Antigua, die Schöne (Guatemala)

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Um halb elf sollen wir im Hotel abgeholt werden. Noch eine Viertelstunde, die ich für ein Telefonat mit meiner Mutter nutzen will, aber der Fahrer ist überpünktlich. Er bringt uns zum Treffpunkt vor dem Einkaufszentrum. Der Bus parkt neben einem international bekannten Fastfood-Restaurant vor dem großen Einkaufszentrum. Die Koffer kommen aufs Dach des Busses und wir haben noch eine halbe Stunde Zeit. Eine gute Möglichkeit, unser Elektronik-Equipment zu vervollständigen. Pünktlich kommen wir zurück, nicht so die anderen Fahrgäste. Der Busfahrer drückt ein paar Mal energisch auf die Hupe, bis sie sich bequemen.

Wir haben wirklich schon reizende Backpacker kennengelernt. Heute scheint von dieser Sorte niemand dabei zu sein. Wer zuvor allein eine Zweierbank ergattert hat, ist auch nicht bereit, die gegen einen Einzelplatz zu tauschen. Lieber werden die Füße samt Schuhen auf dem freien Platz ausgestreckt. Klaus und ich quetschen uns getrennt irgendwo dazwischen. Einige haben wohl zu spät mit dem Essen begonnen und kommen nun mit großen fettigen Tüten in den Bus. Es riecht wie in einer Imbissbude. Verschiedene Unterhaltungen werden über mehrere Sitzreihen in einer Lautstärke geführt, dass alle etwas davon haben. Aber: Die paar Stunden kriegen wir auch rum.

Außehalb von Cobán sind Straßenarbeiter dabei, den Müll an den Rändern der Straße aufzusammeln. Es ist wirklich auffällig, bisher ist Guatemala von allen Entwicklungsländern das sauberste.

Schnell sind wir wieder in den Bergen, wo große Flächen weiß oder schwarz verhüllt sind. In Gewächshäusern, die einfach mit Vliesplanen bedeckt sind, gedeihen Gemüse und Zierpflanzen, darunter viele Orchideen. Die Erzeugnisse werden direkt davor an Verkaufsständen angeboten. Nie zuvor gesehene Orchideenarten sind dabei. Die erbsen- bis aprikosengroßen Blüten sind weiß, blassgelb, rosa und lila oder zeigen Farbmischungen.

Über manche Geschäftsidee der Bevölkerung kann man nur staunen. Ein Hähnchengrill in einem leuchtend orange lackierten Tuctuc bringt mich zum schmunzeln. An drei Stangen drehen sich neun Hähnchen. Und nach der Anzahl der anstehenden Personen zu urteilen, müssen sie sehr lecker sein.

Wir kommen an einer Großbaustelle vorbei, stufenweise wird hier ein Berg abgetragen, um Material für den Straßenbau zu bekommen. Diese Strecke ist eine der meistbefahrenen im ganzen Land, führt sie doch in die Landeshauptstadt Guatemala City, die wir eine Stunde später erreichen. Hier zeigt sich ein ganz anderes Bild. Nur ganz wenige Mayafrauen sind hier in Tracht unterwegs. Westliche Kleidung – allem voran Jeans – ist angesagt. Die Millionenstadt auf 1.500 Metern Höhe wirkt chaotisch, laut und auf den ersten Blick wenig anziehend. Unser Bus durchfährt aber nur die Randbezirke, vermutlich sieht es im Inneren anders aus. Die Stadt wurde durch Erdbeben mehrmals zerstört und hat sich in den letzten Jahrzehnten immer schneller ausgebreitet, so dass die Slums zum Teil mitten in der Innenstadt liegen. Der Bus braucht beinahe zwei Stunden, bis er die Stadtgrenze erreicht. Zwar liegen noch die Städte Mixco und Villa Nueva zwischen uns und unserem Ziel, aber die Schnellstraße ermöglicht das Umfahren. Jetzt nur noch bergab und sechseinhalb Stunden nach Abfahrt sind wir endlich in Antigua.

Noch scheint die Sonne und schon der erste Eindruck sagt uns: „Hier sind wir richtig.“ Da sich kein Taxi zeigt, müssen wir die 850 Meter zu unserem Hotel zu Fuß gehen. Eigentlich kein Problem, aber an Klaus Koffer hat sich ein Rad gelöst, nun muss er den Koffer auf den vorhandenen kleinen Rädern über das holperige Kopfsteinpflaster ziehen. Doch auch dieser Weg geht zu Ende und wir können endlich eins von vier Zimmern in einem netten kleinen Hotel am Rande der Altstadt beziehen.

Am nächsten Morgen laufen wir los. Nach der Eroberung durch Spanien wurde Antigua 1543 Hauptstadt. Nach und nach entstanden prächtige Gebäude. Obwohl mehrere schwere Erdbeben die Stadt zerstörten, wurde sie immer wieder aufgebaut. In der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt alles, was die 50.000 Einwohner brauchten, mehr als 50 Kirchen und Kapellen, Schulen, Krankenhäuser und eine Hochschule. 1773 wurde die ganze Herrlichkeit durch ein Erdbeben komplett zerstört. Die Hauptstadt wurde darauf hin in gut 40 Kilometer Entfernung errichtet: Guatemala City. Doch wollte man Antigua nicht komplett aufgeben und baute erneut auf. Aber das Schicksal schlug 1976 erneut in Form eines schweren Erdbebens zu. Noch heute zeigen Ruinen die Auswirkungen. Die Altstadt ist Weltkulturerbe und man weiß wirklich nicht, wohin man zuerst schauen soll. Weiß getünchte Häuser wechseln sich mit bunt gestrichenen ab. Prächtige Kirchen, herrliche Innenhöfe, selbst die Ruinen liegen malerisch in der Sonne.

Wir durchstreifen die Stadt kreuz und quer. Natürlich ist solch eine Schönheit ein Touristenmagnet, aber die konzentrieren sich meistens auf den Bereich um die Kirche la Merced und den Santa Catalina Bogen.

Hier findet man auch die meisten Geschäfte, auch ein sogenanntes Schokolade-Museum, das aber in erster Linie ein großer Verkaufsraum ist.

Je weiter man in die Randbereiche vordringt, umso weniger Touristen laufen einem über den Weg. Mit einem Becher Frozen Yoghurt mit Früchten setzen wir uns in den Central Park und schauen zu, wie Mayafrauen das Kunststück fertig bringen, das Baby im Tragetuch auf dem Rücken zu haben und gleichzeitig noch weitere Tücher mit ihrem jeweiligen Warenangebot zu schleppen und zu etwas verkaufen.

Natürlich wird auch uns immer wieder etwas angeboten, aber meistens genügt ein einmaliges: „Nein danke.“ Kinder strömen aus der Schule kommend quer über den Platz, Bettler stellen ihre körperlichen Gebrechen zur Schau, dazwischen versuchen Tauben irgendetwas fressbares zu ergattern. Hunde schleichen herum, es ist ein herrlich buntes Leben und Treiben.

Klaus hat Geburtstag und wir essen abends in einem besonders schönen Restaurant. Unter freiem Himmel sind rund um ein mit Rosenblättern bestreutes Wasserbecken lange Lichterketten aufgehängt.

Der Tisch hinter unserem ist offensichtlich für einen romantischen Abend reserviert. Auf dem weißen Tischtuch stehen zwischen Rosenblättern eine Anzahl Kerzen. Ein junger Mann läuft aufgeregt hin und her, bis die sehnsüchtig erwartete junge Dame von ihren Eltern begleitet an seinem Tisch erscheint. Die Eltern verabschieden sich und lassen die jungen Leute allein. Das blutjunge Mädchen ist überwältigt, seine entzückten Laute hören sich an wie das Maunzen einer jungen Katze.

Am nächsten Tag gehen wir zum Cerro de la Cruz, dem Hausberg von Antigua. Treppenstufen führen in weiten Bögen hinauf.

Nach einer halben Stunde hat man von hier aus einen herrlichen Blick über die Stadt und auf den gegenüberliegenden Vulkan Agua, der so ebenmäßig aussieht wie aus dem Bilderbuch. Rechts davon die Zwillingsvulkane Acatenango und Fuego. Mit 3.976 Metern ist der Acatenango der höchste und der Agua mit 3760 Metern der niedrigste Berg. Nur der Fuego ist derzeit noch aktiv. Von hier aus können wir beobachten, wie er ziemlich regelmäßig kleine dunkle Rauchwolken ausstößt. Sportliche Menschen können Wanderungen auf den Acatenango unternehmen und entweder in der Nacht beobachten, wie die glühende Lava aus dem Fuego in die Höhe geschleudert wird oder wie die Sonne am Morgen hinter ihm aufgeht. Wie wir in den nächsten Tagen feststellen, haben wir den idealen Tag für den Aufstieg erwischt. Nur heute sind die drei Gipfel nicht von Wolken umhüllt.

Eine interessante Besichtigung kann man auch im Kapuzinerkonvent machen. Das große Kloster wird am heutigen Tag allerdings auf ungewöhnliche Art und Weise genutzt. Mitten im Innenhof wird alles für eine Hochzeitsfeier vorbereitet. Drei Tische sind gedeckt und die 35 Gedecke mit goldenen Platztellern funkeln in der Sonne. Geschäftiges Hin- und Herlaufen lässt die ursprüngliche Bedeutung dieses Ortes ein wenig in den Hintergrund treten. Aber wir sind in erster Linie am Turm der Zurückgezogenheit interessiert. Um einen runden Platz sind 18 kleine Zellen angeordnet, die jeweils einen eigenen Abtritt hatten. Zwei eingerichtete Zellen zeigen, dass die Nonnen außer einem Wandregal, einer Bank und einem Betstuhl keine weiteren Einrichtungsgegenstände hatten. Das 1736 fertiggestellte Kloster wurde bereits 40 Jahre später wieder aufgegeben, nachdem zwei Erdbeben es schwer beschädigt hatten.

In der Hauptkirche La Merced ist eine Besonderheit von Antigua zu besichtigen. Für die Osterprozession werden in der Stadt bunte Teppiche (Alfombras) aus Pflanzen oder bunten Sägespänen bzw. Sägemehl ausgelegt. In der Kirche ist ein solches Kunstwerk bereits zu besichtigen. Bevor es sorgsam abgesperrt wurde, ist jemand darüber gelaufen und hat in dem perfekt ausgeführten Muster ein paar Spuren hinterlassen.

Am Samstag wollen wir noch etwas besorgen und laufen zum „Kaufhaus“. Auf der einen Seite geht es in einen Supermarkt und durch einen engen Durchgang kommt man in eine Art Gemischtwarenladen, wo es einfach alles gibt, bis auf die Batterie für das Handy. Dafür müssen wir in die Markthalle.

Versehentlich geraten wir auf den außerhalb stattfindenden Obst- und Gemüsemarkt. Er ist eng, kunterbunt und laut. Ein paar selbsternannte Prediger haben sich eine Obstkiste gegriffen und lesen den größtenteils uninteressierten Mayas aus der Bibel vor. Anderswo wird getrommelt oder Musik gemacht, die Ausrufer preisen ihre Waren an, Kinder kreischen, Hunde bellen, es ist das pralle Leben. Zwischen allen Arten von Lebensmitteln werden auch Blumen und über 30 cm lange Nadeln der Pinien angeboten. Was macht man bloß damit?

Das Rätsel wird am nächsten Tag gelöst. Unser Bus fährt um 14 Uhr, und wir laufen nach dem Frühstück noch einmal in die Stadt. Der nette Hotelbesitzer hatte uns von einer heute stattfindenden Prozession erzählt. Einige Straßen sind bereits für den Autoverkehr gesperrt, aber wie wir von einer Polizistin erfahren, beginnt die Prozession erst um 16 Uhr. Und dann sehen wir auf der gesperrten Straße, dass die langen Piniennadeln zu einem rechteckigen Teppich ausgebreitet sind, darauf werden mit Blumen Ornamente gelegt. Ein Stück weiter sind mehrere Menschen dabei, gefärbte Sägespäne in Schablonen zu füllen und fest zu klopfen. Schon kleine Kinder helfen dabei mit. Wieder ein Stück weiter können wir die Fertigstellung eines Alfombra aus farbigem Sägemehl beobachten. Sobald eine Schicht liegt, wird sie mit Wasser besprüht, damit der Wind das Kunstwerk nicht zerstört. Männer in lilafarbenen Kutten laufen herum. Sie tragen an Ostern die Heiligenfiguren und den Sarkophag mit einer lebensgroßen Jesusfigur durch die Stadt. Dass die Blumenteppiche dabei vollständig zerstört werden, empfinden die Hersteller als Ehre. Die heruntergefallenen Blüten der Jakarandabäume haben fast dieselbe Farbe wie die Kutten und bilden auf den Wegen den perfekten Untergrund. Wir sind so froh, einen kleinen Einblick in die Festlichkeiten zu erhaschen, denn Ostern sind wir mit Sicherheit nicht mehr hier.

Die letzten zwei Stunden verbringen wir in dem hübschen Museum Santo Domingo. Außer dem sehenswerten Innenhof und der zerstörten Kirche sind in den umliegenden Räumen Gemälde, eine Apotheke, der Hörsaal der ehemaligen Universität, ein Raum mit Trachten und Spielzeug und eine alte perfekt ausgestattete Küche zu sehen. Besonders beeindruckend ist eine Halle, in der antike und moderne Skulpturen einander gegenüberstehen. Thematisch passend sieht man z. B. auf der einen Seite ein über 2000 Jahre altes Krokodil aus Jade auf der anderen ein gläsernes aus dem vergangenen Jahrhundert. Die modernen Kunstwerke stammen fast alle aus Europa. An die 50 Vitrinen beherbergen diese Kunstschätze.

Erstaunt sehen wir in einem der Innenhöfe den Berliner Bären. Er wurde der Stadt Antigua 2018 anlässlich des 26. Gipfeltreffens der iberoamerikanischen Staaten von der Bundesrepublik Deutschland geschenkt und hat hier einen Ehrenplatz bekommen.

Lago Atitlán – der schönste See der Welt (Guatemala)

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Der Hotelbesitzer fährt uns zur Abfahrtstelle des Busses. Normalerweise kommt der Shuttlebus direkt zum Hotel. Aber durch die heute noch stattfindende Prozession sind viele Straßen gesperrt, das kostet einfach zu viel Zeit. Etliche Reisende haben sich schon vor der Reiseagentur versammelt. Das wird bestimmt wieder eng. Als der Kleinbus eine halbe Stunde nach der Abfahrtszeit kommt, werden wir auf einen zweiten Bus mit demselben Ziel vertröstet. Dadurch stehen wir jetzt als erste an der Haltestelle, haben aber nicht mit dem forschen jungen Mann gerechnet, der seine Ellbogen einsetzt und sich an uns vorbei als erster in den Bus schiebt. Ein freundliches Wort zu uns hätte ihm auch zu seinem Wunschplatz verholfen.

Es gibt auch vierspurige Straßen in Guatemala und auf einer solchen geht die Fahrt schnell voran. Wir durchqueren kleine Städte und Dörfer und gelangen auf 2.300 Meter Höhe. Dann verlassen wir die komfortable Straße und fahren auf einer Nebenstrecke erst durch ein paar Ansiedlungen und dann in engen Serpentinen die steilste Straße meines Lebens. Hier haben die Straßenbauer unglaubliches geleistet und der Fahrer muss alle seine Sinne beieinander haben, damit er hier heil herunter kommt. Der Pickup, der uns zuvor todesmutig überholt hat, steht nun am Rand und muss die heiß gelaufenen Bremsen abkühlen lassen. Als wir in San Pablo la Laguna ankommen ist Schluss mit der guten Straße, ab hier wird es holperig. Obwohl unserer Fahrer das Gefährt umsichtig lenkt, werden wir heftig durchgeschüttelt. Als erstes geht es über diese Straße weiter nach San Marcos la Laguna. Dieser kleine Hippie-Ort ist das Ziel für Menschen, die sich esoterisch oder spirituell erleuchten lassen wollen. Entsprechend ist das Angebot: Healing-Center, Meditiations-Center, spiritistisches Center, Selbstfindungs-Center und eine ganzere Reihe anderer Center. Außer uns beiden und einem weiteren Fahrgast steigen alle aus. Und wir rumpeln zurück in die normale Welt und auf eine normale Straße. Eine dreiviertel Stunde später sind wir in San Pedro la Laguna, unserem Ziel für die nächsten Tage. Es ist inzwischen dunkel geworden und der Bus fährt über die Hauptstraße, wo links und rechts Streetfood angeboten wird. Zum Glück liegt unser Hotel ein Stück entfernt. Wir beziehen ein großes Zimmer mit eigenem Bad. Restaurants gibt es genug in der unmittelbaren Umgebung.

Am Morgen packen wir unsere Schmutzwäsche zusammen und nehmen sie auf dem Weg zum Frühstück mit. Wir wissen kaum, worüber wir uns mehr freuen sollen, darüber dass die Wäsche schon nachmittags fertig sein wird und nur 4,50 € für 5 Kilo kostet, oder dass direkt daneben ein nettes italienisches Cafe ist, wo wir im Garten hervorragenden Kaffee und Frühstück mit frisch gebackenem Brot bekommen.

