung als sie merken, dass wir schwimmen können. Die wachsamen Mütter der planschenden Kinder sitzen auf der Mauer und schauen dem fröhlichen Treiben zu. Überaus freundlich werden wir begrüßt und ein wenig ausgefragt. Die Menschen in Belize sprechen fast alle drei Sprachen: Spanisch, kriol und englisch, weil das die Amtssprache ist.

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Am Abend im Restaurant kommt der Manager zu uns an den Tisch, er ist gebürtiger Türke, hat aber im Alter von acht Jahren sein Heimatland verlassen. Er lebt sehr zufrieden in Belize und beantwortet auch gern unsere Fragen, z.B. nach den vielen chinesischen Supermärkten in der Stadt, die vielen Einheimischen ein Dorn im Auge sind. Weil sich die Ladenbesitzer zusammen tun und ihr Waren in großen Mengen einkaufen, können sie die Preise der lokalen Händler unterbieten. Viele von denen mussten schon aufgeben oder haben nur noch einen Marktstand.

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Auf dem Rückweg bewundern wir den „Supermond“, der einen langen silbernen Streifen auf das Wasser malt.

Entgegen unserer Gewohnheit stehen wir heute mal früh auf. Um 6.30 Uhr verlassen wir das Hotel. Die nette Besitzerin fährt uns mit ihrem eigenen Auto zum Bootsanleger. Es sind schon etliche Menschen dort, unsere Koffer werden gleich auf einen Wagen geladen und zum Boot transportiert. Zusammen mit anderen Gepäckstücken, Bergen von Toilettenpapier, mehreren Kartons, einer Waschmaschine und einem Kindersitz verschwindet alles nach und nach im Inneren des Bootes.

Dann dürfen auch wir an Bord. Wir wollen nach San Pedro auf der Insel Ambergris Caye. Eine Woche werden wir auf dieser karibischen Insel verbringen, der Madonna mit „La Isla Bonita“ ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. Das ist aber nicht der Grund für die Wahl (wir wussten es gar nicht), es ist einfach die am nächsten gelegene Insel.

Wer behauptet: „Wasser hat keine Balken,“ muss sich irren. Bei der Geschwindigkeit hat man das Gefühl, über Bahnschwellen zu brettern. Zwei Stunden braucht das Boot, um mit einer Zwischenstation die cirka 70 Kilometer bis nach San Pedro zurückzulegen. Hätte nicht einer der letzten Hurrikans einen Teil der Westseite abgerissen und so einen Wasserweg bis San Pedro geschaffen, müsste man um die Insel herum auf die andere Seite fahren.

Nach einem kurzen Weg sind wir mitten im Zentrum. Uns gehen die Augen über. Auf diesen Betrieb hat uns niemand vorbereitet.

Eine lange Schlange von Golf-Carts fährt an uns vorbei. Sie sind das angesagteste Gefährt auf der Insel. Nur die Taxifahrer haben „richtige“ Autos. Eines von denen bringt uns zum Hotel. Wir lassen unser Gepäck zurück und machen einen ersten Erkundungsgang.

Herrlicher Duft lockt uns in ein Cafe. Gerade wird hier Kaffee geröstet. Die amerikanische Besitzerin erzählt uns, dass sie seit 6 Jahren ihren Betrieb hier hat. Sie verwendet ausschließlich Bohnen aus Guatemala und auch nur von einer Sorte. Müssen wir natürlich probieren. Er schmeckt gut. Noch besser fände ich ihn, wenn er in einer Tasse statt eines Pappbechers serviert würde.

Am Strand wartet eine Enttäuschung auf uns. Was wir hier sehen, will irgendwie nicht mit der Vorstellung von Karibik übereinstimmen. Über die vielen Hotels muss man ja wohl hinweg sehen, aber was da alles ins Wasser gebaut wurde: Bars, Tauchschulen, Buden für alle Arten von Vergnügungstouren. Es sieht aus, als wäre die Stadt aus allen Nähten geplatzt und brauche nun Ausweichquartiere auf dem Wasser.

Am Ufer türmen sich Berge von Braunalgen. Zwar stand in einigen Reiseberichten etwas von Seegrasvorkommen, aber was hier im Wasser und an Land ist, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Vermutet wird, dass diese Algen aus der Sargassosee kommen und sich jetzt an karibischen Stränden breit machen. Einmal auf den Strand gespült, beginnen sie zu verrotten und setzen Amoniak und Schwefelwasserstoff frei. Dabei stinken sie nach faulen Eiern und können Kopfschmerzen, Unwohlsein, Augentränen und Asthma auslösen. Was wird nicht alles versucht, dieser Plage Herr zu werden: Zäune im Wasser sollen sie aufhalten – erfolglos. Jeden Tag sind etliche Menschen damit beschäftigt, die Pflanzen zusammen zu rechen. Teils werden sie vor Ort in tiefen Gruben verbuddelt, teils mit allen möglichen Gefährten abtransportiert. LKW-weise werden sie ins Inland gebracht und dort von Landwirten als Dünger verwendet. Direkt vom Strand aus ins Wasser zu gehen, ist unmöglich. Wir hatten uns so auf eine Woche mit schwimmen und schnorcheln gefreut. Kann man alles machen, aber nur per Boot und die Preise sind total überhöht. Halbtägige Schnorcheltouren kosten zwischen 35 und 75 US$ pro Person, Tauchen ist natürlich noch teurer.


Hätten wir doch bloß vorher gründlicher gelesen, aber das Zauberwort: KARIBIK hat wohl die Sinne vernebelt. Nun sitzen wir eine Woche auf dieser Insel fest und müssen das Beste daraus machen. Trotz Braunalgen laufen wir am liebsten am Strand entlang und beobachten die Seevögel; denn auf den Hauptstraßen fahren die Golf-Karts beinahe Stoßstange an Stoßstange hintereinander und verbreiten ihre Dieselabgase. Offenbar gehört es dazu, bereits am Morgen als Fahrer oder Beifahrer eine offene Bierflasche in der Hand zu halten. Das Land jenseits der zukünftigen Mauer stellt hier den Löwenanteil der Touristen und bei dem wenigen Jahresurlaub den sie haben, wollen die Menschen in der knappen Zeit: Fun, Fun, Fun. Die Preise spielen dabei offenbar keine Rolle, sonst könnten die Restaurants nicht zwischen 25 und 50 Belize Dollar (2 BZ$ = 1 US$) für eine Pizza verlangen.

In Zukunft werden wir noch mehr auf die golden Regel achten: Meide Orte, die durch Filme, Songs oder Bücher weltbekannt geworden sind.

San Ignacio und Xunantunich (Belize)

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Der Abschied von unserem Häuschen in Belmopan fällt uns echt schwer. Wir haben uns so wohl gefühlt, aber so geht es, wenn man auf Reisen ist.
Die Strecke zu unserem nächsten Ziel ist nicht weit, eine Stunde braucht der Bus nach San Ignacio im Westen von Belize. Es wird wieder bergig, schöne große Grundstücke und hübsche bunte Häuser sind links und rechts der Straße zu sehen. In dieser Jahreszeit blühen viele Büsche und Bäume und dann noch das Pink, Gelb, Orange, Grün und Türkis der Häuser. Unweigerlich muss man lächeln, man kann gar nicht anders.

Auch San Ignacio ist hügelig und weil kein Taxi in der Nähe ist, ziehen wir unsere Koffer den Berg hoch zu unserem Hotel. Verschachtelte Treppen führen in die oberste Etage. Auf die Klimaanlage verzichten wir, pro Person und Tag werden dafür 10 US$ fällig. Strom ist teuer in Belize und wir helfen uns mit dem altbewährten Durchzug. Vom Zimmer aus sind wir mit in paar Schritten auf der Dachterrasse. Zwar wird die in erster Linie zum Wäsche trocknen benutzt, aber der Rundumblick ist trotzdem großartig. San Ignacio ist nicht größer als Belmopan, wirkt aber städtischer. Der Markt ist größer, es gibt mehr Geschäfte und Restaurants.

Abends im vollen Lokal bieten wir einem Paar einen Platz an unserem Tisch an. Natürlich kommen wir ins Gespräch mit den Landsleuten aus Dresden. Sie sind wie wir Langzeitreisende, nur um etliches jünger. Wir erzählen uns gegenseitig unsere Pläne und berichten von bereits Erlebtem. Sie haben ebenfalls Calakmul in Mexiko besucht und dabei viele Tukane gesehen. Ich bin richtig neidisch. Jeden Tag hoffe ich einen dieser Vögeln mit dem markanten Schnabel zu sehen, bisher vergeblich.
Am nächsten Morgen noch einmal das gleiche Spiel. Im Lokal ist es proppenvoll, wir müssen warten. Da es nur Vierertische gibt, biete ich den nach uns Kommenden „Asyl“ am nächsten frei werdenden Tisch an. Es ist ein junges Paar aus der Schweiz, das uns nun gegenüber sitzt. Auch diese Beiden sind bereits seit längerer Zeit unterwegs. Sie haben sich ein altes VW-Postfahrzeug zum Wohnmobil ausgebaut und von Bremerhaven nach Tacoma an der Westküste der Vereinigten Staaten verschifft. Durch die USA und Mexiko haben sie es bis hierher geschafft. Wir sind so ins Gespräch vertieft, dass es beinahe 12 Uhr ist, als wir uns trennen. Hoffentlich sehen wir die Beiden wieder, Martin und Ladina haben uns so gut gefallen.
Für unseren ursprünglichen Plan – die Mayastätte Cahal Pech – ist es jetzt zu heiß. Wir gehen zum Schwimmen zum Fluss. An dieser tiefen Stelle sind wir allein, nur ab und zu kommt ein Boot vorbei. Am nächsten Wochenende ist Maya-Kanu-Wettbewerb, dafür wird trainiert. Und damit die Vorbereitung optimal verläuft, saust ein kleines ferngesteuertes Boot mit einer montierten Action-Camera hinterher und drum herum.

Zurück laufen wir über eine Eisen-Hängebrücke, die in ca. 15 Meter Höhe den Fluss überspannt. Erbaut wurde sie 1949, weil die Holzbrücke auf der anderen Seite nur gut 1 Meter über dem Wasser liegt und bei Hochwasser regelmäßig weggespült wird. Nach der Brücke geht es wieder bergauf und hier weist ein Schild die steile Straße hinauf nach links – der Fluchtweg bei Überschwemmung. Derjenige, der das Schild in 20 Meter Höhe über dem Fluss angebracht hat, muss ein Pessimist sein. Später erfahren wir, das ein Hochwasser vor etlichen Jahren die eiserne Brücke überflutete und einen großen Teil der Stadt unter Wasser setzte. Von wegen Pessimist, nur wir konnten uns so eine Wasserhöhe nicht vorstellen.

Am späten Nachmittag hat es etwas abgekühlt und wir machen uns auf den Weg nach Cahal Pech. Es geht ständig bergauf, das letzte Stück richtig steil. Als wir es geschafft haben, können wir gleich wieder umdrehen, gerade hat der Ticketschalter zu gemacht. Dafür belohnen wir uns mit einem leckeren Essen in einem hübschen Lokal, das uns das nette Paar aus der Schweiz empfohlen hat. Der hochgelobte Schokoladenkuchen passt leider nicht mehr hinterher, wir müssen also noch einmal wiederkommen.
Zwölf Kilometer weiter Richtung Westen liegt die Mayastätte Xunantunich. Schon einig Menschen haben uns erzählt, sie sei etwas ganz Besonderes. Ein Bus fährt ganz in die Nähe, und er steht sogar gerade an der Haltestelle. Eine Mutter mit ca. 18 Monate altem Söhnchen steigt auch ein. Kaum setzt sich der Bus in Bewegung, beginnt der Kleine zu weinen. Aus Weinen wird Schreien und schließlich Gebrüll. Der Fahrer hupt dagegen an, aber der Junge ist steigerungsfähig, er produziert ein sirenenartiges Geschrille. Die Hupe ist an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, der Schreihals nicht. Schließlich schnappt die Frau ihr Kind und steigt aus. Draußen und drinnen herrscht nun himmlische Ruhe und man sieht rundherum ein erleichtertes Aufblicken.

Kurze Zeit später hält der Bus am Mopan-Fluss. Eine Fähre mit Handkurbel-Antrieb bringt uns ans andere Ufer. Jetzt noch eine Meile bergauf. Gleich am Eingang ist ein kleines Besucherzentrum, in dem man sich über die „Steinerne Frau“ informieren kann. Ein Stück dahinter sehen wir die ersten Ruinen der ca. 1.300 Jahre alten Anlage. Etliche Gruppen sind schon mit Fremdenführern unterwegs. Dichter grüner Rasen überzieht das ganze Gelände wie ein Teppichboden. Die Pyramiden sind in gefälligem Abstand zu einander um sechs Plazas errichtet. Die meisten darf man besteigen, auch den größten und schönsten Tempel El Castillo, der das vollständigste Relief aller bekannten Pyramiden aufweist. Was man heute sieht, ist allerdings eine Nachbildung die vor das Original gesetzt wurde, um das unersetzliche Kunstwerk zu schützen. In 40 Metern Höhe haben wir einen herrlichen Blick auf die Anlage und bis weit hinüber nach Guatemala. „Sehen Sie nur,“ sagt ein Fremdenführer, „alles was grün ist gehört zu Belize. Das Graue ist Guatemala. Nächstes Jahr wird dort eine Mauer stehen.“ „Und Guatemala wird dafür bezahlen,“ ergänze ich. Wir zwinkern uns zu.
Was für ein schöner Ort. Wir sind für den Rest des Tages in gehobener Stimmung und dann noch Schokoladenkuchen.
P1010318Der Kellner erzählt uns, wie seine Oma Kakao kocht. Als wir erklären, dass wir den als Kinder ganz genauso zubereitet bekamen, ist er verblüfft: Ein Maya-Rezept, das man in Deutschland kennt.
P1010322Letztes Frühstück bei POP’s mit den köstlichen Fry Jacks (frittierten Teigtaschen). Dann laufen wir zum Busbahnhof. Während wir um die linke Ecke biegen, kommt von rechts der Bus. Das war Maßarbeit. Wir müssen zurück nach Belmopan, um dort in den Bus nach Punta Gorda im Süden des Landes zu steigen. Kurz vorher fragt der Schaffner, wo wir hinwollen. Und das Unglaubliche passiert, der nächste Bus wartet auf uns. Im Nu sind die Koffer umgeladen und wir erwischen den letzten freien Platz.

Rund 90 Kilometer fahren wir über den Hummingbird Highway durch die Ausläufer der Maya Mountains. Eine wunderschöne Strecke bis in die Nähe von Dargriga, dann ist es noch doppelt so weit bis nach Punta Gorda, der südlichsten Stadt in Belize. In vielen Teilen des Landes leben Mennoniten, während dieser Fahrt fallen sie uns das erste Mal auf. Einige Buspassagiere gehören diesen Religionsgruppen an, und ab und zu überholt der Bus ein Pferdefuhrwerk, das von einem Mann mit Latzhose, langem Bart und breitkrempigen Strohhut gesteuert wird.
Nach knapp sieben Stunden sind wir am Ziel. Punta Gorda liegt am Meer und ist die Hauptstadt der Provinz Toledo mit rund 6.000 Einwohnern. Den größten Bevölkerungsanteil haben die Garifunas, Nachkommen afrikanischer Sklaven und karibischer Indios. Die Stadt hat nicht viel zu bieten, Touristen verirren sich nur selten hier her und die Verwaltung hat die weit abgelegene Stadt vermutlich sehr oft bei der Verteilung von Steuergeldern vergessen.

Am nächsten Tag findet auf dem zentralen Platz eine Wahlveranstaltung statt. Bis zu unserem Hotelzimmer hören wir die Redner, verstehen können wir allerdings nichts, sie sprechen einen lokalen Dialekt. Später sehen wir, dass es darum geht das Land neu aufzuteilen. Aus den jetzt existierenden sechs Provinzen sollen nur noch zwei werden. Offenbar verspricht sich gerade der Süden davon Vorteile, denn heute wurden keine Kosten gescheut, den Menschen die Vorteile deutlich zu machen. Die Kinder stehen staunend vor einer riesigen Hüpfburg. Erst als wir vom Frühstück zurückkommen haben sich die ersten hinein gewagt.
Morgen werden wir Belize in Richtung Guatemala verlassen. Gerne möchten wir das restliche Geld in US Dollar umtauschen. Dafür müssen wir erst die Tickets für das Boot kaufen und unsere Reisepässe bei der Bank vorlegen. Nachdem ein Stapel Formulare ausgefüllt und abgestempelt ist, erhalten wir unsere 50 US $. Ein Auto auf Kredit zu kaufen ist vermutlich einfacher.

Livingston und Rio Dulce (Guatemala)

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Heute heißt es „Good bye, Belize.“ Das Boot soll um 14 Uhr den Hafen in Punta Gorda verlassen. Pünktlich finden wir uns am umzäunten Gelände ein. Ein paar Touristen warten bereits. Nach ca. 30 Minuten werden wir zum Ausreiseschalter gewunken. Um 80 Belize $ ärmer aber mit je einem neuen Stempel im Pass warten wir auf das Boot. Die Zeit verrinnt, wir stehen am Pier und nach und nach kommen weitere Passagiere hinzu. Ein Pick-up lädt 44 Kartons mit gezuckerter Kondensmilch ab, ein Boot aus der Gegenrichtung legt an, und dann dürfen wir unser Boot besteigen. Es ist rundherum offen, aber wenigstens ein Sonnendach ist vorhanden. Rettungswesten werden ausgeteilt, dann geht es los.

Bei zwei Meter hohen Wellen ist es ganz schön hart, wenn das Boot in ein Wellental knallt. Schwarze Plastikplanen werden verteilt, damit man sich vor dem Spritzwasser schützen kann.

Immer wieder treffen wir auf breite Streifen von Braunalgen. Erst kurz vor der Küste von Guatemala verschwinden sie plötzlich. Nach dem wilden Ritt legt das Boot nach ca. einer Stunde in Livingston an. Diese Stadt ist nur auf dem Wasserweg zu erreichen, es gibt keine Straßenverbindung zu anderen Städten.

Nach der Ankunft das übliche Gewimmel. Tuctuc-Fahrer (ja, hier werden sie mit „C“ geschrieben) wollen gleich die Gäste einsammeln, aber bei den Touristen haben sie noch kein Glück. Erst einmal müssen wir die Einreiseformalitäten erledigen. Bergauf und ca. 100 Meter weiter an der linken Seite liegt das Imigration-Office. Vermutlich hat man hier vor kurzem auf elektronische Datenerfassung umgestellt. Der Beamte hinter dem Schalter müht sich zehn Minuten mit dem ersten Pass ab, legt ihn auf einen Scanner, drückt Tasten und wird immer hektischer. Schließlich trägt er die Daten per Hand in ein Formular ein, haut seinen Stempel in den Pass und atmet erleichtert auf. Danach geht alles ganz schnell, diese Vorgehensweise ist er gewohnt und erledigt sie mit jahrelanger Routine.

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Nun kommt auch ein Tuctuc-Fahrer zu seinen Fahrgästen. Vier Kilometer sind es bis zu unserem Hotel, lässt er uns wissen und knattert los. Bergauf und bergab geht es. Wir können kaum glauben, dass diese Gefährte es schaffen, voll beladen die nächste Steigung zu erklimmen. Doch mit einem letzten Schnaufer nimmt es dann doch die letzten Meter bis zur Kuppe. Ein langes gerades Stück Strecke folgt. „La Pista,“ erklärt der Fahrer stolz. Das war die Start- und Landebahn für Militärflugzeuge. Danach ist Schluss mit lustig, jetzt geht es über ein Schotterpiste mit Löchern und Steinen in der Größe von Straußeneiern. Wie schon bei der Bootsfahrt beißt man am besten die Zähne zusammen um nicht mit blutiger Zunge anzukommen. Umsichtig kurvt der Fahrer um die größten Schlaglöcher und die entgegen kommenden Kollegen tun es ihm gleich. Was für ein Glück, dass alle so gute Bremsen haben.

Als er an einer Flussmündung anhält, können wir nicht glauben, dass das unser Ziel sein soll. Und wo bitte ist unser Hotel? Hilfsbereite Menschen deuten eifrig auf die gegenüber liegende Seite. Also los, ein Schräge hinauf, über die schwankende Hängebrücke und auf der anderen Seite wieder eine Schräge hinunter.

Dann noch 300 Meter am Strand entlang und „schon“ sind wir da. Ein kleines Ressort am Strand mit einzelnen Häuschen und zweigeschossigen größeren Häusern erwartet uns. Wir bekommen eines der Häuschen zugewiesen, die Wände sind aus Rundhölzern, das Dach aus Palmwedeln, die Fensteröffnungen mit Fliegengitter versehen. Vier Betten und ein halbhohes Schränkchen sind die einzigen Einrichtungsgegenstände. Aber wir haben ein eigenes Badezimmer.

Das Meer hat genau die richtige Temperatur. Auch nach über einer Stunde beginnt man nicht zu frösteln. Herrlich, auf dem Rücken zu liegen und den Seevögeln zuzuschauen. Pelikane und Fregattvögel gleiten häufig in nur wenigen Metern Höhe über die Wasseroberfläche.

Um eine SIM-Card zu kaufen und Bargeld zu holen lassen wir uns wieder nach Livingston fahren. Rund 18.000 Einwohner zählt die Stadt und die setzen sich aus Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft zusammen. Eine sympathische und hübsche Stadt, die wir nach drei Tagen verlassen.

Wieder steht uns eine Bootsfahrt bevor. Livingston liegt an der Mündung des Rio Dulce. Auf diesem Fluss werden wir ins Landesinnere fahren.

Das Boot hat dieselbe Größe, wie das mit dem wir von Belize gekommen sind. Anfangs ist der Fluss höchstens 50 Meter breit und die Fahrt verläuft angenehm ruhig. Links und rechts an den Ufern sitzen Mengen von Reihern und Kormoranen in den Bäumen. Auch Pelikane haben hier ihr Brutgebiet. Nach und nach wird der Fluss bis zu 200 Meter breit und damit auch welliger und die Fahrt ruppiger. Am Ufer sind hin und wieder kleine Hotels auszumachen. Die Landschaft ist herrlich, im Hintergrund die Berge, links und rechts üppiges Grün und wir mitten im klaren blauen Wasser. Viel zu schnell haben wir die 40 Kilometer hinter uns gelassen und kommen in Frontera Rio Dulce an. Wir steigen direkt in ein Wassertaxi und lassen uns zu einer kleinen Lodge an einem Seitenarm des Rio Dulce bringen, die nur per Boot zu erreichen ist.

Eine Woche werden wir hier im Naturschutzgebiet verbringen. Vom Bootssteg aus kann man direkt ins Wasser springen.

Kajaks liegen bereit, um die Nebenarme zu erkunden, und abends genießen wir die Kochkunst von Liesel, der Besitzerin. Sie hat fast alle Plastikartikel aus diesem kleinen Hotel verbannt. Als Trinkhalme werden Makkaroni verwendet. Die benutzten bekommen Fische oder Vögel. Morgens ab vier Uhr geben die Brüllaffen Konzerte. Sie müssen direkt auf dem Baum vor unserem Zimmer sitzen. Wir hören sie häufig, bekommen sie aber nie zu Gesicht.