Gut gestärkt und ohne Wäschebeutel beginnen wir, den Ort zu erkunden. Erst in östlicher, dann in westlicher Richtung, immer in der Nähe des Sees. Der Lago Atitlan, zweitgrößter See Guatemalas, ist vor 85.000 Jahren nach der Explosion eines Vulkans in der Caldera entstanden und mit 130 km² etwas kleiner als der Comer See. Alexander von Humboldt bezeichnete ihn als schönsten See der Welt. Wir glauben ihm das, der Mann hatte schließlich Ahnung.

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Die Lage ist wirklich schön, die umgebenden Berge – darunter die drei Vulkane San Pedro, Tolimán und Atitlán – spiegeln sich im blauen Wasser. Und die „Indianernase“ – ein markanter Berg, in dem die Menschen einen schlafenden Indio sehen – lässt die Herzen der Bergsteiger höher schlagen.

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Aber der Schein trügt; die Wasserqualität steht kurz vor dem Kippen. Dem See fehlen größere Zuflüsse und ein natürlicher Abfluss. Um eine Frischwasserzufuhr zu haben, fällt einfach zu wenig Regen. Und das, was dann über die Berghänge in den See fließt, ist durch intensiv eingesetzten Kunstdünger stark belastet. Auch Kläranlagen sucht man hier vergebens. Blaualgen fühlen sich dadurch richtig wohl und gefährden die Gesundheit der Menschen, die das Wasser nutzen oder sogar hier schwimmen wollen.

Der Ort San Pedro ist den Hang hinauf gebaut und hat viele kleine verwinkelte Gässchen, durch die so gerade mal ein Tuctuc passt. Bunt bemalte Fassaden, nette kleine Geschäfte, und immer wieder ein Blick auf den See. Wir fühlen uns hier richtig wohl. Dazu trägt bestimmt auch der fortschrittliche Bürgermeister bei, der dem Ort ein strenges Plastikverbot verordnet hat. Zu all den Schadstoffen müssen nach seiner Ansicht nicht auch noch Plastikabfälle den See gefährden. Sogar mit der mächtigen Plastiklobby der Hauptstadt hat sich der Mann angelegt und – man kann es kaum glauben – den Gerichtsprozess gewonnen. Die Mayafrauen nutzen wie schon seit langer Zeit gewebte Brottücher für den Einkauf beim Bäcker. Pflanzenblätter werden wieder zum Einwickeln frischer Lebensmittel verwendet. Und für alles andere gibt es Papiertüten.

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An der Bootsanlegestelle fragt ein Mann ob wir mitfahren wollen. Wir vertrösten ihn auf den nächsten Tag. Aber er hat noch ein anderes Angebot, eine Tour mit dem Tuctuc in den Nachbarort San Juan la Laguna mit Besichtigung einer Weberei, Schokoladenherstellung nach Art der Maya, einem Kräutergarten und einer Imkerei. Das klingt interessant und der Preis ist mit 200 Quetzales (23 €) ebenfalls angemessen. Wir sollen um 14 Uhr zurückkommen. Bis dahin machen wir noch einen Spaziergang durch den oberen Ortsteil.

Als wir zurückkommen steht schon Tuctuc Nr. 35 für uns bereit. Alle Fahrzeuge sind hier in rot grün und gelb angestrichen. Zur Unterscheidung dient die gut 30 Zentimeter große Nummer auf der Rückseite. Nur am Abend zeigt sich die Individualität der einzelnen Gefährte. Farbige Unterbodenbeleuchtung, umlaufende Lichtleisten mit Farbwechsel, blaue Leuchtstreifen, dreifarbige Scheinwerfer, hier scheint ein Wettbewerb unter dem Motto: „Auffallen, egal wie,“ stattzufinden.

Unser Fahrer und der englisch sprechende Fremdenführer nehmen vorne Platz, Klaus und ich auf der Rückbank.

Der erste Halt ist an der Kirche von San Pedro. Die Osterschmückung an der Außenfassade ist gerade in vollem Gange. Die lila und weißen Stoffbahnen im Innenraum sind schon aufgehängt und die lebensgroßen Heiligenfiguren stehen bereit. Sie sind alle mit Langhaarperücken – manche mit Rastalocken – ausgestattet.

Weiter geht es zum Nationalpark „Volcan  de San Pedro.“ Von einem Mirador (Aussichtspunkt) haben wir einen Blick auf den Vulkan, der seit etlichen hundert Jahren nicht mehr aufgemuckt hat. Kaffeesträucher wachsen an seinen Hängen und im kleinen Besucherzentrum, gibt es Informationen über die Tierwelt und den vierstündigen Aufstieg auf den 3000 Meter hohen Berg zum Kraterrand. Über ein ungepflastertes Stück gelangen wir nach San Juan la Laguna und fahren als erstes zu den Weberinnen.

Zwanzig Familien haben eine Kooperative gegründet (https://casadeltejidoytours.org/) und zeigen, wie in der Tradition der Maya Textilien gewebt werden. Schon lange vor der Eroberung durch Spanien haben die Maya Baumwollpflanzen kultiviert und für die Herstellung von Kleidung verwendet. Hier im Hof der Weberei hängen die aufgeplatzten Fruchtkapseln über einer Pergola. Eine junge Frau zeigt uns, wie es damit weitergeht. Sie nimmt die Fasern aus einer Kapsel und zupft sie auseinander. Die darin hängenden schwarzen Samen entfernt sie. Die feinen Haare werden auf einem dicken Kissen mit einem Stock mürbe geklopft, dann nimmt sie eine Spindel zur Hand und dreht aus den Fasern einen Faden. Ich muss das auch mal versuchen. „Wenn Sie sich geschickt anstellen bekommen Sie hier einen Job,“ wird mir versprochen. Klappt nicht, ich bin zu langsam. Der fertige Strang wird anschließend gefärbt. Ausschließlich Pflanzen und Borken werden verwendet. Gerade ist rosa dran. Gekochte rote Beete liefert den Farbstoff, ein beigefügtes Stück Bananenstaude fixiert die Farbe.

Anschließend wird gewebt wie vor Jahrhunderten, ohne Webstuhl nur mit geraden Ästen oder Holzstangen, an denen die Kettfäden befestigt sind. Das eine Ende wir an einen Baum oder Pfahl gehängt, das andere schlingt sich die Weberin mit einem Gürtel um die Taille. Alles wird hier von Hand gemacht. Vier Stunden braucht eine Weberin für einen Schal. Die Erzeugnisse können wir anschließend im Verkaufsraum bestaunen. Natürlich kann ich mich kaum zurückhalten. Ein paar Stücke müssen einfach mit, ein Paket nach Deutschland kann ja nicht die Welt kosten.

Ein Stück weiter werden wir in die Kunst der Schokoladenherstellung eingeweiht. Die Früchte am Kakaobaum haben wir schon mehrmals gesehen, auch Kakaobohnen, die vor den Häusern zum Trocknen ausgebreitet waren. Doch nun erfahren wir ganz genau, wie das alles vor sich geht. Mit einer Machete werden die Früchte vom Stamm geschlagen, dabei heißt es vorsichtig sein, damit die Rinde nicht verletzt wird. Im feuchtheißen Klima können Bakterien eindringen und den Baum krank machen. Die Kakaofrucht wird mit der Machete geöffnet und die Kerne samt dem weißen Fruchtfleisch – Pulpe genannt – in mit Bananenblättern ausgelegte Holzkästen gefüllt. Das zuckerhaltige Fruchtfleisch beginnt zu gären und setzt die Fermentation in Gang, die den Kakaobohnen einen Teil der Bitterstoffe entzieht. Anschließend wird getrocknet und geröstet. Nach Art der Maya werden die gerösteten Bohnen auf einem Reibstein so lange bearbeitet, bis sie eine pastenartige Konsistenz bekommen. Auf 70 % Kakaobohnen kommen nun 20 % getrocknete Melasse aus Zuckerrohr und 10 % Orangensaft. Wenn alles gut miteinander vermischt ist, werden daraus dünne Tafeln geformt. Die Schokolade ist natürlich nicht mit der industriell gefertigten zu vergleichen, hat aber einen guten, sehr intensiven Geschmack. Ohne ein paar Täfelchen gehen wir nicht aus dem Laden.

Der Besuch bei der Kräuterfrau ist interessant, wir erfahren hier jedoch nicht viel Neues. Doch das Rosmarin-Shampoo duftet unwiderstehlich und unseres ist fast alle. Umso mehr staunen wir beim Bienenzüchter. Er hat Völker unterschiedlicher Arten, darunter eins, dessen Bienen die Größe von Ameisen haben. Aus diesem Stock erntet er pro Jahr ¼ Liter Honig. Die anderen sind da produktiver. Der meiste Honig wird hier von den blühenden Kaffeesträuchern gewonnen, und das schmeckt man auch.

hier werden gerade Lehmziegel hergestellt

Ohne Frühstück laufen wir am nächsten Morgen zum Bootsanleger. Mal sehen, wann wir auf die andere Seite nach Panajachel – kurz Pana genannt – fahren können. Sofort, wie es sich zeigt. Es fehlen nur noch zwei Passagiere, damit das Boot ablegen kann. Mit uns beiden ist es voll besetzt. In einer Viertelstunde legt das Boot die 15 Kilometer zurück.

Auch hier holpert es ganz ordentlich. Zuviel für meinen Rücken, seit Tagen wird er durchgeschüttelt und sendet mir Signale der Verärgerung. So wird die Besichtigung in Pana nicht so ausführlich, wie wir das geplant haben. Uns gefällt die Stadt sowieso nicht so gut wie San Pedro. Schon ein paar Stunden später fahren wir zurück. Ich muss die Zähne zusammenbeißen, die Bootsfahrt ist die einzige Möglichkeit zurückzukommen, denn es gibt keine Straße die um den See herumführt. Zum Glück haben wir heute keinen Xocomil – den starken Wind, der das Seewasser gefährlich aufpeitscht.

Wegen meiner Rückenschmerzen müssen wir noch einen Tag hierbleiben, bevor wir San Pedro und den See verlassen können.

Drei Städte wie sie unterschiedlicher nicht sein können – Quetzaltenango, San Francisco und Antigua (Guatemala)

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Um von San Pedro fortzukommen, müssen wir noch einmal mit dem Boot über den See. Zum Glück verhält er sich um 8 Uhr morgens noch gnädig, kaum Wellen kräuseln die Wasseroberfläche, gut für meinen Rücken.

In Panajachel haben wir noch Zeit für ein kleines Frühstück, bevor unser Shuttlebus kommt. Nur noch ein weiterer Passagier – Sophie, eine junge Deutsche – hat denselben Weg wie wir. Die Rückfahrt ist um einiges angenehmer als die Hinfahrt.

Die Straße von Panajachel in die Berge ist lange nicht so steil, und eine knappe Stunde später sind wir oben an der Schnellstraße, der Panamericana. Wir wundern uns, dass der Fahrer Richtung Guatemala City abbiegt, aber schon nach 5 Minuten fährt er zu einer Tankstelle auf der anderen Straßenseite, hier müssen wir umsteigen. Das hat auch Sophie – trotz ihres Spanischkurs am Lago Atitlán – nicht verstanden. Wir wechseln in einen bequemen Minivan mit weich gepolsterten Sitzen und sind weiterhin nur zu dritt.
Nach Quetzaltenango – von den Einheimischen in der Maya-Sprache Xela (gesprochen Schela) genannt – geht es über die gut ausgebaute Panamericana. In anspruchsvollen Kurven erreichen wir eine Höhe von 3.300 Metern. Die Berge links und rechts sind noch höher und bestehen zum größten Teil aus Tuffgestein. Das ist ein großartiges Material, leicht zu bearbeiten und in diesem Klima recht haltbar. Die hier lebenden Menschen haben Lagerräume und Treppen in das Gestein gekratzt. Irgendwann sehen wir sogar Garagen.
Das große Tal in der Sierra Madre, in dem Xela liegt, ist durch Ablagerungen der umgebenden Vulkane überaus fruchtbar. Scheinbar jede Art von Gemüse wächst auf den dunklen Böden. Große gelbe Flecken dazwischen zeigen, dass Bäume und Sträucher gerade aus dem Winterschlaf erwachen und Blätter und Blüten austreiben.
Xela – die zweitgrößte Stadt Guatemalas – liegt auf 2.300 Metern. Hier ist es deutlich kühler als in allen Orten, in denen wir bisher waren. Deshalb liegen in unserem Hotel, das in den verschachtelten Gassen der Altstadt liegt, auch drei Decken auf dem Bett.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt gruppieren sich fast alle um den Park Centroamérica, das schaffen wir an einem Nachmittag. Wir müssen uns umgewöhnen, Zebrastreifen haben für die Auto- und Mopedfahrer nicht die geringste Bedeutung. Also kann man sich genauso gut an jeder anderen beliebigen Stelle überfahren lassen.

Einen guten Kilometer vom Park entfernt befindet sich der große Friedhof. Am Eingang sind die Etagengräber der ärmeren Bevölkerung – sozialer Grabbau sozusagen. Ein Stück weiter können wir dann Mausuleen aller Größen und Stilrichtungen bestaunen. Die Hinterbliebenen haben offenbar keine Kosten gescheut, um die Wichtigkeit des oder der Verstorbenen zu betonen. Als wir den Friedhof verlassen wollen, kommt uns gerade eine Trauergesellschaft entgegen. Voran läuft die Mariachi-Band, dahinter die Angehörigen. Der Sarg wird von schwarz gekleideten Frauen auf den Schultern getragen. Unauffällig mache ich ein paar Fotos.

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auf den Stufen vor der Kirche wartet man auf den Bus

Abends treffen wir uns mit einer Bekannten: Vanessa ist bereits seit einer Woche hier und besucht eine der vielen Sprachschulen. Vier Stunden täglich hat sie Unterricht und für nachmittags noch Hausaufgaben auf. Wie von der Sprachschule empfohlen wohnt sie in einer einheimischen Familie, wo niemand englisch spricht. Ihr muss permanent der Kopf schwirren.
Am nächsten Morgen holt sie uns um kurz nach sieben ab. Gemeinsam wollen wir den größten typischen Markt des Landes in dem 17 Kilometer entfernten Ort San Francisco besuchen. Wir lassen uns mit einem Taxi zum Busbahnhof bringen. Um diese Zeit ist noch nicht viel los, nur ein Mitarbeiter schaut aus seinem hölzernen „Amtsgebäude,“ das die Größe einer Telefonzelle hat. Wie immer kommt sofort jemand und will uns weiterhelfen. Der Bus lässt auch nicht lange auf sich warten und da er völlig leer ist, können wir uns die Plätze aussuchen. Uns ist klar, dass das bei diesem Ziel nicht so bleiben wird. Aber auf diese Fülle sind wir dann doch nicht vorbereitet. Eine Viertelstunde später sind alle Zweiersitze von drei Menschen besetzt. Weitere drängen sich im Mittelgang. Wenn jemand vorbei will, steht meine Sitznachbarin auf und lässt sich völlig selbstverständlich auf meiner Hüfte nieder.
Auf halber Strecke ist in Salajá eine Art Verkehrsknotenpunkt. Mindestens 10 Chickenbusse treffen hier von allen Seiten ein und die Menschen wuseln hin und her. Raus aus dem einen, rein in den anderen Bus, dazwischen Lastwagen, Transporter, Pkw und Mopeds. Es ist ein unglaubliches Gedränge und Gehupe. Fährt einer der Busse endlich los, stößt er erstmal eine tiefschwarze Wolke aus, das grenzt schon an Grobstaubbelastung. Plötzlicht stoppt er dann wieder um weitere Passagiere aufzunehmen. Das passiert dann drei bis viermal. Für uns absolut undurchsichtig.
In der Nähe ist das erste Waisenhaus der Rudolf Walther Stiftung (Möbel-Walther aus Gründau-Lieblos) gebaut worden. Es ist das Zuhause für 140 Kinder. Nicht alle sind Waisen, manche wurden von ihren Eltern hier abgegeben, weil sie sie nicht ernähren können, andere wurden auf der Straße aufgegriffen.
In Guatemala ist Busschaffner einer der anspruchsvollsten Berufe. Die Männer müssen mindestes eine Artisten-Ausbildung haben. Kurz vor der Haltestelle springen sie aus dem fahrenden Bus und suchen nach weiteren Fahrgästen. Hat jemand sperriges Gepäck dabei, klettern sie flink wie Eichhörnchen die hintere Leiter hoch aufs Dach und nehmen die Sachen entgegen. Während der Bus bereits wieder losfährt, verstauen sie alles und zurren die Kästen oder Säcke fest. In voller Fahrt geht es die Leiter wieder hinunter und durch die hintere Tür zurück in den Bus. Und dann wissen sie auch noch, wer bereits bezahlt hat und wer neu dazu gekommen ist.
Endlich erreichen wir San Francisco – schön wieder durchatmen zu können, bevor wir uns ins bunte Markttreiben stürzen. Der wöchentliche Markt findet nicht nur in der Markthalle oder auf dem Marktplatz statt, der ganze Ort ist Markt. Von nah und fern kommen die Verkäufer mit ihrem Warenangebot bereits in den Nachtstunden, denn der Verkauf beginnt bereits morgens um sieben Uhr.

Wir stehen mitten in einem Farbenmeer: Stoffe, gewebt in den typischen Mustern, die die Maya-Frauen Tag für Tag tragen. Ständig entdecken wir neue Farbkombinationen und Muster. Mein Kaufimpuls muss heftig unterdrückt werden. Und irgendwann weiß ich auch gar nicht mehr, was ich eigentlich aussuchen sollte. Zu überwältigend ist das Angebot. Da der Ort auf einem Hügel liegt, geht es immer wieder bergauf und bergab.

Vanessa hat von ihrer Gastfamilie von einem Platz gehört, der für die Maya von besonderer Bedeutung ist. Sie fragt sich durch und schließlich stehen wir an einem Abhang. Unter dem größten Baum glimmen noch kleine Feuer, ein würziger Geruch liegt in der Luft und kleine Papierfetzen bewegen sich im Wind. Ein paar Menschen sind noch hier, aber die große Opferzeremonie hat vermutlich am frühen Morgen stattgefunden und das Saubermachen hat bereits begonnen. Wofür jeweils geopfert wurde, und was man sich davon erhofft, bleibt das Geheimnis jedes Einzelnen.
Wir laufen zurück, nicht ohne am beliebtesten Stand halt zu machen, dem Toilettenhäuschen. Die Besitzer haben es gut, sie müssen keine Kunden anlocken, die kommen alle freiwillig und warten sogar, wenn sie nicht gleich an die Reihe kommen. Für ein paar Quetzales kann man sich noch die Hände waschen, was will man mehr.

Inzwischen hat das Gedränge in den Gassen noch weiter zugenommen. Zwischen Ständen mit moderner Kleidung, Schuhen, Heiligenfiguren und Lebensmitteln drängen wir weiter nach oben in Richtung Viehmarkt.

Auf dem großen Platz stehen Kälber, Schweine, Federvieh, Kaninchen und Haustiere zum Verkauf. Die Interessenten schlendern herum, begutachten, befühlen, dann gehen ein paar Scheine von Hand zu Hand und das neue Haustier wird in einem Sack geschultert oder am Seil hinterhergezogen. Hier sehen wir das erste Mal noch andere Touristen, aber wir machen zusammen kaum ein Dutzend aus.

Auf dem Weg zurück staunen wir über das Angebot an Nähmaschinen. Alte mechanische stehen neben robusten Profigeräten. Kochtöpfe, Elektrokabel, Werkzeug, Radios, Garten- und Haushaltsgeräte – alles neu oder gebraucht. Natürlich gibt es auch Imbissstände, es wird gerührt, geknetet, geraspelt, frittiert und gebacken und duftet köstlich. In der Markthalle probieren wir eine der hiesigen Spezialitäten: knusprige gerollte Maisfladen auf rohem Gemüse, mit würziger Soße übergossen und mit Käse bestreut. Richtig lecker.
Gegen Mittag beginnen die ersten Aussteller, ihre Sachen zusammen zu packen. Dabei können wir beobachten, wie die Träger die riesigen Ballen und Säcke an um die Stirn gelegten Riemen zu den unten geparkten Autos schleppen. Von hinten sieht man nur einen Sack auf Füßen. Alles was nicht verkauft wurde, muss schließlich wieder zurück transportiert werden.

Wir klettern in den nächsten Bus, damit wir vor Marktschluss noch einigermaßen gut zurück kommen. Trotzdem geht es quälend langsam voran. Vom Bus aus sehen wir viele Läden mit riesigen Stoffballen. Hier ist das Zentrum der Textilindustrie in Guatemala, deshalb auch die vielen Nähmaschinen.
Am nächsten Morgen fahren wir zurück nach Antigua. Wir haben Glück und werden von dem netten Fahrer mit dem bequemen Minivan abgeholt. An der Abzweigung zum Lago Atitlán steigen die anderen Passagiere aus, wir sind die einzigen die nach Antigua fahren. Der Fahrer spricht gut englisch, so können wir uns über alles Mögliche mit ihm unterhalten. Mich hat die ganze Zeit der hohe Benzinpreis von 20 – 26 Quetzales (2,33 – 3,03 €) gewundert, doch der Preis gilt für eine Gallone (3,785 Liter).
Gut, dass ich auf dem Markt außer einem gewebten Gürtel nichts gekauft habe, der Koffer will kaum noch zugehen. Meine Vorstellung, ein Paket per Post nach Deutschland zu schicken, lässt sich nicht in die Tat umsetzen. Guatemala hat seit über 3 Jahren keine Post mehr. Den jährlichen Versprechungen, dass es in Kürze wieder eine gibt, schenkt niemand mehr Glauben. Zwar sind DHL und FedExx vertreten, aber die Preise sind extrem hoch. Angeblich kostet das Porto für einen einfachen Brief 20 US$. Kein Wunder, dass es nirgendwo Ansichtskarten zu kaufen gibt.
Als wir an einer Raststätte eine kurze Pause machen, stehen dort viele Radfahrer in Sporttrickots. Heute findet ein Straßenrennen statt, an dem Männer und Frauen teilnehmen. Sogar der führende Rennstall, der auch internationale Erfolge aufweisen kann, ist vertreten. Das Rennen wird auf dem Standstreifen der hier vierspurigen  Panamerican ausgetragen, der Autoverkehr darf schließlich nicht beeinträchtigt werden.
In Antigua ist was los, so viele Menschen haben wir in der Stadt noch nicht gesehen, aber für die Semana Santa (heilige Woche) ist das hier völlig normal. Wir wohnen keine 100 Meter von der Kathedrale „La Merced“ entfernt und wollen uns hier gleich mal umschauen. Rund um die Kirche reihen sich Buden aneinander. Auch hier wird deutlich: Gegessen wird immer. Gerade kommt eine festlich gekleidete Familie mit 15jähriger Tochter aus der Kirche. Die Quincenera wird also auch hier mit aller Pracht gefeiert. Ein Blick in die Kirche zeigt: Die Alfombra (Sägemehlteppich) mit den Fußspuren ist inzwischen durch eine neue unversehrte ersetzt worden.

Am Sonntag um 11 Uhr beginnt die zweit wichtigste Prozession der Osterwoche. Von überall her strömen Besucher in die Stadt. Viele Straßen sind bereits gesperrt. Autos, die trotz Verbotsschildern in diesem Bereich parken, werden gnadenlos abgeschleppt. Wir laufen zu einer Straße, wo der Umzug in der nächsten Stunde vorbeikommen soll.

Eifrig wird hier noch an einer Alfombra gearbeitet, es kann also noch dauern. Zunächst gehört die Straße den Verkäufern. Eis, Leihhocker, Sonnenschirme, Sombreros, Getränke, Spielzeug, Sonnenbrillen, Fächer, eben alles was den Menschen die Wartezeit angenehmer macht, ist zu haben. Lila Kutten für Männer und schwarze Spitzenschals für Frauen werden auch noch verkauft, falls sich jemand jetzt noch entschließen sollte, während der Prozession eine aktive Trägerrolle einzunehmen.
Nach einer Stunde geben wir auf, es wird in der Sonne einfach zu warm. Nachmittags gibt es eine neue Chance. Die Frau neben uns gibt uns ihren Programmzettel. Jetzt wissen wir, zu welcher Zeit die Prozession in welcher Straße sein wird und stellen uns nachmittags noch einmal an.

Schon bald hören wir Trommeln und Blasinstrumente. Zu sehen ist außer einer dichten Qualmwolke nichts. Jetzt holen die erfahrenen Besucher ihre Atemschutzmasken heraus, denn die vielen qualmenden Weihrauchkessel bringen die Zuschauer zum weinen und zum husten. Angeführt wird die Prozession von Männern im Römerkostüm. Es folgen Träger mit den nummerierten Bildtafeln der Kreuzigungsstationen. Männer in lila Gewändern laufen jetzt links und rechts der Straße mit einem langen Seil in Händen, damit trennen sie den Umzug von den Zuschauern. Denn jetzt kommen die dicht hintereinander laufenden Männer in ihren lila Kutten mit dem größten der tonnenschweren Gestelle auf ihren Schultern. Die geschnitzte hölzerne Plattform mit ihren Aufbauten – mittig Jesus mit dem Kreuz – schwankt wie ein Schiff durch die Straße. Lange hält diese Anstrengung niemand aus, deshalb wird ständig während des Laufens gewechselt. Die Plattform mit Maria wird dagegen von Frauen getragen. Hinter den Figuren folgt jeweils eine Musikkapelle. Dazwischen jeweils drei Mayas in Tracht mit Flöte und Trommeln. Am Ende der Prozession folgen mehrere Müllwagen und kehren die zertretenen Alfombras und alles was sonst noch rumliegt auf. Dahinter sieht es aus, als sei nie etwas gewesen.
Bis nachts um 2 Uhr dauert dieser Umzug. Schön, dass wir das miterleben konnten, denn morgen verlassen wir Guatemala, dieses wunderschöne Land, das so viel zu bieten hat.

Unterwegs in El Salvador

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Morgens um halb acht werden wir abgeholt. Wir haben den bequemen Weg gewählt und einen Shuttlebus gebucht. Das bedeutet, dass man direkt von Hotel zu Hotel gefahren wird. Kein Umsteigen, kein Gepäck schleppen, keine Wartezeiten.
Nachdem alle Passagiere in Antigua eingesammelt sind, verlassen wir zum zweiten Mal die Stadt die uns so gut gefällt. Der Weg führt in Küstennähe bis zur Grenze. Kaum steht das Fahrzeug, öffnet ein Mann die Seitentür und bietet Geldwechsel an. In der linken Hand hält er einen mehrere Zentimeter dicken Stapel Dollar-Noten. Wir haben noch einige Quetzales. Der Fahrer findet den Wechselkurs gut. Ein Mitreisender ist skeptisch und befragt erst sein Handy, danach tauscht auch er sein restliches Geld. Wie einfach so etwas gehen kann. Die Ausreise aus Guatemala gestaltet sich ebenfalls einfach: den Pass vorzeigen, stempeln lassen und das war es. Einer unserer Mitreisenden hat aber keinen Einreisestempel für Guatemala in seinem Pass, also muss er das irgendwie nachholen. Der Busfahrer organisiert ein Tuctuc, mit dem muss der Mann zu einer nahe gelegenen Einreisestelle, danach kann er offiziell ausreisen. Für uns bedeutet das eine Verzögerung von rund 15 Minuten. Nicht der Rede wert, und dem Busfahrer tut die Pause sicher auch gut. Wir sind gerade auf der Brücke, die den Grenzfluss El Salvador überspannt, als unserer Fahrer eine rasante Kehrtwendung macht. Eine Passagierin fehlt, im Laufschritt eilt sie dem Bus hinterher und ist zutiefst erleichtert, dass er nun doch nicht nur ihr Gepäck sondern auch sie selbst mitnimmt.
Nachdem wir die Grenze zu El Salvador überquert haben, ist die Straße in einem wesentlich besseren Zustand. Das Land von der Größe Hessens liegt eingerahmt von Guatemala und Honduras am Pazifik. Vulkane prägen die Landschaft. In den Bergregionen wird Kaffee angebaut, im fruchtbaren Flachland hauptsächlich Zuckerrohr. Das Straßenbild ist ein völlig anderes. Kaum hat man die Grenze überquert, sieht man die Frauen nur noch in westlicher Kleidung. Wir durchqueren ein paar Städte und fahren dann zeitweise auf der Küstenstraße. Offenbar habe wir Surfer im Bus, denn die Wellen werden voller Spannung begutachtet und fachmännisch kommentiert.
Wir sind als erste am Ziel. Der kleine Ort El Palmarcito liegt noch vor dem bekannteren El Zonte. Das Hostel macht auf den ersten Blick keinen besonders einladenden Eindruck. Der zweite lässt das jedoch schnell vergessen. Das holländisch/salvadorianische Ehepaar hat das Gebäude erst vor sechs Wochen übernommen und konnte natürlich die Umbaupläne noch nicht in die Tat umsetzen. Die vierköpfige Familie strahlt jedoch eine solche Harmonie und Zufriedenheit aus dass man sich sofort wohl fühlt.
Der Strand ist 100 Meter weit entfernt. Allerdings sind jetzt am Nachmittag die Wellen zu hoch zum schwimmen, aber ideal für die Surfer. Selbst die drei Meerwasser- Schwimmbecken, die in die Felsen gebaut sind, werden immer wieder von hohen Wellen überspült. „Morgen früh ist das besser,“ erklärt uns unsere Vermieterin Xena.

Wir laufen eine Weile am Meer entlang und dann nach oben auf die Klippe, hier steht ein nettes Restaurant. Neben dem Weg finden wir ein leicht betäubtes junges Eichhörnchen, das wahrscheinlich aus dem Nest gefallen ist. Vorsichtig nimmt Klaus es am Nackenfell und setzt es auf den Stamm der Palme. Als wir zurückkommen, ist es nicht mehr da.

Am nächsten Morgen probieren wir die Felsenpools aus. SIe gehören zu dem darüber liegenden Hotel. Jetzt während der Woche kostet es keinen Eintritt, trotzdem haben wir die Pools eine zeitlang ganz für uns. Es ist herrlich ruhig, nur die Wellen donnern unter uns gegen die Felsen. Der Rückweg ist um die Mittagszeit recht unangenehm. Der dunkle Sand nimmt in der Sonne eine Temperatur an, die die Fußsohlen glühen lässt.
Einen Tag später machen wir zusammen mit unserem Vermieter Marc und Amira, einer jungen Deutschen einen Ausflug. Marc will uns einen Wasserfall zeigen, den er besonders mag. Nach zwei Stunden Fahrt kann er das Auto abstellen und wir laufen ein kurzes Stück über eine sandige Fläche, bis wir zu einer großen Felsplatte kommen, die von mehreren Wasserläufen durchzogen ist. Zwei von ihnen müssen wir überspringen.

Für Marc mit seinen langen Beinen ist das normalerweise eine Kleinigkeit, aber er hat seit Tagen heftige Schmerzen im linken Fuß. Trotzdem schafft er es aus dem Stand auf einem Bein. Auch Klaus hat keine Probleme, nur Amira und ich stehen etwas bedröppelt da. Erst als uns die Männer die Hand reichen, schaffen wir den Sprung auf die andere Seite. Eine kleine Klettertour, dann stehen wir vor einem großen Becken. Wir wundern uns über den warmen Wind, der hier plötzlich weht. Einen Zugang zu diesem Wasser suchen wir vergeblich, man muss springen oder oben bleiben. Marc ist als erster unten, ich nehme allen Mut zusammen und springe die vier Meter hinunter. Mir bleibt förmlich die Luft weg, ich bin in einer Badewanne gelandet. Das Wasser hat bestimmt eine Temperatur von 38 Grad und wird aus kräftigen heißen Quellen ein paar Kilometer aufwärts gespeist. Marc grinst mich an, die Überraschung ist ihm geglückt. Klaus kommt dazu und gemeinsam kämpfen wir uns durch die Strömung auf die andere Seite. Das Wasser fließt so schnell, dass man kaum vom Fleck kommt. Wir schwimmen im weiten Bogen um den nach unten stürzenden Wasserfall zurück. Das ist bei der Wassertemperatur ganz schön anstrengend. Nach einer Verschnaufpause müssen wir die Felsen hochklettern, anders kommt man hier nicht wieder raus. Ich bin vielleicht froh über meine Badeschuhe. Noch ist der Salto De Malacatiupan wenig bekannt. Außer uns sind noch vier andere Touristen hier. Als wir zwei Stunden später zum Auto zurückkehren, kommen uns vier Paare entgegen. Die Frauen gut frisiert und geschminkt, in eleganten Kleidern und mit Pumps an den Füßen. Die werden hier bestimmt nicht ins Wasser springen.
Auf der Ruta de las Flores, die landschaftlich wunderschön liegt aber in dieser Zeit wenig Flores hat, fahren wir nach Ataco. Das ist eine hübsche kleine Stadt mit einem zentralen Park. Zu dritt gehen wir in das nächstgelegene Restaurant, Marc muss seinen Fuß ausruhen und bleibt im Auto. Der junge Kellner kann sein Glück kaum fassen, Touristen in seinem Lokal. Als er dann noch erfährt, dass wir aus Deutschland sind, will er unbedingt Selfies mit uns machen. Als Dankeschön stellt er ein großes dreigeteiltes Sandwich vor uns auf den Tisch.