An einem der Tage fahren wir mit dem Boot zur Stadt. Kurz vor dem Hafen taucht neben unserem Boot ein Manati (Seekuh) aus dem Wasser auf. Das nennt man Glück! Was für ein Betrieb in der Stadt, dicke Lastwagen fahren nicht gerade in Schrittgeschwindigkeit auf der Hauptstraße, auf der links und rechts Marktstände aufgebaut sind. Viel Platz zum Laufen bleibt nicht und man muss höllisch aufpassen. Zum Glück ist es nicht weit, bis zur Abfahrtstelle eines Colectivo (Kleinbus), mit dem wir zum Wasserfall Agua Caliente fahren wollen. Hier wird uns wieder gezeigt, dass ein Bus mit 14 Sitzplätzen viel mehr Kapazität hat. 25 Passagiere zähle ich im Bus. Wie viele auf dem Dach sitzen, kann ich nicht feststellen. Die in Asien verwendeten Kinderhocker als Zusatzbestuhlung  scheinen hier noch nicht bekannt zu sein, dafür beherrscht man hier die Kunst, mindestens fünf Passagiere aus der Tür hängend zu transportieren.

Nach ungefähr 30 Kilometern wird uns bedeutet, hier auszusteigen. Sofort stürzen eine Frau und mehrere Kinder mit Kokosnüssen auf uns zu. Sie sind enttäuscht, dass wir nichts kaufen und fragen nach Schreibstiften. Haben wir auch nicht dabei. Der Mann, der die Eintrittskarten verkauft, verscheucht sie. Ein Stück weiter werden Bananenpfannkuchen angeboten. Wir kaufen ein paar und essen sie gleich auf dem Weg.

Nach 10 Minuten sind wir da. Aus 15 Metern Höhe stürzt ca. 60 Grad heißes Wasser in den Fluss. Je nachdem, wie nahe man dem Wasserfall kommt, kann man sich seine Badetemperatur selbst aussuchen. Auch aus dem Boden sprudelt es an manchen Stellen unangenehm heiß. Das ist aber an den aufsteigenden Blasen gut zu erkennen und zu umgehen. Nicht nur, dass man hier bei idealer Temperatur im Wasser sitzen kann, sondern es gibt auch kleine Fische, die nur darauf warten, Hautschuppen abzuknabbern. Nicht unangenehm, aber es kitzelt ganz schön.

Auf dem Rückweg fragt uns ein Mann, ob wir mit dem Colectivo fahren wollen. Dann deutet er auf seine Uhr. Wir sind offenbar spät dran. Er nimmt sich sofort der Sache an und läuft Richtung Straße. Tatsächlich hält der kleine Bus gerade. Wir sind bestimmt noch 200 Meter entfernt, aber hier wartet man auf Passagiere. Und als Belohnung bekommt unser Begleiter vom Busfahrer einen Schein zugesteckt.

Wir sind tatsächlich in einem Chickenbus gelandet. Ich sitze neben zwei Maya-Frauen in landestypischer Tracht, die während der Fahrt ihre Kinder stillen. Eine hat zwei Beutel dabei, aus denen Hühner ihre Köpfe strecken. Empörtes Gegacker, wenn in Kurven der kleine Sohn auf die Beutel fällt. Der Busfahrer hält auf Handzeichen. Eigentlich ist der Bus voll, aber die sechs am Straßenrand wartenden Personen kommen auch noch unter.

Zurück in der Stadt laufen wir auf die Brücke, die an der engsten Stelle des Flusses gebaut wurde. Kurz dahinter beginnt der Lago Izabal, der größte See Guatemalas. Flächenmäßig ist er größer als der Bodensee. Durch den Rio Dulce gibt es eine Verbindung zum Meer. Fluss und Meer werden heute so wie früher als Rückzugsgebiet genutzt. Heute bringen Freizeitkapitäne ihre kostspieligen Motor- und Segelyachten vor Hurrikans in Sicherheit, früher suchte man hier Schutz vor Piraten. Eigentlich wollen wir um 17 Uhr abgeholt werden, aber das klappt heute nicht. Ein paar Whats-App und ein Telefonat später – inzwischen sind eineinhalb Stunden vergangen und es ist dunkel geworden – kommt unser Boot. Die Tochter der Besitzerin feiert heute Hochzeit, da ist die Organisation ein wenig durcheinander geraten. Für die Wartezeit werden wir mit einer Bootsfahrt vorbei an wunderschön gelegenen und beleuchteten Häusern belohnt. Dazu über uns ein wunderbarer Sternenhimmel.

Die Sinterterrassen von Semuc Champey (Guatemala)

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Die Zeit im Schlemmerparadies ist nun auch zu Ende. Von Liesel haben wir uns schon gestern verabschiedet, sie muss nach Guatemala City. Ihre hilfsbereiten Mitarbeiter kümmern sich darum, dass wir rechtzeitig mit dem Boot zum Backpacker Hotel gebracht werden, wo uns ein Shuttle abholen wird.

In den zwei Stunden bis zur Abfahrt geht Klaus noch zum Frisör, stocken wir unseren Bargeldvorrat auf und lassen uns im Sundog Cafe leckere Brote für die Busfahrt machen.

Im Kleinbus sitzen bereits drei Personen, und viel mehr scheinen es nicht zu werden, denn der Fahrer verstaut unsere Koffer auf dem Rücksitz und nicht auf dem Dach. Die ersten Kilometer fahren wir dieselbe Strecke wie zum warmen Wasserfall. Bis El Estor ist die Straße in gutem Zustand. Aber als wir das Ende des Lago Izabal erreichen, rumpeln wir wieder über eine Schotterpiste. Die linke Fahrbahn ist betoniert, und wenn es möglich ist, fährt unser Busfahrer auf der falschen Seite. Kurz darauf müssen wir die Komfortzone verlassen, es geht auf unbefestigter Straße durch die Berge. Schmale Straßen, viele Kurven, ärmliche Dörfer aber eine wunderschöne Landschaft.

Die vielen Berge präsentieren sich gewellt, gefältelt oder geknifft mit spitzen Zacken oder gerundet. Sie sind alle bis zu den Gipfeln bewachsen. In einem kleinen Dorf machen wir eine kurze Pause. Hunde räkeln sich im Staub der Straße. Sofort sind wir von ein paar Kindern umringt, die ein wenig verschämt um ein paar Münzen bitten. Die Mädchen tragen ab etwa 10 Jahren die knöchellangen weiten Röcke aus gewebten Maya – Stoffen. Die etwas älteren sind anscheinend dafür zuständig, Trinkwasser von der einzigen Wasserstelle im Ort zu holen. Sie balancieren die vollen amphorenartigen Plastikgefäße auf dem Kopf und bringen sie zu den entfernten Häusern.

Weiter geht es über die holperige Strecke. Männer mit Schaufeln stehen ab und zu auf der Straße. Sie schütten die tiefsten Löcher zu, dafür steckt ihnen unser Fahrer einen Schein zu. Schneller als 30 Stundenkilometer kann er trotzdem nicht fahren. Wir sind mitten im Dschungel, unvermittelt stoßen wir immer wieder auf Dörfer.

Unvorstellbar, wie die Menschen hier leben. An einer ärmlichen Kate hält unser Busfahrer an, um Kürbisse einzukaufen. Die hochschwangere Frau ist von vier Kindern umringt. Ob das alle sind?

Inzwischen ist es 17.30 Uhr und die Kinder kommen uns in den kleinen Ansiedlungen gruppenweise in ihren Schuluniformen entgegen. Unterricht wird hier vor- und nachmittags abgehalten. Die Nachmittagsgruppe hat nun auch Schulschluss. Noch mehrere Kilometer von der Schule entfernt sieht man sie nach Hause laufen. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Stadt Santa Maria Cahabon. Schmale asphaltierte Straßen führen in engen Kurven bergauf und bergab. Es sieht aus, als würde der Bus mitten durch den Markt fahren. Schade, dass wir hier nicht anhalten. Es ist bestimmt ein Erlebnis in dieser Stadt herumzulaufen und Touristen scheinen hier auch selten herzukommen.

Wir haben gedacht, schlimmer kann die Strecke nicht werden, aber da haben wir uns getäuscht. Die letzten 40 Kilometer fahren wir durch eine Großbaustelle. Hier wird vermutlich eine Straße gebaut, die Touristen schneller zur Attraktion Semuc Champey bringt. Der Bus quält sich über die aufgerissene Erde. Die Höchstgeschwindigkeit liegt jetzt bei 10 Stundenkilometern. Man kann den Busfahrer nur bewundern, er weiß stets, auf welcher Seite der zukünftigen Straße er am besten voran kommt. Hin und wieder tauchen im Scheinwerferlicht ein paar Gesichter auf. Vereinzelte Lichter zeigen, dass irgendwo noch Ansiedlungen sein müssen.

Nach sechs Stunden – es ist inzwischen 20 Uhr – haben wir die 150 Kilometer Fahrstrecke geschafft und den Ort Lanquin erreicht. Ein paar Jugendliche stürzen auf den Bus zu und wollen wissen, in welchem Hotel wir gebucht haben. Sie dirigieren uns zu wartenden Pick-ups mit fantasievollen Aufbauten. Nach und nach versammeln sich 10 Fahrzeuge auf dem Platz.

Wir müssen warten, ein weiterer Shuttlebus ist unterwegs. Die nächste halbe Stunde vertreibt uns eine lautstarke Abendandacht(?) in der Kirche gegenüber. Lied folgt auf Lied, begleitet von rhythmischem Klatschen, gesprochen wird nicht. Dann kommt der Bus und wir haben umsonst gewartet, kein weiterer Fahrgast außer uns Vieren will in unser Hotel. Für die letzten 10 Kilometer brauchen wir noch mal 40 Minuten. Das Auto hat getönte Scheiben, gut dass wir heute Vollmond haben, sonst könnte man gar nichts erkennen. Übervorsichtig lenkt der Fahrer das Auto auf eine Brücke, nachdem wir glücklich das andere Ende erreicht haben, sind wir endlich da. Wir freuen uns schon darauf, morgen alles bei Tageslicht zu sehen.

Unsere Erwartung hinsichtlich Lage und Aussicht wird noch übertroffen. Das Hotel liegt hoch über dem Fluss Cahabon und wir sehen vom Restaurant aus die Brücke, über die wir gestern gekommen sind. Die Schatten darauf sehen aus wie Löcher. Es sind Löcher, wie wir später feststellen. Die linke Fahrbahn ist unbefahrbar, die rechte nur unwesentlich besser. Eifrige Kinder machen uns auf die Lücken aufmerksam. Wahrscheinlich achten ihrer Meinung nach Touristen nie auf den Weg und stürzen hier reihenweise in den Fluss.

Wir laufen ein Stück am rechten Ufer entlang, als Manuel sich zu uns gesellt und als Begleiter anbietet. Wir nehmen ihn mit, zahlen am Kassenhäuschen 10 Quetzales (1,15 €) Eintritt pro Person und laufen den angelegten Weg weiter zum Wasserfall, der unterhalb der Sehenswürdigkeit Semuc Champey liegt.

Das Wasser ist unerwartet kühl, aber das hält uns nicht davon ab, hier schwimmen zu gehen. Rechts ist ein großes ruhiges Becken, das von oben rieselnde Wasser ist etwa 5 Grad wärmer. Links kommt der Fluss aus einer Felsspalte und erzeugt eine starke Strömung. Manuel bleibt besorgt an meiner Seite. Erst als er überzeugt ist, dass ich eine sichere Schwimmerin bin, geht er seinem Vergnügen nach. Er hangelt sich am Seil den Felsen hinauf und springt mitten in die Strömung.