Nach einem Rundgang durch die Innenstadt mit ihren bekannten Wandmalereien geht es weiter zu einer großen Kaffeeplantage, deren Sehenswürdigkeit ein Irrgarten ist. In einem so heimtückisch angelegten Labyrinth bin ich noch nie gewesen. Und dann ist es noch am Hang gelegen, das bedeutet ständiges bergauf und bergab laufen. Irgendwann erreichen wir die Mitte. Mit einer Glocke kann man anderen seinen Erfolg mitteilen. Aber jetzt müssen wir wieder rausfinden, wir haben wirklich keine Lust mehr und als ein junger Mann fragt, ob er uns führen soll, nehmen wir das dankbar an.
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Abends gehen wir noch einmal in eins der Strandrestaurants. Der Besitzer bedankt sich überschwänglich, das wir El Salvador besuchen. Er weiß, dass sein Land einen schlechten Ruf hat und bittet uns, zuhause zu erzählen, wie schön es hier ist.
Wir nehmen den Bus nach San Salvador. Die Fahrkarte kostet 1,50 US$ (El Salvador hat keine eigene Währung) für 50 Kilometer. Allerdings müssen wir auch für jeden Koffer eine Fahrkarte kaufen. Dafür dürfen die dann auf dem Sitz mitfahren. Auf der stark befahrenen Küstenstraße geht es nach La Libertad, dem beliebten Badeort der Hauptstädter, hier zweigt die Straße  nach San Salvador ab. Auf der neuen vierspurigen Straße geht es zügig voran, bald haben wir den Stadtrand erreicht. Über der großflächig angelegten Stadt erhebt sich ein Vulkan. Erdbeben haben ihr immer wieder zugesetzt. Das letzte schwere Beben liegt noch keine 20 Jahr zurück. San Salvador ist auf den ersten Blick nicht von einer nordamerikanischen Stadt zu unterscheiden. In mehreren großen Einkaufszentren sind alle bekannten Fastfood-Ketten und Modelabel aus den USA vertreten.
Doch im Bereich der Altstadt – wo unser Hotel liegt – ändert sich das Stadtbild. In diesem Teil der Hauptstadt sind scheinbar alle Fenster und Türen vergittert und die Häuser dicht an dicht mit Stacheldraht, Natodraht oder Elektrodraht gekrönt. Außerdem laufen viele bewaffnete Wachleute herum. Nach Einbruch der Dunkelheit soll man besser ein Taxi nehmen. Jetzt am frühen Nachmittag kann man sich nicht vorstellen, dass es hier gefährlich sein könnte. Wir bestellen aus Bequemlichkeit schon jetzt ein Uber-Taxi und lassen uns die vier Kilometer zur Kathedrale fahren. Das Taxi quält sich durch dichtes Gedränge auf der links und rechts dicht mit Marktständen bestückten Hauptstraße zur Plaza Civica an der Kathedrale Metropolitana.

Familien sitzen auf dem Platz auf Bänken oder auf dem Boden und essen, reden, lachen und beobachten ihre spielenden Kinder.

Die von außen prächtige Kirche ist innen recht schmucklos, sie wurde auch erst Ende des letzten Jahrhunderts fertiggestellt. Eine weitere Kirche (San Rosario) in der Nähe sieht von außen aus, wie eine unscheinbare Werkhalle aus grauem Beton, aber von innen fühlt man sich wie mitten im Regenbogen.

Unweit der beiden Kirchen spielt eine großartige Band lateinamerikanische Musik. Umringt von einem großen Zuschauerkreis tanzen Menschen von acht bis achtzig allein oder paarweise begeistert zur mitreißenden Musik.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus zum botanischen Garten „Plan de la Laguna“. Früher war hier ein See, der durch einen Vulkanausbruch im 18. Jahrhundert trockengefallen ist. Auf der fruchtbaren Erde wurde im letzten Jahrhundert ein botanischer Garten angelegt. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel für Familien.

Teiche mit Fischen und Schildkröten sind zwischen Bäumen, Sträuchern, Wüstenpflanzen und Blumen angelegt. Auf schattige Wegen mit vielen Sitzgelegenheiten und mehreren Spielplätzen finden Alt und Jung jeweils das Passende.

Hier sitzen wir eine Weile und beobachten ein paar Dohlengrackeln. Die kennen wir schon seit Mexiko und erfreuen uns an ihrer Fähigkeit, andere Vögel oder sonstige Geräusche nachzuahmen, wie Handyklingeln oder das akkustische Signal von Fußgängerampeln.
Der Weg zum knapp zwei Kilometer entfernten Einkaufszentrum bietet ein unerwartetes Hindernis. Wir müssen eine gut 20 Meter hohe Brücke überqueren, die anscheinend nur für Autos gebaut wurde. Kein Bürgersteig, und das Geländer reicht gerade mal bis zum Oberschenkel. Doch die Menschen, die wir fragen, deuten sehr bestimmt auf die Fahrbahn. Mit einem etwas mulmigen Gefühl laufen wir die letzten 300 Meter, bis wir unser Ziel erreichen. Groß und modern mit vielen Boutiquen und noch mehr Schuhgeschäften präsentiert sich das Einkaufszentrum. Hier kauft die Ober- und Mittelschicht ein. Die teuersten Schuhe kosten hier 35 US$. Für Miguel Normalverdiener kaum erschwinglich, 300 US$ verdient er im Monat.
Für den Rückweg bestellen wir uns ein Taxi, heute sind wir genug gelaufen.

León – (Nicaragua)

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Wir dachten, dass wir in der Hauptstadt die beste Möglichkeit zur Weiterreise haben. Falsch, vom kleinen Ort Palmarcito kostet die Fahrt nach Nicaragua nur knapp die Hälfte. Xena, unsere nette Vermieterin, hat uns Tickets gebucht und wir nehmen morgens noch mal den öffentlichen Bus an die Küste. Natürlich müssen wir wieder Tickets für unsere Koffer kaufen. Klaus händigt dem Schaffner 6 US$ aus und hat damit für uns vier (wir + 2 Koffer) bezahlt. Das Gepäck ist schon im Bus, bevor wir einsteigen dürfen. Man muss dem Fahrer die Tickets zeigen und darf sich dann durch das Drehkreuz quetschen. Und jetzt gibt es Ärger. Wir haben zwei Tickets, müssten aber vier haben. Der Fahrer ist unnachgiebig, trotz der Vermittlung eines englisch sprechenden Landsmannes, besteht er auf weiteren 3 US$. Klaus zahlt zähneknirschend. Die anderen Fahrgäste verfolgen das Ganze interessiert, aber die draußen Wartenden werden kein bisschen ungeduldig.

Als der Bus gerade anfährt, kommt der Schaffner zu uns, drückt uns drei Dollar-Münzen in die Hand und entschuldigt sich wortreich. Ein Aufseufzen geht durch den Bus. Man kann den Ausländern also doch trauen, sie wollten wirklich nicht betrügen.

Wieder sind wir in Palmarcito und gehen noch mal ins Strandrestaurant, um Ceviche (ein herrlich frisches Gericht aus Meeresfrüchten oder Fisch) zu essen. Währenddessen wird das Lokal mit Getränken beliefert. Vier Männer laden den ganzen LKW aus und schleppen tatsächlich jeder vier volle Bierkästen auf der Schulter und dabei können sie uns noch freundlich zuwinken.

Der Shuttlebus kommt eine halbe Stunde zu früh. Jetzt haben wir freie Platzwahl, denn die Mitfahrerinnen sind noch nicht vom Essen zurück. Den Bus kennen wir doch, das Spinnwebmuster auf der Windschutzscheibe ist unverwechselbar. Tatsächlich sind wir mit Bus und Fahrer bereits aus Antigua gekommen. Gesprungene Scheiben sind hier überhaupt kein Grund, gleich zur Werkstatt zu fahren, Hauptsache sie sind noch dicht. Löcher kann man auch einfach mit einer Glasscheibe überkleben.

Die restlichen Passagiere werden noch in El Zonte eingesammelt und dann beginnt die lange Fahrt. Auf guter Straße geht es durch das schöne Land. Kurz vor Sonnenuntergang halten wir noch an einer Tankstelle mit Supermarkt, wo wir etwas einkaufen oder am Geldautomaten die nötigen Dollar für die zwei Grenzübertritte ziehen können. Ein paar Kilometer weiter sind wir an der Grenze zu Honduras. Aus- und Einreise gehen zügig vonstatten. Und auf einer sehr gut markierten und teilweise beleuchteten Straße fahren wir durch Honduras. Zu sehen ist in der Dunkelheit leider kaum etwas, aber so eine gute Straße haben wir nicht erwartet.

Die Ausreise aus Honduras verläuft recht geordnet, nach Nicaragua kommen wir jedoch nicht so schnell hinein. Wir müssen unsere Pässe abgeben, das Geld hat der Fahrer schon vorher eingesammelt, und dann dauert es über eine Stunde, bis wir neun Personen einreisen dürfen, obwohl vor uns keine anderen Reisenden warten.

Aber auch diese Prozedur geht vorbei und wir können irgendwann weiterfahren. In der Dunkelheit tauchen am Straßenrand ab und zu Kühe oder Pferde auf. Plötzlich macht der Fahrer eine Vollbremsung, seelenruhig geht um Mitternacht ein Schwein auf der Straße spazieren. Jetzt sind alle wieder munter. Und eine knappe Stunde später erreichen wir auch unser Ziel Leon. Selbst um diese Zeit ist noch Betrieb in der Stadt. In einer Straße stehen Imbisswagen, deren Feuerstellen noch glühen, laute Musik ist zu hören. Nach und nach steigen die Mitreisenden vor ihren Hostels aus, der Fahrer drückt kurz auf die Hupe, die vergitterten Türen werden geöffnet und die späten Gäste willkommen geheißen. Und dann sind auch wir angekommen, hundemüde aber noch zu aufgekratzt zum schlafen. Wir trinken jeder ein Bier, das hilft.

Zum Frühstück gibt es im Hostel leckere Pfannkuchen mit Bananen und Kaffee, soviel man mag. Danach suchen wir den nächsten Geldautomaten und verheddern uns erstmal mit den Nullen. Die 1.500 Cordobas, die wir aus dem Automaten ziehen, sind gerade mal 41 €.

Auf dem Weg zur Kathedrale kommen wir an der Iglesia San Francisco vorbei. Hier herrscht ein Riesengedränge, rundherum Buden mit Waren aller Art, natürlich auch jede Menge essbares. In der proppenvollen Kirche findet gerade eine Messe statt. Fröhliche und mitreißende Kirchenlieder schallen bis auf die Straße. Wir geraten mit der sich vorwärts schiebenden Menschenmasse in die Kirche. Gleich rechts hinter dem Haupteingang ist ein Verkaufsstand aufgebaut. Schmuck, Kinderspielzeug und jede Menge Tinnef wird hier angeboten.

Irgendwie können wir uns herauswinden und kehren zurück auf die Straße. Die ist bis zur Kathedrale für den Verkehr gesperrt. Hier herrscht eine Stimmung wie auf dem Rummelplatz.

Dann stehen wir vor der 1860 eingeweihten Kathedrale „Real ey Insigne Basilica Catedral de la Asunción de la Bienaventurada Virgen Maria“ (echte und berühmte Basilika der Himmelfahrt der Jungfrau Maria). Der lange Name hat seine Berechtigung, es handelt es sich immerhin um die größte Kathedrale in Mittelamerika.

Auf dem Platz davor entstehen auf großen Plastikfolien gerade Teppiche aus Sägemehl. Das Naturmaterial wird direkt daneben mit Wasser und Farbe gemischt und feucht verarbeitet. Während in Antigua mit Schablonen gearbeitet wird, sind hier echte Handwerker zu bewundern. Unter ihren geschickten Fingern entstehen sogar dreidimensionale Bilder.

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Die Kirche – von grimmigen Löwenstandbildern bewacht – ist jetzt allerdings geschlossen, erst am späten Nachmittag wird wieder geöffnet.

Wunderbar goldenes Licht durchflutet die riesige, fünfschiffige Kirche. Für dieses unvergleichliche natürliche Licht ist sie berühmt. Gerade übt eine Musikkapelle für die Osterprozession. Der Schall vervielfacht sich und die Musik scheint aus allen Richtungen zu kommen. Wie muss sich hier erst ein Orgelkonzert anhören.

Erschien uns die Stadt heute Morgen wegen der vergitterten Fenster und Türen an den Häusern noch ziemlich abweisend, hat sie jetzt am späten Nachmittag eine ganz andere Wirkung. Fast alle Türen sind geöffnet und man kann durch die Gitter bis in die herrlichen Innenhöfe schauen. In den zur Straße gelegenen Zimmern sieht man Kinder spielen, Erwachsene fernsehen, und ältere Menschen in Schaukelstühlen hin und her wippen. Als wir spät abends zurück zu unserem Hostel laufen, müssen wir manches Mal auf die Straße ausweichen, denn inzwischen stehen nicht wenige Schaukelstühle auf dem Bürgersteig. Nach Tagestemperaturen von über 30 Grad genießen die Menschen ihr Schwätzchen mit den Nachbarn in der lauen Abendluft.

Wir haben erwartet, dass die Alfombras vor der Kirche heute alle fertig sind, aber da sind keine mehr. Gestern muss am Abend eine Prozession stattgefunden haben und von den herrlichen Teppichen ist nicht ein Krümelchen Sägemehl übrig. Wir suchen uns einen Schattenplatz im Parque Central, dessen Mittelpunkt der trockene Löwenbrunnen bildet. Sobald das runde Becken mit Wasser gefüllt ist, funktionieren die Kinder es zum Planschbecken um. Das ist den Stadtvätern wohl ein Dorn im Auge. Bei all den Verkaufsständen und Minikarussells würde das der Würde des Parks nun wirklich nicht schaden. An einer Holzbude wird die Fun-Sportart „Vulcano-Boarding“ angeboten.

Dabei hüllen sich die sportlichen Teilnehmer in einen Overall und klettern morgens – ein dickes Holzbrett unter dem Arm – den Cerro Negro hoch bis auf über 700 Meter. Dann heißt es: Schutzbrille auf, auf das Brett setzen und den steilen Abhang auf scharfkantigem Vulkanschotter herunter sausen. Dabei erreicht man bei 45 % Gefälle eine Geschwindigkeit von gut 60 Stundenkilometern. WICHTIG: Den Mund geschlossen halten und nicht umkippen.

Gegen Abend nehmen wir an einer „Free-Walking-Tour“ teil. Außer uns ist zu dieser Zeit niemand interessiert und Noell unser Guide kann sich ganz auf uns konzentrieren und uns viel über seine Stadt und die jüngere Geschichte des Landes, das dreimal so groß wie die Schweiz ist und gut 6 Millionen Einwohner hat, erzählen. Natürlich spricht er auch über die Demonstrationen, die im April vor einem Jahr begannen und über 200 Todesopfer forderten. Ich frage ihn, ob er die Stadt Diriamba kennt und erzähle von der früheren Verschwisterung mit unserer Heimatstadt. Das begeistert ihn, er hat nämlich Verwandte dort.

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Vor einer Brandruine erzählt uns Noell, wie gefährlich Fußball sein kann. Im vergangenen Jahr fand ein wichtiges Spiel zwischen FC Barcelona und Real Madrid statt. Die Fans beider Vereine hatten sich in zwei gegenüber liegenden Lokalen vor den Fernsehern eingefunden. Während die einen den Sieg Barcelonas bejubelten, wuchs der Groll bei den Anhängern der Madrilenen. Die Schmach musste getilgt werden, sofort und hier. Auf der Straße gab es eine Massenschlägerei. Auch das Küchenpersonal beteiligte sich. Währenddessen fing eine auf dem Herd vergessene Pfanne Feuer und bis die Hitzköpfe den Brand bemerkten, stand das Lokal in hellen Flammen. Sieg für Barcelona auf ganzer Linie.

Kaum sind wir am Park angekommen, sehen wir schon wieder eine Prozession. Heute fehlen allerdings die kunstvollen Alfombras.

Der Shuttlebus nach Granada kommt um 7.30. Wir haben noch ein wenig Zeit für ein Gespräch mit dem netten Besitzer des Hostels. Durch den Aufstand im vergangenen Jahr war er gezwungen, das Hostel für mehrere Monate zu schließen und sein Personal zu entlassen. Langsam läuft es wieder an, aber jetzt hat er mit neuen Problemen zu kämpfen: Einige unverschämte Backpacker, die dreist auftreten und versuchen durch Erpressung die wirklich angemessenen Preise zu drücken. Motto: Wenn Du mir das Zimmer nicht für XXX Cordobas gibst, schreibe ich eine schlechte Bewertung in Booking.com oder Hostelworld. Sie wollen die Welt bereisen, aber wenn das Geld nicht reicht sollen andere gefälligst dafür sorgen, dass es ihnen an nichts fehlt. Auf die Idee auf irgendeine Fun-Sportart zu verzichten, oder ihre Arbeitskraft anzubieten, kommen sie nicht.  Oder: Das im Übernachtungspreis enthaltene Frühstück wird bemäkelt, z.B.  nicht vegan (dabei steht Gallo pinto – das landestypische Frühstück aus Reis und Bohnen – auf der Karte). Die Herrschaften wünschen Müsli mit Obst und Sojamilch und bloß keine Bananen oder Wassermelonen, am liebsten Import-Äpfel. Die einheimischen Angestellten , denen sie ihr Leid wegen des schmalen Budgets klagen, verstehen das natürlich überhaupt nicht, denn keiner von denen hat schon jemals eine Urlaubsreise gemacht. Die sind schon froh, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten können und das geht wiederum nur, wenn die Übernachtungsgäste auch die kalkulierten Preise zahlen.