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Er begleitet uns zurück zum Hotel und zeigt uns unterwegs Kardamompflanzen. Die Ernte ist schon vorbei, aber eine grüne Beere findet er noch. Die Kerne schmecken würzig und ein bisschen scharf. Am nächsten Morgen will er um 9 Uhr im Hotel sein und uns nach Semuc Champey begleiten.

Wir erwarten abends unsere Reisebekanntschaft Vanessa. Am Rio Dulce haben wir uns das erste Mal getroffen und zufällig dasselbe Hotel in derselben Zeit gebucht. Wir sind schon unverbindlich für eine gemeinsame Wandertour verabredet.

Der nächste Morgen bringt trübes und regnerisches Wetter, und wir beschließen, die Tour zu verschieben und unseren Aufenthalt um einen Tag zu verlängern. Auf Manuel müssen wir dabei verzichten, er hat sich bereits mit einer Gruppe verabredet.

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Und so sitzen wir im strömenden Regen auf unserer überdachten Terrasse und schauen auf große Kakaobäume, die voller Früchte hängen. Als der Regen gegen Abend nachlässt, laufen wir einen knappen Kilometer weiter zu einem anderen Hotel. Vanessa hat erfahren, dass das Essen dort besser sein soll, als in unserem Hotel, außerdem wohnt eine andere Reisebekanntschaft von uns Dreien dort.

Das mit dem Essen stimmt wirklich. Und als Golan, der charismatische Besitzer, uns später noch zu unserem Hotel fahren lässt und Vanessa einen Gutschein für einen besonderen Nachtisch für den nächsten Tag zusteckt, ist es beschlossene Sache: „Wir kommen wieder.“

Nach dem Frühstück geht es pünktlich um 8 Uhr morgens los. Der Eingang zum Park Semuc Champey liegt nur 100 Meter von unserem Hotel entfernt. Schon um diese Zeit haben die Mayas Stände aufgebaut. Da wird Obst und Gemüse geschnitten, Fleisch und Fisch gebraten und landen Tortillas auf den heißen Platten.

Wir kaufen Wasser und Obst und laufen den gekennzeichneten Weg zum Mirador, dem 350 Meter höher gelegenen Aussichtspunkt. Es geht ständig bergauf, mal sind es Felsenstufen, mal Holztreppen. Schweißtreibend und anstrengend ist das für uns. Vanessa, die nicht mal halb so alt ist wie wir, bewältigt das alles spielerisch. Am Rand des Weges sitzen schon Mayafrauen und bieten Kokosnüsse zum trinken an. Sie müssen mit ihrer Last auch hier hoch gelaufen sein. Als wir die Aussichtsplattform erreichen, sind wir wirklich die ersten Touristen und haben den Blick ganz für uns allein. Wunderschön liegen die wassergefüllten Sinterterrassen unter uns im Sonnenlicht.

Das Ganze ist eine geologische Besonderheit. Vor den Terrassen verschwindet der Fluss in den Felsen unterhalb der Sinterterrassen und kommt erst ein paar hundert Meter weiter am vorgestern besuchten Wasserfall wieder heraus. Die Becken werden von kleinen Nebenflüssen, die aus den Bergen kommen gefüllt. Der Name Semuc Champey bedeutet in der Mayasprache „der Fluss der verschwindet.“

Nachdem wir uns satt gesehen haben und die erste Gruppe kommt, gehen wir auf einem anderen Weg bergab zu den Wasserbecken. Es ist äußerst rutschig auf den Steinen und ich bin wieder mal glücklich über die in Mexiko gekauften Badeschuhe. Wir packen unsere Sachen in die hölzernen Schließfächer, bringen das mitgebrachte Vorhängeschloss an und stürzen uns ins Wasser. Ein Becken nach dem anderen wird durchschwommen.

Wir sitzen auf Steinen und es dauert nur ein paar Minuten, bis ein paar kleine Fische kommen und anfangen, an unseren Füßen und Beinen zu knabbern. Als es nach zwei Stunden immer voller wird und der Geräuschpegel steigt, ist für uns die Zeit zum Aufbrechen gekommen. Der Rückweg ist längst nicht mehr so anstrengend, wie der Hinweg. Trotzdem sind wir ziemlich kaputt, als wir den Ausgang erreichen. Wir nehmen uns von den Ständen noch etwas zu Essen mit, und dann wollen wir nur noch die Beine hochlegen.

Am Abend wollen wir nochmal ins Hotel Greengos. Wir werden gleich wiedererkannt und freundlich begrüßt. Der spendierte Nachtisch namens „Hummustella“ ist eine Kalorienbombe aus einer Schicht Nutella, gekrönt von Erdnussbutter und übergossen mit einer zartbitteren Schokosoße. Dazu gibt es heißes Pittabrot. Es schmeckt unglaublich gut. Einer der Mitarbeiter gibt uns Tipps zur Stadt Coban, die wir am nächsten Tag besuchen wollen. Zwei Gäste des Hotels bekommen das mit und bieten uns an, uns in ihrem Auto am nächsten Morgen mitzunehmen. Golan lässt uns wieder zurückfahren und wir nehmen eine wunderbare Erinnerung an diesen Ort und seine besondere Atmosphäre mit.

Cobán und der Kaffee (Guatemala)

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Es ist nach acht Uhr am Morgen und während wir auf das nette Ehepaar warten, das uns heute nach Cobán mitnehmen will, beobachten wir Montezumastirnvögel.

In den hohen Bäumen hängen viele ca. einen Meter lange gewebte Nester. Von unten sehen sie wie etwas schlampig gestrickte Beutel aus. Aber es kommt ja nicht auf Schönheit sondern in erster Linie auf Haltbarkeit an. Schließlich müssen sie nicht nur zwei Eier sondern auch noch das brütende Weibchen, das bis zu 40 cm groß und über 200 Gramm schwer ist, sicher halten. Hier scheinen die Jungen schon geschlüpft zu sein, denn ständig fliegen Vögel hin und her. Dabei stoßen sie glucksende, leicht blubbernde Töne aus. Ein Männchen ist meistens der Vater der ganzen Nachkommenschaft und kann sich natürlich nicht um die Aufzucht kümmern.

Ich habe bestimmt schon 50 Fotos gemacht, als Axel und Ema vor dem Hotel ankommen. Sie fahren einen Pick-up, auf dessen Ladefläche schon ein Backpacker-Pärchen sitzt. Unser Gepäck kommt dazu und wir nehmen zusammen mit Vanessa auf dem Rücksitz Platz. Vorsichtig lenkt Axel das Fahrzeug über die löchrige Brücke und tritt dann gehörig aufs Gaspedal. Unglaublich, in welcher Geschwindigkeit er diese holprige und kurvenreiche Strecke fährt. „Wie ein Ralley-Fahrer,“ meint Klaus und damit hat er Recht, Axel ist einer.

Nach 10 Kilometern klettern die Mitfahrer in Lanquin leicht grün im Gesicht von der Ladefläche. Für uns geht es weiter. Nach ungefähr 30 Kilometern treffen wir wieder auf eine befestigte Straße. Man weiß gar nicht, ob man nach links oder rechts schauen soll, wieder ist die Landschaft unglaublich schön.

Auf Emas Bitte hin hält Axel einige Male an. Wir werden auf Kaffeeplantagen aufmerksam gemacht. Ema zeigt uns eine Kardamomanpflanzung. Guatemala ist der größte Exporteur dieses dritt-teuersten Gewürzes weltweit. Nicht nur in der indischen und skandinavischen Küche wird es verwendet, auch im medizinischen Bereich sind die Wirkstoffe für eine Vielzahl von Erkrankungen hilfreich.

Der Cahabón-Fluss, an dem wir uns die letzten Tage aufgehalten haben, begleitet uns weiter in Richtung Cobán. Einige Staudämme wurden in den letzten Jahren gebaut, um den größer werdenden Bedarf an elektrischem Strom zu sichern.

In San Pedro Carchá ist gerade Markt. Als Axel merkt, dass Vanessa und ich fotografieren, dreht er noch mal eine Runde durch die Innenstadt. Die lebhafte Kleinstadt ist ein Handelszentrum für Kaffee, Kardamom und Gemüse, das von den Maya im weiten Umland angebaut wird. Einen besonderen Namen hat sich die Stadt in der Silberverarbeitung gemacht. Zehn Minuten später sind wir in Cobán und bei Axels Firma angekommen. Er begibt sich sofort an die Arbeit und Ema bringt uns zum Hotel. Aber vorher zeigt sie uns ihr Projekt.

Auf einem hügeligen Grundstück am Stadtrand entsteht eine kleine Lodge. Die zukünftigen Gäste werden in großen alten Weinfässern übernachten. Drei wurden schon aufgestellt davor eine hölzerne Plattform, zur Zeit noch ohne Geländer. Das sowie ein Badezimmer pro Fass wird in nächster Zeit angebaut werden. Das nötige Wasser muss von einer tiefer liegenden Quelle hochgepumpt werden. Drei weitere Fässer sollen folgen. Die Lage ist wunderschön, die Idee originell, wir drücken die Daumen, dass das Projekt ein Erfolg wird.

Bevor wir zu unserem Hotel kommen, zeigt Ema uns noch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Cobán. Ihre Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit haben wir bestimmt der Tatsache zu verdanken, dass sie einen deutschen Großvater hat, der in den 1920er Jahren mit der zweiten Einwanderungswelle aus Konstanz gekommen ist. Aus seiner Ehe mit einer Einheimischen gingen 15 Söhne hervor. Ob die ähnlich vermehrungsfreudig waren, wissen wir nicht, aber Ema hat viele Verwandte. Der Metzger, der Wurst nach deutschem Rezept herstellt, ist ein Cousin, die Besitzerin eines empfohlenen Restaurants eine Cousine. Während der Rundfahrt deutet sie nach links und rechts und erwähnt weitere Angehörige der Großfamilie.

Wir bedanken uns herzlich für die Mitnahme und tauschen Telefonnummern aus. Irgendwann will Ema nach Deutschland kommen und sich bei uns melden.

Cobán, die Stadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern, hat gemäß einem bekannten Reiseführer so gar nichts zu bieten. Das ist uns nur recht. Wir sind ja nicht nur unterwegs, um die Sehenswürdigkeiten abzuhaken, uns interessiert vielmehr das normale Leben der Menschen. In Cobán gibt es eine deutsche Gemeinde. Schon im frühen 19. Jahrhundert sind viele Deutsche nach Guatemala ausgewandert. Da die Gegend um die Stadt ideale Bedingungen für den Kaffeeanbau bietet, ließ die Gründung der ersten Plantagen nicht lange auf sich warten. Die dort lebenden Maya wurden kurzerhand vertrieben oder durften auf dem in Besitz genommenen Land als Arbeitskräfte bleiben. Der evangelische Pfarrer Otto Langmann war so begeistert vom Nationalsozialismus in seinem Heimatland, dass auf seine Initiative hin die NSDAP-AO gegründet wurde. Nicht alle Mitglieder der deutschen Kolonie ließen sich davon anstecken, eine Spaltung schien unabwendbar. In den USA verfolgte man diese Entwicklung mit zunehmender Nervosität und setzte letztendlich ab 1942 die Regierung des Landes unter Druck, die Deutschen auszuweisen. Das kleine Guatemala – abhängig von der finanzstarken Großmacht – hatte nicht die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Viele der Ausgewiesenen landeten in den USA und wurden zu einem wertvollen Pfand im Gefangenenaustausch. Nach Ende des zweiten Weltkrieges kehrten die meisten zurück. Noch heute ist ein großer Teil des Kaffeeanbaus fest in den Händen der Nachkommen jener Deutschen und deren Namen finden sich an Geschäften und auf Produkten. Immerhin hat der Pioniergeist unserer Landsleute Guatemala zu einem Kaffeeexporteur gemacht, der für seine hohe Qualität bekannt ist. Trotzdem gerät man beim Trinken des in den Lokalen angebotenen Kaffees nicht gerade in Verzückung. Für unseren Geschmack ist er einfach zu dünn.