Vulkane – in Granada, am Apoyo-See und auf Ometepe (Nicaragua)

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Mit dem Shuttlebus fahren wir zum letzten Mal durch Leon. Löwenstandbilder, wohin man schaut, in Parks, an Brunnen und vor Gebäuden. Ob jemand weiß, wie viele es in der ganzen Stadt gibt?

Am frühen Morgen können wir endlich auch was vom Land sehen. Auffallend viele Pferdefuhrwerke sind auf den Straßen unterwegs. Dieser Teil des Landes ist hauptsächlich flach und wird meist landwirtschaftlich genutzt. Viehwirtschaft, Bananen, Zuckerrohr, Tabak und im Abnehmen begriffen auch Baumwolle. Auffallend sind dazwischen die blühenden Butterblumenbäume, deren strahlendes Gelb weit leuchtet.

Die Hauptstadt Managua durchfahren wir nur in den Randgebieten. Vor Einkaufszentren und bei großen Kreisverkehrsinseln steht ein Großaufgebot an Polizei. Der Jahrestag der Demonstrationen von 2018 steht kurz bevor, und die Regierung ist offenbar ziemlich nervös.

In den Mittagsstunden erreichen wir Granada – von den Einheimischen „fette Rosine“ genannt – übrigens verschwistert mit Frankfurt/Main. Unser Hotel gehört einem Inder der uns erzählt, dass viele Ho(s)tels und Restaurants nach den blutigen Aufständen vor einem Jahr schließen mussten. Sein Hotel hat überlebt, aber das dazu gehörende Restaurant rentiert sich nicht mehr. Wir kühlen uns erst einmal im Pool ab, in Granada ist es noch mal 5 Grad wärmer als in Leon. Die junge Frau, die kurz darauf ebenfalls in den Pool steigt, hat Schürfwunden am rechten Unterarm. „Vulkan-Boarding?“ frage ich, sie nickt.

Beim ersten Rundgang durch die Stadt sehen wir viele schöne Gebäude aus der spanischen Kolonialzeit. Obwohl die Stadt mindestens dreimal von Piraten zerstört wurde, gilt Granada (80.000 EW) nach mehrfachem Wiederaufbau als die schönste Stadt Nicaraguas; Leon dagegen ist die lebendigere und mit 200.000 Einwohnern auch die größere. Eine Zeit lang wechselten sich beide in ihrer Funktion als Hauptstadt ab, bis 1858 die Ernennung Managuas dem Dauerstreit ein Ende machte.

Vor der Kathedrale entsteht gerade die größte Alfombra (Sägemehlteppich) für die Osterprozession, die wir bisher gesehen haben. Hier bedient man sich einer anderen Technik als in Antigua oder Leon. Auf die gut 25 m² großen Fläche aus Naturmaterial wird das Motiv farbig aufgesprüht. Ein Zaun schützt es vor unabsichtlicher Zerstörung, denn dieses Werk muss bis Ostern erhalten bleiben.

Wir sitzen im Café gegenüber der Iglesia la Merced, wo gerade ein Trauergottesdienst stattfindet. Vor der Kirche stehen in der größten Hitze zwei Pferde, die die schwarze Kutsche nach der Trauerfeier zum Friedhof ziehen müssen. Die Menschen, die aus der Kirche strömen, sind elegant gekleidet, schwarz tragen die wenigsten.

Abends suchen wir uns aus der Vielzahl der Restaurants eins mit besonders schönem Innenhof aus. Im Freien sitzen, dabei ins beleuchtete Grün schauen und dabei das Brunnenwasser plätschern hören, ist ungemein entspannend. Das Lokal schließt um 21 Uhr, später als viele andere. Auf dem Rückweg reiben wir uns verwundert die Augen.

Die ruhige Fußgängerzone der Altstadt hat sich in eine Partymeile verwandelt. Mitten auf der Straße stehen jetzt Tische und Stühle, Bands spielen, Händler drängen sich zwischen den Tischen durch und bieten ihre Waren an, Menschen essen, trinken, tanzen und singen.

Am nächsten Morgen herrscht wieder verschlafene Ruhe. Am anderen Ende der Stadt kommt man an den Nicaragua-See. Durch den San Juan-Fluss ist der See mit dem Atlantik verbunden (den Weg nahmen die Piraten) und die schmalste Stelle zwischen See und Pazifik beträgt nur 10 Kilometer. Deshalb wird immer wieder über den Bau eines Äquivalents zum Panama-Kanal spekuliert. Hoffentlich kommt es nie so weit, denn damit würde sich hier alles verändern. Der größte Binnensee Mittelamerikas (17 mal so groß wie der Bodensee) ist Wasserspeicher, Nahrungslieferant, Verkehrsader für einen Teil der Bevölkerung des Landes und für die Einwohner Granadas der beliebteste Vergnügungsplatz.

Wir sind erstaunt, dass hier so wenige Menschen im Wasser sind. Die können doch nicht alle Angst vor den Bullenhaien haben, die in dem See leben und als einzige Hai-Art die Umstellung von Salz- auf Süßwasser schaffen. Während wir am Strand entlang laufen, kommt plötzlich ein Pferd angaloppiert, stoppt an einem grasbewachsenen Platz und beginnt zu fressen. Von einem Besitzer ist weit und breit nichts zu sehen.

Ein junger Mann bietet uns eine Bootstour zu den 360 kleinen Inseln an, die durch einen Ausbruch des Mombacho-Vulkans vor Jahrtausenden entstanden sind. Um zur Anlegestelle zu kommen, müssen wir ein ganzes Stück mit dem Auto am Seeufer entlang fahren. Und hier sind all die Menschen, die wir am vorderen Ufer vermisst haben.

Hier stehen Bäume mit weit ausladenden Kronen am Ufer und spenden den nötigen Schatten. Dazwischen liegen Spielplätze, verkaufen Händler aufblasbare Gummitiere und -reifen in allen Größen und Farben, stehen Händler mit Speisen und Getränken bereit, kurz – es fehlt an nichts. In der Osterwoche sind Ferien und dieser Teil des Seeufers ist nicht nur bei den Einwohnern Granadas, sondern auch bei denen aus der Hauptstadt beliebt. Der eigene (Managua-) See ist stark verschmutzt, baden geht dort niemand mehr.

Wir fahren mit dem Boot zwischen den vorderen Inseln hindurch und der junge Mann erzählt uns, wem sie jeweils gehören. Einheimische Brauereibesitzer und Zeitungsverleger gehören zu den Glücklichen. Die größte mit dem protzigsten Haus gehört einem amerikanischen Pornoproduzenten und die mit dem schönsten Haus und einem Hubschrauber-Landeplatz dem Schauspieler Morgan Freeman. Nur etwa 20 dieser Inseln sind von Einheimischen bewohnt, etliche noch zu verkaufen. Nach einem Lottogewinn kann man ja mal darüber nachdenken. Zurück an Land laufen wir am Seeufer zurück und schauen uns an, wie die Menschen ihre Freizeit am Seeufer genießen.

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Im rechteckigen Parque Central vor der Kathedrale stehen an den vier Ecken gemauerte Kioske. Hier wird eine örtliche Spezialität verkauft: Auf ein warmes Püree aus Yucca-Wurzeln kommen kleine Stückchen kross gebratener Schweineschwarte, gekrönt von einem Krautsalat. Es schmeckt mir erstaunlich gut, bis plötzlich eine warme Ladung von oben aus dem Baum meinen Kopf und die Schulter trifft und auch ins Essen tropft. Irgend ein Vogel – klein war er sicher nicht – hat sich gerade gewaltig erleichtert. Die Verkäuferin aus dem Kiosk kommt sofort mit einem Lappen angerannt, befeuchtet ihn mit meinem Trinkwasser und beseitigt den gröbsten Schaden. Jetzt will ich nur noch ins Hotel und unter die Dusche. Sollte ich allerdings feststellen, dass an der „behandelten“ Stelle die Haare jetzt doppelt so dicht sprießen, werde ich mir schon mal eine Insel aussuchen; mit einem Haarwuchsmittel das wirkt, kann man steinreich werden.

Vor der Casa de los tres Mundos (Haus der drei Welten) – dem Kulturzentrum der Stadt – hängt ein Plakat. „Schau mal das Bild“, sagt Klaus „der sieht doch aus wie dieser Schauspieler.“ „Dietmar Schönherr,“ ergänze ich, und als ich später nachschaue, bewahrheitet sich das. Der Schauspieler hat sich mit sozialen Projekten stark in Nicaragua engagiert.

Am Gründonnerstag und Karfreitag ist von Musik- und Tanzverbot keine Rede. Während morgens bei den Prozessionen in manchen Gegenden sogar ein Kreuz mit einem angebundenen lebenden Menschen durch die Straßen getragen wird und manche Gläubige vor Verzweiflung und Mitgefühl weinen, kennt die Feierfreude abends keine Grenzen.

Osterprozessionen haben wir jetzt zur Genüge genossen, deshalb verlassen wir die Stadt am Samstag und lassen uns mit dem Taxi zum nahe gelegenen Apoyo-See bringen. Am Ende der Straße haben wir in einem kleinen Ressort für die nächsten Tage einen Bungalow gemietet.

Dieser in einem Vulkankrater liegende fast runde See mit 4 km Durchmesser soll das sauberste Wasser in ganz Mittelamerika haben. Ganzjährig hat er eine Temperatur zwischen 25 und 27 Grad, einfach wunderbar. Auch der Schweizer Besitzer Daniel hat seit der Demonstrationen vor einem Jahr zu kämpfen. Acht von zehn Mitarbeitern musste er entlassen und hofft nun, dass die Touristen bald wiederkommen. Er liebt dieses Land und ganz besonders den See. Begeistert erzählt er uns von den Tieren, die in der Wildnis rundherum leben. Zwei Affenarten sind hier heimisch, Brüll- und Kapuzineraffen. Ein Ameisenbär hat ihn in den sechs Jahren, die er hier lebt, auch schon auf seinem Grundstück besucht, und die vielen Vögel die hier leben notiert er sich in einem Buch. Beim Frühstück sehen wir einen Motmot, dessen Schwanzfedern aussehen, als wären zwei Bommel am Ende befestigt. Er ist sowohl der Nationalvogel El Salvadors als auch Nicaraguas.

„Den Masaya-Vulkan müsst ihr dringend besuchen“, rät uns Daniel. Also fahren wir am nächsten Nachmittag 35 Kilometer mit dem Taxi zu diesem Berg. Die Zufahrt ist durch ein Tor gesperrt, auch Fußgänger werden erst ab 17 Uhr eingelassen. Über eine gute neue Straße geht es zwischen Schlackefeldern den Berg hinauf zu einem weitläufigen Parkplatz. Große Dampfwolken steigen jenseits der Begrenzungsmauer auf. Ein Blick hinüber zeigt ein Loch, aus dem es unentwegt qualmt. Wir laufen noch ein Stück weiter, den Berg zur Linken hinauf und schauen in den Krater eines erloschenen Vulkans. Als die Sonne untergeht, gehen wir langsam zurück. Im Dunklen wollen wir auf diesen Wegen voller Vulkan-Schotter nicht gerne unterwegs sein, wie leicht gerät man hier ins Rutschen. Ein Schwarm Papageien kommt lärmend angeflogen und sucht einen Schlafplatz für die Nacht.

Inzwischen haben sich zu den paar Autos, die vorhin auf dem Parkplatz standen noch ein paar hinzugesellt, darunter auch ein Wohnmobil. Mit dem Besitzer kommen wir kurz darauf ins Gespräch – ein Schweizer unterwegs auf der Panamerikana. Je dunkler es wird, umso heller leuchtet die glühende Lava in dem Loch, es kommt mir vor, als könne man der Erde tief in den Schlund schauen – faszinierend.

Das Vulkan-Thema lässt uns auch am nächsten Tag nicht los. Wir machen uns auf den Weg zur Insel Ometepe, die im Nicaragua-See liegt. Ursprünglich waren es zwei Vulkan-Inseln, die nach mehreren Eruptionen durch ausfließende Lava inzwischen miteinander verbunden sind.

Der Bus fährt bis zum Hafen San Jorge, dann brauchen wir noch eine gute Stunde mit der Fähre auf die Insel. Mal wieder eine gute Gelegenheit, um Menschen zu beobachten. Männer und Frauen schauen begeistert der Telenovela zu, die über den Bildschirm flimmert. Kinder werden mit Süßigkeiten zum Ausharren gebracht und den Kleinsten wird die Brust gegeben. Stillende Mütter sind in allen bisher bereisten Ländern Mittelamerikas zu sehen. Auf Bänken, in Bussen, selbst während des Laufens holen die Mütter die Brust raus und lassen ihre Kinder trinken.

Am Hafen von Moyogalpa wartet bereits ein Taxi auf uns, das der Hotelbesitzer für uns organisiert hat. Die Strecke an der dem Westufer des Sees zugewandten Seite sei etwas länger, aber viel besser, erklärt uns der Fahrer. Uns ist das egal, wir haben einen Festpreis für die Hin- und Rückfahrt vereinbart und genießen die schöne Strecke. Unser Hotelchen (zwei Zimmer) liegt auf dem Verbindungsstück zwischen den beiden Vulkanen. Zwischen unserer Terrasse und dem Strand liegt nur die kaum befahrene Straße. Es gibt ein paar Läden, drei Restaurants und ganz viel Natur.

Am nächsten Morgen gehen wir Schwimmen, hundert Meter weiter rechts tun es uns ein paar Pferde gleich. Sie marschieren ins Wasser, manche legen sich hin, andere wälzen sich auf den Rücken, und dann geht es zum Trocknen an den Strand. Conception, der größere der beiden Vulkane trägt morgens ein Wolkenmützchen, das ständig seine Form verändert.

Auf dem Teil der Insel, die vom Vulkan Maderas dominiert wird, gibt es Petroglyphen. Diese in Felsen eingearbeiteten Bilder sind ein guter Grund für eine Wanderung. Nach ein paar Kilometern über einen Feldweg mit zwei 50 Zentimeter breiten betonierten Fahrstreifen sind wir beim ersten Felsstein angelangt, der mit einem einfachen Dach vor Regen schützen soll. Die nächsten, die wir zu Gesicht bekommen, liegen einfach im Freien.

Der Weg zu einer 7 Kilometer entfernten Lagune führt durch ein Gatter. Ein Pärchen auf dem Moped schaut sich den Weg an und muss feststellen, fahren ist hier nicht möglich. Da hat es der Caballero, der kurz darauf auf seinem Pferd angetrabt kommt, schon einfacher. Das Tier ist diesen steinigen Weg offenbar gewöhnt, schon nach kurzer Zeit ist von den Beiden nichts mehr zu sehen. Wir allerdings geben nach einer halben Stunde auf und treten den Rückweg an. Warum einen solch schwierigen Weg gehen, wenn er sowieso nicht zum Aussichtsturm führt, den wir eigentlich besuchen wollen.

Der andere Weg führt zwischen herrlichen Bäumen hindurch. Merkwürdige Samenkapseln liegen auf der Erde. Diese schönen Gebilde könnte man bestimmt als Musikinstrument nutzen, die Samen rasseln so schön in den hölzernen Kapseln.

Wir sind ganz allein hier und können Vögel und zwei sich jagende Eichhörnchen beobachten. Nach einer Weile kommen wir zu einer Plantage und mittendrin liegt der Aussichtsturm und ein hübsches Restaurant, das zu einem Hostel gehört. Das kommt uns gerade recht für eine Pause. So schön das hier auch liegt, für uns ist es nicht das Richtige. Es liegt beinahe 100 Meter oberhalb der Straße und die Gäste müssen ihr Gepäck auf engen Wegen selbst nach oben befördern. Für uns geht es mit leichtem Gepäck hier nur bergab, eine Kleinigkeit nach dem leckeren Brot.

Am nächsten Morgen geht es mit der 11 Uhr-Fähre zurück aufs Festland. Ein Taxifahrer macht uns das Angebot, uns für einen guten Preis bis zur Grenze nach Costa Rica zu bringen. Da können wir nicht widerstehen und genießen die 40 Kilometer bis zur Grenze. Hier sind wir in der Region, in der hauptsächlich Viehzucht betrieben wird. Jetzt, am Ende der Trockenzeit, ist das Gras verdorrt und die Rinder sind so dürr, dass man die Rippen sehen kann. Mensch und Tier warten auf den Regen, der in ein paar Tagen das ganze Land in üppiges Grün verwandeln wird.