Nach der Ankunft schauen wir uns die Innenstadt mit einem modernen Einkaufszentrum an. Ich freue mich darüber, dass hier kaum international bekannte Marken vertreten sind. Trotzdem gibt es alles, tolle Schuhe, Mode, Elektroartikel usw. Der Frisör hier kommt mir sehr gelegen, es gibt kaum Damenfrisöre. Die Mayafrauen tragen die Haare alle lang. So fragt die junge Frau auch zweimal nach, ob sie wirklich eine Handbreit von meiner Haarlänge abschneiden soll.

Die geplanten zwei Tage hier müssen wir verlängern, Klaus hat vermutlich durch Streetfood eine Salmonellenvergiftung und kann sich nicht weiter als 5 Meter von der Toilette entfernen. Auch Vanessa geht es nicht so gut, sie fühlt sich grippig und so verschieben wir den Weg auf den Kalvarienberg auf den nächsten Tag.

Und wirklich, beiden Patienten geht es besser. Klaus und ich laufen zum Parque Central, an dem sich auch das Büro der Landesregierung befindet. Links davon steht die Kathedrale Santo Domingo, eine relativ schmucklose große Kirche. Dass die Bänke hochkant stehen, verblüfft uns auf den ersten Blick, aber vermutlich ist Großreinemachen angesagt. Schließlich ist in wenigen Wochen Ostern und dieses Fest ist in vielen Ländern Lateinamerikas wichtiger als Weihnachten.

Gleich um die Ecke beginnt der Obst und Gemüsemarkt. Immer wieder faszinieren uns die Bauernmärkte, wo Mayafrauen in ihrer Tracht Erzeugnisse aus dem Garten verkaufen. Manche sitzen mit zwei Körben Tomaten hier, andere haben verschiedene Ernteerträge im Angebot.

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kleine Stärkung nach der Schule

Nach dem Frühstück laufen wir die steile Straße hinab und landen in dem Teil des Marktes, wo Kleidung und Haushaltsgegenstände verkauft werden. Niemand versucht uns etwas zu verkaufen, daran merken wir, dass Touristen sich selten hier aufhalten.

irgendwie müssen die Einkäufe transportiert werden

Später treffen wir uns mit Vanessa am Fuß des Kalvarienberges und laufen gemeinsam die Treppe hoch. Hier wird an der Verschönerung gearbeitet, die Mauern werden frisch geweißt, und in der Kirche stehen die Figuren bereit, die während der Osterprozession herumgetragen werden.

Abends gehen wir noch einmal zusammen zum Essen, dann trennen sich unsere Wege. Aber heute Abend muss die Spezialität Cobáns auf den Tisch: Caq-ik – eine Suppe aus Geflügelbrühe, Tomaten, Chili und vielen Gewürzen, die mit einem sehr großen Stück Putenfleisch, Reis und Tamales (in Maisblättern gegarter Maisbrei) auf den Tisch kommt. Morgen fahren wir nach Antigua, während Vanessa nach Nebay fährt.

Antigua, die Schöne (Guatemala)

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Um halb elf sollen wir im Hotel abgeholt werden. Noch eine Viertelstunde, die ich für ein Telefonat mit meiner Mutter nutzen will, aber der Fahrer ist überpünktlich. Er bringt uns zum Treffpunkt vor dem Einkaufszentrum. Der Bus parkt neben einem international bekannten Fastfood-Restaurant vor dem großen Einkaufszentrum. Die Koffer kommen aufs Dach des Busses und wir haben noch eine halbe Stunde Zeit. Eine gute Möglichkeit, unser Elektronik-Equipment zu vervollständigen. Pünktlich kommen wir zurück, nicht so die anderen Fahrgäste. Der Busfahrer drückt ein paar Mal energisch auf die Hupe, bis sie sich bequemen.

Wir haben wirklich schon reizende Backpacker kennengelernt. Heute scheint von dieser Sorte niemand dabei zu sein. Wer zuvor allein eine Zweierbank ergattert hat, ist auch nicht bereit, die gegen einen Einzelplatz zu tauschen. Lieber werden die Füße samt Schuhen auf dem freien Platz ausgestreckt. Klaus und ich quetschen uns getrennt irgendwo dazwischen. Einige haben wohl zu spät mit dem Essen begonnen und kommen nun mit großen fettigen Tüten in den Bus. Es riecht wie in einer Imbissbude. Verschiedene Unterhaltungen werden über mehrere Sitzreihen in einer Lautstärke geführt, dass alle etwas davon haben. Aber: Die paar Stunden kriegen wir auch rum.

Außehalb von Cobán sind Straßenarbeiter dabei, den Müll an den Rändern der Straße aufzusammeln. Es ist wirklich auffällig, bisher ist Guatemala von allen Entwicklungsländern das sauberste.

Schnell sind wir wieder in den Bergen, wo große Flächen weiß oder schwarz verhüllt sind. In Gewächshäusern, die einfach mit Vliesplanen bedeckt sind, gedeihen Gemüse und Zierpflanzen, darunter viele Orchideen. Die Erzeugnisse werden direkt davor an Verkaufsständen angeboten. Nie zuvor gesehene Orchideenarten sind dabei. Die erbsen- bis aprikosengroßen Blüten sind weiß, blassgelb, rosa und lila oder zeigen Farbmischungen.

Über manche Geschäftsidee der Bevölkerung kann man nur staunen. Ein Hähnchengrill in einem leuchtend orange lackierten Tuctuc bringt mich zum schmunzeln. An drei Stangen drehen sich neun Hähnchen. Und nach der Anzahl der anstehenden Personen zu urteilen, müssen sie sehr lecker sein.

Wir kommen an einer Großbaustelle vorbei, stufenweise wird hier ein Berg abgetragen, um Material für den Straßenbau zu bekommen. Diese Strecke ist eine der meistbefahrenen im ganzen Land, führt sie doch in die Landeshauptstadt Guatemala City, die wir eine Stunde später erreichen. Hier zeigt sich ein ganz anderes Bild. Nur ganz wenige Mayafrauen sind hier in Tracht unterwegs. Westliche Kleidung – allem voran Jeans – ist angesagt. Die Millionenstadt auf 1.500 Metern Höhe wirkt chaotisch, laut und auf den ersten Blick wenig anziehend. Unser Bus durchfährt aber nur die Randbezirke, vermutlich sieht es im Inneren anders aus. Die Stadt wurde durch Erdbeben mehrmals zerstört und hat sich in den letzten Jahrzehnten immer schneller ausgebreitet, so dass die Slums zum Teil mitten in der Innenstadt liegen. Der Bus braucht beinahe zwei Stunden, bis er die Stadtgrenze erreicht. Zwar liegen noch die Städte Mixco und Villa Nueva zwischen uns und unserem Ziel, aber die Schnellstraße ermöglicht das Umfahren. Jetzt nur noch bergab und sechseinhalb Stunden nach Abfahrt sind wir endlich in Antigua.

Noch scheint die Sonne und schon der erste Eindruck sagt uns: „Hier sind wir richtig.“ Da sich kein Taxi zeigt, müssen wir die 850 Meter zu unserem Hotel zu Fuß gehen. Eigentlich kein Problem, aber an Klaus Koffer hat sich ein Rad gelöst, nun muss er den Koffer auf den vorhandenen kleinen Rädern über das holperige Kopfsteinpflaster ziehen. Doch auch dieser Weg geht zu Ende und wir können endlich eins von vier Zimmern in einem netten kleinen Hotel am Rande der Altstadt beziehen.

Am nächsten Morgen laufen wir los. Nach der Eroberung durch Spanien wurde Antigua 1543 Hauptstadt. Nach und nach entstanden prächtige Gebäude. Obwohl mehrere schwere Erdbeben die Stadt zerstörten, wurde sie immer wieder aufgebaut. In der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt alles, was die 50.000 Einwohner brauchten, mehr als 50 Kirchen und Kapellen, Schulen, Krankenhäuser und eine Hochschule. 1773 wurde die ganze Herrlichkeit durch ein Erdbeben komplett zerstört. Die Hauptstadt wurde darauf hin in gut 40 Kilometer Entfernung errichtet: Guatemala City. Doch wollte man Antigua nicht komplett aufgeben und baute erneut auf. Aber das Schicksal schlug 1976 erneut in Form eines schweren Erdbebens zu. Noch heute zeigen Ruinen die Auswirkungen. Die Altstadt ist Weltkulturerbe und man weiß wirklich nicht, wohin man zuerst schauen soll. Weiß getünchte Häuser wechseln sich mit bunt gestrichenen ab. Prächtige Kirchen, herrliche Innenhöfe, selbst die Ruinen liegen malerisch in der Sonne.

Wir durchstreifen die Stadt kreuz und quer. Natürlich ist solch eine Schönheit ein Touristenmagnet, aber die konzentrieren sich meistens auf den Bereich um die Kirche la Merced und den Santa Catalina Bogen.

Hier findet man auch die meisten Geschäfte, auch ein sogenanntes Schokolade-Museum, das aber in erster Linie ein großer Verkaufsraum ist.

Je weiter man in die Randbereiche vordringt, umso weniger Touristen laufen einem über den Weg. Mit einem Becher Frozen Yoghurt mit Früchten setzen wir uns in den Central Park und schauen zu, wie Mayafrauen das Kunststück fertig bringen, das Baby im Tragetuch auf dem Rücken zu haben und gleichzeitig noch weitere Tücher mit ihrem jeweiligen Warenangebot zu schleppen und zu etwas verkaufen.

Natürlich wird auch uns immer wieder etwas angeboten, aber meistens genügt ein einmaliges: „Nein danke.“ Kinder strömen aus der Schule kommend quer über den Platz, Bettler stellen ihre körperlichen Gebrechen zur Schau, dazwischen versuchen Tauben irgendetwas fressbares zu ergattern. Hunde schleichen herum, es ist ein herrlich buntes Leben und Treiben.

Klaus hat Geburtstag und wir essen abends in einem besonders schönen Restaurant. Unter freiem Himmel sind rund um ein mit Rosenblättern bestreutes Wasserbecken lange Lichterketten aufgehängt.

Der Tisch hinter unserem ist offensichtlich für einen romantischen Abend reserviert. Auf dem weißen Tischtuch stehen zwischen Rosenblättern eine Anzahl Kerzen. Ein junger Mann läuft aufgeregt hin und her, bis die sehnsüchtig erwartete junge Dame von ihren Eltern begleitet an seinem Tisch erscheint. Die Eltern verabschieden sich und lassen die jungen Leute allein. Das blutjunge Mädchen ist überwältigt, seine entzückten Laute hören sich an wie das Maunzen einer jungen Katze.

Am nächsten Tag gehen wir zum Cerro de la Cruz, dem Hausberg von Antigua. Treppenstufen führen in weiten Bögen hinauf.

Nach einer halben Stunde hat man von hier aus einen herrlichen Blick über die Stadt und auf den gegenüberliegenden Vulkan Agua, der so ebenmäßig aussieht wie aus dem Bilderbuch. Rechts davon die Zwillingsvulkane Acatenango und Fuego. Mit 3.976 Metern ist der Acatenango der höchste und der Agua mit 3760 Metern der niedrigste Berg. Nur der Fuego ist derzeit noch aktiv. Von hier aus können wir beobachten, wie er ziemlich regelmäßig kleine dunkle Rauchwolken ausstößt. Sportliche Menschen können Wanderungen auf den Acatenango unternehmen und entweder in der Nacht beobachten, wie die glühende Lava aus dem Fuego in die Höhe geschleudert wird oder wie die Sonne am Morgen hinter ihm aufgeht. Wie wir in den nächsten Tagen feststellen, haben wir den idealen Tag für den Aufstieg erwischt. Nur heute sind die drei Gipfel nicht von Wolken umhüllt.

Eine interessante Besichtigung kann man auch im Kapuzinerkonvent machen. Das große Kloster wird am heutigen Tag allerdings auf ungewöhnliche Art und Weise genutzt. Mitten im Innenhof wird alles für eine Hochzeitsfeier vorbereitet. Drei Tische sind gedeckt und die 35 Gedecke mit goldenen Platztellern funkeln in der Sonne. Geschäftiges Hin- und Herlaufen lässt die ursprüngliche Bedeutung dieses Ortes ein wenig in den Hintergrund treten. Aber wir sind in erster Linie am Turm der Zurückgezogenheit interessiert. Um einen runden Platz sind 18 kleine Zellen angeordnet, die jeweils einen eigenen Abtritt hatten. Zwei eingerichtete Zellen zeigen, dass die Nonnen außer einem Wandregal, einer Bank und einem Betstuhl keine weiteren Einrichtungsgegenstände hatten. Das 1736 fertiggestellte Kloster wurde bereits 40 Jahre später wieder aufgegeben, nachdem zwei Erdbeben es schwer beschädigt hatten.

In der Hauptkirche La Merced ist eine Besonderheit von Antigua zu besichtigen. Für die Osterprozession werden in der Stadt bunte Teppiche (Alfombras) aus Pflanzen oder bunten Sägespänen bzw. Sägemehl ausgelegt. In der Kirche ist ein solches Kunstwerk bereits zu besichtigen. Bevor es sorgsam abgesperrt wurde, ist jemand darüber gelaufen und hat in dem perfekt ausgeführten Muster ein paar Spuren hinterlassen.

Am Samstag wollen wir noch etwas besorgen und laufen zum „Kaufhaus“. Auf der einen Seite geht es in einen Supermarkt und durch einen engen Durchgang kommt man in eine Art Gemischtwarenladen, wo es einfach alles gibt, bis auf die Batterie für das Handy. Dafür müssen wir in die Markthalle.

Versehentlich geraten wir auf den außerhalb stattfindenden Obst- und Gemüsemarkt. Er ist eng, kunterbunt und laut. Ein paar selbsternannte Prediger haben sich eine Obstkiste gegriffen und lesen den größtenteils uninteressierten Mayas aus der Bibel vor. Anderswo wird getrommelt oder Musik gemacht, die Ausrufer preisen ihre Waren an, Kinder kreischen, Hunde bellen, es ist das pralle Leben. Zwischen allen Arten von Lebensmitteln werden auch Blumen und über 30 cm lange Nadeln der Pinien angeboten. Was macht man bloß damit?

Das Rätsel wird am nächsten Tag gelöst. Unser Bus fährt um 14 Uhr, und wir laufen nach dem Frühstück noch einmal in die Stadt. Der nette Hotelbesitzer hatte uns von einer heute stattfindenden Prozession erzählt. Einige Straßen sind bereits für den Autoverkehr gesperrt, aber wie wir von einer Polizistin erfahren, beginnt die Prozession erst um 16 Uhr. Und dann sehen wir auf der gesperrten Straße, dass die langen Piniennadeln zu einem rechteckigen Teppich ausgebreitet sind, darauf werden mit Blumen Ornamente gelegt. Ein Stück weiter sind mehrere Menschen dabei, gefärbte Sägespäne in Schablonen zu füllen und fest zu klopfen. Schon kleine Kinder helfen dabei mit. Wieder ein Stück weiter können wir die Fertigstellung eines Alfombra aus farbigem Sägemehl beobachten. Sobald eine Schicht liegt, wird sie mit Wasser besprüht, damit der Wind das Kunstwerk nicht zerstört. Männer in lilafarbenen Kutten laufen herum. Sie tragen an Ostern die Heiligenfiguren und den Sarkophag mit einer lebensgroßen Jesusfigur durch die Stadt. Dass die Blumenteppiche dabei vollständig zerstört werden, empfinden die Hersteller als Ehre. Die heruntergefallenen Blüten der Jakarandabäume haben fast dieselbe Farbe wie die Kutten und bilden auf den Wegen den perfekten Untergrund. Wir sind so froh, einen kleinen Einblick in die Festlichkeiten zu erhaschen, denn Ostern sind wir mit Sicherheit nicht mehr hier.

Die letzten zwei Stunden verbringen wir in dem hübschen Museum Santo Domingo. Außer dem sehenswerten Innenhof und der zerstörten Kirche sind in den umliegenden Räumen Gemälde, eine Apotheke, der Hörsaal der ehemaligen Universität, ein Raum mit Trachten und Spielzeug und eine alte perfekt ausgestattete Küche zu sehen. Besonders beeindruckend ist eine Halle, in der antike und moderne Skulpturen einander gegenüberstehen. Thematisch passend sieht man z. B. auf der einen Seite ein über 2000 Jahre altes Krokodil aus Jade auf der anderen ein gläsernes aus dem vergangenen Jahrhundert. Die modernen Kunstwerke stammen fast alle aus Europa. An die 50 Vitrinen beherbergen diese Kunstschätze.

Erstaunt sehen wir in einem der Innenhöfe den Berliner Bären. Er wurde der Stadt Antigua 2018 anlässlich des 26. Gipfeltreffens der iberoamerikanischen Staaten von der Bundesrepublik Deutschland geschenkt und hat hier einen Ehrenplatz bekommen.

Lago Atitlán – der schönste See der Welt (Guatemala)

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Der Hotelbesitzer fährt uns zur Abfahrtstelle des Busses. Normalerweise kommt der Shuttlebus direkt zum Hotel. Aber durch die heute noch stattfindende Prozession sind viele Straßen gesperrt, das kostet einfach zu viel Zeit. Etliche Reisende haben sich schon vor der Reiseagentur versammelt. Das wird bestimmt wieder eng. Als der Kleinbus eine halbe Stunde nach der Abfahrtszeit kommt, werden wir auf einen zweiten Bus mit demselben Ziel vertröstet. Dadurch stehen wir jetzt als erste an der Haltestelle, haben aber nicht mit dem forschen jungen Mann gerechnet, der seine Ellbogen einsetzt und sich an uns vorbei als erster in den Bus schiebt. Ein freundliches Wort zu uns hätte ihm auch zu seinem Wunschplatz verholfen.

Es gibt auch vierspurige Straßen in Guatemala und auf einer solchen geht die Fahrt schnell voran. Wir durchqueren kleine Städte und Dörfer und gelangen auf 2.300 Meter Höhe. Dann verlassen wir die komfortable Straße und fahren auf einer Nebenstrecke erst durch ein paar Ansiedlungen und dann in engen Serpentinen die steilste Straße meines Lebens. Hier haben die Straßenbauer unglaubliches geleistet und der Fahrer muss alle seine Sinne beieinander haben, damit er hier heil herunter kommt. Der Pickup, der uns zuvor todesmutig überholt hat, steht nun am Rand und muss die heiß gelaufenen Bremsen abkühlen lassen. Als wir in San Pablo la Laguna ankommen ist Schluss mit der guten Straße, ab hier wird es holperig. Obwohl unserer Fahrer das Gefährt umsichtig lenkt, werden wir heftig durchgeschüttelt. Als erstes geht es über diese Straße weiter nach San Marcos la Laguna. Dieser kleine Hippie-Ort ist das Ziel für Menschen, die sich esoterisch oder spirituell erleuchten lassen wollen. Entsprechend ist das Angebot: Healing-Center, Meditiations-Center, spiritistisches Center, Selbstfindungs-Center und eine ganzere Reihe anderer Center. Außer uns beiden und einem weiteren Fahrgast steigen alle aus. Und wir rumpeln zurück in die normale Welt und auf eine normale Straße. Eine dreiviertel Stunde später sind wir in San Pedro la Laguna, unserem Ziel für die nächsten Tage. Es ist inzwischen dunkel geworden und der Bus fährt über die Hauptstraße, wo links und rechts Streetfood angeboten wird. Zum Glück liegt unser Hotel ein Stück entfernt. Wir beziehen ein großes Zimmer mit eigenem Bad. Restaurants gibt es genug in der unmittelbaren Umgebung.

Am Morgen packen wir unsere Schmutzwäsche zusammen und nehmen sie auf dem Weg zum Frühstück mit. Wir wissen kaum, worüber wir uns mehr freuen sollen, darüber dass die Wäsche schon nachmittags fertig sein wird und nur 4,50 € für 5 Kilo kostet, oder dass direkt daneben ein nettes italienisches Cafe ist, wo wir im Garten hervorragenden Kaffee und Frühstück mit frisch gebackenem Brot bekommen.

Gut gestärkt und ohne Wäschebeutel beginnen wir, den Ort zu erkunden. Erst in östlicher, dann in westlicher Richtung, immer in der Nähe des Sees. Der Lago Atitlan, zweitgrößter See Guatemalas, ist vor 85.000 Jahren nach der Explosion eines Vulkans in der Caldera entstanden und mit 130 km² etwas kleiner als der Comer See. Alexander von Humboldt bezeichnete ihn als schönsten See der Welt. Wir glauben ihm das, der Mann hatte schließlich Ahnung.

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Die Lage ist wirklich schön, die umgebenden Berge – darunter die drei Vulkane San Pedro, Tolimán und Atitlán – spiegeln sich im blauen Wasser. Und die „Indianernase“ – ein markanter Berg, in dem die Menschen einen schlafenden Indio sehen – lässt die Herzen der Bergsteiger höher schlagen.

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Aber der Schein trügt; die Wasserqualität steht kurz vor dem Kippen. Dem See fehlen größere Zuflüsse und ein natürlicher Abfluss. Um eine Frischwasserzufuhr zu haben, fällt einfach zu wenig Regen. Und das, was dann über die Berghänge in den See fließt, ist durch intensiv eingesetzten Kunstdünger stark belastet. Auch Kläranlagen sucht man hier vergebens. Blaualgen fühlen sich dadurch richtig wohl und gefährden die Gesundheit der Menschen, die das Wasser nutzen oder sogar hier schwimmen wollen.

Der Ort San Pedro ist den Hang hinauf gebaut und hat viele kleine verwinkelte Gässchen, durch die so gerade mal ein Tuctuc passt. Bunt bemalte Fassaden, nette kleine Geschäfte, und immer wieder ein Blick auf den See. Wir fühlen uns hier richtig wohl. Dazu trägt bestimmt auch der fortschrittliche Bürgermeister bei, der dem Ort ein strenges Plastikverbot verordnet hat. Zu all den Schadstoffen müssen nach seiner Ansicht nicht auch noch Plastikabfälle den See gefährden. Sogar mit der mächtigen Plastiklobby der Hauptstadt hat sich der Mann angelegt und – man kann es kaum glauben – den Gerichtsprozess gewonnen. Die Mayafrauen nutzen wie schon seit langer Zeit gewebte Brottücher für den Einkauf beim Bäcker. Pflanzenblätter werden wieder zum Einwickeln frischer Lebensmittel verwendet. Und für alles andere gibt es Papiertüten.

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An der Bootsanlegestelle fragt ein Mann ob wir mitfahren wollen. Wir vertrösten ihn auf den nächsten Tag. Aber er hat noch ein anderes Angebot, eine Tour mit dem Tuctuc in den Nachbarort San Juan la Laguna mit Besichtigung einer Weberei, Schokoladenherstellung nach Art der Maya, einem Kräutergarten und einer Imkerei. Das klingt interessant und der Preis ist mit 200 Quetzales (23 €) ebenfalls angemessen. Wir sollen um 14 Uhr zurückkommen. Bis dahin machen wir noch einen Spaziergang durch den oberen Ortsteil.