Dann sehen wir links und rechts eine Vielzahl von Windrädern. In Nicaragua ist man ungeheuer stolz auf diese fortschrittliche Energieerzeugung.

Fünf Kilometer vor der Grenze beginnt ein Stau. Wie eine riesige Eisenbahn stehen LKW dicht an dicht. Unsere Befürchtung, dass das jetzt eine langwierige Angelegenheit wird, bewahrheitet sich nicht. Der Fahrer fährt an der Blechschlange vorbei und setzt uns direkt vor der Grenze ab.

Schade, dass unsere Zeit in Nicaragua schon vorbei ist. Auch dieser Abschied schmerzt, aber gleichzeitig freuen wir uns auf Costa Rica.

Die Hauptstadt San José (Costa Rica)

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Der Bus in die Hauptstadt fährt erst am Nachmittag ab. Weil in der Regenzeit wenige Gäste im Hotel sind, können wir bis mittags in unserem Häuschen bleiben. Pünktlich um 14:45 startet dann der Bus. Es ist nicht sehr weit bis nach San José, aber es braucht doch 4,5 Stunden für knappe 150 Kilometer.

Die Landschaft ist bergig und entsprechend kurvig die Straße, es geht ziemlich hoch hinaus. Die Häuser links und rechts der Straße sind recht klein, wirken aber gut gepflegt. Das Land ist so fruchtbar, dass sogar Zaunpfähle ausschlagen. Umso merkwürdiger, dass Besitzer großer Grundstücke mit schönen Häusern eine Vorliebe für fast schmucklose Rasenflächen haben. Ein paar blühende Stauden auf 20 cm links und rechts am Grundstücksrand, ein Felsbrocken oder eine Statue im Vorgarten, das scheint moderne Gartengestaltung à la Costa Rica zu sein.

Als der Bus wieder bergab fährt, leuchtet die 25 Kilometer von San José gelegene Stadt Alajuela schon von weitem in der Dunkelheit. Ein riesiges modernes Einkaufszentrum lockt mit blinkenden Lichtern und einem beleuchteten Riesenrad. Als wir am Flughafen halten, drängt uns eine Mitreisende zum Aussteigen. Als wir ihr erklären, dass wir in die Hauptstadt wollen, ist sie erstaunt. San José ist bei Travellern nicht sehr beliebt. Der erste Eindruck ist im Dunklen auch nicht wirklich einladend. Das Stadtviertel, durch das der Bus gerade fährt, wirkt herunter gekommen. Menschen sitzen oder liegen auf den maroden Bürgersteigen. Alle Läden haben die eisernen Rollläden herunter gelassen. Beim Busterminal muss erst ein Tor geöffnet werden, damit wir auf den Parkplatz fahren können. Innen ist das Terminal modern, sauber und hell erleuchtet. Der Ausgang ist bereits geschlossen, wir müssen durch die Eingangshalle. Mindestens zwanzig Taxifahrer warten hier auf Fahrgäste. Wir haben bereits bei Uber ein Auto bestellt und erzählen, dass unser Hotel einen Fahrer schickt, danach werden wir in Ruhe gelassen. Unserem Fahrer fehlt allerdings ein wenig Fantasie. Er wartet am Ausgang – ist ja eigentlich logisch, aber er muss doch merken, dass kein Mensch herauskommt. Auf die Idee, uns eine Nachricht zu schicken, kommt er auch nicht. Frustriert storniert er nach 10 Minuten die Fahrt. Sein Kollege jedenfalls fragt sofort an: „Wo finde ich Euch?“ Und damit läuft alles wie geschmiert.

Im Hotel erwartet uns Roland, der Freund des abwesenden Besitzers, beide sind Schweizer. Wir bekommen ein schönes großes Zimmer mit eingebautem Wandschrank und einem Nebenraum mit Stockbetten, wo wir unsere Koffer ausbreiten können.

Direkt vor dem Hotel führt eine Eisenbahnstrecke entlang. Wir staunen, dass die Schienen ohne irgendwelche Schranken mitten auf der Straße entlang führen. Während der Woche beginnt der Schienenverkehr bereits morgens um vier Uhr, begleitet von lautstarken Signalen. Nicht weiter schlimm, wenn man darauf vorbereitet ist.

Für das Abendessen empfiehlt uns Roland das Café Literario zwei Ecken weiter. Bücher hängen von der Decke und die Gerichte auf der Speisekarte heißen Hermann Hesse, Virginia Woolf, Harry Mathews usw. Eine gute Empfehlung, lecker und nicht zu teuer, weil sich kaum Touristen hierher verirren. Es ist ganz schön frisch draußen, San José liegt 1170 Meter über dem Meeresspiegel.

Die Innenstadt ist am Samstagvormittag richtig voll. Vor dem beeindruckenden Nationalmuseum, das unserem Restaurant vom Vorabend gegenüber liegt, fallen große Skulpturen in schwarz und weiß auf. Bis Mitte Juli läuft eine Ausstellung des Bildhauers Jorge Jiménez Deredia, der in Costa Rica geboren wurde und viele Jahre in Florenz lebte und arbeitete. Dort entdeckte er seine Begeisterung für Carrara-Marmor. Alle weißen Skulpturen sind aus diesem Material, die schwarzen aus Bronze. Ein zentrales Thema zieht sich durch alle hier ausgestellten Werke: die Kugel. Mehr als 350 Steinkugeln in der Größe vom Tennisball bis zu 2 Metern Durchmesser, vermutlich aus der Zeit von 600 bis 1200 n. Chr., wurden in verschiedenen Teilen des Landes gefunden und in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen.

Vor dem Nationalmuseum steht eine aus Glas und Stahl konstruierte Kugel um eines dieser merkwürdigen Fundstücke angemessen zu präsentieren. In der ganzen Innenstadt sind 27 Skulpturen von Deredia aufgestellt. Überall stehen Menschen davor und lassen sich fotografieren.

Kunst scheint in San José überhaupt eine große Rolle zu spielen, immer wieder fallen uns in dieser Stadt moderne Skulpturen auf. Doch die Hauptstadt hat durchaus ihre Probleme, viele Menschen leben auf der Straße. Wir sehen, wie sie sich am Abend auf ein paar Kartons legen und sie am Morgen zusammenfalten, um sie für die nächste Nacht aufzubewahren. In der Fußgängerzone sind Geschäfte         mit aktueller Mode, rund um die 140 Jahre alte Markthalle kleine Buden. Die Markthalle selbst hat ihre beste Zeit hinter sich, trotzdem kann man sich ihrer Faszination nicht entziehen. Mehr als 200 Marktstände sind in diesem Gebäude untergebracht. Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Wurst und Käse erwartet man ja auf einem solchen Markt.

Aber hier gibt es noch viel mehr, Ledersättel, Schuhe, Kräuter, Blumen, Kleider, Andenken und über allem hängt der Duft nach Gekochtem und Gebratenem. Und die Marktbesucher scheinen alle hungrig zu sein, denn überall wird geschmaust.

Wir laufen durch Parks, sehen uns Kirchen an, von denen uns die Nuestra Senora de la Merced (liebe Frau der Barmherzigkeit) besonders gut gefällt: Die bemalten Säulen im Inneren und das Dach, das wie ein umgedrehtes Schiff aussieht, haben einen ganz besonderen Zauber. Dagegen wirkt die Kathedrale auf uns kalt und abweisend. Neben der Kathedrale eine große Marmorstatue von Deredia, die den polnischen Papst Johannes Paul II. darstellt.

Roland hat eine geschickte Art, die Gäste des kleinen Hotels zusammen zu bringen. Er macht uns mit Andreas aus Hameln bekannt, einem Weltreisenden, der schon jahrelang unterwegs ist und noch lange nicht an eine Rückkehr nach Deutschland denkt. Andreas hat viel erlebt und kann darüber so spannend erzählen, dass wir bis weit nach Mitternacht zusammen sitzen. Zwischendurch zeigt er uns ein paar seiner großartigen Tierfotos. Vögel und Schlangen sind seine Favoriten in Costa Rica. Um zu solchen Aufnahmen zu kommen, sitzt er stundenlang auf einem Fleck.

Am Sonntag sind die meisten Geschäfte geschlossen. Wir nehmen uns die Stadtviertel Otoya und Amón vor, die besonders hübsch sein sollen. Bemalte Wände und schöne Villen erwarten uns in den Vierteln und weil wir schon in der Nähe sind, besuchen wir auch gleich den Parque Zoológico y Jardin Botánico Nacional Simón Bolivar.

Vor 100 Jahren angelegt, hat sich die Vegetation zu einem kleinen Dschungel entwickelt. Die Vorstellung von Wildnis wäre fast perfekt, wenn sich der Fluss direkt daneben sauber und ohne Müll zeigte. Man würde sich nicht wundern, wenn einem jetzt irgendwelche Tiere vor die Füße laufen würden. Doch die sind in viel zu kleinen Anlagen und Käfigen untergebracht. Für die zeitgemäße Unterbringung ist kein Geld da. Der Zoo arbeitet eng mit der hiesigen Universität zusammen und hat in der Aufzucht verwaister oder gefährdeter heimischer Tiere einige Erfolge vorzuweisen. Jaguar und Ozelot sind hier ebenso zu sehen, wie viele Vögel. Verschiedene Tukane können wir heute ausgiebig betrachten, und Eulenarten gibt es hier, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Unsere Gefühle bewegen sich zwischen Faszination und Abscheu. Gerade Vögel in Käfigen und Volieren haben immer etwas trauriges. Wenn man sie wie wir in ihrem natürlichen Lebensraum gesehen hat, möchte man sie am liebsten alle freilassen. Bei den Giftschlangen hält sich mein Mitgefühl eher in Grenzen. Ein einsamer Tapir lebt auch hier, er teilt sich das Wasserbecken mit mehreren Krokodilen. Ein eisernes Gitter verhindert, dass beide Arten sich zu nahe kommen.

Bevor wir San José am Montag verlassen, gehen wir noch zur Hauptpost. Unsere Koffer sind zum platzen voll, und wir wollen unsere Einkäufe und ein paar überflüssige Dinge per Paket nach Deutschland schicken. Kartons gibt es hier nicht zu kaufen, aber der Mitarbeiter zaubert von irgendwo einen herbei, wir packen ein, er klebt zu. Das Porto ist für 4,5 kg recht teuer, aber wenn man für Übergepäck beim Fliegen zahlen muss, geht das auch ganz schön ins Geld. Jetzt hoffen wir, dass wir dieses Mal mehr Glück haben mit dem Versand. Roland hat uns versichert, dass seine Pakete in die Schweiz immer angekommen sind. Dann wollen wir mal hoffen, dass das bei uns auch klappt.

Manuel Antonio und die Halbinsel Osa (Costa Rica)

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Der Nationalpark Manuel Antonio – an der Pazifikküste bei Quepos gelegen – ist unser nächstes Ziel. Die Straße führt durch üppig grüne Landschaft. Zum Glück hat man sich nach der Abholzung von 80 % des Regenwaldes in den 70er und 80er Jahren besonnen und heute sind nach Aufforstung wieder 50 % des Landes, das etwas größer ist als die Slowakei, von Wald bedeckt. Plantagen für das weltweit begehrte Palmöl sind dazwischen auch immer wieder zu entdecken. Die Regierung hat 27 % der 51.000 km² des Landes unter Naturschutz gestellt. Aber eine weitere Entscheidung macht mir dieses Land so überaus sympathisch: Seit 1948 gibt es kein Militär, die gesparten Kosten werden für Bildung und Gesundheit ausgegeben. Ein Resultat ist sicherlich, dass der 5 Millionen Einwohner Staat die höchste Alphabeti- sierungsrate Mittelamerikas und mit ca. 750 US$das zweithöchste Durchschnittseinkommen pro Kopf in Mittelamerika hat.

Der Bus fährt die 111 Kilometer bis zum Eingang des Nationalparks in 3,5 Stunden. Ein paar Minuten davon entfernt liegt unser Hostel mit schönen Zimmern und einem kleinen Pool. Und in fünf Minuten sind wir Strand, wo die Wellen in schöner Regelmäßigkeit die Badenden umwerfen. Zum Glück sind kaum Steine im Wasser und der Sand ist fein und weich. Was für eine Kraft die Wellen schon bei ein bis zwei Metern Höhe entwickeln, kaum ein Bikinioberteil bleibt an seinem Platz. Da fühle ich mich in meinem Badeanzug etwas sicherer. Später unter der Dusche fällt jede Menge Sand heraus, wie der wohl darein gekommen ist.

Um den Parkeingang herum sind in den letzten Jahren Hotels, Hostels, Läden und Restaurants entstanden. Tagsüber kommen noch die mobilen Händler dazu. Wir staunen nicht schlecht, als wir am Morgen ein Lokal zum frühstücken suchen, hier war doch gestern Abend absolut nichts los. Jetzt kann man sich hier alles mögliche kaufen und zwischendrin laufen etliche Männer mit einem Spektiv  auf einem Stativ herum und bieten Führungen durch den Park an.

Die meisten Lokale haben nur halbhohe Wände und ein Dach. Kalt wird es hier nie, und vor dem häufigen Regen ist man ausreichend geschützt. Wir können beim frühstücken wunderbar Vögel beobachten. Zwei schwarze Vögel mit leuchtend rotem Rücken fliegen in den nahe stehenden Baum. Ein Stück weiter bauen zwei Maskentyranne am Stamm einer Palme unter den verwelkten Blättern eines Epiphyten (Aufsitzerpflanze) ein Nest. Die Vögel schleppen lange Halme heran und stopfen und polstern eifrig.

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Plötzlich kommt ein Swainson-Tukan mit dem gelb/kastanienbraunen Schnabel angeflogen, ein zweiter bleibt ein Stück weiter im hohen Baum hinter der Palme. Aufmerksam beobachten die Vögel die fleißigen Nestbauer, dann nähert sich einer. Tapfer versuchen die viel kleineren Vögel den Tukan zu vertreiben, aber wehrt sie mit mehreren Flügelschlägen ab.

Mal mit dem rechten dann mit dem linken Auge schaut er in das Nest und beginnt dann, es mit seinem Schnabel zu zerstören. Glück für die Maskentyranne, sie waren noch in der Bauphase und haben keine Jungen im Nest. Auf die hat es der Tukan nämlich abgesehen. Meist ernährt er sich von Früchten, aber gerade diese Art ist ein berüchtigter Nesträuber. Ich habe die Kamera dabei und drücke im richtigen Moment auch auf Videoaufnahme. Dass ich später aus Versehen den Film lösche, ihn aber mit einem Spezialprogramm rekonstruieren kann, ist eine andere Geschichte.

Um sieben Uhr gehen wir in den Nationalpark. Am Eingang werden die Taschen kontrolliert. Wasser, Sandwich und Früchte sind erlaubt, Nüsse, Kekse und andere Süßigkeiten verboten. Die Mitarbeiter, die jeden Rucksack und jede Tasche kontrollieren, müssen sich manches Mal ganz schön was anhören. Die jungen Männer und Frauen bleiben freundlich aber bestimmt. Es gab wohl immer wieder unvernünftige Besucher, die Tiere mit Gebäck usw. anlockten, daraus hat die Parkleitung Konsequenzen gezogen.

Obwohl um diese Zeit die großen Busse noch nicht eingetroffen sind, ist es ganz schön voll. Wie mag das wohl erst in der Hauptsaison aussehen? Es gibt betonierte und naturbelassene Wege. Der Park ist gut beschildert und mit Informationstafeln ausgestattet. Eigentlich erwartet man ja, das Menschen sich bei der Tierbeobachtung ruhig verhalten, aber hier schallen laute amerikanische Rufe durch den Urwald: „Oh nein – das kann ich nicht glauben – wie wunderschön – oh mein Gott!“ Bestimmt haben sie ein Faultier entdeckt, vielleicht so gar mit einem Jungen oder gar Zwillingen. Wir nähern uns der begeisterten Gruppe und sehen – einen Frosch.

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Heute ist uns das Glück hold und wir können Faultiere, Waschbären, Agutis, Rehe, drei verschiedene Affenarten, Schmetterlinge und jede Menge Blattschneiderameisen beobachten. Die machen sie es sich leicht und nutzen die angelegten Wege, Stufen und Geländer, um die geernteten Blätter auf schnellstem Wege zu ihrem Bau zu befördern.

Nach ungefähr zwei Kilometern hat man die meisten Besucher hinter sich gelassen. Die geführten Touren dauern zwei Stunden und so weit laufen die Führer mit ihren Gruppen nicht. Nur zwei Frauen in Rollstühlen sind auf den gut angelegten Wegen noch unterwegs. Zu der verlockend aussehenden kleinen Bucht wollen sie dann aber doch nicht, zu steil der Weg, den sie ja auch wieder zurück müssen.

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Wir ziehen gerade hinter einem Felsen Badesachen an, als ich das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Ein über einen Meter langer Leguan liegt direkt neben uns auf dem Felsen und sonnt sich. Nach und nach entdecken wir noch andere. Im Schatten der Bäume machen wir eine lange Pause. Der Wind in den Bäumen und das Rauschen der Wellen haben eine einschläfernde Wirkung.