Als wir zurückkommen steht schon Tuctuc Nr. 35 für uns bereit. Alle Fahrzeuge sind hier in rot grün und gelb angestrichen. Zur Unterscheidung dient die gut 30 Zentimeter große Nummer auf der Rückseite. Nur am Abend zeigt sich die Individualität der einzelnen Gefährte. Farbige Unterbodenbeleuchtung, umlaufende Lichtleisten mit Farbwechsel, blaue Leuchtstreifen, dreifarbige Scheinwerfer, hier scheint ein Wettbewerb unter dem Motto: „Auffallen, egal wie,“ stattzufinden.

Unser Fahrer und der englisch sprechende Fremdenführer nehmen vorne Platz, Klaus und ich auf der Rückbank.

Der erste Halt ist an der Kirche von San Pedro. Die Osterschmückung an der Außenfassade ist gerade in vollem Gange. Die lila und weißen Stoffbahnen im Innenraum sind schon aufgehängt und die lebensgroßen Heiligenfiguren stehen bereit. Sie sind alle mit Langhaarperücken – manche mit Rastalocken – ausgestattet.

Weiter geht es zum Nationalpark „Volcan  de San Pedro.“ Von einem Mirador (Aussichtspunkt) haben wir einen Blick auf den Vulkan, der seit etlichen hundert Jahren nicht mehr aufgemuckt hat. Kaffeesträucher wachsen an seinen Hängen und im kleinen Besucherzentrum, gibt es Informationen über die Tierwelt und den vierstündigen Aufstieg auf den 3000 Meter hohen Berg zum Kraterrand. Über ein ungepflastertes Stück gelangen wir nach San Juan la Laguna und fahren als erstes zu den Weberinnen.

Zwanzig Familien haben eine Kooperative gegründet (https://casadeltejidoytours.org/) und zeigen, wie in der Tradition der Maya Textilien gewebt werden. Schon lange vor der Eroberung durch Spanien haben die Maya Baumwollpflanzen kultiviert und für die Herstellung von Kleidung verwendet. Hier im Hof der Weberei hängen die aufgeplatzten Fruchtkapseln über einer Pergola. Eine junge Frau zeigt uns, wie es damit weitergeht. Sie nimmt die Fasern aus einer Kapsel und zupft sie auseinander. Die darin hängenden schwarzen Samen entfernt sie. Die feinen Haare werden auf einem dicken Kissen mit einem Stock mürbe geklopft, dann nimmt sie eine Spindel zur Hand und dreht aus den Fasern einen Faden. Ich muss das auch mal versuchen. „Wenn Sie sich geschickt anstellen bekommen Sie hier einen Job,“ wird mir versprochen. Klappt nicht, ich bin zu langsam. Der fertige Strang wird anschließend gefärbt. Ausschließlich Pflanzen und Borken werden verwendet. Gerade ist rosa dran. Gekochte rote Beete liefert den Farbstoff, ein beigefügtes Stück Bananenstaude fixiert die Farbe.

Anschließend wird gewebt wie vor Jahrhunderten, ohne Webstuhl nur mit geraden Ästen oder Holzstangen, an denen die Kettfäden befestigt sind. Das eine Ende wir an einen Baum oder Pfahl gehängt, das andere schlingt sich die Weberin mit einem Gürtel um die Taille. Alles wird hier von Hand gemacht. Vier Stunden braucht eine Weberin für einen Schal. Die Erzeugnisse können wir anschließend im Verkaufsraum bestaunen. Natürlich kann ich mich kaum zurückhalten. Ein paar Stücke müssen einfach mit, ein Paket nach Deutschland kann ja nicht die Welt kosten.

Ein Stück weiter werden wir in die Kunst der Schokoladenherstellung eingeweiht. Die Früchte am Kakaobaum haben wir schon mehrmals gesehen, auch Kakaobohnen, die vor den Häusern zum Trocknen ausgebreitet waren. Doch nun erfahren wir ganz genau, wie das alles vor sich geht. Mit einer Machete werden die Früchte vom Stamm geschlagen, dabei heißt es vorsichtig sein, damit die Rinde nicht verletzt wird. Im feuchtheißen Klima können Bakterien eindringen und den Baum krank machen. Die Kakaofrucht wird mit der Machete geöffnet und die Kerne samt dem weißen Fruchtfleisch – Pulpe genannt – in mit Bananenblättern ausgelegte Holzkästen gefüllt. Das zuckerhaltige Fruchtfleisch beginnt zu gären und setzt die Fermentation in Gang, die den Kakaobohnen einen Teil der Bitterstoffe entzieht. Anschließend wird getrocknet und geröstet. Nach Art der Maya werden die gerösteten Bohnen auf einem Reibstein so lange bearbeitet, bis sie eine pastenartige Konsistenz bekommen. Auf 70 % Kakaobohnen kommen nun 20 % getrocknete Melasse aus Zuckerrohr und 10 % Orangensaft. Wenn alles gut miteinander vermischt ist, werden daraus dünne Tafeln geformt. Die Schokolade ist natürlich nicht mit der industriell gefertigten zu vergleichen, hat aber einen guten, sehr intensiven Geschmack. Ohne ein paar Täfelchen gehen wir nicht aus dem Laden.

Der Besuch bei der Kräuterfrau ist interessant, wir erfahren hier jedoch nicht viel Neues. Doch das Rosmarin-Shampoo duftet unwiderstehlich und unseres ist fast alle. Umso mehr staunen wir beim Bienenzüchter. Er hat Völker unterschiedlicher Arten, darunter eins, dessen Bienen die Größe von Ameisen haben. Aus diesem Stock erntet er pro Jahr ¼ Liter Honig. Die anderen sind da produktiver. Der meiste Honig wird hier von den blühenden Kaffeesträuchern gewonnen, und das schmeckt man auch.

hier werden gerade Lehmziegel hergestellt

Ohne Frühstück laufen wir am nächsten Morgen zum Bootsanleger. Mal sehen, wann wir auf die andere Seite nach Panajachel – kurz Pana genannt – fahren können. Sofort, wie es sich zeigt. Es fehlen nur noch zwei Passagiere, damit das Boot ablegen kann. Mit uns beiden ist es voll besetzt. In einer Viertelstunde legt das Boot die 15 Kilometer zurück.

Auch hier holpert es ganz ordentlich. Zuviel für meinen Rücken, seit Tagen wird er durchgeschüttelt und sendet mir Signale der Verärgerung. So wird die Besichtigung in Pana nicht so ausführlich, wie wir das geplant haben. Uns gefällt die Stadt sowieso nicht so gut wie San Pedro. Schon ein paar Stunden später fahren wir zurück. Ich muss die Zähne zusammenbeißen, die Bootsfahrt ist die einzige Möglichkeit zurückzukommen, denn es gibt keine Straße die um den See herumführt. Zum Glück haben wir heute keinen Xocomil – den starken Wind, der das Seewasser gefährlich aufpeitscht.

Wegen meiner Rückenschmerzen müssen wir noch einen Tag hierbleiben, bevor wir San Pedro und den See verlassen können.

Drei Städte wie sie unterschiedlicher nicht sein können – Quetzaltenango, San Francisco und Antigua (Guatemala)

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Um von San Pedro fortzukommen, müssen wir noch einmal mit dem Boot über den See. Zum Glück verhält er sich um 8 Uhr morgens noch gnädig, kaum Wellen kräuseln die Wasseroberfläche, gut für meinen Rücken.

In Panajachel haben wir noch Zeit für ein kleines Frühstück, bevor unser Shuttlebus kommt. Nur noch ein weiterer Passagier – Sophie, eine junge Deutsche – hat denselben Weg wie wir. Die Rückfahrt ist um einiges angenehmer als die Hinfahrt.

Die Straße von Panajachel in die Berge ist lange nicht so steil, und eine knappe Stunde später sind wir oben an der Schnellstraße, der Panamericana. Wir wundern uns, dass der Fahrer Richtung Guatemala City abbiegt, aber schon nach 5 Minuten fährt er zu einer Tankstelle auf der anderen Straßenseite, hier müssen wir umsteigen. Das hat auch Sophie – trotz ihres Spanischkurs am Lago Atitlán – nicht verstanden. Wir wechseln in einen bequemen Minivan mit weich gepolsterten Sitzen und sind weiterhin nur zu dritt.
Nach Quetzaltenango – von den Einheimischen in der Maya-Sprache Xela (gesprochen Schela) genannt – geht es über die gut ausgebaute Panamericana. In anspruchsvollen Kurven erreichen wir eine Höhe von 3.300 Metern. Die Berge links und rechts sind noch höher und bestehen zum größten Teil aus Tuffgestein. Das ist ein großartiges Material, leicht zu bearbeiten und in diesem Klima recht haltbar. Die hier lebenden Menschen haben Lagerräume und Treppen in das Gestein gekratzt. Irgendwann sehen wir sogar Garagen.
Das große Tal in der Sierra Madre, in dem Xela liegt, ist durch Ablagerungen der umgebenden Vulkane überaus fruchtbar. Scheinbar jede Art von Gemüse wächst auf den dunklen Böden. Große gelbe Flecken dazwischen zeigen, dass Bäume und Sträucher gerade aus dem Winterschlaf erwachen und Blätter und Blüten austreiben.
Xela – die zweitgrößte Stadt Guatemalas – liegt auf 2.300 Metern. Hier ist es deutlich kühler als in allen Orten, in denen wir bisher waren. Deshalb liegen in unserem Hotel, das in den verschachtelten Gassen der Altstadt liegt, auch drei Decken auf dem Bett.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt gruppieren sich fast alle um den Park Centroamérica, das schaffen wir an einem Nachmittag. Wir müssen uns umgewöhnen, Zebrastreifen haben für die Auto- und Mopedfahrer nicht die geringste Bedeutung. Also kann man sich genauso gut an jeder anderen beliebigen Stelle überfahren lassen.

Einen guten Kilometer vom Park entfernt befindet sich der große Friedhof. Am Eingang sind die Etagengräber der ärmeren Bevölkerung – sozialer Grabbau sozusagen. Ein Stück weiter können wir dann Mausuleen aller Größen und Stilrichtungen bestaunen. Die Hinterbliebenen haben offenbar keine Kosten gescheut, um die Wichtigkeit des oder der Verstorbenen zu betonen. Als wir den Friedhof verlassen wollen, kommt uns gerade eine Trauergesellschaft entgegen. Voran läuft die Mariachi-Band, dahinter die Angehörigen. Der Sarg wird von schwarz gekleideten Frauen auf den Schultern getragen. Unauffällig mache ich ein paar Fotos.