Sieht harmlos aus ist aber giftig
o.: Wer hat den Rest des Leguans?
u.: Eisiedlerkrebse mögen Bananen

Auf dem Weg zum Aussichtspunkt La Cathedral geht es über Stufen ständig bergauf. Wir beschließen, nur die kurze Runde zu gehen. Die richtige Wahl, denn kurz darauf beginnt es heftig zu regnen. Wir stellen uns eine Weile unter, beschließen dann aber trotz des Regens weiter zu laufen. Das war die richtige Entscheidung, denn es regnet bis weit in den Abend hinein und der Park wird um 16 Uhr geschlossen. Nass bis auf die Haut kommen wir im Hostel an. Hier gibt es die Regelung, dass auf der überdachten Terrasse keine Kleidungsstücke liegen dürfen. Die Wäscheleinen hinter dem Pool im Freien sind jetzt auch keine Lösung. Wir legen alle Sachen auf den Fußboden, stellen Klimaanlage und Ventilator an und am nächsten Morgen sind sogar die Sportschuhe fast trocken.

Der Bus nach Puerto Jiménez auf der Halbinsel Osa fährt nicht am Busterminal in Quepos ab, sondern von dem weit außerhalb liegenden Hospital. Außer einer halb zusammengebrochenen Haltestelle gibt es dort nichts, weder einen Kiosk in dem man Fahrkarten kaufen kann, noch irgendeine Information. Eine junge Französin will auch in unsere Richtung. Sie hat am Vortag in Quepos Tickets gekauft und meint, dass wir eine falsche Information haben. Als nach 20 Minuten ein Bus hält, der die Stadt David in Panama anfährt, fragen wir nach unserem Zielort. Der Busfahrer bietet an, uns nach Golfito mitzunehmen, von dort kann man mit einem Boot übersetzen. Besser als die Ungewissheit ist das alle Mal. Man merkt immer wieder, Costa Rica ist kein Backpacker-Land. Hierher kommen meist organisierte Reisegruppen oder Individualreisende mit PKW. Richtige Auskünfte oder etwa Fahrpläne im Internet – Fehlanzeige.

Unterwegs fällt dem Busfahrer ein, dass es für uns viel zu gefährlich sei, mit dem Boot zu fahren. Er lässt uns in Piedras Blancas aussteigen. „Der Buss nach Puerto Jiménez kommt bald,“ verspricht er. Piedras Blancas hat eine Tankstelle, zwei Lokale und fünf Häuser. Erstaunlicherweise gibt es sogar ein Wartehäuschen aus vier Stämmen, drei Brettern und Palmwedeln. Malerisch ist es, aber nicht dicht. Als es anfängt zu schütten, drängen wir uns mit den anderen Passagieren in der Mitte zusammen. Eine Stunde später kommt tatsächlich ein Bus, sogar ein ganz moderner. Die Strecke um die Bucht herum ist wunderschön. Auf Osa liegt der Nationalpark Corcovado, der der tierreichste des ganzen Landes ist. Wir erreichen unser Ziel kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Vom Busbahnhof sind es nur ein paar hundert Meter bis zu unserem Hotel. Wir bekommen ein großes sauberes Zimmer mit zwei Betten und zwei Ventilatoren. Gleich um die Ecke ist eine Pizzeria. Die Pizza schmeckt wirklich gut, aber die Limetten-Basilikum-Limonade toppt alles, was wir bisher getrunken haben.

Der Besuch des Nationalparks ist mit Schwierigkeiten verbunden. Morgens um sechs Uhr fährt der Bus. Von der Haltestelle führt ein Fußweg 3,5 Kilometer bis zum Parkeingang. Die Tour durch den Park ist angeblich nur mit Führer möglich und dauert 5 Stunden. Zu anstrengend und zu teuer, wir verzichten. Wir fragen unseren Hotelbesitzer, ob er schon mal einen Jaguar im Park gesehen hätte. Dort nicht, aber hier in der Stadt. Als er abends seine Eltern nach Hause begleitete, stand einer keine 50 Meter vom Haus entfernt auf der Straße.

Abendstimmung in Puerto Jiménez

Immer wieder regnet es in den nächsten Tagen, aber in den trockenen Stunden laufen wir bei Ebbe am Strand entlang, entdecken einen Park und die „Werkstatt“ von Blattschneiderameisen. Sie haben einen großen Busch besetzt und zerlegen kunstvoll die Blätter in fingernagelgroße Stücke. Die liegen als kleiner Hügel auf dem Boden und werden nach und nach von großen Kolonnen abtransportiert. Wir folgen dem Weg über fast 100 Meter. Diese Organisation und Effizienz ist bewundernswert.

Wir sind in einem Wohnpark gelandet, geschmackvolle Häuser stehen weit von einander entfernt im dichten Grün, die Anlage wirkt richtig einladend. Reinkommen war leicht, aber der Ausgang ist nicht zu entdecken. Ein junger Mann begleitet uns zu einem Pförtnerhäuschen, wo man uns ohne Probleme neben der Rollbahn des kleinen Flughafens wieder heraus lässt.

Am frühen Morgen und am frühen Abend erfüllt ein Gekreische die Luft. Große Schwärme grüner Papageien fliegen nach einem Tag am Meer abends zurück in den Urwald. Die Nachzügler sind immer paarweise unterwegs. Zweimal sehen wir sogar die auffälligen rotbunten Aras, die größten in der Papageienfamilie.

Es regnet mal wieder und wir liegen bei geöffneter Tür auf dem Bett, als das plötzlich zu schwanken beginnt. Wahrscheinlich nur ein paar Sekunden – mir kommt es wie eine Minute vor – dann ist es vorbei. Ein Erdbeben! Die Hotelbesitzer kommen angelaufen und fragen: „Habt ihr das gespürt?“ Sie erzählen uns, dass gestern die Brüllaffen schon so unruhig gewesen seien, ein Vorzeichen. Wir waren beim Beben so verblüfft, dass wir gar nicht reagieren konnten. Genau das hat uns auch Roland in San José erzählt. Während er sich noch in seinem Sessel aufrichtet und fragt: „Was war jetzt das?“ steht seine aus Costa Rica stammende Frau schon auf der Straße. Costa Rica liegt in einer sehr aktiven Zone, deshalb baut man schon seit langer Zeit „erdbebensicher.“

Kurz darauf melden die Nachrichten ein Erdbeben mit einer Stärke von 6,1. Das Epizentrum lag an der Grenze zwischen Costa Rica und Panama, rund 30 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Ein paar Stunden später kommt schon eine Mail von einer besorgten Freundin, woraufhin wir unsere Familie per Whats-App beruhigen, die gar nicht beruhigt werden muss, weil sie überhaupt nichts mitbekommen hat.

o.r.: man beachte die Gangway (wahrscheinlich Maya Kultur)

Zu guter Letzt kommen wir doch noch zu unserer Bootsfahrt über den Golfo Dulce, die große Meeresbucht zwischen der Halbinsel Osa und dem Festland. Hierher kommen Buckelwale, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Bisher noch unbemerkt von den Orcas, die besonders gerne Jagd auf Walkälber machen. Auch Delfine lieben diese Bucht, doch wir bekommen während der Überfahrt keinen dieser Meeresbewohner zu Gesicht. Die Fahrt durch die Bucht lohnt sich trotzdem.

In Golfito teilen wir uns mit zwei anderen Personen ein Taxi bis zur 40 Kilometer entfernten Grenze nach Panama. Die Bequemlichkeit ist mit 6 US$ pro Person nicht zu teuer bezahlt.

Panama Stadt und Land

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Der Taxifahrer bringt bis zur Grenze in Costa Rica. Kaum sind wir ausgestiegen, kommt ein Mann auf uns zu und bietet seine Hilfe an. Es sei seine Aufgabe, Touristen beim Grenzübergang behilflich zu sein, behauptet er. Auf sein Angebot, unsere Koffer zu ziehen, gehen wir gar nicht erst ein. Vor dem Ausreiseschalter stehen drei Personen, er führt uns zu einem Nebenschalter, wo wir direkt an die Reihe kommen. Danach zeigt er uns den Einreiseschalter in Panama und danach den Bus nach David. Dort fordert er plötzlich 20 US$ für seine Hilfe. So haben wir nicht gewettet, all das hätten wir auch ohne seine Hilfe geschafft. Er bekommt ein kleines Trinkgeld und zieht schimpfend davon.

David ist nicht schön aber groß, die drittgrößte Stadt in Panama. Vor der Fahrt nach Panama City wollen wir noch einmal übernachten. Unser Zimmer hat schon bessere Zeiten gesehen, dafür schmeckt das Essen im nahe gelegenen Restaurant so richtig gut.

Wir erwischen den 10 Uhr Bus nach Panama Stadt so gerade noch. Die Zeit ist zu knapp, eine Fahrkarte zu kaufen, wir bekommen aber zwei Platzkarten ausgehändigt und bezahlen einfach später während der Fahrt. Unsere Mitreisenden haben große Taschen dabei, obwohl die Staufächer unter dem Fahrgastraum liegen. Reiseprofis, wie sich herausstellt. Sie haben Mützen, Schals, Steppjacken und Wolldecken dabei. Draußen haben wir 30 Grad, aber die Temperatur im Bus bewegt sich zwischen 14 und 16 Grad. Die Klimaanlage pustet unerbittlich kalte Luft auf uns. Wir Optimisten sind in Shorts und kurzärmligen T-Shirts unterwegs. Wenigstens haben wir jeder noch ein Handtuch im Rucksack, das wir uns über die Knie legen können.

Ungefähr auf der Hälfte der 450 Kilometer langen Strecke auf der Panamerikana gibt es eine Pause zum Essen und sich draußen wieder aufzuwärmen. Die Straße führt teils durch Wald – 45 % des Landes sind davon bedeckt – und teils durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Bananen, Ananas, Mais und Reis werden großflächig angebaut. Auch in Panama gibt es Nationalparks 15 insgesamt, die zusammen 34 % der Fläche des Landes einnehmen. Während unserer Fahrt in die Hauptstadt kommen wir an keinem der Nationalparks vorbei.

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Dafür fahren wir auf der Amerika-Brücke über den Panamakanal und sehen die riesigen Krananlagen.

Der Busbahnhof liegt direkt am größten Einkaufszentrum der Stadt, vielleicht ist es auch umgekehrt. Während wir darauf warten, dass unsere Koffer ausgeladen werden, sehen wir staunend zu, wie sich vor einer der Mitreisenden ein immer größer werdender Berg Gepäck auftürmt. Koffer, Taschen, Säcke und Kartons. Es sieht aus, als hätte sie sich den Umzugswagen gespart.

Das Hotel erweist sich als Glücksgriff. Es liegt im modernen Zentrum nahe der Universität, hat acht Zimmer und wir genießen in den nächsten Tagen den schönen, ungewöhnlich großen Raum und die Dusche mit heißem Wasser.

Vier Tage bleiben uns, die reichste Stadt Mittelamerikas kennenzulernen. Die Hochhäuser unterschiedlichen Alters zeigen deutlich den wachsenden Wohlstand. Die älteren sind schlicht und grau, die neuen – teils noch im Bau befindlichen – überstrahlen mit ihren verspiegelten, teils goldenen Fassaden alles. Doch so ganz stimmig ist das Stadtbild nicht. In den Nebenstraßen kaputte Bürgersteige, geschlossene Läden, heruntergekommene Häuser und demgegenüber die glitzernde Pracht der Wolkenkratzer.

Panama Stadt hat seit 2014 eine Metro. Man kauft am Automaten für 2 $ eine Magnetkarte, lädt sie mit einem beliebigen Betrag auf und kann für 0,25 $Cent beliebig viele von insgesamt 14 Stationen fahren. Ein- und Ausgänge sind mit Schranken gesichert und öffnen sich nur nach Auflegen der Magnetkarte. So eine Karte kann auch von mehreren Personen genutzt werden und sie gilt auch für die Busse. Wir fahren bis zum Busterminal/Einkaufszentrum und steigen dann in einen Bus zur Miraflores-Schleuse am Panamakanal. Vorn beim Fahrer befindet sich ein Drehkreuz, erst wenn die Magnetkarte vor das Erfassungsgerät gehalten wird, löst sich die Sperre. Wir haben bereits die halbe Strecke zurück gelegt als ich feststelle, dass der Fotoapparat noch zum Aufladen am Kabel im Hotelzimmer liegt. Ärgerlich, jetzt müssen die Handys einspringen.

Der Panamakanal ist ein technisches Meisterwerk, die Idee dahinter schon ein paar hundert Jahre alt. Erst 1880 begannen französische Fachleute, die Idee in die Tat umzusetzen, es gab gute Erfahrungen mit dem Suezkanal. Eine Wasserstraße quer durch Panama – das noch zu Kolumbien gehörte – würde die Umrundung des gefährlichen Kap Horn überflüssig machen, eine Ersparnis von 15.000 Kilometern. Allerdings hatte man wohl den Unterschied zwischen Wüste und Regenwald nicht hinreichend bedacht. Ungeahnte Probleme durch die geologischen Gegebenheiten und der Tod von über 20.000 Arbeitern durch Malaria und Gelbfieber ließen die Franzosen aufgeben. Das war die Stunde der Amerikaner. Panama erklärte 1903 die Unabhängigkeit von Kolumbien und schloss einen Vertrag mit der USA zu unfassbar günstigen Bedingungen. Die Amerikaner bekämpften zuerst das Gelbfieber, bevor sie die Bauarbeiten weiterführten. 1914 konnte das erste Schiff den Kanal mit seinen drei ausgeklügelten Schleusensystemen passieren. Bis 1999 war der Kanal mit einer 5 Meilen Schutzzone und einem Militärstützpunkt Eigentum der USA.

Danach ging es mit der Wirtschaft des Landes aufwärts. Für die Durchfahrt werden sechsstellige Beträge fällig. Die Erweiterung des Kanals war durch die immer größer werdenden Containerschiffe nötig und ist seit 2016 fertiggestellt. Dadurch konnten die Einnahmen noch einmal erhöht werden. Weitere Gelder fließen durch die Zulassung von Schiffen in die Staatskasse, weltweit fährt jedes 5. Schiff unter panamaischer Flagge.

Die Miraflores-Schleuse am alten Kanal hat ein Besucherzentrum mit Museum. Während der Mittagspause haben wir ausreichend Zeit, den Informationsfilm und die Ausstellung zu besuchen. Vormittags fahren die Schiffe zum Atlantik, nachmittags zum Pazifik. Von der Besucherterrasse kann man genau beobachten, wie die Schiffe in die Schleuse gezogen werden. Sobald sie die Kammer erreichen übernehmen Treidellokomotiven links und rechts die Aufgabe. Wir sind so nah dran, dass man den Menschen auf dem Schiff in die Augen blicken kann. Sehr eindrucksvoll.

Während wir auf den Bus zurück in die Innenstadt warten, beginnt es leicht zu regnen, so dass wir mit feuchter Kleidung am Busterminal ankommen. Ausgehungert laufen wir ins große Einkaufszentrum, wo auch alle möglichen Lokale zu finden sind. Die Temperatur ist auf lauschige 15 Grad eingestellt. Wir müssen wählen zwischen verhungern und erfrieren. Wir entscheiden uns für verhungern, nehmen die Metro bis zu unserem Hotel und genießen eine heiße Dusche, bevor wir uns ein Restaurant in der Nähe suchen.

Panama Stadt hat zwei Altstadtviertel, Panama la Vieja eine Ruinenstadt, die 1671 von englischen Piraten zerstört und Casco Viejo, das danach 18 Kilometer weiter südwestlich auf einer Landzunge neu errichtet wurde. Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts ist Casco Viejo Weltkulturerbe und der Spaziergang durch Gassen und Straßen beschert immer wieder neue schöne Eindrücke. Zum Glück ist es nicht nur touristisch, es leben auch noch „normale Menschen“ hier. Die meisten Gebäude sind wunderschön restauriert, in bunten Farben gestaltet und geben Restaurants und Geschäften den passenden Rahmen. Wir essen in einer Brauereigaststätte und trinken ein herrlich fruchtiges Mango-Weizenbier.

Die Rückfahrt führt uns dann durch ein heruntergekommenes Viertel. Selbst im Taxi fühlt man sich hier nicht wohl, ich mag mir das Elend bei Tageslicht kaum vorstellen.

Am letzten Tag in der Hauptstadt fahren wir mit der Metro bis zur Station 5 de Mayo. Ganz in der Nähe ist der Fischmarkt. Als wir aussteigen ist die Sonne verschwunden und es regnet heftig. Das Gedränge in der U-Bahn-Station ist so groß, dass wir 100 Meter weiterlaufen bis zu einem überdachten Platz unterhalb der auf Stelzen gebauten Hochstraße. Jedes Mal, wenn oben ein Bus oder ein LKW durch die Pfützen fahren, ergießt sich ein Wasservorhang auf die Straße darunter. Meistens auf die Autos, ab und zu auf ein paar eilige Fußgänger, die es danach noch eiliger haben. Obwohl in Panama und auch Costa Rica eine große Anzahl von Luxuskarossen unterwegs sind, haben wir nicht ein einziges Cabrio gesehen.

Wir fragen mehrere Menschen nach dem Weg zum Fischmarkt und bekommen genauso viele unterschiedliche Auskünfte. Google Maps zeigt uns einen Weg, der eine 2 Kilometer-Schleife macht, um dann das 300 Meter Luftlinie entfernte Ziel anzuzeigen. Endlich erbarmt sich eine Frau, sie will auch zum Fischmarkt, wir sollen ihr nur folgen. Unter der Hochstraße laufen wir entlang, überqueren eine Straße und sind da. Das Angebot ist nicht so überwältigend, wie wir es schon in anderen Städten gesehen haben. Erstaunlich, dass Fisch der ohne Pflege im Meer lebt und sich selbst ernährt, teurer ist als das beste Fleisch. Rund um den Fischmarkt haben sich ca. 30 Lokale angesiedelt, die den Tagesfang in verschiedenen Zubereitungsarten anbieten. Ceviche steht bei allen auf der Karte. Gar nicht so einfach, sich hier durchzuarbeiten, ausnahmslos alle wollen uns in ihrem Lokal haben.

Am Ende stoßen wir auf eine Meeresbucht, in der die Fischerboote angelegt haben. Die Eingänge zur Großmarkthalle direkt daneben sind von Wachleuten blockiert. Nachdem wir dort mit einem Mann ins Gespräch gekommen sind, folgen wir ihm zu seinem Lokal. Das Essen ist gut, der Fisch definitiv super frisch, aber doch recht teuer.

Den Rückweg laufen wir über die 4 Kilometer lange Promenade in die Innenstadt. Natürlich öffnet der Himmel wieder seine Schleusen und wir flüchten tropfend in ein Einkaufszentrum, das wir genauso schnell auf der anderen Seite wieder verlassen. Wir beginnen jämmerlich zu frieren und sind froh, draußen ein überdachtes Café zu finden, wo wir bei einer Tasse Kaffee aufhören zu zittern.

Am nächsten Tag lassen wir uns zum Flughafen fahren, um Panama auf dem Luftweg zu verlassen. Kolumbien ist auf dem Landweg nicht zu erreichen, undurchdringlicher Dschungel liegt auf beiden Seite der Grenze zwischen beiden Ländern.

Panama ist schön, aber eins muss ich feststellen: „Janosch hat gelogen, das Land riecht nicht nach Banane, nirgends.“

Cartagena, Karibikstrand und Minca (Kolumbien)

Am internationalen Flughafen Panama müssen Passagiere selbst tätig werden, Bord-Karte und Kofferband druckt man sich selber aus und geht damit zum Schalter. Nur eine gute Stunde dauert der Flug von Panama in die Hafenstadt Cartagena in Kolumbien. Das erste Mal seit Jahren erleben wir wieder, wie sich die Anspannung der Passagiere nach der Landung in lautem Klatschen löst. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, ein Hoch auf den Piloten.

Dieser Flughafen ist noch nicht voll automatisiert, Gangway und Bus statt Rüssel. Bei der Einreisekontrolle wird zwischen Kolumbianern und Ausländern unterschieden. „Kolumbianer?“ „Nein.“ „Dann bitte dort entlang.“ Doch hier kassieren wir einen Rüffel. Streng werden wir gemustert und angeherrscht,dass wir uns falsch angestellt hätten. Widerspruch zwecklos. Wir bekommen trotzdem unseren Einreisestempel von dem mürrischen Grenzbeamten.

Das Gepäck kreiselt schon auf dem Laufband und ruck-zuck sind wir draußen und sitzen im Taxi.

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Wir fahren am Meer entlang, wo sich heute am Sonntag viele Menschen am karibischen Strand aufhalten. Hier gibt es kleine U-förmige Stoffhütten statt Sonnenschirmen.

Das Taxi kann uns nicht direkt zum Hotel bringen, weil sonntags das Viertel Getsemani, das direkt an das historische Viertel grenzt, für Autos gesperrt ist. Der Fahrer deutet wage in eine Richtung und wir ziehen los und biegen um die nächste Ecke.

Hier wäre er auch garantiert nicht durchgekommen. Mitten auf der Straße haben die Anwohner ein quadratisches Planschbecken aufgestellt. Frauen liegen bequem im Wasser, während die Kinder um sie herumwuseln und sich gegenseitig nass spritzen, die Mütter bleiben dabei völlig gelassen.

Die Häuser zeigen nach außen ihre abweisende Seite. Sie grenzen direkt an den Bürgersteig und sind in verschieden Farben gestrichen, viele sind auch mit bunten Bildern geschmückt oder blühenden Bougainvilleen berankt. Die Fenster sind zur Straße mit Holzgittern gesichert. Als wir die hohe massive Holztür zu unserem Hotel öffnen, sehen wir sofort den schönen begrünten Innenhof.

Die interessantesten Ecken der Millionenstadt können wir zu Fuß erreichen. Im Land des Kaffees müssen wir natürlich sofort ein Café aufsuchen und bekommen wirklich einen sehr aromatischen starken Kaffee vorgesetzt.

Der nächste Geldautomat ist in der Nähe des Castillo San Felipe zu finden. Die mächtige Festung thront auf einem Hügel und wurde kurz nach der Stadtgründung 1533 errichtet. In Cartagena lagerten große Mengen Gold und Silber, die alle möglichen Menschen in ihren Besitz zu bringen versuchten. Die Festung hat ein ausgeklügeltes Tunnelsystem, das den Bewohnern Rückzugsmöglichkeiten und Verstecke bot und für Eindringlinge ein gefährliches Labyrinth war, in dem sich nicht wenige verirrten. Die Festung schützte die mit einer imposanten Mauer umgebene Stadt Jahrhunderte lang vor Eindringlingen.

Die Statue in der Nähe des Eingangs zeigt Admiral Blas de Leo, dem es 1741 gelang, mit 3.000 Mann und 6 Schiffen einen Angriff der Engländer mit 23.000 Mann und 186 Schiffen abzuwehren. Das allein ist schon beeindruckend, denn Blas de Leo war quasi ein halber Mann: einäugig, einbeinig und einhändig!

Die Altstadt innerhalb der 13 Kilometer langen und über 400 Jahre alten Mauer gehört zu den schönsten Kolonialstädten Südamerikas und ist UNESCO Weltkulturerbe. Die an manchen Stellen 30 Meter breite Mauer besitzt fenstergroße Nischen an der Außenseite, in denen tagsüber die Liebespärchen turteln und nachts die Obdachlosen schlafen. Auch Spaziergänge auf der Mauerkrone sind beliebt.

Das Haus von Gabriel Garcia Marques, dem größten Schriftsteller des Landes, ist auch innerhalb der Mauer zu finden. Natürlich erkunden auch wir die Altstadt und ja, sie ist schön und nein, richtig wohlgefühlt haben wir uns hier nicht. Was schön ist, zieht Touristenmassen an und damit beginnt auch schon der Teufelskreis. Pferdekutschen, Taxis und Lieferfahrzeuge quetschen sich durch die engen Straßen. Wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt, fluten tausende zusätzliche Touristen die engen Gassen.

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Am Hafen erscheinen wie aus dem Hut gezaubert als Sklaven verkleidete Menschen mit Ketten an den Beinen und Frauen in karibischer Tracht, um sich gegen Geld fotografieren zu lassen. Dazwischen laufen immer wieder Männer herum, die ein gelbes Plakat mit einer riesigen Ameise (?) herumtragen. Unzählige Verkäufer bieten Sonnenbrillen, Sonnenhüte, Kleidung, Uhren, Schmuck etc. an. Wir finden es nervig, kaum ist der erste Hutverkäufer erfolglos abgezogen, steht schon der nächste vor uns. Das zieht sich durch die gesamte Altstadt. Wir sind so mit abwimmeln beschäftigt, dass es unsere Besichtigungsfreude trübt. Man kann nicht vor einem Schaufenster stehenbleiben und sich die elegante Kleidung, Kunstgewerbe oder Smaragdschmuck anschauen, ohne dass man fast am Arm in den Laden gezogen wird. Unmöglich an einem Lokal vorbei zu kommen, ohne dass man eine Speisekarte vor die Nase gehalten bekommt.

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Und es dauert lange, bis es gelingt, die Statue der ruhenden Dame von Botero zu fotografieren, ohne das jemand mit der Hand auf ihrem Busen – wie originell – darauf wartet, abgelichtet zu werden.

Eine Stadtrundfahrt bringt uns auch in weiter entfernte Viertel, Boccagrande zum Beispiel, die Halbinsel mit den modernen Hotels. In einem von ihnen hat sogar mal US-Präsident Clinton genächtigt, darauf ist man hier sehr stolz. Der Stadtteil Manga ist der bevorzugte Wohnort der Reichen und Wichtigen von Cartagena und in San Francisco leben die Armen, die mit allen möglichen Verkäufen oder mit Betteleien ihren Lebensunterhalt verdienen.

Wir sind auf der Suche nach einer Landkarte von Kolumbien. Im Einkaufszentrum nahe der Festung gibt es eine Buchhandlung, aber Landkarten werden dort nicht verkauft. Die Verkäuferin und alle, die wir sonst noch fragen, haben auch keine Ahnung, wo es so etwas geben kann. In Boccagrande steht das größte und modernste Einkaufzentrum der Stadt. Hier gibt es nicht mal eine Buchhandlung. Wir werden auf den Centenario Park verwiesen, in dem Antiquariate dicht an dicht stehen, prall gefüllt mit alten Büchern.

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Aber auch hier bekommen wir das Gewünschte nicht. Offenbar wird in Kolumbien nicht viel gelesen, und wer braucht schon Landkarten.

Getsemani gefällt uns unglaublich gut. Das quirlige Viertel wirkt authentisch, denn hier leben noch viele Einheimische. Überall gibt es Street-Art zu bewundern und jeden Abend versammeln sich Bewohner des Viertels und Touristen auf dem halbrunden Platz vor der Holy-Trinity-Kirche und genießen kostenlose Musik- und Tanzdarbietungen.

viele kleine Gassen

überall Wandmalereien

Regelmäßig finden sich auch Händler ein und bieten Obst, Schmuck, Textilien und die unvermeidlichen Hüte an.

Wir wollen eine Woche am karibischen Meer östlich von Cartagena ausspannen und nehmen einem Shuttlebus der über Barranquila und Sant Marta dorthin fährt. Hinter der großen Hafenstadt Barranquilla (Geburtsstadt der Sängerin Shakira) führt die Straße über eine Nehrung. Zur Seeseite hin gedeihen unzählige imposante Kakteen, doch der Blick zur Lagune hin zeigt inmitten von Müllbergen die erbärmlichsten Elendsquartiere, die wir bisher auf dieser Reise gesehen haben.

Kilometerlange Bananenplantagen sind links und rechts der Straße zu sehen. Unser Ressort, das zu Beginn der Regenzeit mit dem unschlagbaren von Argument 79 % Rabatt überzeugt,  liegt östlich vom Tayrona Nationalpark am Strand, 1,5 Kilometer von der Hauptstraße entfernt. Verstreut auf einem riesigen Grundstück stehen einige Bungalows, etliche Kokospalmen, Bäume und blühende Sträucher. Eine Woche lang nur faulenzen, schwimmen, spazieren gehen und lesen.

Aus dem Schaukelstuhl und der Hängematte auf der Terrasse können wir Tiere beobachten. Kolibris holen Nektar aus den Blüten, Geier rasten in den Palmen, Eichhörnchen jagen sich, Schildkröten spazieren gemächlich über den Sand und abends hüpfen große Kröten über die Wege. Hunde und Katzen leben auch auf dem Grundstück und sitzen bei den Mahlzeiten neben uns, in der Hoffnung auf milde Gaben.

Während dieser Woche treffen wir andere Langzeitreisende. Das ist immer eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen, z.B. zum Thema Ansichtskarten. Nicht nur wir haben vergeblich danach gesucht. Emma aus Frankreich weiß auch die Erklärung, das Porto ist so hoch, dass kein Mensch welche verschickt. Ihre Freundin aus Paris wollte dem zurückgebliebenen Freund dann wenigstens einen Brief senden. Das Porto in Höhe von 80 US$ brachte ihren ganzen Monatsetat durcheinander.   

Außer Text zu schreiben, kann ich nicht am Blog arbeiten, das Internet ist grottenschlecht, von den Stromausfällen ganz zu schweigen.

Ein kratzendes Geräusch bei unseren Koffern alarmiert uns eines Abends. Klaus vermutet ein großes Insekt, ich etwas viel Größeres. Respektvoll nähern wir uns der Stelle, ziehen vorsichtig einen Koffer an die Seite und sehen uns einer großen blauen Landkrabbe mit wehrhaft erhobener Schere gegenüber.

Mit Hilfe des Regenschirms, der zu jedem Bungalow gehört, scheucht Klaus sie durch den aus Koffern und Rucksäcken gebildeten Gang nach draußen.

Diese Krabben leben zu Hunderten in der dunklen Erde um das Grundstück, aber auch auf dem Sandboden läuft hin und wieder eine vorbei.

Ein Krokodil wohnt in dem Bach vor dem Grundstück. Hotelgäste zeigen uns ein Foto davon. Leider haben wir kein Glück, trotz mehrfacher Besuche zeigt es sich uns nicht.

Vom Meer aus fahren wir in die Berge. Den Tayrona Nationalpark, der wunderschöne Strände hat, und den wir eigentlich besuchen wollten, haben wir nicht betreten. Warum viereinhalb Kilometer durch den Urwald laufen, wenn wir hier den Strand vor der Haustür haben.

Der Ort Minca liegt auf 600 Metern Höhe, 15 Kilometer südlich der Küstenstadt Santa Marta. Andreas, den wir in San José trafen, hat uns von der Natur vorgeschwärmt. Minca liegt auch wirklich wunderschön, ist aber längst kein Geheimtipp mehr.

Der Fluss, der über dicke Felsen plätschert, lockt uns nicht zum baden. Wir haben verschiedene Gräben gesehen, die hineinfließen, und die nicht gerade gut riechen. Auf einem Spaziergang in die Berge treffen wir Borris und Anna aus Hamburg, denen es hier so gut gefällt, dass sie ein Haus gemietet haben und zum Hostel ausbauen. Viele Reisende haben vor ihnen auch nach Möglichkeiten gesucht, sich hier etwas aufzubauen. Deshalb gibt es inzwischen Yogaschulen, Handarbeitskurse und kleine vegane oder vegetarische Lokale.

Nachdem es gestern den ganzen Tag geregnet hat, wollen wir heute eine Wanderung zu den Kaskaden machen. Der Weg ist noch richtig schlammig, hier ist nur die Hauptstraße betoniert. Merkwürdigerweise kommen nach 1000 Metern Matschweg 50 Meter perfekt gepflasterte Strecke. Danach geht es mit Pfützen weiter.

Wir bestaunen den ca. 30 Meter hohen Bambus. Ich habe Bambus immer nur mit Asien in Verbindung gebracht. Dass er auch in Mittel- und Südamerika so häufig anzutreffen ist, überrascht mich. Leider müssen wir nach gut zwei Kilometern abbrechen, die Steigung bringt mich bei über 30 Grad völlig außer Puste. Aber auf der Terrasse unseres Hostels ist es auch schön. Rundherum ist alles üppig grün. Direkt gegenüber stehen einige der unzähligen riesigen Mangobäume. Sie hängen so voller Früchte, dass man komplette Markthallen mit Mangos beliefern könnte, wenn sich nur alle ernten ließen.

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der ist noch jung (der Baum)

Die Bäume können 35 Meter hoch werden und 300 Jahre lang Früchte tragen. Auf unserer Reise haben wir tausende Mangobäume gesehen. Wenn sie voller Früchte sind, die an ca. 30 cm langen Stilen hängen, denkt man an mit Ostereiern geschmückte Bäume. Unreif sind sie grün, später gelb, orange oder rot. Neben dem Weg liegen die herunter gefallenen Früchte bergeweise herum und gammeln vor sich hin.

Und nun steht die Weiterreise nach Medellin an. Eigentlich wollen wir unterwegs nur per Bus, Bahn oder Schiff reisen, aber uns wurde erzählt, dass die Fahrt statt der genannten 15 Stunden um einiges länger ist. Ganze 25 Stunden waren Reisende unterwegs. Das würden wir niemals ohne Zwischenübernachtung machen. Die Kosten für Bus und Übernachtung sind genauso hoch, wie die für den Flug. Im Stundentakt heben die Maschinen nach Bogota oder Medellin in Santa Marta ab. Das ist wesentlich angenehmer, als zwei Tage lang im Bus zu sitzen und weitere zwei Tage mit schmerzenden Knien herumzulaufen, weil die Sitzabstände im Bus enger als in jedem Flieger sind.