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auf den Stufen vor der Kirche wartet man auf den Bus

Abends treffen wir uns mit einer Bekannten: Vanessa ist bereits seit einer Woche hier und besucht eine der vielen Sprachschulen. Vier Stunden täglich hat sie Unterricht und für nachmittags noch Hausaufgaben auf. Wie von der Sprachschule empfohlen wohnt sie in einer einheimischen Familie, wo niemand englisch spricht. Ihr muss permanent der Kopf schwirren.
Am nächsten Morgen holt sie uns um kurz nach sieben ab. Gemeinsam wollen wir den größten typischen Markt des Landes in dem 17 Kilometer entfernten Ort San Francisco besuchen. Wir lassen uns mit einem Taxi zum Busbahnhof bringen. Um diese Zeit ist noch nicht viel los, nur ein Mitarbeiter schaut aus seinem hölzernen „Amtsgebäude,“ das die Größe einer Telefonzelle hat. Wie immer kommt sofort jemand und will uns weiterhelfen. Der Bus lässt auch nicht lange auf sich warten und da er völlig leer ist, können wir uns die Plätze aussuchen. Uns ist klar, dass das bei diesem Ziel nicht so bleiben wird. Aber auf diese Fülle sind wir dann doch nicht vorbereitet. Eine Viertelstunde später sind alle Zweiersitze von drei Menschen besetzt. Weitere drängen sich im Mittelgang. Wenn jemand vorbei will, steht meine Sitznachbarin auf und lässt sich völlig selbstverständlich auf meiner Hüfte nieder.
Auf halber Strecke ist in Salajá eine Art Verkehrsknotenpunkt. Mindestens 10 Chickenbusse treffen hier von allen Seiten ein und die Menschen wuseln hin und her. Raus aus dem einen, rein in den anderen Bus, dazwischen Lastwagen, Transporter, Pkw und Mopeds. Es ist ein unglaubliches Gedränge und Gehupe. Fährt einer der Busse endlich los, stößt er erstmal eine tiefschwarze Wolke aus, das grenzt schon an Grobstaubbelastung. Plötzlicht stoppt er dann wieder um weitere Passagiere aufzunehmen. Das passiert dann drei bis viermal. Für uns absolut undurchsichtig.
In der Nähe ist das erste Waisenhaus der Rudolf Walther Stiftung (Möbel-Walther aus Gründau-Lieblos) gebaut worden. Es ist das Zuhause für 140 Kinder. Nicht alle sind Waisen, manche wurden von ihren Eltern hier abgegeben, weil sie sie nicht ernähren können, andere wurden auf der Straße aufgegriffen.
In Guatemala ist Busschaffner einer der anspruchsvollsten Berufe. Die Männer müssen mindestes eine Artisten-Ausbildung haben. Kurz vor der Haltestelle springen sie aus dem fahrenden Bus und suchen nach weiteren Fahrgästen. Hat jemand sperriges Gepäck dabei, klettern sie flink wie Eichhörnchen die hintere Leiter hoch aufs Dach und nehmen die Sachen entgegen. Während der Bus bereits wieder losfährt, verstauen sie alles und zurren die Kästen oder Säcke fest. In voller Fahrt geht es die Leiter wieder hinunter und durch die hintere Tür zurück in den Bus. Und dann wissen sie auch noch, wer bereits bezahlt hat und wer neu dazu gekommen ist.
Endlich erreichen wir San Francisco – schön wieder durchatmen zu können, bevor wir uns ins bunte Markttreiben stürzen. Der wöchentliche Markt findet nicht nur in der Markthalle oder auf dem Marktplatz statt, der ganze Ort ist Markt. Von nah und fern kommen die Verkäufer mit ihrem Warenangebot bereits in den Nachtstunden, denn der Verkauf beginnt bereits morgens um sieben Uhr.

Wir stehen mitten in einem Farbenmeer: Stoffe, gewebt in den typischen Mustern, die die Maya-Frauen Tag für Tag tragen. Ständig entdecken wir neue Farbkombinationen und Muster. Mein Kaufimpuls muss heftig unterdrückt werden. Und irgendwann weiß ich auch gar nicht mehr, was ich eigentlich aussuchen sollte. Zu überwältigend ist das Angebot. Da der Ort auf einem Hügel liegt, geht es immer wieder bergauf und bergab.

Vanessa hat von ihrer Gastfamilie von einem Platz gehört, der für die Maya von besonderer Bedeutung ist. Sie fragt sich durch und schließlich stehen wir an einem Abhang. Unter dem größten Baum glimmen noch kleine Feuer, ein würziger Geruch liegt in der Luft und kleine Papierfetzen bewegen sich im Wind. Ein paar Menschen sind noch hier, aber die große Opferzeremonie hat vermutlich am frühen Morgen stattgefunden und das Saubermachen hat bereits begonnen. Wofür jeweils geopfert wurde, und was man sich davon erhofft, bleibt das Geheimnis jedes Einzelnen.
Wir laufen zurück, nicht ohne am beliebtesten Stand halt zu machen, dem Toilettenhäuschen. Die Besitzer haben es gut, sie müssen keine Kunden anlocken, die kommen alle freiwillig und warten sogar, wenn sie nicht gleich an die Reihe kommen. Für ein paar Quetzales kann man sich noch die Hände waschen, was will man mehr.

Inzwischen hat das Gedränge in den Gassen noch weiter zugenommen. Zwischen Ständen mit moderner Kleidung, Schuhen, Heiligenfiguren und Lebensmitteln drängen wir weiter nach oben in Richtung Viehmarkt.

Auf dem großen Platz stehen Kälber, Schweine, Federvieh, Kaninchen und Haustiere zum Verkauf. Die Interessenten schlendern herum, begutachten, befühlen, dann gehen ein paar Scheine von Hand zu Hand und das neue Haustier wird in einem Sack geschultert oder am Seil hinterhergezogen. Hier sehen wir das erste Mal noch andere Touristen, aber wir machen zusammen kaum ein Dutzend aus.

Auf dem Weg zurück staunen wir über das Angebot an Nähmaschinen. Alte mechanische stehen neben robusten Profigeräten. Kochtöpfe, Elektrokabel, Werkzeug, Radios, Garten- und Haushaltsgeräte – alles neu oder gebraucht. Natürlich gibt es auch Imbissstände, es wird gerührt, geknetet, geraspelt, frittiert und gebacken und duftet köstlich. In der Markthalle probieren wir eine der hiesigen Spezialitäten: knusprige gerollte Maisfladen auf rohem Gemüse, mit würziger Soße übergossen und mit Käse bestreut. Richtig lecker.
Gegen Mittag beginnen die ersten Aussteller, ihre Sachen zusammen zu packen. Dabei können wir beobachten, wie die Träger die riesigen Ballen und Säcke an um die Stirn gelegten Riemen zu den unten geparkten Autos schleppen. Von hinten sieht man nur einen Sack auf Füßen. Alles was nicht verkauft wurde, muss schließlich wieder zurück transportiert werden.

Wir klettern in den nächsten Bus, damit wir vor Marktschluss noch einigermaßen gut zurück kommen. Trotzdem geht es quälend langsam voran. Vom Bus aus sehen wir viele Läden mit riesigen Stoffballen. Hier ist das Zentrum der Textilindustrie in Guatemala, deshalb auch die vielen Nähmaschinen.
Am nächsten Morgen fahren wir zurück nach Antigua. Wir haben Glück und werden von dem netten Fahrer mit dem bequemen Minivan abgeholt. An der Abzweigung zum Lago Atitlán steigen die anderen Passagiere aus, wir sind die einzigen die nach Antigua fahren. Der Fahrer spricht gut englisch, so können wir uns über alles Mögliche mit ihm unterhalten. Mich hat die ganze Zeit der hohe Benzinpreis von 20 – 26 Quetzales (2,33 – 3,03 €) gewundert, doch der Preis gilt für eine Gallone (3,785 Liter).
Gut, dass ich auf dem Markt außer einem gewebten Gürtel nichts gekauft habe, der Koffer will kaum noch zugehen. Meine Vorstellung, ein Paket per Post nach Deutschland zu schicken, lässt sich nicht in die Tat umsetzen. Guatemala hat seit über 3 Jahren keine Post mehr. Den jährlichen Versprechungen, dass es in Kürze wieder eine gibt, schenkt niemand mehr Glauben. Zwar sind DHL und FedExx vertreten, aber die Preise sind extrem hoch. Angeblich kostet das Porto für einen einfachen Brief 20 US$. Kein Wunder, dass es nirgendwo Ansichtskarten zu kaufen gibt.
Als wir an einer Raststätte eine kurze Pause machen, stehen dort viele Radfahrer in Sporttrickots. Heute findet ein Straßenrennen statt, an dem Männer und Frauen teilnehmen. Sogar der führende Rennstall, der auch internationale Erfolge aufweisen kann, ist vertreten. Das Rennen wird auf dem Standstreifen der hier vierspurigen  Panamerican ausgetragen, der Autoverkehr darf schließlich nicht beeinträchtigt werden.
In Antigua ist was los, so viele Menschen haben wir in der Stadt noch nicht gesehen, aber für die Semana Santa (heilige Woche) ist das hier völlig normal. Wir wohnen keine 100 Meter von der Kathedrale „La Merced“ entfernt und wollen uns hier gleich mal umschauen. Rund um die Kirche reihen sich Buden aneinander. Auch hier wird deutlich: Gegessen wird immer. Gerade kommt eine festlich gekleidete Familie mit 15jähriger Tochter aus der Kirche. Die Quincenera wird also auch hier mit aller Pracht gefeiert. Ein Blick in die Kirche zeigt: Die Alfombra (Sägemehlteppich) mit den Fußspuren ist inzwischen durch eine neue unversehrte ersetzt worden.

Am Sonntag um 11 Uhr beginnt die zweit wichtigste Prozession der Osterwoche. Von überall her strömen Besucher in die Stadt. Viele Straßen sind bereits gesperrt. Autos, die trotz Verbotsschildern in diesem Bereich parken, werden gnadenlos abgeschleppt. Wir laufen zu einer Straße, wo der Umzug in der nächsten Stunde vorbeikommen soll.

Eifrig wird hier noch an einer Alfombra gearbeitet, es kann also noch dauern. Zunächst gehört die Straße den Verkäufern. Eis, Leihhocker, Sonnenschirme, Sombreros, Getränke, Spielzeug, Sonnenbrillen, Fächer, eben alles was den Menschen die Wartezeit angenehmer macht, ist zu haben. Lila Kutten für Männer und schwarze Spitzenschals für Frauen werden auch noch verkauft, falls sich jemand jetzt noch entschließen sollte, während der Prozession eine aktive Trägerrolle einzunehmen.
Nach einer Stunde geben wir auf, es wird in der Sonne einfach zu warm. Nachmittags gibt es eine neue Chance. Die Frau neben uns gibt uns ihren Programmzettel. Jetzt wissen wir, zu welcher Zeit die Prozession in welcher Straße sein wird und stellen uns nachmittags noch einmal an.

Schon bald hören wir Trommeln und Blasinstrumente. Zu sehen ist außer einer dichten Qualmwolke nichts. Jetzt holen die erfahrenen Besucher ihre Atemschutzmasken heraus, denn die vielen qualmenden Weihrauchkessel bringen die Zuschauer zum weinen und zum husten. Angeführt wird die Prozession von Männern im Römerkostüm. Es folgen Träger mit den nummerierten Bildtafeln der Kreuzigungsstationen. Männer in lila Gewändern laufen jetzt links und rechts der Straße mit einem langen Seil in Händen, damit trennen sie den Umzug von den Zuschauern. Denn jetzt kommen die dicht hintereinander laufenden Männer in ihren lila Kutten mit dem größten der tonnenschweren Gestelle auf ihren Schultern. Die geschnitzte hölzerne Plattform mit ihren Aufbauten – mittig Jesus mit dem Kreuz – schwankt wie ein Schiff durch die Straße. Lange hält diese Anstrengung niemand aus, deshalb wird ständig während des Laufens gewechselt. Die Plattform mit Maria wird dagegen von Frauen getragen. Hinter den Figuren folgt jeweils eine Musikkapelle. Dazwischen jeweils drei Mayas in Tracht mit Flöte und Trommeln. Am Ende der Prozession folgen mehrere Müllwagen und kehren die zertretenen Alfombras und alles was sonst noch rumliegt auf. Dahinter sieht es aus, als sei nie etwas gewesen.
Bis nachts um 2 Uhr dauert dieser Umzug. Schön, dass wir das miterleben konnten, denn morgen verlassen wir Guatemala, dieses wunderschöne Land, das so viel zu bieten hat.